TE OGH 1984/6/5 4Ob49/84

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Veröffentlicht am 05.06.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Gamerith sowie durch die Beisitzer Dr. Martin Meches und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ekkehard B*****, vertreten durch Hermann Peter, leitender Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, Deutschmeisterplatz 2, 1010 Wien, dieser vertreten durch Dr. Georg Griesser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Br*****, vertreten durch R.H. Stevens, Direktor für Österreich, Kärntnerring 10, 1010 Wien dieser vertreten durch Dr. Friedrich Mosing, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 57.602,45 samt Anhang, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 3. November 1983, GZ 44 Cg 180/83-38, womit das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 11. April 1983, GZ 4 Cr 1305/80-31, aufgehoben wurde, folgender

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger ist seit 1. August 1970 als kaufmännischer Angestellter bei der beklagten Partei beschäftigt und seit 1. Jänner 1973 Passageleiter im Stadtbüro Wien mit einem monatlichen Bruttogehalt von S 25.043,- 14 x jährlich. Auf die Dienstverhältnisse der Angestellten der beklagten Partei findet der Kollektivvertrag für die Angestellten der ausländischen Luftverkehrsgesellschaften in Österreich in der Fassung vom 30. Mai 1979 (im Folgenden kurz: Kollektivvertrag) Anwendung, der ua folgende Bestimmungen enthält:

"§ 1

Geltungsbereich

1.)

...

2.)

Ausgenommen von diesem Kollektivvertrag sind die von den Gesellschaften in das Gebiet der Republik Österreich versetzten Angestellten, deren Dienstverträge ausländischem Dienstrecht unterliegen, sowie Sonderverträge von leitenden Angestellten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, sofern diese keine ungünstigeren Bestimmungen enthalten.

§ 7

Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit

              1.)              Überstunden sind vom Dienstgeber oder dessen Bevollmächtigen angeordnete Arbeitsstunden, welche über die im § 5 festgesetzte Arbeitszeit hinausgehen.

Hinsichtlich der Anordnung von Überstunden gelten die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes.

              2.)              Die Überstundenentlohnung besteht aus einem Grundstundenlohn und einem Zuschlag. Grundlage für die Berechnung des Grundstundenlohns ist 1/157 (gemeint offenbar: des Monatsgehaltes).

              3.)              Für Angestellte, welche nicht in Schicht- bzw kontinuierlichen Dienst beschäftigt sind, beträgt der Überstundenzuschlag an Werktagen in der Zeit von 6 bis 20 Uhr 50 % und in der Zeit von 20 bis 6 Uhr 100 %, an Sonntagen 100 %.

...

              8.)              Der Überstundenabgeltungsanspruch muss binnen 4 Monaten nach dem Tage der Überstundenleistung geltend gemacht werden, da ansonsten der Anspruch erlischt. Im Falle der rechtzeitigen Geltendmachung gilt die dreijährige Frist des ABGB.

              9.)              Die Abgeltung der Überstunden kann im Einvernehmen mit dem Angestellten unter Berücksichtigung der Zuschläge gemäß Z 3, 4 und 5 im Zeitausgleich erfolgen.

...

Der Kläger bringt vor, er habe seine Arbeit in der Normalarbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich nicht durchführen können. Die Leistung von Überstunden sei der beklagten Partei bekannt gewesen. Eine Vereinbarung, geleisteter Überstunden durch Zeitausgleich abzugelten, sei in keinem Fall zustande gekommen. Die beklagte Partei habe bisher folgende notwendige Überstunden nicht vergütet.

1.) In der Zeit vom 1. 9. 1979

bis 19. 1. 1980

a) 93 ¾ Überstunden mit

50 % Zuschlag á S 239,26...... S 22.431,04

b) 13 Überstunden mit

100 % Zuschlag á S 319,02..... S  4.147,26

                                           S 26.578,30

brutto.

