TE OGH 1984/2/15 11Os7/84

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Veröffentlicht am 15.02.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Februar 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Helige als Schriftführers in der Strafsache gegen Rene A wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengerichtes vom 1.Juni 1983, GZ. 4 a Vr 547/83-23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Peisteiner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Generalanwaltes Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.März 1966 geborene Schuhmacherlehrling Rene A der Vergehen der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB, des Imstichlassens eines Verletzten nach dem § 94 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, er habe in Wien A/ am 31. März 1983 Johann B gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihm zurief 'Ich erschlag dich !'; B/ am 11.März 1983 es vorsätzlich unterlassen, Johann B, dessen Verletzung am Körper (§ 83 StGB) er durch die im folgenden Punkt angeführte Handlung verursachte, die erforderliche Hilfe zu leisten und C/ am 11.März 1983 durch Versetzen eines Stoßes und von Faustschlägen den Johann B vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch der Genannte einen Nasenbeinbruch, eine Rißwunde unter der Zunge und Blutergüsse im Gesicht erlitt.

Der Sache nach nur die Schuldsprüche zu B/ und C/ bekämpft Rene A mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z. 3, 5 und 9 lit. a StPO gestützten - nach Veranlassung eines Verbesserungsverfahrens gemäß dem § 270 Abs. 3 StPO (s. ON. 26 und 28) neuerlich ausgeführten - Nichtigkeitsbeschwerde (ON. 29):

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund behauptet der Beschwerdeführer, zu Faktum B/ (Imstichlassen eines Verletzten) liege im Spruch keine Tatumschreibung vor, das Urteil beschränke sich auf die bloße Wiederholung der Worte des Gesetzes, was für die Konkretisierung der Tat nicht hinreichend sei.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden. Die vom Erstgericht gewählte Textierung des Schuldspruches wegen Imstichlassens eines Verletzten zeigt eindeutig, welcher Tat der Angeklagte für schuldig befunden und welche strafbare Handlung durch die als erwiesen angenommenen Tatsachen begründet wurde. Das Urteil entspricht insoweit der Bestimmung des § 260 Abs. 1 Z. 1 und 2 StPO, deren Verletzung der Beschwerdeführer somit zu Unrecht reklamiert. Anders als in dem in der Entscheidung EvBl. 1972/308 behandelten, vom Beschwerdeführer zitierten Fall läßt nämlich der Schuldspruch klar erkennen, durch welches Verhalten die vorgeworfene strafbare Handlung verwirklicht wurde.

Ein Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO bedingender Mangel liegt nicht vor.

Mit Berufung auf § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO wirft der Beschwerdeführer der Urteilsbegründung Unvollständigkeit und Mangelhaftigkeit vor; er behauptet, die (für ihn günstige) Aussage der Zeugin Petra C sei, soweit sich aus ihr eine Notwehrsituation ableiten lasse, vom Gericht völlig übergangen worden. Unbegründet sei die Feststellung des Urteils, er habe die Hilfsbedürftigkeit des von ihm verletzten Zeugen Johann B erkennen können; sie finde in den Beweisergebnissen keine Deckung.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß sich das Schöffengericht entgegen der Meinung in der Beschwerde mit der Aussage der Zeugin Petra C eingehend befaßte, ihr aber, soweit darin eine durch den Angriff des Zeugen Johann B hervorgerufene Notwehrsituation des Beschwerdeführers behauptet wird, den Glauben versagte (S. 123, 124).

Diese Beurteilung gehört in den Bereich der im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpfbaren Beweiswürdigung. Auch die Feststellung des Ersturteils, der Beschwerdeführer habe die Hilfsbedürftigkeit des Johann B sehen können (S. 123), ist in den Beweisergebnissen gedeckt: Der Beschwerdeführer versetzte dem Zeugen B - nach den erstgerichtlichen Tatsachenannahmen - mehrere wuchtige, u. a. zu (heftigem) Nasenbluten führende Faustschläge ins Gesicht (S. 112). Trotz Wahrnehmung des Blutens, somit einer Verletzung des Zeugen, die eine Hilfsbedürftigkeit indizierte, unterließ er es aber, sich von der Notwendigkeit einer Hilfeleistung zu überzeugen (S.125).

Die Feststellung im Ersturteil, die Verletzungen des Johann B seien durch - vom Beschwerdeführer übrigens nicht bestrittene - Faustschläge entstanden, stützt das Gericht, entgegen dem Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde, auf die Aussage des Verletzten (S. 123) und nicht auf das ärztliche Gutachten, das über die Entstehung der Verletzungen tatsächlich keine Auskunft gibt (S. 87); dieses Gutachten wird im Ersturteil nur im Zusammenhang mit dem Verletzungsumfang erwähnt (S. 123, 124).

