TE OGH 1984/8/23 12Os103/84

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Veröffentlicht am 23.08.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.August 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Diexer als Schriftführer in der Strafsache gegen Roman A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142, 143

erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 17.Mai 1984, GZ 1 b Vr 446/84-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten, und des Verteidigers Dr. Rustler zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.August 1967 geborene, jugendliche Angeklagte Roman A des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143, erster Fall, StGB schuldig erkannt, weil er am 17.März 1984 in Wien in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Manfred D*** als Beteiligter (§ 12 StGB) mit Gewalt dem Attila B fremde bewegliche Sachen, nämlich ca. 2.000 S Bargeld, mit Bereicherungsvorsatz wegnahm, indem er ihm mehrere Schläge und einen Fußtritt gegen den Körper versetzte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde. In seiner Mängelrüge (Z 5) bezeichnet der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung, es sei bereits innerhalb des Lokals (Cafe C) zu einer Verständigung zwischen dem Angeklagten und seinem Komplizen darüber gekommen, sodann auf der Straße gemeinsam dem Attila B seine Barschaft 'abzunehmen' (S. 147, Mitte), als offenbar unzureichend begründet und aktenwidrig. Die bekämpfte Feststellung betrifft jedoch keine entscheidende Tatsache. Ein in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligten begangener Raub (§ 143 erster Fall StGB) erfordert nämlich keine Verabredung der Beteiligten; es genügt vielmehr jedes bewußte und gewollte Zusammenwirken der Beteiligten bei Ausführung der Tat unter Voraussetzung gleichzeitiger Anwesenheit am Tatort (oder in dessen unmittelbarer Nähe) zur Tatzeit und eines Einverständnisses über die Begehung eines Raubes (10 Os 94/78 u.a.), wobei ein spontanes oder konkludentes, erst bei der Tatbegehung zustandegekommenes Einverständnis ausreicht (13 Os 3/81). Letzteres wurde vom Erstgericht auf Grund des Geständnisses des Angeklagten (vgl. S. 299, 88 f.) und der übrigen Ergebnisse des Beweisverfahrens mängelfrei festgestellt (siehe Urteil S. 148); eine Feststellung dahin jedoch, daß D dem Angeklagten das Tatopfer 'überlassen' hätte, wird im Urteil gar nicht getroffen (S. 148). Die weitere Urteilsannahme aber, dem Angeklagten sei spätestens auf der Straße bewußt gewesen, daß lediglich ein gewaltsames Vorgehen das Opfer gefügig machen werde, stellt entgegen der Mängelrüge keineswegs nur eine Vermutung des Gerichts dar, sondern ist denkfolgerichtig begründet worden; sie steht auch nicht im Widerspruch zur zuvor erörterten Konstatierung, zumal damit eine frühere Verständigung zwischen den Tätern über eine gewaltsame Geld- 'Abnahme' gar nicht angenommen wurde. Einen über das relevierte (bloße) Bewußtsein der Notwendigkeit einer Gewaltanwendung hinausgehenden Willensentschluß des Angeklagten zum Raub dagegen hat das Schöffengericht sehr wohl ausdrücklich festgestellt (S. 150). Die Rechtsrüge bemängelt, daß das Erstgericht das Vorliegen einer verzögerten Reife im Sinne des § 10 JGG. verneint habe, ohne Feststellungen 'über die sozialethischen Gefühle und die Sozialisation des Angeklagten' zu treffen. Der Sache nach wird damit ein Mangel an zur rechtlichen Beurteilung (Schuldausschluß wegen verzögerter Reife) ausreichenden Feststellungen geltend gemacht.

