TE OGH 1983/9/8 6Ob621/83

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Veröffentlicht am 08.09.1983
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Norm

HGB §128
HGB §138
EVHGB Art7 Nr. 15
KO §19
KO §20

Kopf

SZ 56/128

Spruch

Der Abfindungsanspruch des aus einer Kommanditgesellschaft ausscheidenden Gesellschafters entsteht im Zeitpunkt seines Ausscheidens

Vereinbarungen, durch welche für den Fall eines späteren Konkurses zugunsten einzelner Gläubiger die konkursmäßige Aufrechenbarkeit auch für solche Fälle gesichert werden soll, in welchen die Gegenseitigkeit erst mit der Konkurseröffnung eintritt, sind unwirksam

OGH 8. 9. 1983, 6 Ob 621/83 (LGZ Graz 5 R 7/83; BG Leibnitz 5 C 454/82)

Text

Mit Gesellschaftsvertrag vom 4. 4. 1978 grundeten Kurt L als persönlich haftender Gesellschafter sowie Heribert K sen. und Heribert K jun. als Kommanditisten eine Kommanditgesellschaft unter der Firma L KG. § 16 des Vertrages bestimmt, daß der Gesellschafter ua. im Falle der rechtskräftigen Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen so behandelt wird, als ob er gekundigt hätte. Nach § 14 ist die Bestimmung des § 13 für die Berechnung, Wertsicherung und Verzinsung des Ausscheidungsguthabens analog anzuwenden, wobei die Jahresraten jeweils am 1. 7. eines jeden Jahres fällig werden. § 13 enthält die näheren Bestimmungen über die Berechnung des "Ausscheidungsguthabens", das in fünf Jahresraten auszuzahlen ist.

Über das Vermögen des Heribert K jun. wurde am 2. 6. 1981 der Konkurs eröffnet; dieser Beschluß erwuchs in Rechtskraft. Über Auftrag der beklagten Partei errechnete der Wirtschaftstreuhänder Herbert U das Auseinandersetzungsguthaben des Gemeinschuldners mit 22 669.21 S.

Der Kläger ist der Masseverwalter im Konkurs des Heribert K jun. Er begehrte die beiden ersten Jahresraten des Auseinandersetzungsguthabens in der Höhe von 40%, ds. unter Bedachtnahme auf die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Wertsicherung 9540.10 S.

Die beklagte Partei stellte das Klagebegehren zwar der Höhe nach außer Streit, beantragte jedoch Abweisung des Klagebegehrens, weil infolge Aufrechnung bereits Schuldtilgung eingetreten sei. Heribert K sen. und der Gemeinschuldner hätten sich nämlich verpflichtet, bei Rückzahlungsschwierigkeiten das der Firma Fahrzeug K KG von der beklagten Partei zugezählte Darlehen von 200 000 S "als Abzahlung für ihren Anteil" an die klagende Partei "zu verwenden". "Die hieraus erwachsenen Ansprüche" seien Forderungen, die durch die Konkurseröffnung bedingt oder betagt und deshalb im Konkurs aufrechnungstauglich seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf nachstehende Feststellungen:

