TE OGH 1983/6/23 6Ob761/82

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Veröffentlicht am 23.06.1983
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Norm

ABGB §1111

Kopf

SZ 56/103

Spruch

Die Frist des § 1111 ABGB ist eine Präklusivfrist, die durch ein deklaratives Anerkenntnis dem Gründe nach nicht unterbrochen wird

OGH 23. 6. 1983, 6 Ob 761/82 (LGZ Wien 41 R 166/82; BG Döbling 4 C 1045/81)

Text

Der Kläger begehrte die Bezahlung von 704 394.75 S. Er behauptete, dieser Betrag setze sich zusammen aus den Kosten der Behebung von Schäden an einem dem beklagten Verein untervermieteten und von diesem am 28. 2. 1974 zurückgestellten Mietobjekt sowie den nicht beglichenen Gebühren für Licht, Gas und Wasser, den Ersatzbeträgen für abhanden gekommene oder vernichtete Einrichtungsgegenstände, Schadenersatzleistungen des Klägers an die Hauseigentümerin und den Kosten der Dokumentation der Schäden am Haus. Der beklagte Verein habe die Schadenersatzpflicht grundsätzlich anerkannt und auch eine Akontozahlung von 140 000 S geleistet.

Der beklagte Verein beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete Verjährung ein. Er behauptete, die Rückstellung des Mietobjektes sei bereits Ende Jänner 1973 erfolgt.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß die eingeklagte Forderung dem Gründe nach zu Recht besteht. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Zwischen den Streitteilen wurde am 22. 12. 1970 mit Wirkung vom 1. 1. 1971 ein Untermietvertrag abgeschlossen, der auf sechs Jahre befristet war. Dieses Untermietverhältnis wurde seitens des Klägers vorzeitig gekundigt und erlosch mit Wirkung vom 31. 1. 1973. Dieser Tag war von den Parteien als Termin für die Übergabe des Bestandobjektes vorgesehen gewesen. Es kam aber zu keiner Übergabe, da sich der Kläger infolge der Beschädigungen am Bestandobjekt nicht bereit fand (insbesondere da diese Beschädigungen schon längere Zeit allen Parteien bekannt waren und der beklagte Verein nichts zu deren Beseitigung unternommen hatte) und überhaupt das Objekt zu diesem Zeitpunkt infolge des Fehlens von Schlüsseln nur teilweise besichtigt werden konnte. Deshalb kam es am 31. 1. 1973 in Gegenwart des Klägers, des Notars Dr. Günther A, des Bruno F als Vertreter des beklagten Vereines und zweier Aktzeugen lediglich zu einer Protokollierung der vom Kläger festgestellten Schäden durch Notar Dr. Günther A. Gleichzeitig wurde dem Kläger der Hauptschlüssel übergeben, damit er etwas zur Beseitigung der Schäden unternehmen könne, und die Festlegung eines neuen Termins vereinbart. Am 5. 2. 1973 kam es zu einer zweiten Besichtigung des Bestandobjektes. Dabei wurden in Gegenwart von Erna R als Vertreterin des beklagten Vereines und zweier Aktzeugen von Notar Dr. Günther A die vom Kläger festgestellten Beschädigungen bzw. das Fehlen von Inventargegenständen protokolliert. Am 14. 11. 1973 kam es in der Kanzlei Dris. Walter S zu einem Informationsgespräch zwischen diesem als Vertreter des beklagten Vereines, Dr. B als Vertreter der Hauseigentümerin, dem Kläger und Rechtsanwalt Dr. Rudolf R als dessen Vertreter. Dabei kam man überein, daß der beklagte Verein dem Kläger einen gewissen Betrag zur Verfügung stelle, den dieser zur Beseitigung der Schäden und zur Zahlung für nichtreparable Schäden an die Hauseigentümerin verwenden solle. Der Kläger behielt sich die Geltendmachung der diesen Betrag übersteigenden Kosten ausdrücklich vor. Gleichzeitig wurde der 28. 2. 1974 als Stichtag für die Beendigung der Reparaturarbeiten in Betracht gezogen; man kam überein, eine Vertagung der für den 16. 11. 1973 angesetzten Verhandlung im Verfahren vor dem Bezirksgericht Döbling zu 4 C 1325/74 auf einen Termin nach dem 28. 2. 1974 zu erwirken. Am 28. 2. 1974 kam es schließlich zu einer Besichtigung und gleichzeitigen Übergabe und Übernahme des Bestandobjektes. Anwesend waren der Kläger, Dr. B für die Hauseigentümerin, Rechtsanwalt Dr. Rudolf R als Vertreter des Klägers und Dr. K von der Kanzlei Dris. S für den beklagten Verein. Vom Kläger wurde hierüber eine kurze handschriftliche Niederschrift aufgenommen.