2.) In der Zeit von 20. 1. bis

19. 4. 1980

a) 109 Überstunden mit 50 %

Zuschlag á S 239,26........... S  26.079,34

b) 15,5 Überstunden mit

100 % Zuschlag á S 319,02      S   4.944,81

                                            S 31.024,15

Der Kläger begehrte daher zuletzt Zahlung von S 57.602,45 brutto sA.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei leitender Angestellter im Sinne des § 1 Abs 2 Z 8 AZG. Die beklagte Partei habe ihre Angestellten mit Notiz vom 24. August 1977 darauf hingewiesen, dass Überstundenentgelt nur bei ausdrücklich angeordneten Überstunden bezahlt werde. Im Einvernehmen mit den Angestellten sei beschlossen worden, anerkannte Überstunden durch Zeitausgleich abzugelten. Die vom Kläger verzeichneten Überstunden seien nicht angeordnet und ihre Leistung der beklagten Partei - mit einer Ausnahme, für die Zeitausgleich vereinbart worden sei - auch nicht bekanntgeworden. Der Kläger habe wiederholt Zeitausgleich in Anspruch genommen und seine Vorgesetzten nicht darauf hingewiesen, dass er seine Aufgaben nur unter Leistung von Überstunden erfüllen und diese nicht zur Gänze durch Zeitausgleich kompensieren könne. Hiezu wäre er verpflichtet gewesen, da seine Vorgesetzten wegen seiner häufigen Außendienste nicht in der Lage gewesen seien, das jeweilige Ausmaß seines zeitlichen Einsatzes abzuschätzen. Die nachträgliche Geltendmachung eines Überstundenentgeltes widerspreche daher Treu und Glauben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 51.864,87 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 5.737,58 sA ab.

Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Tätigkeit des Klägers bringt auch Außendienste und insbesondere Auslandsreisen mit sich. Die beklagte Partei bezahlte bis zum Jahre 1977 ohne weiteres die von den Angestellten des Stadtbüros Wien geleisteten Überstunden. Aus besonderem Anlass richtete der Direktor der beklagten Partei für Österreich, Ungarn und Jugoslawien am 24. Juli 1977 an das Personal des Stadtbüros Wien wegen Bezahlung von Überstunden folgendes Schreiben:

"Bitte zur Kenntnis zu nehmen, dass die Bezahlung von Überstunden nur dann erfolgen kann, wenn die Überstunden vom zuständigen Verantwortlichen für das Stadtbüro, seinem Stellvertreter oder von mir verlangt werden. Für jeden Tag ist eine Dienstliste zu führen, in welcher die Namen des ganzen Personals aufscheinen, ob anwesend oder abwesend aus diversen Gründen wie Urlaub, Krankenstand, Ausgleich usw, wobei diese Liste von dem zuständigen Verantwortlichen für das Stadtbüro oder von seinem Stellvertreter unterzeichnet werden muss."

Seither führt die Angestellte Ilse C***** Listen, in denen An- und Abwesenheiten der Angestellten und die Gründe von Abwesenheiten (Mittagspause, Urlaub, Zeitausgleich, Freizeit, berufsbedingte Abwesenheit) eingetragen werden. Daneben gibt es noch weitere Listen, in denen für jeden einzelnen Angestellten die geleisteten Überstunden als Gutstunden und der dafür in Anspruch genommene Zeitausgleich vermerkt werden. Diese Listen und die Anwesenheitsliste kommen nicht ins Sekretariat, wohl aber das jeweilige Urlaubsansuchen, dass vom Verkaufsdirektor der beklagten Partei, Wilhelm S*****, dem unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers, unterschrieben wird. Bis September 1979 verlangte der Kläger nie die Bezahlung von Überstunden oder deren Abgeltung durch Zeitausgleich, da zunächst nur wenige Überstunden anfielen. Die Zahl begann erst ab Jahresende 1978/79 infolgevermehrter Buchungen nach London und zeitweiliger personeller Unterbesetzung des Stadtbüros zu wachsen. Zusätzliche Arbeiten verursachten im Herbst 1979 die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele in Lake Placid. Das damit verbundene Gruppengeschäft musste der Kläger über Wunsch seines Vorgesetzten persönlich abwickeln. Der Kläger forderte von seinem Vorgesetzten Wilhelm S***** mehrmals mündlich die Bezahlung von Überstunden, wurde aber unter Hinweis auf die Notiz vom 24. August 1977 abgewiesen. Im Jänner 1980 wandte sich der Kläger deswegen an Richard S*****, den Gebietsleiter der beklagten Partei für Wien.