Die Firma Fahrzeug K KG, deren persönlich haftender Gesellschafter der Gemeinschuldner und deren Kommanditist Heribert K sen. sind, war im Herbst 1980 in größere Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Im Dezember 1980 zählte ihr die Raiffeisenkasse L ein Darlehen im Betrag von 200 000 S zu, das teilweise zur Entrichtung der Löhne und Gehälter verwendet wurde. Für dieses Darlehen "bürgte" die beklagte Partei "mit fünf Wechseln" a 40 000 S, die von Kurt L unterzeichnet wurden. Da er in Ansehung der Vermögenslage der Firma Fahrzeug K KG "skeptisch war", verfaßte er das mit 24. 12. 1980 datierte Schreiben folgenden Inhalts: "Die Firma K KG verpflichtet sich hiemit, bei Rückzahlungsschwierigkeiten des Leihgeldes von 200 000 S zuzüglich Zinsen und Spesen (zB Konkurs oder Ausgleich) den genannten Betrag als Abzahlung für ihren Anteil der Firma L KG zu verwenden." Das Schreiben wurde von beiden Gesellschaftern der Firma Fahrzeug K KG unterzeichnet. Die Wendung, daß die Firma Fahrzeug K KG die Darlehensvaluta als Abzahlung für ihren Anteil an der beklagten Partei verwende, ist "genaugenommen so zu verstehen", daß die Rückgriffsforderung der beklagten Partei gegen die Ansprüche ihrer beiden Kommanditisten auf Auszahlung ihres Abfindungsguthabens aufzurechnen sei. Da die Firma Fahrzeug K KG das Darlehen nicht zurückzahlte, wurde das Konto der beklagten Partei bei der Darlehensgeberin mit 200 000 S belastet. Derzeit haftet der Regreßanspruch der beklagten Partei noch mit 95 000 S aus, weil ihr die Firma Fahrzeug K KG zur teilweisen Schuldtilgung Waren geliefert hat.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, es lägen die Voraussetzungen für die Aufrechnung vor, sodaß dem Schuldtilgungseinwand der beklagten Partei Berechtigung zu komme. Der Abfindungsanspruch des Gemeinschuldners sei schon mit Abschluß des Gesellschaftsvertrages, wenn auch bedingt zustande gekommen, sodaß iS des § 19 KO dagegen aufgerechnet werden dürfe.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, es bestehe zwar die Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen, weil feststehe, daß nach der Absicht der Parteien der Gemeinschuldner und sein Vater zur Darlehensrückzahlung verpflichtet seien, doch sei die Gegenforderung auf Auszahlung des Abfindungsanspruches nicht schon mit der Errichtung der Gesellschaft, sondern unabhängig davon, daß sich die Höhe des Anspruches erst in diesem Zeitpunkt errechnen lasse, erst mit der Konkurseröffnung entstanden. Im übrigen stehe fest, daß der persönlich haftende Gesellschafter der beklagten Partei in Ansehung der Zahlungsfähigkeit der Fahrzeug K KG schon skeptisch gewesen sei, als er das Schreiben vom 24. 12. 1980 den beiden Kommanditisten zur Unterschrift vorgelegt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 19 Abs. 1 KO brauchen sich Konkursgläubiger, die aufrechenbare Forderungen haben, am Konkursverfahren nicht beteiligen, soweit sie in der Gegenforderung des Gemeinschuldners Deckung finden. Sie werden von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Konkursmasse um den vollen Betrag und nicht bloß um die Konkursquote befreit, sodaß sie wie Absonderungsgläubiger gesichert sind. Die Aufrechnung ist an keine bestimmte Frist gebunden, sondern kann während des Konkursverfahrens gerichtlich oder außergerichtlich gegenüber dem Masseverwalter erklärt werden, selbst wenn die Forderung im Konkurs vorbehaltlos angemeldet worden wäre (Bartsch - Pollak, KO[3], I 111; Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichisohe Insolvenzrecht, 478; Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht, 36). Das materielle Konkursrecht erweitert die Aufrechnung in Ansehung der Fälligkeit und Gegenseitigkeit, wobei auch bedingte Forderungen des Gläubigers wie des Gemeinschuldners aufgerechnet werden können, schränkt sie dagegen hinsichtlich des Zeitpunktes der Aufrechenbarkeit ein (Holzhammer, Insolvenzrecht, 16). Nach Konkursrecht reicht es allerdings nicht hin, daß die beiden Forderungen im Zeitpunkt der Aufrechnung einander aufrechenbar gegenüberstanden, sondern sie müssen einander schon im Zeitpunkt der Konkurseröffnung aufrechenbar gegenübergestanden sein (§ 19 Abs. 1 KO). Daraus folgt, daß Konkursgläubiger, die erst während des Konkursverfahrens Schuldner der Konkursmasse werden, grundsätzlich nicht mit ihrer Konkursforderung aufrechnen können (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KO).

Ob allerdings deshalb ein Aufrechnungshindernis vorliegt, weil Kurt L bei Eingehung der Wechselverbindlichkeit und beim Abschluß des Aufrechnungsvertrages vom 24. 12. 1980 die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners kannte oder zumindest kennen mußte (§ 20 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 KO), ist mangels einer entsprechenden Behauptung des klagenden Masseverwalters, den insoweit die Behauptungs- und Beweislast trifft (Bartsch - Pollak aaO 118, Petschek - Reimer - Schiemer aaO 482), nicht zu prüfen.

