TE OGH 1984/1/31 2Ob2/84

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Veröffentlicht am 31.01.1984
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Norm

EKHG §3 Z3
EKHG §9 Abs2
EKHG §9a

Kopf

SZ 57/27

Spruch

Der Sturz eines Schleppliftbenützers und sein Abrutschen in der Schleppspur begrundet keine außergewöhnliche Betriebsgefahr

OGH 31. 1. 1984, 2 Ob 2/84 (OLG Graz 6 R 172/83; LG Klagenfurt 22 Cg 16/81)

Text

Die Klägerin benützte am 26. 2. 1980 einen von der Erstbeklagten betriebenen Schlepplift; die Zweitbeklagte ist deren persönlich haftende Gesellschafterin.

Andrea U, die einige Schleppgehänge vor der Klägerin fuhr, kam unweit der Bergstation wegen eines Wadenkrampfes zu Sturz und rutschte gegen die Klägerin, wodurch diese ebenfalls stürzte. In weiterer Folge prallte die Klägerin gegen den Betonsockel einer Liftstütze, wodurch sie schwere Schädelverletzungen erlitt.

Die Klägerin brachte vor, die Beklagten bzw. deren Gehilfen hätten es unterlassen, die Unfallsstelle entsprechend zu beobachten und zu überwachen, die Liftstützen ausreichend abzusichern und den Lift bei Gefahr sofort einzustellen. Gestützt auf die Vorschriften des ABGB und des EKHG begehrte die Klägerin einen Schadenersatzbetrag von 366 450.82 S samt Zinsen sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallsschäden der Klägerin.