Der Kläger leistete vom September 1979 bis 18. Jänner 1980 92 (richtig: 102 ¼) Überstunden, die mit 50 %igem Zuschlag abzugelten waren, und weitere 13 Überstunden, die mit 100 %igem Zuschlag abzugelten waren. Unter diese Überstunden falle auch 27 ½ Überstunden für mehrere Reisen nach London. Diese Überstunden machte der Kläger nicht nur gegenüber Richard S***** im Jänner 1980, sondern auch mit Schreiben vom 20. Februar 1980 gegenüber der Firmenleitung geltend. In der Zeit vom Jänner 1980 bis April 1980 leistete der Kläger - die verbrauchte Freizeit abgezogen - 103 ¼ (richtig: 99 ¾ ?) Überstunden mit 50 %igem Zuschlag und 15 ½ (richtig: 48 ¾ ?) Überstunden mit 100 %-igem Zuschlag, die er am 29. Mai 1980 bei der beklagten Partei schriftlich geltend machte. In diese Zeit fielen auch drei Reisen zur Olympiamannschaft nach Lake Placid. Für eine dieser Reisen bot Wilhelm S***** dem Kläger nach der Rückkehr einen Freizeitausgleich von 5 Tagen an, was dieser ablehnte.

Das Erstgericht war der Ansicht, dass der Kläger nicht als leitender Angestellter angesehen werden könne, da ihm maßgebende Führungsaufgaben selbstverantwortlich nicht übertragen worden seien und dass daher das Arbeitszeitgesetz auf ihn Anwendung finde. Da mit dem Kläger eine Vereinbarung über die Abgeltung der Überstunden durch Zeitausgleich nicht zustandegekommen sei, gebühre ihm für die festgestellten Überstunden das geltend gemachte Überstundenentgelt (bei dessen Zusammenrechnung dem Erstgericht allerdings ein Additionsfehler unterlief).

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem. Es gab den Berufungen beider Parteien Folge, hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Berufungsgericht traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht, jedoch mit folgenden Abänderungen und Ergänzungen:

Es übernahm nicht die Feststellung des Erstgerichtes, dass der Kläger bei Wilhelm S***** mehrmals mündlich vergeblich Überstunden forderte, und dass er sich im Jänner 1980 wegen der seit September 1979 geleisteten Überstunden an Richard S***** wendete, sondern stellte fest, dass der Kläger im Jänner 1980 die Bezahlung von Überstundenentgelt für im November und Dezember 1979 geleisteten Überstunden von Wilhelm S***** und später auch von Richard S***** forderte. Das Berufungsgericht übernahm auch nicht die Feststellungen des Erstgerichtes über das Ausmaß der vom Kläger insgesamt geleisteten Überstunden.

Ergänzend stellte die zweite Instanz fest, dass mit dem Kläger kein Sondervertrag im Sinne des § 1 des Kollektivvertrages besteht und dass sich der Kläger niemals zu Wilhelm S***** oder zum Geschäftsführer der beklagten Partei dahingehend äußerte, dass er seine Arbeit in der normalen Arbeitszeit nicht erledigen könne, und dass er nie im Vorhinein um die Genehmigung von Überstunden ansuchte, dass er aber wiederholt nach Ablauf der Normalarbeitszeit mit Wilhelm S***** dienstliche Besprechungen führte.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass der Kläger mangels Vorliegens eines Sondervertrages nicht als leitender Angestellter im Sinne des § 1 Abs 2 des Kollektivvertrages anzusehen sei, sodass der Frage, ob er leitender Angestellter im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sei, insoweit keine Bedeutung zukomme. § 7 Z 8 des Kollektivvertrages setze fest, dass der Überstundenabgeltungsanspruch binnen 4 Monaten nach Leistung der Überstunden geltend gemacht werden müsse. Die Verfallsklausel, auf die sich die beklagte Partei im Berufungsverfahren gestützt habe, sei nicht sittenwidrig, weil sie die Geltendmachung des Überstundenanspruches nicht übermäßig erschwere. Unter Geltendmachung sei hier die außergerichtliche Geltendmachung zu verstehen, die allerdings nach den (von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichenden) Feststellungen des Berufungsgerichtes für die Monate September und Oktober 1979 erst mit Schreiben vom 20. 2. 1980 erfolgt sei. Die bis zum 19. 10. 1979 geleisteten Überstunden wären danach verfallen, doch habe der Kläger in der Berufungsbeantwortung neu vorgebracht, dass die ab 1. 9. 1979 geleisteten Überstunden schon vor Jänner 1980 bei Wilhelm S***** geltend gemacht worden seien, sodass im fortgesetzten Verfahren darüber Beweise aufzunehmen seien. Ein Anspruch auf Bezahlung von Überstunden bestehe auch dann, wenn diese vom Dienstgeber schlüssig angeordnet worden seien. Dies sei der Fall, wenn vom Dienstgeber Arbeitsleistungen verlangt würden, die bei richtiger Einteilung der Arbeit in der normalen Arbeitszeit nicht erledigt werden könnten. Wenn dem Dienstgeber bewusst sei, dass Arbeiten in einem Ausmaß zu verrichten seien, dass Überstunden notwenigerweise zur Folge habe, sei eine Anzeige des Dienstnehmers nicht notwendig. Das Erstgericht habe Feststellungen darüber, ob der Kläger seinen Dienstpflichten in der Normalarbeitszeit entsprechen konnte, nicht getroffen. Es habe insbesondere nicht festgestellt, wie oft Wilhelm S***** den Kläger über die normale Arbeitszeit hinaus in Anspruch genommen habe. Im Falle der Abwesenheit von Wilhelm S***** habe der Kläger als dessen Vertreter Überstunden auf eigene Initiative verrichten dürfen, hätte dies aber nachher melden müssen.