Rechtlich vertritt das Erstgericht die Auffassung, die Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt, weil das Bestandobjekt erst am 28. 2. 1974 übergeben und die Klage am 28. 2. 1975, also innerhalb der Jahresfrist des § 1111 ABGB eingebracht worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des beklagten Vereines Folge, hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß dieses an die im Verfahren 39 f Cg 438/74 des Landesgerichtes für ZRS Wien getroffenen Feststellungen über den Zeitpunkt der Übergabe des Bestandobjektes nicht gebunden sei. Die Rechtssache sei jedoch nicht spruchreif, weil das Erstgericht keine ausreichenden Feststellungen darüber getroffen habe, wann dem Kläger vom beklagten Verein die tatsächliche Verfügungsmacht über das Bestandobjekt eingeräumt worden sei, insbesondere wann ihm sämtliche Schlüssel übergeben worden seien. Ein Bestandobjekt gelte dann als zurückgestellt, wenn dem Bestandgeber die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über den Bestandgegenstand eingeräumt werde und der Bestandnehmer die ihm gehörigen Fahrnisse vollständig aus dem Bestandobjekt entfernt habe, wozu auch die Übergabe der Schlüssel gehöre. Eine ungeachtet der Einräumung der tatsächlichen Verfügungsmacht geäußerte Erklärung des Bestandgebers, den Bestandgegenstand wegen vorhandener Schäden nicht zu übernehmen, habe auf den Zeitpunkt der Rückstellung ebensowenig Einfluß wie der Umstand, daß der zurückgestellte Bestandgegenstand nicht im vertraglich bedungenen, sondern in dem Zustand zurückgestellt werde, in dem er übernommen worden sei. Die nach den Prozeßbehauptungen des Klägers am 14. 11. 1973 getroffene Vereinbarung, wonach es der Kläger übernehme, die festgestellten Schäden zu beheben und diese Reparatur bis spätestens 28. 2. 1974 durchführen werde, sei für den Beginn des Fristenlaufes nach § 1111 ABGB ohne Bedeutung, wenn dem Kläger bereits vor diesem Zeitpunkt die tatsächliche Verfügungsmacht über das Bestandobjekt eingeräumt worden sei. Wenn die Einräumung der tatsächlichen Verfügungsmacht allerdings erst anläßlich der Besprechung vom 14. 11. 1973 oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt wäre, wäre mit dem Kläger zu erörtern, ob sein Prozeßvorbringen dahin zu verstehen sei, daß er die (restlichen) Schlüssel nur übernommen habe, um die Beseitigung der Schäden zu dem festgesetzten Zeitpunkt durchführen zu können. Treffe dies zu, dann könnte der Zeitpunkt der Rückstellung ungeachtet der tatsächlich erfolgten Schlüsselübergabe nicht vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem vereinbarungsgemäß die Schäden vom Kläger zu beheben gewesen und behoben worden seien. Die Voraussetzungen für die Fällung eines Zwischenurteiles seien im konkreten Fall schon deshalb nicht gegeben gewesen, weil keinerlei Feststellungen darüber getroffen worden seien, ob dem Kläger auf jeden Fall ein wenn auch noch so kleiner Teil des Klagsanspruches gebühre. Überdies habe sich das Erstgericht über die im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ausgesprochene Rechtsansicht hinweggesetzt, daß es sich bei der Frist des § 1111 ABGB um keine Verjährungsfrist, sondern um eine Präklusivfrist handle.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im Rahmen der allgemeinen Prüfung der in einem Aufhebungsbeschluß ausgesprochenen Rechtsansichten muß auch die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, es handle sich bei der Frist des § 1111 ABGB um keine Verjährungsfrist, sondern um eine Präklusivfrist, geprüft werden.

