TE OGH 1984/3/29 8Ob162/83

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Veröffentlicht am 29.03.1984
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Norm

BG über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer §3

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SZ 57/64

Spruch

Ansprüche auf Leistungen nach dem Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, BGBl. 1977/322, sind übertragbar

OGH 29. 3. 1984, 8 Ob 162/83 (OLG Wien 17 R 223/82; LGZ Wien 9 Cg 713/82)

Text

Die Erstklägerin wurde am 8. 9. 1979 als Fußgängerin bei einem Verkehrsunfall verletzt. Der schuldige Lenker des den Unfall verursachenden Fahrzeuges beging Fahrerflucht. Er konnte nicht ausgeforscht werden. Unbestritten ist, daß der beklagte Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs nach dem Verkehrsopfergesetz, BGBl. 1977/322, und der Kundmachung des Bundesministeriums für Finanzen, WrZ 1978/264 vom 15. 11. 1978, Z 90 0124/3-V/6/78, grundsätzlich schadenersatzpflichtig ist.

Die Erstklägerin begehrte die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden aus dem Unfall, insbesondere unter Bedachtnahme auf die mit den unfallskausalen Verletzungen eingetretene Berufsunfähigkeit. Der Zweitkläger, der Verein für Vorsorge und Hilfe in Schadensfällen, begehrte vom Beklagten die Bezahlung der ihm von der Erstklägerin zum Inkasso zedierten Geldersatzansprüche in der restlichen Höhe von 128 447.85 S (150 000 S Schmerzengeld, 22 012.85 S Verdienstentgang, 12 000 S Ersatz für Aushilfskräfte, 1 485 S Heilbeihilfe, 2 000 S vermehrter Aufwand, 250 S Sachschaden und 700 S Fahrtkosten, sohin 188 447.85 S abzüglich einer Akontozahlung von 60 000 S).

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Das Feststellungsbegehren sei gemäß § 5 VerkehrsopferG ausgeschlossen, dem Zweitkläger fehle gemäß § 3 VerkehrsopferG die Aktivlegitimation.

Das Erstgericht wies beide Begehren ab. Das Leistungsbegehren sei verfehlt, weil Leistungen nach § 3 VerkehrsopferG ausschließlich den dort genannten Anspruchsberechtigten zustunden. Die Ansprüche seien unübertragbar, weshalb der Zweitkläger die Ansprüche nicht gestützt auf eine Inkassozession geltend machen könne. Die umfängliche Begrenzung der Entschädigungsleistung auf eine einmalige Kapitalzahlung (§ 5 VerkehrsopferG) schließe mehrmalige Zahlungen aus, weshalb ein Feststellungsbegehren für künftige Ansprüche nach einer den Schaden deckenden Kapitalzahlung nicht mehr gestellt werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Erstklägerin nicht Folge; deren Ansprüche sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Der Berufung des Zweitklägers gab das Gericht zweiter Instanz jedoch Folge und hob das erstgerichtliche Urteil im Ausspruch über die Abweisung von 128 447.85 S sA sowie in seiner Kostenentscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat folgende Auffassung: Nach § 1 Abs. 1 VerkehrsopferG sei zur Leistung nach diesem Gesetz zwar grundsätzlich nicht der beklagte Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs, sondern der Fachverband der Versicherungsunternehmungen Österreichs verpflichtet; der Beklagte habe jedoch seine Leistungspflicht anerkannt. Die Übernahme der gesetzlichen Verpflichtung des Fachverbandes der Versicherungsunternehmungen durch einen Dritten sei im Einzelfall nicht auszuschließen. Im übrigen setze die Bestimmung des § 3 Abs. 1 VerkehrsopferG die "ausschließliche" Anspruchsberechtigung bestimmter Personen fest und umschreibe damit den Kreis der zu entschädigenden Opfer. Der Ausschluß jeder Übertragung dieser Ersatzansprüche an Dritte sei der Bestimmung nicht zu entnehmen. Die nicht vom Justiz-, sondern vom Finanz- und Budgetausschuß behandelte Regierungsvorlage sei nach dem Ausschußbericht keiner Beratung in dieser Richtung unterzogen worden (542 BlgNR 14. GP). Nach den Erläuternden Bemerkungen zu § 3 der Regierungsvorlage (aaO 4) mache "der Zweck des Entwurfes, die Opfer von Straßenverkehrsunfällen in bestimmten Härtefällen zu entschädigen, es notwendig, den Kreis der Anspruchsberechtigten auf ... einzuschränken. Ausgenommen bleiben also insbesondere Regreßansprüche der Sozialversicherungsträger". Unter diesen Gesichtspunkten sollte die Bestimmung des § 3 allein die Entschädigung der genannten Personen sicherstellen und abgeleitete Regreßansprüche Dritter, die den Schaden auf Grund einer bestehenden unabhängigen Leistungspflicht behoben haben (zB Pflichtversicherung mit Legalzession an den Versicherungsträger), nicht zulassen. Eine solche mit dem Zweck der Minderung persönlicher Härte nicht zu vereinbarende Geltendmachung seitens eines Dritten zu seinen Gunsten liege aber nicht vor, wenn diesem, wie behauptet, die Ansprüche nur zum Inkasso im Rahmen einer bankmäßigen Sicherung eines zu Ersatzzwecken aufgenommenen Kredites abgetreten wurden. In einem solchen Fall bleibe der Anspruch im Bereich des nach dem Gesetz "ausschließlich" Berechtigten als Nutznießer der Entschädigung. Die Aktivlegitimation des Zweitklägers sei damit gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Eingangs sei erwähnt, daß nach § 1 Abs. 1 des BG BGBl. 1977/322 über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer zur Leistung nach diesem Gesetz der Fachverband der Versicherungsunternehmungen und nicht der hier beklagte Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs verpflichtet ist. Da die Übernahme der gesetzlichen Verpflichtung des Fachverbandes der Versicherungsunternehmungen durch einen Dritten im Einzelfall nicht ausgeschlossen ist und der Beklagte seine grundsätzliche Leistungspflicht anerkannte, erweist sich das Klagebegehren - wie das Berufungsgericht richtig erkannte - nicht als unschlüssig (EvBl. 1983/65).