Die Reisezeiten seien der eigentlichen Arbeitszeit lohnrechtlich nicht gleichzusetzen, sondern als Zeiten der Arbeitsbereitschaft und damit nicht als Leistung von Überstunden zu beurteilen. Ob und inwieweit sie zu vergüten seien, hänge von den getroffenen Vereinbarungen ab. Das Erstgericht werde festzustellen haben, welche Überstunden des Klägers anlässlich seiner Reisen auf die reine Reisezeit und welche auf Arbeitsleistungen am auswärtigen Dienstort entfielen. Da die bisher für das Ausmaß der vom Kläger geleisteten Überstunden beigebrachten Beweise nicht als ausreichend anzusehen seien, werde die Überstundenentlohnung mangels unterstützender Beweisergebnisse nach § 273 ZPO festzusetzen sein. Schließlich sei auch die Frage der Abgeltung der Überstunden des Klägers durch Gewährung von Zeitausgleich noch aufklärungsbedürftig. Aus einer Reihe von Beweisaufnahmen könne entnommen werden, dass der Kläger vor September 1979 Überstunden geleistet habe, die durch Zeitausgleich abgegolten worden seien. In diesem Fall wäre ein Einvernehmen zwischen den Streitteilen im Sinne des § 7 Z 9 des Kollektivvertrages anzunehmen. Das nunmehrige Begehren des Klägers auf finanzielle Abgeltung geleisteter Überstunden wäre im Hinblick auf dieses Einvernehmen nur dann gerechtfertigt, wenn er zum Ausdruck gebracht hätte oder für die beklagte Partei erkennbar gewesen sei, dass er mit dem Zeitausgleich nicht das Auslangen finde.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Aufhebungsbeschluss erhobene Rekurs der beklagten Partei ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin ist der Ansicht, die Rechtssache sei im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens spruchreif, weil der Kläger bis Jänner 1980 die Bezahlung geleisteter Überstunden nicht verlangt habe und der beklagten Partei bis dahin auch nicht erkennbar gewesen sei, dass der Kläger allfällige Überstunden nicht mehr durch Zeitausgleich verrechnen könne. Sein nachträgliches Zahlungsbegehren verstoße daher gegen Treu und Glauben.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.

Vorauszuschicken ist, dass der Kläger mangels eines Sondervertrages nicht leitender Angestellter im Sinne des § 1 Z 2 des Kollektivvertrages ist. Dieser findet somit auf ihn Anwendung. Der Kläger ist aber auch nicht leitender Angestellter im Sinne des § 1 Abs 2 Z 8 AZG, weil dies zur Voraussetzung hätte, dass ihm maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen wurden. Das ist nicht der Fall, weil der Kläger als Passageleiter nur eine Abteilung des Stadtbüros führt, ihm als unmittelbarer Vorgesetzter der Verkaufsdirektor Wilhelm S***** übergeordnet ist und er auch dem Gebietsleiter der beklagten Partei für Wien, Richard S*****, untersteht.