Die im Rahmen der auf Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO bezogenen Rechtsrüge aufgestellte Behauptung, es fehle eine Feststellung über den Ablauf der Ereignisse in der Straßenbahn, insbesondere des vom Beschwerdeführer behaupteten ersten tätlichen Angriffes durch den Zeugen Johann B, setzt sich über ausdrückliche, gegenteilige Feststellungen des Schöffengerichtes hinweg (vgl. S. 123). Die Rüge stellt sich deshalb insoweit nicht als gesetzmäßige Ausführung des angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes dar, sodaß ein weiteres Eingehen auf diese nicht zutreffende Behauptung unterbleiben kann. Vom Beschwerdeführer unter neuerlicher Anrufung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO vermißte Feststellungen darüber, ob ihm eine Hilfeleistung zumutbar war, erweisen sich schon deshalb als nicht indiziert, weil nach dem Akteninhalt kein Anhaltspunkt dafür vorhanden ist, daß der Angeklagte, der bei der Auseinandersetzung mit Johann B unverletzt blieb, zu einer zweckentsprechenden Hilfeleistung nicht imstande gewesen wäre (vgl. § 94 Abs. 3 StGB).

Daß aber, wie der Beschwerdeführer in (prozeßordnungsgemäßer) Ausführung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO behauptet, die Hilfeleistung bei (bloßem) Nasenbluten des Verletzten nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht erforderlich sei, trifft nicht zu. Denn nicht nur Körperverletzungen - und als solche ist auch das Nasenbluten anzusehen, das durch die Eröffnung eines, wenn auch minder bedeutsamen Blutgefäßes entsteht (Leukauf-Steininger 2 , RN. 4 und 5 a.E. zu § 83 StGB) -, sondern auch Schädigungen an der Gesundheit des Opfers können die Hilfeleistungspflicht begründen. Nur eine bloße (konkrete) Gefährdung oder eine Bagatellverletzung indizieren eine Hilfsbedürftigkeit nicht (Leukauf-Steininger 2 , RN. 6 und 7; Kienapfel, BT. I, RN. 535, je zu § 94 StGB). Das (übrigens heftige - vgl. S. 9, 13, 115) Nasenbluten des immerhin sechzigjährigen Johann B, das der Beschwerdeführer neben anderen Gesichtsverletzungen durch (wuchtige) Faustschläge gegen den Kopf seines Widersachers verursacht und - wie schon erwähnt - nach seinem eigenen Vorbringen (S. 112) auch bemerkt hatte, war ein ausreichendes Symptom dafür, daß der Verletzte hilfsbedürftig sein könnte. Dieses Anzeichen hätte den Beschwerdeführer dazu veranlassen müssen, sich von der Hilfsbedürftigkeit seines Opfers zu überzeugen.

Die Verpflichtung hiezu ergibt sich mittelbar aus dem Tatbild des Par 94 StGB (Leukauf-Steininger 2 , RN. 8 zu § 94 StGB). Durch das Unterlassen jeglicher darauf abzielender Bemühungen des Beschwerdeführers wurde der Tatbestand nach dem § 94 Abs. 1 StGB verwirklicht. Auch der Schuldspruch wegen dieses Vergehens entspricht somit dem Gesetz, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen war.

Das Jugendschöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 107 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB und des § 11 JGG eine

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unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene

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Freiheitsstrafe von fünf Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung die auf gleicher schädlicher Neigung beruhende Vorstrafe und das Zusammentreffen von drei Vergehen als erschwerend, hingegen die ungünstigen häuslichen (familiären) Verhältnisse als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte unter Behauptung des zusätzlichen Milderungsgrundes, er sei von Johann B attackiert worden, die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Auch diesem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu. Der zusätzlich reklamierte Milderungsumstand kommt dem Angeklagten nicht zugute, weil die zur Beurteilung dieses Vorbringens maßgebenden (§ 295 StPO) erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen die Annahme, Johann B hätte den Angeklagten angegriffen, nicht zulassen. Auf der Basis der mithin vom Jugendschöffengericht zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe erweist sich die Freiheitsstrafe - insbesondere mit Rücksicht auf das Vorleben des Rechtsmittelwerbers - nicht als reduktionsbedürftig. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04520

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00007.84.0215.000

Dokumentnummer

JJT_19840215_OGH0002_0110OS00007_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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