Das Bundesgesetz BGBl. 1977/322 über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer sieht in seinem § 3 Abs. 1 unter der Überschrift "Anspruchsberechtigte Personen" vor, daß Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz 1. ausschließlich Personen haben, die durch ein Schadensereignis iS des § 2 Abs. 1 leg. cit. eine Körperverletzung oder sonstige Gesundheitsschädigung erlitten haben, sowie daß ein solcher Anspruch 2. Hinterbliebenen von durch ein solches Schadensereignis getöteten Personen zusteht. Nach den Erläuternden Bemerkungen machte es der Zweck des Entwurfes, die Opfer von Straßenverkehrsunfällen in bestimmten Härtefällen zu entschädigen, notwendig, den Kreis der Anspruchsberechtigten auf die verletzten Personen und die unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen getöteter Personen einzuschränken. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, sollte mit dem Wort "ausschließlich", das der Gesetzgeber im § 3 Abs. 1 VerkehrsopferG verwendete, nur die Anspruchsberechtigung bestimmter Personen umrissen und der Kreis der zu entschädigenden Opfer umschrieben werden. Ein Abtretungsverbot kann aus der Verwendung dieses Ausdruckes nicht entnommen werden. Dazu fehlt es an einer eindeutigen Aussagekraft der gebrauchten Diktion, wie dies beispielsweise im Unterhaltsvorschußgesetz, das auf ähnlichen Gedankengängen beruht, im § 25 leg. cit. unmißverständlich dadurch zum Ausdruck kommt, daß unter der Überschrift "Unübertragbarkeit" Ansprüche auf Vorschüsse durch Abtretung nicht für übertragbar erklärt werden. Der Gesetzgeber verwendet das Wort "ausschließlich" im § 5 Abs. 1 des Verkehrsopfergesetzes ebenfalls nicht in einem umfassend exklusiven Sinn; dies erweist sich eindeutig daraus, daß das Wort "ausschließlich" im § 5 Abs. 1 leg. cit. wegbleiben könnte, ohne daß der Sinngehalt der Norm dadurch verändert wäre. Auch aus dem von den Erläuternden Bemerkungen herangezogenen Beispiel, wonach der Sozialversicherungsträger nicht berechtigt sein soll, an der eine Entschädigung in Härtefällen darstellenden Leistung des Versicherungsverbandes Regreß zu nehmen, kann nicht der darüber hinausgehende Schluß gezogen werden, daß dies auch in Fällen gelten müßte, in welchen der Geschädigte selbst über die ihm zustehende Entschädigungsforderung verfügt. Berücksichtigt man, daß gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 VerkehrsopferG die vorgesehene Entschädigung erst zu leisten ist, wenn nicht binnen sechs Monaten nach dem Eintritt des Schadens eine zivilrechtlich haftpflichtige Person ermittelt werden kann, sind durchaus Fälle denkbar, in welchen das Unfallsopfer im vorhinein auf vertraglicher Basis über den zu erwartenden Entschädigungsanspruch ihm notwendig oder nützlich scheinende Verfügung trifft. Wie das Berufungsgericht richtig ausführte, verbleibt auch in einem solchen Fall der Geschädigte der Nutznießer der Entschädigung. Im Zusammenhang verstanden kann der insoweit nicht sehr glücklich gewählten Formulierung des § 3 Abs. 1 VerkehrsopferG nicht die Absicht des Gesetzgebers unterstellt werden (§ 6 ABGB - EvBl. 1976/53 ua.), den ohnedies keinen vollwertigen Versicherungsschutz darstellenden Entschädigungsbetrag (EvBl. 1983/77) dadurch geringwertiger zu gestalten, daß er nicht abtretungsfähig wäre.

Anmerkung

Z57064

Schlagworte

VerkehrsopferG, Zession von Ansprüchen, Zession von Ansprüchen nach dem VerkehrsopferG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00162.83.0329.000

Dokumentnummer

JJT_19840329_OGH0002_0080OB00162_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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