Das Arbeitszeitgesetz schreibt vor, dass für Überstunden eine Vergütung in der Form eines Zuschlags zum Normallohn gebührt. Der im ursprünglichen Wortlaut des § 10 Abs 1 AZG enthaltene Vorbehalt einer anderen Regelung der Überstundenvergütung durch Kollektivverträge ist entfallen (Cerny, Arbeitszeitrecht 90; vgl. auch Berger in ZAS 1972, 224 f). Eine Überstundenvergütung durch Freizeitausgleich ist im Arbeitszeitgesetz (anders als in einzelnen Sondergesetzen) nicht vorgesehen. Ein weder gesetzlich noch kollektivvertraglich ausdrücklich vorgesehener Freizeitausgleich zur Überstundenabgeltung kann keinesfalls einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden, sondern immer nur auf dem Wege einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgenommen werden (Arb 9406; 4 Ob 120/83). In der Lehre wird die Ansicht vertreten, dass solche Vereinbarungen nur dann und insoweit wirksam sind, als sie für den Arbeitnehmer günstiger als der gesetzliche Anspruch auf Überstundenvergütung sind. Vereinbarungen, die einen Freizeitausgleich im Verhältnis 1:1 vorsähen, seien jedenfalls rechtsunwirksam (Cerny aaO 98 f). Das ist hier nicht der Fall, weil der vorliegende Kollektivvertrag in § 7 eine Abgeltung der Überstunden durch Zeitausgleich unter Berücksichtigung der Zuschläge gemäß § 7 Z 3, 4 und 5 vorsieht. Der Kollektivvertrag bestimmt jedoch nur, dass diese Abgeltung im Einvernehmen mit dem Angestellten erfolgen kann, und verweist damit auf eine abzuschließende Einzelvereinbarung. Eine generelle, alle Arbeitnehmer bindende Vereinbarung, die den Arbeitgeber berechtigen würde, zu verlangen, dass die Arbeitnehmer geleisteten Überstunden durch Zeitausgleich verrechnen, enthält der Kollektivvertrag nicht.