Die Beklagten bestritten ein Verschulden am Unfall und führten aus, der Unfall sei auf ein unabwendbares Ereignis zurückzuführen, weshalb auch eine Haftung nach dem EKHG nicht in Frage komme.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt und sprach der Klägerin außerdem einen Betrag von 334 828.16 S sA zu. Das Mehrbegehren von 31 628.66 S samt Zinsen wurde rechtskräftig abgewiesen.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Unfallsbereich kann von der Bergstation des Liftes aus nicht eingesehen werden. Von der Talstation aus sind die beförderten Personen im Unfallsbereich wegen der großen Entfernung und des Sonnengegenlichtes nur bei größter Aufmerksamkeit auszunehmen; es ist nicht erkennbar, ob das Gehänge mit einer oder zwei Personen besetzt oder überhaupt unbesetzt ist. Andrea U rutschte nach ihrem Sturz in der steilen Lifttrasse nach unten, kollidierte mit einem am nächsten Liftbügel fahrenden Schifahrer und rutschte dann weiter nach unten. Der Gatte der Klägerin rief noch "raus" und versuchte, aus der Liftspur herauszukommen. Der Sturz der Andrea U konnte von der Talstation aus nicht wahrgenommen werden. Der Lift wurde erst einige Zeit nach der Kollision zwischen Andrea U und der Klägerin abgestellt. Der Sturz der Klägerin durch die abrutschende Andrea U wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch dann eingetreten, wenn der Lift im Kollisionszeitpunkt bereits angehalten gewesen wäre. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre die Klägerin auch bei angehaltenem Lift zum Sturz gekommen, wenn ihr Gatte bei Erkennen einer Gefahr den Schleppbügel verlassen hätte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist jedoch anzunehmen, daß es bei abgestelltem Lift und dem Versuch der Liftbenützer, den Schleppbügel loszulassen, nur zu einem einfachen Sturz und nicht zu einem Wegschleudern des Liftbenützers gekommen wäre. Nach der Betriebsvorschrift des entsprechend der verwaltungsbehördlichen Genehmigung errichteten Liftes hat das Personal neben der Hilfe beim Ein- und Aussteigen und anderen Beobachtungspflichten auch die Strecke zu beobachten sowie bei Unregelmäßigkeiten im technischen Ablauf und bei Erkennen einer drohenden Gefahr die Anlage abzustellen. Mit Rücksicht auf seine Beobachtungs- und Hilfepflichten im Bereich der Einstiegstelle hat der Bedienstete in der Talstation das Abrutschen der Andrea U und den Sturz der Klägerin nicht bemerkt. Die Stützen des Liftes sind paarweise angeordnet. Die Betonsockel der rechts (westlich) der Liftspur gelegenen Stützen waren mit Strohballen abgesichert. Wie hoch die Absicherung über den Schnee ragte, läßt sich nicht feststellen. Am Anfang der Saison wurde bei jeder Stütze eine "mannshohe" Strohabdeckung vorgenommen. Die nach oben zeigenden Flächen der Betonsockel und die dem Tal zugekehrten Seiten der Sockel waren nicht abgedeckt. Die Sockel der linken (östlichen) Stützen waren ebenfalls nicht abgedeckt. Verkehrsüblich war im Unfallszeitpunkt eine Absicherung derartiger Liftmasten durch Strohballen in einer Höhe von mindestens 1 m über der jeweiligen Schneeoberkante, welche Absicherung nicht nur die metallenen Kanten, sondern auch die Betonfundamente zu erfassen hatte, soweit diese aus dem Schnee herausragten. Eine solche Absicherung war im Unfallszeitpunkt auch nur nach oben gegen abrutschende Schifahrer verkehrsüblich. Gegen welchen Betonsockel und gegen welchen Teil des Betonsockels die Klägerin prallte, läßt sich nicht feststellen. Ebensowenig läßt sich feststellen, wie die Klägerin gegen den Betonsockel prallte (rutschend oder in einem Bogen von oben oder nach einem Salto usw.). Es ist nicht wahrscheinlich, daß der Aufprall der Klägerin gegen einen auf der linken Seite befindlichen Betonsockel erfolgte. Mitursache des Unfalles und der Verletzungen waren jedenfalls auch die Länge der Schleppspur sowie deren Neigung und Härte. Die Stürze der Andrea U und der Klägerin waren nicht auf den Zustand der Schleppspur zurückzuführen. Im Bereich des gegenständlichen Liftabschnittes haben sich schon vorher ähnliche Unfälle zugetragen, bei denen jemand aus der Schleppliftspur gefallen ist, die Unfälle verliefen jedoch glimpflich.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, den Schleppliftunternehmer treffe aus dem Beförderungsvertrag die Nebenpflicht, den Fahrgast bei der Beförderung vor Schäden an seiner körperlichen Unversehrtheit zu bewahren. Bei Verletzung dieser vertraglichen Nebenpflicht trete nach § 1298 ABGB eine Umkehr der Beweislast ein, sodaß der Liftunternehmer beweisen müsse, daß ihn oder seine Leute kein Verschulden treffe. Mißlinge dieser Beweis, habe er für den Unfallschaden einzustehen. Es sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Klägerin gegen den Betonsockel einer Liftstütze geprallt sei und sich dabei die Verletzungen zugezogen habe. Daß sich die Klägerin die Verletzungen auf andere Weise zugezogen habe, hätten die Beklagten nicht bewiesen. Da bei genügender Absicherung der Stütze eine Verletzung, wie sie die Klägerin erlitten habe, nicht habe entstehen können, müsse ein Betonsockel einer Liftstütze nicht oder nur mangelhaft gesichert gewesen sein. Die Beklagten hätten aber nicht bewiesen, daß sie an der mangelhaften Absicherung kein Verschulden treffe. Die Absicherung eines Stützensockels zumindest an der nach oben zeigenden Fläche der Talseite und der talseitig zeigenden rückwärtigen Fläche sei nicht erfolgt, obwohl die Beklagten zu einer derartigen Absicherung verpflichtet und ihnen solche Absicherungen auch zumutbar gewesen wären. Durch den Anprall eines gestürzten Schifahrers könne es auch zu einem Ausheben oder In-die-Luft-Schleudern und damit zu einem Anprall am hinteren Teil des Betonsockels einer Liftstütze kommen. Es seien daher die Beklagten verpflichtet gewesen, eine völlige Absicherung der Betonsockel der Liftstützen vorzunehmen, was aber nicht geschehen sei. Es sei daher davon auszugehen, daß die Beklagten ein Verschulden an dem Unfall der Klägerin treffe, wobei ein Mitverschulden der Klägerin nicht feststellbar und auch nicht eingewendet worden sei. Auf die Frage, ob das Liftpersonal die Liftstrecke ordnungsgemäß beobachtet und rechtzeitig oder verspätet reagiert habe, brauche daher ebensowenig eingegangen zu werden wie auf die Frage der Haftung nach dem EKHG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge.