Dies aber zu Unrecht:

Das Gericht hat ein psychiatrisches Gutachten über den Angeklagten eingeholt, das in der Hauptverhandlung mit Einverständnis der Prozeßparteien verlesen wurde. Aus diesem Gutachten (ON. 21) und auch sonst aus dem Verfahren ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme einer verzögerten Reife des Angeklagten. Der Sachverständige führte vielmehr aus, daß sich der Jugendliche nicht in einem Zustand verzögerter Reife befinde, sondern im Rahmen der Spielbreite der Altersnorm reif sei (S. 125). Die Unreife eines Jugendlichen, soll sie im Sinne des § 10 JGG. schuldausschließend wirken, müßte aber in der durch besondere Umstände ungünstig beeinflußten Entwicklung ihre Ursache haben und das normale Maß übersteigen (Leukauf- Steininger 2 , RN. 21 zu § 11 StGB). Wenngleich in besonders gelagerten Fällen auch schwere Erziehungsfehler Gründe für eine verzögerte Reife im Sinne des § 10 JGG. sein können (SSt. 42/5), ist im vorliegenden Falle eine derartige Fehlentwicklung nach dem Sachverständigengutachten beim Angeklagten nicht eingetreten. Die sich auf dahingehende Beweisergebnisse gründende Urteilsannahme, daß er zur Zeit der Tat reif genug war, um mit Rücksicht auf seine körperliche und geistige Entwicklung das Unerlaubte seines Tuns einzusehen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln (S. 148 unten), ist als Akt freier richterlicher Beweiswürdigung der Anfechtung im Rechtsmittelverfahren entzogen (vgl. RZ 1974 Nr. 123). Zur Erörterung der sozialethischen Gefühle und der Sozialisation des Angeklagten hatte das Erstgericht bei der gegebenen Beweislage, die daraus resultierende Bedenken gegen die altersgemäße Reifung des Beschwerdeführers nicht ergab, keine Veranlassung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Jugendschöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG. zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es die vier einschlägigen Vorverurteilungen und den raschen Rückfall als erschwerend, hingegen das Geständnis und die mindergünstigen Erziehungsverhältnisse als mildernd.

Der Berufung des Angeklagten, mit welcher er die Anordnung einer Rahmenstrafe i.S. des § 16 JGG. und eine Herabsetzung der Strafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Entscheidende Argumente für ein anderes Strafmaß vermag der Berufungswerber nicht aufzuzeigen. Daß im vorliegenden Falle die Initiative zur Tat vom abgesondert verfolgten Manfred D ausging und der Angeklagte von diesem beeinflußt wurde, genügt für die Annahme des Milderungsgrundes des § 34 Z 4 StGB noch nicht. Bei vergleichender Abwägung der Strafwürdigkeit des Berufungswerbers und seines Mittäters kann auch keine Rede davon sein, daß der Angeklagte an der Tat nur in untergeordneter Weise beteiligt war. Das Erstgericht hat die Alkoholisierung des Angeklagten (vgl. S. 148) den Ausführungen der Berufung zuwider auch zutreffend nicht als mildernd gewertet, weil der Vorwurf, daß sich der Täter in einen solchen Zustand versetzt hat, nach Lage des Falles jedenfalls schwerer wiegt als eine etwa dadurch bewirkte Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit, zumal er im Hinblick auf die (ihm bekannte) Wirkung des Alkohols auf seine Mittäter bei Begehung der zu seiner Verurteilung führenden Straftat am 1.Juli 1982, Faktum A) im Verfahren 2 b Vr 1289/82 des Jugendgerichtshofs Wien (vgl. S. 21 ff. dieses Akts) zumindest damit rechnen mußte, daß er im alkoholisierten Zustand eine strafbare Handlung begehen könnte. Auf der Basis der vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe wird die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld durchaus gerecht. Es darf nicht übersehen werden, daß vorangegangene Abstrafungen ohne jede Wirkung geblieben sind und es nunmehr im Hinblick auf den Beginn einer kriminellen Karriere des Angeklagten zur Erreichung eines sozialkonformen und künftigen straffreien Verhaltens der vom Erstgericht verhängten Strafe zur Umgestaltung der Motivationskräfte des Angeklagten im Sinne der Verbrechenshemmung bedarf. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 16 JGG. lagen damit nicht vor.

Anmerkung

E04635

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00103.84.0823.000

Dokumentnummer

JJT_19840823_OGH0002_0120OS00103_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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