Ein solches Einvernehmen liegt nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht vor; nach dem vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt verlangte vielmehr der Kläger bis September 1979 weder Überstundenbezahlung noch Zeitausgleich, da zunächst nur geringe Überstunden (vier bis fünf im Monat) anfielen, die er nicht in Rechnung stellte. Als die Zahl der Überstunden zu wachsen begann, forderte der Kläger Überstundenbezahlung und lehnte zB nach einer Reise nach Lake Placid das Angebot Wilhelm S*****, ihm Freizeitausgleich zu gewähren, ab. Diese Feststellungen scheinen nicht unter jenen auf, die das Berufungsgericht nicht übernommen hat. Die zweite Instanz verwies aber bei der Behandlung der Rechtsrüge auf eine Reihe von Beweisergebnissen, aus denen sich ergebe, dass der Kläger schon vor 1979 Überstunden geleistet habe, die durch Zeitausgleich abgegolten worden seien. Der Auftrag des Berufungsgerichtes, das Erstgericht werde zu klären haben, wie es sich mit der Gewährung von Zeitausgleich an den Kläger (vor September 1979) verhielt, greift, soweit es um die Feststellung bereits gewährten Zeitausgleiches und dadurch abgegoltener Überstunden geht, in unzulässiger Weise in die Beweiswürdigung der ersten Instanz ein (vgl ÖRZ 1965, 30; SZ 26/273; JBl 1981, 206), was allerdings nicht gerügt wurde. Feststellungen, die mit dem vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt unvereinbar sind und sich erst auf Grund einer anderen Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht als erforderlich erweisen, hat die zweite Instanz selbst zu treffen (ähnlich 5 Ob 424/61). Dem vom Berufungsgericht erteilten Auftrag stehen allerdings Feststellungen des Erstgerichtes nicht entgegen, soweit es um die Frage geht, ob zwischen den Parteien (vor September 1979) eine Vereinbarung zustande kam, künftige Überstunden nicht auszubezahlen, sondern durch Zeitausgleich abzugelten. Soweit, wie oben dargelegt, Zeitausgleich rechtswirksam vereinbart werden kann, sind nämlich nicht nur Vereinbarungen über die (jeweilige) Abgeltung bereits geleisteter Überstunden durch Zeitausgleich zulässig. Eine solche Vereinbarung kann sich auch auf künftige Überstunden beziehen. So könnte vereinbart werden, dass zu bestimmten Zeiten (zB Hochsaison) erfahrungsgemäß erforderliche Überstunden in anschließenden Zeiten geringen Geschäftsganges durch Zeitausgleich verrechnet werden. Eine derartige Vereinbarung weist aber dann Elemente eines Dauerschuldverhältnisses auf, sodass sie einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht standhält. Stellt sich in der Folge heraus, dass es dem Arbeitnehmer trotz richtiger Einteilung der Arbeit nicht möglich ist, geleistete Überstunden entsprechend der mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung durch Zeitausgleich zu verrechnen, etwa weil der erwartete geringere Arbeitsanfall nicht eintritt, so kann der Arbeitnehmer die Bezahlung der offenen Überstunden begehren. Den Arbeitnehmer trifft aber die Pflicht, den Arbeitgeber auf die geänderten Umstände hinzuweisen, nur, wenn er aus besonderen Gründen nicht erwarten darf, dass der Arbeitgeber von der eingetretenen Änderung der Verhältnisse Kenntnis hat oder haben musste. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem bisher festgestellten Sachverhalt eine derartige Pflicht nicht. Der Kläger durfte vielmehr damit rechnen, dass seinen Vorgesetzten die Umstände, die zu einem vermehrten Arbeitsanfall führten (zeitweilige personelle Unterbesetzung des Stadtbüros, vermehrte Buchungen nach London, zusätzliche Arbeiten durch die Vorbereitung des anlässlich der Olympischen Spiele zu erwartenden höheren Geschäftsganges und damit verbundene Aufträge an den Kläger zur Verrichtung von Dienstreisen), bekannt waren oder jedenfalls bei entsprechender Ausübung ihrer Aufsichtspflichten bekannt sein mussten. Es ist daher, soweit Überstunden nicht ohnehin ausdrücklich angeordnet waren, mit zu prüfen, ob der vermehrte Arbeitsanfall dazu führte, dass der Kläger seine Arbeiten trotz richtiger Einteilung nicht mehr in der normalen Arbeitszeit erledigen konnte und damit, falls überhaupt eine Zeitausgleichsvereinbarung zustandegekommen war, eine Verrechnung der Überstunden durch Zeitausgleich nicht mehr (ausreichend) möglich war. Ein Eingriff in die Beweiswürdigung des Erstgerichtes liegt auch im Auftrag der zweiten Instanz, das Erstgericht werde - mangels weiterer unterstützender Beweisergebnisse - die Überstundenentlohnung nach § 273 ZPO festzusetzen haben. Da die erste Instanz ein ziffernmäßig genaues Ausmaß der vom Kläger erbrachten Überstunden feststellte, blieb nach ihrer Beweiswürdigung für die Anwendung des § 273 ZPO kein Raum.