Die Beklagten strebten in der Berufung die Feststellung an, es seien alle Liftstützen bergseitig vorschriftsmäßig abgesichert gewesen. Das Berufungsgericht ließ diese Frage dahingestellt, weil sie aus rechtlichen Gründen nicht entscheidend sei. Es teilte nicht die Ansicht des Erstgerichtes, daß eine Absicherung der Sockel auch an der Oberseite und der Talseite notwendig gewesen wäre; dies würde eine Überspannung der Verkehrssicherung bedeuten. Vom Liftunternehmer Absicherungen zu verlangen, mit denen eine Verletzung beim Schifahren und Liftfahren völlig ausgeschaltet werde, wäre angesichts des dieser Sportart immanenten Verletzungsrisikos wirklichkeitsfremd und würde die Ausübung des Schisports und die Benützung mechanischer Aufstiegshilfen geradezu unmöglich machen. Eine allseitige "Ummantelung" der Stützensockel bzw. Stützen könne im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht vom Liftunternehmer nicht gefordert werden. Das Berufungsgericht kam auf Grund der Vorschriften des EKHG jedoch zum gleichen Ergebnis wie das Erstgericht. Ein Liftbenützer sei nicht iS des § 3 Z 3 EKHG beim Betrieb des Liftes tätig. Ein Haftungsausschluß wegen Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses nach § 9 Abs. 2 EKHG sei dann nicht gegeben, wenn der Unfall unmittelbar auf die durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen sei. Hier stelle sich die Frage, ob der Sturz eines Liftbenützers und sein Liegenbleiben oder Abgleiten in der Schleppspur für einen nachfolgenden Liftbenützer eine außergewöhnliche Betriebsgefahr darstelle. Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr sei eine normalerweise mit dem Betrieb nicht verbundene, an Stärke und Imminenz die gewöhnliche Betriebsgefahr überragende Gefahrenlage, die ohne die gewöhnliche Betriebsgefahr nicht entstehen würde. Sie sei dann gegeben, wenn durch das Hinzutreten eines Ereignisses aus der allgemeinen, typischen Betriebsgefahr eine besondere, für den normalen Betriebsvorgang atypische Gefahrenlage entstehe. Zur Gewährleistung eines normalen Liftbetriebes müsse die Liftspur grundsätzlich von Hindernissen frei sein, sodaß das Gleiten mit Schiern auf der Fahrbahn möglich sei. Die Liftbenützer seien durch die Eigenart der Beförderung weitgehend an die Spur gebunden, könnten nur in einem sehr beschränkten Maße ausweichen, könnten die Anlage nicht selbst abschalten und auf der Strecke, besonders in steileren Abschnitten, auch nicht gefahrlos aussteigen. Dadurch entstehe für den nachkommenden Mitbenützer eine beim normalen Schleppliftbetrieb nicht gegebene besondere Gefahrenlage; die Kollision bzw. der Unfall sei unmittelbar auf diese außergewöhnliche Gefahrensituation zurückzuführen. So habe auch das Erstgericht, dem Sachverständigen folgend, festgestellt, daß das Entgegenrutschen eines gestürzten Schifahrers zu den nachgeschleppten Schifahrern auf der Liftspur ein außergewöhnliches, besonders gefahrenträchtiges Ereignis darstelle; es habe damit ein solches Ereignis hinsichtlich seiner besonderen Gefährlichkeit richtig gewertet. Der strittige Liftunfall weise daher die gesetzlichen Kriterien des § 9 Abs. 2 letzter Teilsatz EKHG auf, sodaß die Beklagten für die Unfallsschäden der Klägerin auch dann einzustehen haben, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 9 EKHG für die Haftungsbefreiung vorliegen sollten. Bei solcher Rechtslage komme es aber nicht darauf an, ob den Beklagten wegen mangelhafter Absicherung der Liftstützen ein Verschulden im Rechtssinne vorgeworfen werden könne bzw. ob ihnen der Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB gelungen sei oder nicht. Die Haftung der Beklagten für die Unfallsschäden der Klägerin sei dem Gründe nach jedenfalls gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten, soweit sie die Entscheidung über das Leistungsbegehren betraf, nicht Folge. Soweit sie gegen die Entscheidung über das Feststellungsbegehren gerichtet war, gab er ihr teilweise Folge. Er bestätigte die Entscheidung über dieses Begehren im Umfang der Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden der Klägerin zumindest bis zu den zur Unfallszeit geltenden Haftungshöchstbeträgen des § 15 EKHG als Teilurteil; im Umfang der Entscheidung über das auf Feststellung der betragsmäßig unbeschränkten Haftung der Beklagten für künftige Unfallschäden der Klägerin gerichtete Mehrbegehren hob er das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es komme nicht darauf an, ob den Beklagten ein Verschulden vorgeworfen werden könne, ist deshalb verfehlt, weil nach den Vorschriften des ABGB, auf welche die Klägerin ihr Begehren primär stützte, eine Haftung der Beklagten ohne betragsmäßige Beschränkung bestunde, während nach den Vorschriften des EKHG ohne ein Verschulden der beim Betrieb tätigen Personen eine Haftung lediglich bis zu den im § 15 EKHG genannten Haftungshöchstbeträgen bestehen kann. Es muß daher zunächst erörtert werden, ob eine betragsmäßig unbeschränkte Haftung nach dem ABGB besteht. Dabei ist davon auszugehen, daß die Beklagten auf Grund des Beförderungsvertrages die Vertragspflicht traf, für die gefahrlose Beförderung der Klägerin zu sorgen, sie also vor einem Schaden an ihrem Körper zu bewahren. Die Klägerin wurde jedoch, ohne daß sie dies selbst verschuldet hätte, durch die Anlage des Schleppliftes verletzt, sie wurde also nicht entsprechend der vertraglichen Nebenpflicht der Beklagten vor einem Schaden bewahrt. Daher müssen die Beklagten gemäß § 1298 ABGB beweisen, daß die Verletzung der Klägerin auch ohne Vertragsverletzung eingetreten wäre. Falls sich die zur Zeit des Unfalles tatsächlich vorhandene Absicherung der Liftstützen (wie die Liftstützen zu Beginn der Saison, Monate vor dem Unfall, abgesichert wurden, ist ohne Bedeutung) nicht feststellen ließe, wie dies das Erstgericht angenommen hat, ginge dies zu Lasten der beweispflichtigen Beklagten. Der Feststellung, wie die Absicherung zur Zeit des Unfalles tatsächlich beschaffen war, kommt daher für die Frage der Haftung nach den Vorschriften des ABGB grundsätzliche Bedeutung zu. Dem Berufungsgericht ist allerdings beizupflichten, daß die Verkehrssicherungspflicht des Liftunternehmers nicht überspannt werden darf. Es wird daher im allgemeinen eine Absicherung der dem Tal zugekehrten Seite der Stützen nicht erforderlich sein und ebensowenig die gänzliche Abdeckung der Oberseite eines hohen Betonsockels. Die Absicherung der anderen Teile der Stütze (bzw. ihres Sockels) muß jedoch eine Höhe erreichen, daß gestürzte Liftbenützer, die gegen die Stütze rutschen, geschützt sind.

