TE OGH 1983/11/22 2Ob550/82

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Veröffentlicht am 22.11.1983
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Norm

KO §3 Abs2

Kopf

SZ 56/170

Spruch

Einem Sozialversicherungsträger als Drittschuldner ist es zumutbar, anhand einer Konkursevidenz die fortdauernde Berechtigung von ihm zu erfüllender Ansprüche zu prüfen

OGH 22. 11. 1983, 2 Ob 550/82 (LGZ Wien 42 R 296/82; BG Innere Stadt Wien 33 C 240/81)

Text

Die Firma A GesmbH führte gegen den Pensionisten Leopold K Gehaltsexekution durch Pfändung von ihm gegen den beklagten Sozialversicherungsträger zustehenden Pensionsansprüchen. Am 4. Mai 1977 wurde über ihr Vermögen zu S 54/77 des HG W der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

In der Klage wird vorgebracht, die beklagte Partei habe als Drittschuldner laufend die gepfändeten Pensionsansprüche des Leopold K an die nunmehrige Gemeinschuldnerin auch noch nach der Konkurseröffnung zu Handen ihrer Rechtsvertreterin Dr. Renate D übewiesen. Seit der Konkurseröffnung bis einschließlich April 1978 seien von ihr solcherart Zahlungen in der Höhe von 3603.40 S sA. geleistet worden, der Masse jedoch nicht zugekommen. Da die beklagte Partei bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt von der ordnungsgemäß bekanntgegebenen Konkurseröffnung hätte Kenntnis haben müssen, käme ihrer Zahlung gemäß § 3 Abs. 2 KO keine schuldbefreiende Wirkung zu; sie habe daher den vorgenannten Betrag an die Masse zu leisten.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe als Drittschuldnerin seit Oktober 1973 laufend pfändbare Teile der Pensionsbezüge des Leopold K an die jeweiligen Rechtsvertreter der Firma A GesmbH als betreibender Partei, seit Dezember 1976 an Dr. Renate D bis zu der im Mai 1978 erfolgten gänzlichen Tilgung der in Exekution gezogenen Forderung überwiesen. Ein Anspruch nach § 3 Abs. 2 KO bestehe nicht, weil ihr die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der betreibenden Partei nicht bekannt gewesen sei und diese ihre Unkenntnis auch nicht auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht habe. Es könne von ihr nämlich nicht verlangt werden, daß sie sämtliche österreichischen Insolvenzverfahren in Evidenz halte, nur um festzustellen, ob sie in 36 000 bis 50 000 Fällen jährlich als Drittschuldnerin an den richtigen Gläubiger leiste. Auf Grund ihres gesetzlichen Auftrages, als Sozialversicherungsträger dir ihr übertragenen Aufgaben mit knappsten Mitteln und sparsamstem Verwaltungsaufwand zu erfüllen, sei es ihr nicht zumutbar, eine Insolvenzkartei zu führen und bei Einlangen jeder einzelnen Exekutionsbewilligung und Abtretungserklärung und sodann laufend bei jeder einzelnen Anweisung zu prüfen, ob der betreibende Gläubiger bzw. dessen Rechtsanwalt in der Insolvenzkartei aufscheine. Nicht einmal von einem gewöhnlichen Schuldner werde verlangt, daß er vor jeder - pünktlich zu erbringenden - Leistung an einen Gläubiger vorsichtshalber umfangreiche und kostenaufwendige Erhebungen über dessen Vermögenslage durchführe. Für den Drittschuldner sei die Bestimmung des § 3 Abs. 2 KO aber jedenfalls unanwendbar. Davon abgesehen habe sie im guten Glauben an den in die Rechtsanwaltsliste eingetragenen Rechtsvertreter der betreibenden Partei geleistet, von denen sie annehmen habe können, daß sie sie von Änderungen der Sach- und Rechtslage verständigen und im Falle des Konkurses der betreibenden Partei die Überweisungsbeträge an den Masseverwalter weiterleiten würden. Hinsichtlich der bis zum 21. Jänner 1978 geleisteten Zahlungen in der Höhe von 2759.90 S liege überdies auch Verjährung des Klagsanspruches vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, daß der von der beklagten Partei als Drittschuldnerin vor dem April 1978 an Dr. Renate D überwiesene Betrag von insgesamt 3603.40 S der klagenden Partei nicht zugekommen ist. Die beklagte Partei erfuhr erst durch das Schreiben des Masseverwalters vom 21. Juli 1980 vom gegenständlichen im Mai 1977 eröffneten Konkursverfahren. Eine Überwachung der Eröffnung von Konkursen wird von der beklagten Partei nur hinsichtlich der Firmen, mit welchen sie in Wirtschaftsbeziehungen steht, durchgeführt.