Auch eine Klärung der Frage, wieviele Überstunden des Klägers auf Arbeitsleistungen am auswärtigen Arbeitsort und wieviele auf die reine Reisezeit entfiel, ist entbehrlich, weil der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass reine Reisezeiten nur als Zeiten der Arbeitsbereitschaft anzusehen seien, nicht gefolgt werden kann. In der Entscheidung ArbSlg 6661 vertrat der Oberste Gerichtshof die Ansicht, dass die Reisezeit (- es handelte sich dort um einen in Wien beschäftigten Bühnenarbeiter, der zu einer auswärtigen Vorstellung zu reisen hatte -) als Arbeitszeit anzusehen sei. Unter Arbeitszeit sei nicht nur die Zeit der effektiven Dienstleistung, sondern grundsätzlich jede Zeit zu verstehen, in der der Arbeitgeber die Freizeit des Arbeitnehmers für seine Zwecke in Anspruch nehme. Dies ist auch der Standpunkt der herrschenden Lehre (siehe die Nachweise bei Berger in ZAS 1972, 224 f). Dieser Begriffsbestimmung folgte auch die das Problem der Reisezeiten am ausführlichsten behandelnde Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ArbSlg 9166. Der dort erkennende Senat war jedoch der Ansicht, dass es verschiedene Grade der Intensität gebe, mit der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen könne, sodass die verschiedenen Formen der "Arbeitsleistung" zwischen der eigentlichen vertraglich bedungenen Arbeitsleistung und der Arbeitsruhe (Arbeitsbereitschaft, Rufbereitschaft) rechtlich nicht einheitlich gewertet werden könnten (ebenso Arb 9570). Reisezeit sei zwar als Arbeitszeit im weiteren Sinn anzusehen, könne aber lohnrechtlich nicht der eigentlichen Arbeitszeit gleichgestellt werden. Die Entscheidung Arb 9166 betraf aber, ebenso wie die Entscheidungen Arb 8910 und 8935 Fälle, in denen (kollektivvertragliche) Vereinbarungen darüber bestanden, dass die reine Reisezeit nicht besonders zu vergüten sei, sodass, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung Arb 9166 ausführte, damals offenbleiben konnte, ob bei Fehlen einer Vereinbarung, ob und in welchem Ausmaß Reisezeiten vergütet werden sollen, dafür das Entgelt wie für die eigentliche Arbeitsleistung (so Rainer, ZAS 1968, 49; Dirschmied, Reisezeiten außerhalb der Normalarbeitszeit RdA 1975, 44 [46 f] oder nur ein angemessenes Entgelt (Henrich, Die Reisediäten, ÖJZ 1958, 233; ebenso Dirschmied für den Fall unwirksamer Vereinbarungen der Unentgeltlichkeit aaO 47) zustehe. Der Oberste Gerichtshof lehnte in der Entscheidung Arb 9166 die in der Lehre vertretene Ansicht ab, dass die auf Dienstreisen verbrachte Zeit als Zeit der Arbeitsbereitschaft anzusehen sei, weil für die Annahme, dass der Dienstnehmer während der Reise zu einer Arbeit herangezogen werden könnte und sich dafür zur Verfügung halten müsse, jede stichhältige Begründung fehle. In der Entscheidung Arb 9570 leitete schließlich der Oberste Gerichtshof aus besonderen Bestimmungen des Beamtenbesoldungsrechtes ab, dass reine Reisezeiten nicht als Leistung von Überstunden im Sinne des § 28 Abs 6 DP beurteilt werden könnten und daher nicht als Überstunden nach § 16 GehG zu vergüten seien.

Vorliegend ist erstmals seit der Entscheidung Arb 6661, die Reisezeit als Arbeitszeit anerkannte, ein Fall zu beurteilen, in dem weder eine Vereinbarung über die Nichtvergütung von Reisezeiten vorliegt, noch die Frage der (Nicht-)Vergütung aus besonderen besoldungsrechtlichen Bestimmungen abgeleitet werden kann. Nach Ansicht des erkennenden Senates sind Dienstreisen grundsätzlich Arbeitsleistungen; weil der hiefür benötigte Zeitraum (das ist die Zeit bis zur Ankunft an dem Ort, an dem die auswärtige Tätigkeit verrichtet werden soll, und die auf der Rückreise von dort verbrachte Zeit) prinzipiell Arbeitszeit darstellt (Berger in ZAS 1972, 226). Es ist zwar richtig, dass die Intensität, mit der ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber während der reinen Reisezeit einer Dienstreise zur Verfügung steht, regelmäßig geringer ist als bei der Verrichtung der eigentlichen vertraglich bedungenen "Arbeitsleistungen". Darin liegt indes die einzige Gemeinsamkeit mit der "Arbeitsbereitschaft" (§ 5 AZG), bei der es sich auch nicht um eine volle Inanspruchnahme der Arbeitskraft des Arbeitnehmers handelt. Im Gegensatz zur Arbeitsbereitschaft assen sich aber für die Intensität, mit der ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber während einer Dienstreise zur Verfügung steht, keine allgemein gültigen Aussagen machen, weil dies von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von der Art der Reise und des verwendeten Verkehrsmittels abhängt. Es ist etwas völlig anderes, ob etwa der Arbeitnehmer auf der Dienstreise im Schlafwagen reist oder ob er damit beauftragt wird, eine Dienstreise mit einem von ihm selbst zu lenkenden Kraftfahrzeug durchzuführen. Im Allgemeinen sind vor allem längere Reisen, insbesondere mit einem PKW, oft mit nicht unerheblichen Strapazen und Risken für den Arbeitnehmer verbunden (Henrich aaO, 231; Dirschmied aaO, 46).