Der Frage, ob die Stützen ausreichend abgesichert waren, käme nur dann keine entscheidende Bedeutung zu, wenn den Beklagten bzw. ihren Leuten noch aus einem anderen Grund ein Verschulden anzulasten wäre. Ein derartiges Verschulden könnte darin liegen, daß der Lift nicht sofort nach dem Sturz der Andrea U abgestellt wurde. Ob dieser Umstand für die Verletzung der Klägerin auch kausal war, steht nicht fest, weil die Klägerin auch bei abgestelltem Lift durch die auf sie zurutschende Andrea U zum Sturz gekommen wäre. Wohl wäre vermutlich ein Sturz dann glimpflicher verlaufen, wenn dieser bei abgestelltem Lift auf einen Versuch zurückzuführen gewesen wäre, die Lifttrasse zu verlassen, doch steht keinesfalls fest, ob ein derartiger Versuch rechtzeitig unternommen worden wäre. Die Beweislast für einen Kausalzusammenhang trifft aber auch bei einer Haftung nach § 1298 ABGB den Geschädigten (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] I 333; SZ 52/15 uva., zuletzt 1 Ob 587/82). Im Bereich der Verschuldenshaftung müßte daher die Klägerin beweisen, daß das nicht sofort erfolgte Abstellen des Liftes für ihre Verletzung kausal war. Da ein derartiger Beweis nicht erbracht wurde, hängt die Frage, ob die Beklagten aus Verschulden und demnach betragsmäßig unbeschränkt haften, von der Art der Absicherung der Liftstützen am Tag des Unfalles ab. Zur Beurteilung der Frage, ob die Beklagten betragsmäßig unbeschränkt haften, muß das Urteil des Berufungsgerichtes daher aufgehoben werden. Das Berufungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren zu der von den Beklagten in der Berufung bestrittenen Ansicht des Erstgerichtes Stellung zu nehmen haben, die Höhe der Absicherung am Tag des Unfalles lasse sich nicht feststellen.