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, der beklagten Partei könne keine Sorgfaltspflichtverletzung iS des § 3 Abs. 2 KO vorgeworfen werden. Sie habe Zahlungen an einen inländischen, gehörig bevollmächtigten Rechtsanwalt geleistet und darauf vertrauen dürfen, daß dieser die Zahlungen an die Konkursmasse weiterleite. Die gerichtsbekannte Tatsache, daß Dr. Renate D Klientengelder veruntreut habe, gehe nicht zu ihren Lasten. Schließlich sei der beklagten Partei aber auch die Führung einer Evidenz über die erfolgten Konkurseröffnungen nicht zumutbar.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es führte aus, nach der Judikatur sei die Sorgfaltspflicht iS des § 3 Abs. 2 KO zwar nicht zu überspannen, doch werde zB in der Entscheidung 7 Ob 807/81 gefordert, daß eine Bank die Veröffentlichungen über die Einleitung von Konkursverfahren in den Amtsblättern verfolge. Da sich größere Institutionen, wie es auch die beklagte Partei sei, zur Erledigung ihrer Buchhaltung erfahrungsgemäß elektronischer Rechengeräte bedienten, sei es solchen und somit auch der beklagten Partei durchaus zumutbar, die Konkurseröffnungen zu verfolgen und danach zu überwachen, ob iS des § 3 KO an den richtigen Gläubiger geleistet werde. Der Einwand der Verjährung gehe deswegen fehl, weil es sich bei der überwiesenen Forderung um eine Pensionsforderung nach dem ASVG handle und dieses Gesetz keine Verjährung kenne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 3 Abs. 1 KO sind Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Nach § 3 Abs. 2 KO wird der Verpflichtete durch die Zahlung einer Schuld an den Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung nicht befreit, es sei denn, daß das Geleistete der Konkursmasse zugewendet worden ist oder daß dem Verpflichteten zur Zeit der Leistung die Konkurseröffnung nicht bekannt war und daß die Unkenntnis nicht auf einer "Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht (bekannt sein mußte)". Unter "Verpflichteter" iS der letztgenannten Gesetzesstelle ist nicht nur der persönlich leistende Schuldner, sondern auch derjenige, der in seinem Namen die Leistung erbringt (Bartsch - Pollak[3]; I Anm. 27 zu § 3 KO; EvBl. 1965/191), anzusehen, somit aber auch der Drittschuldner im Konkurse des betreibenden Gläubigers, denn er hat diesem gegenüber eine exekutionsmäßig begrundete Leistungsverpflichtung und damit eine Schuld zu erfüllen. Diese stellt umgekehrt eine zur Masse gehörige Forderung des betreibenden Gläubigers und nunmehrigen Gemeinschuldners dar (vgl. Bartsch - Pollak aaO Anm. 19 zu § 3). Letzterer darf gemäß § 3 Abs. 1 KO die Zahlung des Drittschuldners weder selbst noch durch seinen Vertreter (§ 1024 ABGB; Bartsch - Pollak aaO Anm. 3 und 4 zu § 3; Lehmann, Kommentar zur Konkurs-Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, 53 f.; Petschek - Reimer - Schiemer, Das Österreichische Insolvenzrecht, 460 f.) entgegennehmen. Eine dennoch solcherart erfolgte Leistung ist unwirksam. Die Beweislast dafür, daß die Leistung der Masse zugekommen ist oder daß ihm die Konkurseröffnung weder bekannt war noch bekannt sein mußte, trägt der Verpflichtete (Bartsch - Pollak aaO Anm. 24 und 30 zu § 3; Rintelen, Handbuch des Österreichischen Konkurs- und Ausgleichsrechtes 144; Petschek - Reimer - Schiemer aaO 461; Lehmann aaO 53 FN 11; Bartsch - Heil, Grundriß des Insolvenzrechts[4], 45, 126; SZ 33/40; EvBl. 1965/191; QuHGZ 1982/211).