Da die Intensität der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers auf einer Dienstreise regelmäßig geringer als bei der eigentlichen Arbeitsleistung ist, können jedenfalls rechtswirksam (kollektivvertraglich und einzelvertraglich) Vereinbarungen getroffen werden, dass diese besondere Arbeitszeit mit einem geringeren als dem sonstigen Entgelt zu vergüten ist. Auf die Kritik der Lehre (Dirschmied aaO 44 f; Klein RdA 1972, 258; Cerny aaO 32) an der noch weitergehenden Ansicht des Obersten Gerichtshofes, dass eine Vereinbarung, die außerhalb der normalen Arbeitszeit für eine Dienstreise verwendete Zeit nicht zu entlohnen, zulässig sei, weil gemäß § 1152 ABGB sogar Unentgeltlichkeit vereinbart werden könne, und dass eine solche Vereinbarung auch nicht gegen § 10 AZG verstoße, weil § 10 Abs 2 AZG nur die Höhe eines Überstundenzuschlages, nicht aber auch die Frage regle, ob und in welcher Höhe eine Arbeitsleistung an sich zu vergüten sei (ArbSlg 9166), braucht im vorliegenden Fall nicht eingegangen zu werden, weil hier eine besondere Vereinbarung über die Entlohnung der Reisezeit nicht vorliegt.

Da für die Dienstleistungen des Klägers im Dienstvertrag ein Entgelt (ohne Rücksicht auf die Intensität seiner Tätigkeit) vereinbart ist, kann für die zu diesem Dienstleistungen gehörenden Reisezeiten kein (seiner jeweiligen Inanspruchnahme entsprechendes) angemessenes Entgelt (§ 1152 ABGB) festgesetzt werden. Dem Kläger gebührt vielmehr mangels einer besonderen Vereinbarung für Reisezeiten das volle Entgelt (und damit auch Überstundenentgelt). Für einen Entgeltanspruch des leistungsbereiten Arbeitnehmers ist es nämlich auch außerhalb von Dienstreisen nicht entscheidend, inwieweit er vom Arbeitgeber zu den eigentlich vertraglich bedungenen Arbeitsleistungen herangezogen wird. Wenn der Arbeitgeber in seinem eigenen Interesse den Arbeitnehmer mit der Durchführung einer Dienstreise beauftragt und dadurch dessen Freizeit für seine Zwecke in Anspruch nimmt, liegt der Grund dafür, dass der Arbeitnehmer während der Dienstreise seine volle Arbeitskraft nicht in vollem Umfang wie an seinem regelmäßigen Arbeitsort zur Verfügung stellen kann, ausschließlich auf Seiten des Arbeitgebers (§ 1155 ABGB; Dirschmied aaO 46 f). Es ist daher Sache des Arbeitgebers, mit Arbeitnehmern, die er zu Dienstreisen heranzuziehen beabsichtigt, eine der Intensität ihrer dadurch bewirkten Inanspruchnahme entsprechende Vereinbarung über die Abgeltung der reinen Reisezeiten zu treffen. Soweit die Reisetätigkeit zum ständigen Aufgabenkreis eines Arbeitnehmers gehört, wie etwa bei einem Monteur, der zur Durchführung von Servicearbeiten von Kundschaft zu Kundschaft fährt, ist die Reisezeit ohnehin stets "Arbeitszeit im engeren Sinn". Soweit der Kläger während der Reise einzelne Reisegruppen zu betreuen hatte (Vorbringen ON 18), liegt daher diesbezüglich Arbeitszeit im engeren Sinn vor.

Die von der Rekurswerberin behauptete Spruchreife der Rechtssache im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ist somit nicht gegeben. Dem Rekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E74440 4Ob49.84

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0040OB00049.84.0605.000

Dokumentnummer

JJT_19840605_OGH0002_0040OB00049_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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