Eine gänzliche Aufhebung des Urteiles des Berufungsgerichtes wäre nur dann notwendig, wenn eine Haftung nach den Vorschriften des EKHG nicht bestunde bzw. wenn eine derartige Haftung ebenfalls von der Frage der Absicherung der Liftstützen abhinge. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Revisionswerber halten der Ansicht des Berufungsgerichtes, sie würden nach den Vorschriften des EKHG haften, zunächst entgegen, durch die Vorschrift des § 9 a EKHG habe der Gesetzgeber zweifelsfrei festlegen wollen, daß der Betriebsunternehmer eines Schleppliftes überhaupt nur dann hafte, wenn sich der Schaden aus dem Zustand der Schleppspur ergebe, sodaß die Anwendung des EKHG auf den Liftunternehmer nur dann stattzufinden habe, wenn sich Schäden aus dem Zustand der Schleppspur ergeben hätten. Dies gehe aus dem zweiten Satz des § 2 Abs. 1 EKHG hervor, wonach dieses Gesetz auf Bahnen, die ohne besondere Herstellung des Unterbaues angelegt seien, nicht anwendbar sei, "soweit sich aus dem vorliegenden Bundesgesetz nichts anderes ergäbe". Aus diesem Grund sei § 9 a EKHG eingefügt worden, um zu normieren, daß der Betriebsunternehmer eines Schleppliftes nur aus dem Zustand der Schleppspur bei eigenem oder Verschulden seiner Leute hafte.

Die Unrichtigkeit dieser Rechtsansicht ergibt sich aus § 2 EKHG, wonach für den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes auch Schlepplifte als Eisenbahnen gelten. Daraus geht eindeutig hervor, daß die Betriebsunternehmer von Schleppliften nach den Vorschriften des EKHG - mit der Einschränkung des § 9 a - haften sollten und nicht iS des letzten Halbsatzes des § 2 Abs. 1 EKHG von der Haftung ausgenommen sein sollten. Obwohl sich der Schaden nicht aus dem Zustand der Schleppspur ergab, erachtete daher das Berufungsgericht das EKHG mit Recht als auf den vorliegenden Fall anwendbar.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerber ist der Liftbenützer auch nicht als ein "beim Betrieb Tätiger" im Sinne des § 3 Z 3 EKHG anzusehen. Wohl bietet die Abgrenzung, ob eine beförderte Person iS dieser Gesetzesstelle "beim Betrieb tätig ist", in der Praxis mitunter Schwierigkeiten. Mögen in anderen Fällen Fahrgäste unter Umständen "beim Betrieb tätig sein", so ergibt sich aus dem Zweck des Gesetzes, daß den Anwendungsbereich des EKHG auf Schlepplifte ausdehnte, eindeutig, daß dies auf die Benützer von Schleppliften nicht zutrifft, weil gerade für sie ein haftungsrechtlicher Schutz geschaffen werden sollte (vgl. Pichler, Zur Haftung bei Schleppliftunfällen, RdA 1978, 21 ff.).

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Unfall sei auf eine durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen, kann allerdings nicht geteilt werden. Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr iS des § 9 Abs. 2 EKHG ist immer dann anzunehmen, wenn durch die schon durch den Betrieb des Fahrzeuges gegebene gewöhnliche Betriebsgefahr eine besondere Gefahrenlage hervorgerufen wird (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II 469). Der Unterschied zwischen gewöhnlicher und außergewöhnlicher Betriebsgefahr ist funktionell darin zu erblicken, daß zur gewöhnlichen Betriebsgefahr besondere Gefahrenmomente hinzutreten, die nach dem normalen Ablauf der Dinge nicht schon dadurch gegeben waren, daß ein Fahrzeug (hier der Schlepplift) überhaupt in Betrieb gesetzt wurde (ZVR 1979/139; 8 Ob 294/81 ua.). So wie bei einem Kfz. die Geschwindigkeit der gewöhnlichen Betriebsgefahr zuzurechnen ist, besteht die gewöhnliche Betriebsgefahr eines Schleppliftes ua. darin, daß die Benützer keine Möglichkeit haben, anzuhalten oder einem Hindernis auszuweichen. Ebensowenig, wie bei einem PKW diese gewöhnliche Betriebsgefahr zu einer außergewöhnlichen wird, wenn er vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis nicht mehr angehalten werden kann, und auch nicht von einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr iS des § 9 Abs. 2 EKHG gesprochen werden kann, wenn eine Straßenbahn gegen ein plötzlich in den Schienenbereich geratenes anderes Fahrzeug stößt, ist dies bei einem Schlepplift der Fall, wenn in der Schleppspur ein Hindernis auftaucht: Die Betriebsgefahr wird dadurch nicht zu einer außergewöhnlichen, sondern die gewöhnliche Betriebsgefahr führt in Verbindung mit einem auf eine andere Ursache zurückzuführenden Umstand zum Eintritt eines Schadens.