Anders liegt der Fall beim Abfindungsanspruch des Gemeinschuldners, der - wie das Berufungsgericht richtig erkannte - erst im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gemeinschuldners, also mit rechtskräftiger Konkurseröffnung (vgl. § 16 des Gesellschaftsvertrages), entstanden ist (Ulmer im MünchKomm., § 738 BGB Rdz. 14). Das folgt aus Art. 7 Nr. 15 EVHGB, der im wesentlichen § 738 Abs. 1 BGB nachgebildet ist. Anstelle seiner dinglichen Berechtigung als Gesamthandeigentümer des Gesellschaftsvermögens erhält der ausscheidende Gesellschafter nunmehr einen schuldrechtlichen Abfindungsanspruch (von Gamm in RGRK-BGB[12], § 738 Rdz. 3); dieser gesetzliche Anspruch entspringt zwar dem Gesellschaftsvertrag (Hueck, Recht der OHG[4], 459 FN 80), doch entsteht er erst durch das einseitige Ausscheiden des Gesellschafters in Umwandlung des bis dahin bestehenden Anspruches auf das Auseinandersetzungsguthaben (Ulmer aaO und Rdz. 11). Der Abfindungsanspruch ist wohl im Gesellschaftsvertrag und im Gesetz vorgezeichnet, doch konkretisiert er sich erst beim Ausscheiden des Gesellschafters nach Maßgabe der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft in diesem Zeitpunkt. Vor Beendigung dieser Auseinandersetzung ist es überhaupt ungewiß, ob dem Gesellschafter eine Geldforderung zusteht. Deshalb kann er den Anspruch vor Feststellung der Abfindung auch nicht zur Aufrechnung verwenden (RGZ 118, 295, 299; von Gamm aaO; Soergel - Lasaulx, BGB[10], § 738 Rdz. 5). Aus diesen Erwägungen folgt, daß der Abfindungsanspruch des Gemeinschuldners, gegen den die beklagte Partei mit ihrer Rückgriffsforderung aufgerechnet hat, erst mit der Konkurseröffnung entstanden ist, sodaß die Aufrechnung unzulässig ist (6 Ob 728/78).

Daran ändert auch nichts, daß die Vereinbarung vom 24. 12. 1980 als Aufrechnungsvertrag zu beurteilen ist. Einem solchen Vertrag sind zwar im Bereich des Möglichen und Erlaubten wegen der herrschenden Vertragsfreiheit keine Grenzen gesetzt, sodaß der dort vereinbarten Aufrechnung selbst die mangelnde Gegenseitigkeit nicht entgegenstunde (SZ 51/67; EvBl. 1979/130, 393; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[6], I 220; Gschnitzer in Klang[2], VI 493, 518), doch sind die Bestimmungen über die Aufrechnung im Konkursverfahren zwingend (Petschek - Reimer - Schiemer, Insolvenzrecht, 479; Jaeger - Lent, KO[8], § 55 Anm. 2), sodaß Vereinbarungen unwirksam sind, durch welche der künftige Gemeinschuldner zugunsten einzelner Gläubiger die konkursmäßige Aufrechenbarkeit auch für solche Fälle zu sichern sucht, in welchen die Gegenseitigkeit verspätet eintritt. Deshalb ist die Bewilligung der Aufrechnung durch den Gemeinschuldner entgegen dem materiellen Konkursrecht (insbesondere § 20 KO) unwirksam (Jaeger - Lent aaO; Mentzel - Kuhn - Uhlenbruck, KO[9], § 55 Rdz. 4; RGZ 40, 125).

Anmerkung

Z56128

Schlagworte

Abfindungsanspruch, Zeitpunkt des Entstehens des - bei Ausscheiden, eines Gesellschafters, Aufrechnung, Unwirksamkeit vorher vereinbarter konkursmäßiger, Aufrechenbarkeit, wenn Gegenseitigkeit erst mit Konkurseröffnung, eintritt, Kommanditgesellschaft, Zeitpunkt des Entstehens des Abfindungsanspruchs, Kompensation, s. a. Anrechnung, Konkurs, Unwirksamkeit vorher vereinbarter konkursmäßiger, Aufrechenbarkeit, wenn Gegenseitigkeit erst mit Konkurseröffnung, eintritt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0060OB00621.83.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19830908_OGH0002_0060OB00621_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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