Vorliegendenfalls hat die beklagte Partei unbestrittenermaßen als Drittschuldnerin nach der ihr nicht bekannten Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des betreibenden Gläubigers Zahlung an dessen bevollmächtigten Vertreter geleistet; das Geleistete ist in der Folge der Masse nicht zugekommen. Durch diese Zahlung wurde die beklagte Partei daher gemäß § 3 Abs. 2 KO von ihrer Schuld nur dann befreit, wenn ihre mangelnde Kenntnis von der Konkurseröffnung nicht auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruhte.

Entgegen der Ansicht der beklagten Partei kann es im Hinblick auf den Wortlaut des § 3 KO nicht zweifelhaft sein, daß auch eine Pensionsversicherungsanstalt Vorkehrungen treffen muß, um Zahlungen an den Gemeinschuldner statt an die Masse zu vermeiden. Der Gesetzesauftrag, die Verwaltung mit sparsamsten Mitteln zu führen, entbindet sie keinesfalls von der Einhaltung auch der übrigen Normen der Rechtsordnung. Sie hat daher jedenfalls eine auf die Verlautbarungen in den Amtsblättern gestützte Konkursevidenz zu führen (vgl. SZ 33/40; QuHGZ 1982/211) und darüber hinaus grundsätzlich auch als Drittschuldnerin die Pflicht, vor Auszahlungen an einen betreibenden Gläubiger eine entsprechende Überprüfung anhand dieser Konkursevidenz vorzunehmen. Nun kann zweifellos nicht außer acht gelassen werden, daß die beklagte Partei als Drittschuldnerin im Hinblick auf die offenkundige Vielzahl der betreibenden Gläubiger - sie behauptet eine solche von mindestens 36 000 jährlich - und die hinsichtlich jedes einzelnen durch einen längeren Zeitraum wiederkehrend, im allgemeinen monatlich zu erbringenden Auszahlungen gepfändeter Pensionsanteile einen zusätzlichen Arbeitsaufwand zu tragen hat. Bei der Beurteilung, ob eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, stellt sich daher die Frage der Zumutbarkeit einer solchen Evidenzhaltung und laufenden Überprüfung. Dafür, daß dieser Mehraufwand auch bei dem hier vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegten Einsatz elektronischer Datenverarbeitungsanlagen ein Ausmaß erreichte, das ihn unzumutbar erscheinen ließe (vgl. SZ 33/40), trifft nach den oben dargestellten Grundsätzen die beklagte Partei die Beweislast. Einen solchen Beweis hat sie jedoch nicht erbracht. Somit muß sie aber die Unkenntnis von der Konkurseröffnung über das Vermögen der Firma A GesmbH vertreten. Ihren Zahlungen an deren Bevollmächtigten kommt demgemäß keine schuldbefreiende Wirkung zu.

Die Klagsforderung ist aber auch nicht, wie die beklagte Partei behauptet, teilweise verjährt. Gemäß § 308 EO ist der betreibende Gläubiger - hier der Masseverwalter im Konkurse über das Vermögen des betreibenden Gläubigers - ua. berechtigt, die vom Drittschuldner nicht ordnungsgemäß bezahlte Forderung des Verpflichteten - hier liegt eine nicht schuldbefreiende Zahlung an den Gemeinschuldner vor - gegen den Drittschuldner in Vertretung des Verpflichteten einzuklagen "macht also dessen Forderung geltend. Diese besteht vorliegendenfalls in den dem Verpflichteten Leopold K gegen die beklagte Partei (§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. c ASVG) zustehenden Pensionsbezügen gemäß §§ 222, 253 ff. ASVG, welche dem Verpflichteten nach den §§ 357, 367 ASVG durch Bescheid zuerkannt worden waren (vgl. EvBl. 1964/185). Damit handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, auf welchen die privatrechtlichen Verjährungsbestimmungen mangels entsprechender Anordnung im ASVG nicht zur Anwendung kommen (ÖJZ 1957, 20; ZfV 1977/2075; ZfV 1976/71 ua.).

Anmerkung

Z56170

Schlagworte

Konkursevidenz, Sozialversicherungsträger als Drittschuldner, Sozialversicherungsträger, Konkursevidenz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0020OB00550.82.1122.000

Dokumentnummer

JJT_19831122_OGH0002_0020OB00550_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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