Ein Entlastungsbeweis iS des § 9 EKHG würde daher zu einer Haftungsbefreiung führen. Hiebei ist die Nichteinhaltung "jeder gebotenen Sorgfalt" nicht mit Verschulden gleichzusetzen. Während ein Verschulden erst dann gegeben ist, wenn der gewöhnliche Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit nicht eingehalten wurde, tritt nach § 9 EKHG die Haftungsbefreiung nur dann ein, wenn jede gebotene Sorgfalt eingehalten wurde. Darunter ist die äußerste nach den Umständen des Falles mögliche Sorgfalt zu verstehen (Koziol II 461 f.; ZVR 1981/42 uva.). Bleibt ungeklärt, ob ein im Rahmen des § 9 EKHG zu berücksichtigender Umstand für die Entstehung des Unfalles ursächlich war, so geht dies zu Lasten des Halters bzw. Betriebsunternehmers (ZVR 1970/91; ZVR 1978/232 uva.). Der Geschädigte hat allerdings zu beweisen, daß der Schaden durch einen Betriebsvorgang verursacht wurde, doch kann daran im vorliegenden Fall kein Zweifel bestehen. Die Beklagten sind von einer Haftung nach den Vorschriften des EKHG daher nur frei, wenn sie insbesondere beweisen, daß die Verletzung der Klägerin weder auf eine mangelhafte Absicherung der Liftstützen noch auf ein Unterlassen eines sofortigen Abschaltens des Liftes zurückzuführen ist. Die Frage, ob eine Haftung nach dem EKHG bestunde, weil ein Beweis für eine hinreichende Absicherung der Liftstützen nicht erbracht wurde, hängt - ebenso wie die Verschuldenshaftung - von der vom Berufungsgericht nicht übernommenen Feststellung ab, die Höhe der Absicherung lasse sich nicht feststellen. Trotzdem bedarf es zur Beurteilung der Haftung nach den Vorschriften des EKHG aus folgenden Gründen keiner Aufhebung des Urteiles des Berufungsgerichtes:

Bei Anwendung jeder gebotenen Sorgfalt iS der oben gemachten Ausführungen wäre es erforderlich gewesen, die Lifttrasse genau zu beobachten und den Lift sofort abzustellen, wie dies ja sogar in der Betriebsvorschrift vorgesehen ist. Der Umstand, daß der Bedienstete an der Talstation wegen seiner Beobachtungs- und Hilfeleistungspflichten im Bereich der Einstiegsstelle das Abrutschen der Andrea U nicht bemerkte, mag dazu führen, daß diesem Bediensteten kein Verschulden angelastet werden kann. Bei Anwendung jeder gebotenen Sorgfalt hätten die Beklagten jedoch insbesondere wegen der Länge und Steilheit der Lifttrasse dafür Sorge tragen müssen, daß diese stets beobachtet werden kann. Dies war jedoch nicht der Fall. Da die Möglichkeit besteht, daß nach einem sofortigen Abstellen des Liftes ein Sturz der Klägerin wesentlich weniger schwerwiegende Folgen gehabt hätte, ist den Beklagten ein Entlastungsbeweis iS des § 9 EKHG nicht gelungen, weshalb dem Berufungsgericht im Ergebnis beizupflichten ist, daß die Beklagten nach den Vorschriften des EKHG haften. Daraus folgt, daß das Leistungsbegehren jedenfalls berechtigt ist, ebenso der Ausspruch über das Feststellungsbegehren zumindest bis zu den Haftungshöchstbeträgen des § 15 EKHG.

Anmerkung

Z57027

Schlagworte

Betriebsgefahr, außergewöhnliche, keine - bei Sturz eines, Schleppliftbenützers und Abrutschen in der Spur, Schlepplift, Sturz eines Benützers: keine außergewöhnliche, Betriebsgefahr, Skischlepplift, s. Schlepplift

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0020OB00002.84.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19840131_OGH0002_0020OB00002_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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