Lehre und Rechtsprechung sind in dieser Frage geteilter Meinung. Der OGH vertrat in seiner neueren Rechtsprechung überwiegend die Auffassung, daß die Frist des § 1111 ABGB eine echte Verjährungsfrist darstellt (SZ 23/333; SZ 41/82; SZ 42/193; MietSlg. 27 194; JBl. 1979, 37; MietSlg. 33 181 ua.). Diese Rechtsansicht wurde allerdings in der Entscheidung SZ 43/142 mit ausführlicher Begründung in Zweifel gezogen, ohne daß die Frage aber damals gegenteilig gelöst worden wäre, weil sie für die dortige Entscheidung keine Rolle gespielt hatte. In der Entscheidung MietSlg. 29 173 wurde zwar die Frist des § 1111 ABGB gleichfalls als Präklusivfrist bezeichnet, ohne daß dies jedoch näher begrundet worden wäre und die Unterscheidung zur Verjährungsfrist eine Rolle gespielt hätte. Zuletzt wurde auch in der Entscheidung EvBl. 1981/70 ohne nähere Ausführungen der Standpunkt vertreten, es handle sich bei der Frist des § 1111 ABGB um eine Präklusivfrist. Die Ausführungen in der Entscheidung SZ 43/142 wurden in der Entscheidung MietSlg. 27 194 ausdrücklich abgelehnt, ohne daß allerdings auf die Argumente der gegenteiligen Entscheidung näher eingegangen worden wäre.

Der erkennende Senat kann nach einer neuerlichen Prüfung die auch von ihm in der Entscheidung MietSlg. 33 181 vertretene Auffassung, es liege eine Verjährungsfrist vor, nicht aufrechterhalten.

