TE OGH 1984/7/10 10Os103/84

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Veröffentlicht am 10.07.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Juli 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Lachner, Dr. Felzmann sowie Hon.Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wittmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Günther A wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4. April 1984, GZ. 13 Vr 3.857/83-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wird der Akt an das Oberlandesgericht Graz übermittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günther A des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB, begangen (1.) an seiner Stieftochter Sylvia B sowie an seinen Töchtern (2.) Ingrid A und (3.) Astrid A (Pkt. I.), ferner zweier damit in Idealkonkurrenz zusammentreffender Vergehen, und zwar (zu I.2., 3.) der Blutschande nach Par 211 Abs. 2 StGB (Pkt. II.) sowie (zu I.1.) des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB (Pkt. IV.), und schließlich des an Sylvia B und Ingrid A zudem sowie an seiner weiteren Tochter Waltraud A verübten Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB (Pkt. III.) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs. 1 Z. 3, 4, 5, 9 lit. a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil läßt eine prozeßordnungsgemäße Darstellung der geltend gemachten Gründe vermissen.

Ein Verstoß gegen eine jener (bei sonstiger Nichtigkeit zu beachtenden) Prozeßvorschriften, die in der zuerst angeführten Verfahrensbestimmung (Z. 3) taxativ aufgezählt sind, wird in der Beschwerde gar nicht behauptet. Denn es wird zum einen, den aus dem Akt ersichtlichen Gegebenheiten entsprechend, eine durch § 152 StPO sanktionierte unzulässige Vernehmung entschlagungsberechtigter Zeugen vor dem erkennenden Senat (§ 248 Abs. 1 StPO) - oder im Vorverfahren (und damit eine deswegen durch die Verlesung der darüber aufgenommene Niederschriften bewirkte andere Nichtigkeit: Z. 2) - gar nicht reklamiert; zum anderen aber werden die mit dem hier zu erörternden Vorbringen der Sache nach relevierten Vorschriften des § 252 StPO über die Verlesung von (keinen nichtigen Vorerhebungs- -oder Voruntersuchungsakt betreffenden) Schriftstücken in der Hauptverhandlung von diesem Katalog nicht erfaßt.

Zu einer im gegebenen Zusammenhang außerdem erhobenen Verfahrensrüge nach Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO aber ist der Angeklagte nicht legitimiert, weil der Verteidiger zwar den (seiner Ansicht nach nicht zulässigen, teils bei Vorhalten und teils gesondert vorgenommenen) beschwerdegegenständlichen Verlesungen (durch den Vorsitzenden) widersprochen, jedoch ein Zwischenerkenntnis des Gerichtshofs darüber weder erwirkt noch überhaupt beantragt hat; demnach sei nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, daß die gerügte Verlesung der von der Gendarmerie aufgenommenen Niederschriften, auf die sich § 252 Abs. 1 StPO nicht bezieht (vgl. ÖJZ-LSK. 1981/95), nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle uneingeschränkt - also auch in Ansehung von Zeugen, die sich später der Aussage entschlagen haben -

vorgeschrieben und mithin sehr wohl nicht nur nicht unzulässig, sondern ganz im Gegenteil sogar durchaus geboten war (vgl. ÖJZ-LSK. 1981/96, 1980/112

u. a.).

Bei der Mängelrüge (Z. 5) hinwieder übergeht der Beschwerdeführer mit der Behauptung einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe in bezug auf (angebliche, zum Teil aber ohnehin gar nicht vorliegende) Widersprüche zwischen den Angaben der Zeugen Sylvia B, Ingrid A sen. und Ingrid A jun. bei der Gendarmerie und gegenüber dem Sachverständigen für Psychiatrie einerseits sowie vor dem Bezirksgericht Feldbach anderseits den ausdrücklichen Hinweis des Schöffengerichts im Urteil (US. 6) darauf, daß es im Hinblick auf die Entschlagungserklärungen der genannten Zeugen in der Hauptverhandlung gar nicht in der Lage war, auf die - folgerichtig auch nicht verlesenen (US. 3; S. 146 f.) - Protokolle über deren gerichtliche Vernehmung im Vorverfahren bei der Urteilsfällung Rücksicht zu nehmen (§ 258 Abs. 1 StPO).

Ihre übrigen, bei der Entscheidungsfindung mit Recht verwerteten Angaben indessen, wie sie sich aus der Gendarmerieanzeige und aus den Befunden des Sachverständigen sowie aus den Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten und einer Sozialarbeiterin ergeben, welche die ersten Befragungen vornahmen, hat das Erstgericht ohnedies einer eingehenden Erörterung unterzogen (US. 5, 5 vso., 6); soweit der Angeklagte gegen die daraus und aus den Bekundungen des Sachverständigen abgeleiteten Folgerungen remonstriert, ficht er nur nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässigerweise die erstinstanzliche Beweiswürdigung an. Mit der weiteren Behauptung aber, im Urteil werde zu einem (die Fakten I.1. und IV. betreffenden) bestimmten Vorfall nicht ausgeführt, 'warum welche Feststellungen getroffen wurden', setzt sich der Beschwerdeführer abermals über die darauf bezogenen Entscheidungsgründe (US. 3 vso., 5-6) einfach hinweg.

Der Rechtsrüge ('Zahl 9 a u. 10') schließlich - in der die (in dieser allgemeinen Form völlig verfehlte) Auffassung vertreten wird, eine einzige Tathandlung könne nicht unter verschiedene Strafbestimmungen unterstellt werden - ist in keiner Weise zu entnehmen, welches 'je eine Delikt' beim Angeklagten 'tatsächlich vorliegen' sollte und welche 'anderen Tatbestände' demgegenüber 'allenfalls als erschwerende Umstände gewertet werden' könnten, sodaß sie insoweit mangels jeglicher Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich ist.

Mit Bezug auf die in diesem Zusammenhang 'beispielsweise' angeführten Tatbestände des 'außerehelichen Beischlafs' (gemeint wohl: des Beischlafs mit Unmündigen), der Blutschande und der Schändung jedoch sei nur zur Klarstellung darauf hingewiesen, daß die Annahme des zuletzt bezeichneten Verbrechens (Par 205 StGB) gleichwie einer - in der Beschwerde ebenfalls 'beispielsweise' relevierten - bloß unechten Realkonkurrenz zwischen den Verbrechen nach Par 206 und 207 StGB auf Grund des Zusammentreffens eines Geschlechtsverkehrs mit begleitenden Unzuchtshandlungen im gegebenen Fall gar nicht aktuell ist, diejenige einer echten Idealkonkurrenz zwischen dem Verbrechen nach § 206 Abs. 1 StGB und dem Vergehen nach § 211 Abs. 2 StGB aber keinerlei rechtlichen Bedenken begegnet.

Die zur Gänze nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war sohin nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z. 1, 285 a Z. 1 und 2

StPO).

Zur Entscheidung über die Berufung ist der Akt dementsprechend in sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs. 6 StPO dem (hiefür an sich zuständigen) Oberlandesgericht Graz zuzuleiten.

Anmerkung

E04734

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00103.84.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19840710_OGH0002_0100OS00103_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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