TE Vfgh Erkenntnis 2001/6/27 B399/99

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Veröffentlicht am 27.06.2001
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Feststellung der Gesetzwidrigkeit des Wortes "ausschließlich" in §49 Z3 RL-BA 1977 idF des Beschlusses des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages vom 02.03.90 mit E v 20.06.01, V30/01 ua.

Spruch

1. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

2. Der Bescheid wird aufgehoben.

3. Die Tiroler Rechtsanwaltskammer ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 29.500,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer wurde Rechtsanwalt Dr. B H der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes für schuldig erkannt, weil er in der Sonderbeilage "Schneeanlage Patscherkofel" der "Tiroler Tageszeitung" vom 13. Dezember 1996 mit seinem Wissen und Willen ein Inserat mit folgendem Wortlaut einschalten ließ:

"1991 bis 1996

Koordination aller Behördenverfahren

Grundstücksverträge

Rechtsanwaltskanzlei

Dr. B H

Über den Disziplinarbeschuldigten wurde hiefür eine Geldbuße von S 30.000,- verhängt. Der Disziplinarrat ließ sich in rechtlicher Hinsicht ua. davon leiten, daß die vorliegend maßgebliche Bestimmung des §49 Z3 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA 1977), in der Fassung des Beschlusses des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Vertreterversammlung) vom 2. März 1990 (kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 24. März 1990 und im Anwaltsblatt 1990, S 183) eine taxative Aufzählung der Fälle standesrechtlich zulässiger Inserateinschaltungen in Printmedien enthalte. Die Inserateinschaltung des Disziplinarbeschuldigten sei nicht unter die aufgezählten Fallkonstellationen dieser Bestimmung zu subsumieren.

1.2. Mit Erkenntnis der OBDK vom 12. Oktober 1998 wurde der vom Disziplinarbeschuldigten dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B399/99 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.

II. 1. Aus Anlaß der gegenständlichen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG mit Beschluß vom 27. Februar 2001, B12/99-7, B399/99-6, ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Wortes "ausschließlich" in §49 Z3 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA 1977), in der Fassung des Beschlusses des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Vertreterversammlung) vom 2. März 1990 (kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 24. März 1990 und im Anwaltsblatt 1990, S 183), eingeleitet.

2. Mit Erkenntnis vom 20. Juni 2001, V30-31/01, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß das Wort "ausschließlich" in §49 Z3 RL-BA 1977 in der genannten Fassung gesetzwidrig war. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung ist nunmehr davon auszugehen, daß es sich für diesen Anlaßfall um eine demonstrative Aufzählung der in §49 Z3 RL-BA 1977 normierten Tatbestände handelt.

3. Die belangte Behörde hat demnach bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

4. Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10303/1984, 10515/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. 1. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-

enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B399.1999

Dokumentnummer

JFT_09989373_99B00399_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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