Die Abgrenzung zwischen Verjährungs- und Präklusivfristen bereitet mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen erhebliche Schwierigkeiten. Im allgemeinen gilt die Regel, daß es sich bei längeren Fristen um Verjährungsfristen, bei kürzeren aber um Ausschlußfristen handelt (Koziol - Welser I 152; Gschnitzer, Lehrbuch, Allgemeiner Teil 244). Allerdings enthebt die Qualifizierung einer Frist als Ausschlußfrist noch nicht von der Prüfung, wie weit Verjährungsvorschriften auf sie anwendbar sind (Gschnitzer aaO). Eine Präklusivfrist liegt vor allem dann vor, wenn das Gesetz Wendungen gebraucht wie "müssen bei sonstigem Ausschluß geltend gemacht werden", "die Klage kann nur innerhalb .... erhoben werden", "sonst ist das Recht erloschen" (Koziol - Welser aaO). Die Rechtsprechung hat daher etwa die Fristen des § 933 ABGB (SZ 50/5; HS 5374 ua.), des § 936 ABGB (SZ 49/160; MietSlg. 5520), des § 967 ABGB (SZ 15/109; MietSlg. 31 123) und des § 982 ABGB (GlUNF 4162) als Ausschlußfristen gewertet. Mit Recht verwies Gschnitzer (aaO) darauf, daß es keine haltbaren Gründe für eine Unterscheidung dieser Fristen von jenen der §§ 1097 und 1111 ABGB gebe. Denn sowohl der Wortlaut des Gesetzes entspricht jenem bei ersteren Fristen als auch der Gesetzeszweck, nämlich die rasche Klärung der Frage, ob Forderungen erhoben werden oder nicht. In der Lehre vertraten auch Wolf, Grundriß[4] 110 und 176; Swoboda, Das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch[2] III 309; Grawein, Verjährung und gesetzliche Befristung 1. Teil 137 f.; Stubenrauch, Kommentar zum ABGB[8] II 361 sowie Dittrich - Tades (in Kapfer MGA ABGB[31] zu § 1491 S 1975) die Auffassung, daß es sich bei der Frist des § 1111 ABGB um eine Ausschlußfrist handelt. Klang (in Klang[2] V 95) äußerte sich zwar im Rahmen der Besprechung des § 1111 ABGB nicht ausdrücklich, bezeichnete aber die Frist in der korrespondierenden Bestimmung des § 1097 ABGB ausdrücklich als Präklusivfrist (aaO V 50). Auch aus den von Koziol - Welser (aaO) für die Unterscheidung gebrauchten Formulierungen geht eindeutig hervor, daß diese Autoren in allen Fällen, in denen das Gesetz die Wendung gebraucht "sonst ist das Recht erloschen", den Standpunkt vertreten, es liege eine Präklusivfrist vor. Daß sich die gegenteilige Auffassung von Ehrenzweig[2], I/1, 302, II/1, 77 und 460 bei FN 65 auf eine Entscheidung des OGH beruft, welche die Frage offen zu lassen scheint, wurde bereits in der Entscheidung SZ 43/142 ebenso hervorgehoben wie die Tatsache, daß die für die neuere Judikatur richtungweisende Entscheidung SZ 23/333 im Zusammenhang mit dem Fristengesetz erging, dem sowohl Verjährungsfristen als auch Präklusivfristen unterlagen. Die Auffassung von Reischauer schließlich (im RdA 1978, 198 und in Rummel, ABGB, Rdz. 2 zu § 933), welche im Ergebnis darauf hinausläuft, den Unterschied zwischen Verjährungs- und Präklusivfristen überhaupt zu negieren, steht vereinzelt da und geht auch an der Tatsache vorbei, daß selbst der Gesetzgeber in den Materialien verschiedentlich von dieser Unterscheidung ausging (vgl. etwa Materialien zur III. Teilnovelle 297; BlgNR 10. GP 3).

Der erkennende Senat gelangt daher in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre und im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut "sonst ist das Recht erloschen" zur Auffassung, daß es sich bei der Frist des § 1111 ABGB um eine Präklusivfrist handelt.

Da der beklagte Verein Verjährung eingewendet hat, spielt die Frage der amtswegigen Wahrnehmung im vorliegenden Verfahren keine Rolle. Es ist aber zu prüfen, ob durch das von der Klägerin behauptete Anerkenntnis dem Gründe nach eine Unterbrechung der Frist eingetreten sein könnte. Dies ist zu verneinen. Wie weit Bestimmungen des letzten Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches auf Präklusivfristen anzuwenden sind, richtet sich in erster Linie nach dem Zweck der betreffenden Norm. Zweck des § 1111 ABGB ebenso wie der korrespondierenden Bestimmung des § 1097 ABGB ist es aber, die gegenseitigen Ansprüche von Bestandgeber und Bestandnehmer nach Rückstellung des Bestandobjektes möglichst rasch einer Klärung zuzuführen. Ein bloß deklaratives Anerkenntnis dem Gründe nach, wobei die Höhe des Anspruches zwischen den Parteien strittig bleibt, führt jedoch eine solche Klarstellung nicht herbei. Ein derartiges Anerkenntnis bewirkt daher keine Unterbrechung der Frist des § 1111 ABGB, da der Gesetzeszweck darin liegt, daß sämtliche anspruchsbegrundenden Elemente eindeutig klargestellt werden.

Anmerkung

Z56103

Schlagworte

Anerkenntnis, deklaratives, keine Unterbrechung der Frist des § 1111, ABGB, Frist des § 1111 ABGB: Präklusivfrist, Verjährung, Frist des § 1111 ABGB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0060OB00761.82.0623.000

Dokumentnummer

JJT_19830623_OGH0002_0060OB00761_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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