TE OGH 1984/8/31 1Ob20/84

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Veröffentlicht am 31.08.1984
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Norm

ZPO §577 Abs3
ZPO §595

Kopf

SZ 57/135

Spruch

Für das Zustandekommen eines Schiedsvertrages genügt allein die schriftliche (nach der Zivilverfahrensnov. 1983 auch durch Wechsel von Telegrammen oder Fernschreiben getroffene) Vereinbarung, daß ein bestimmter Streitfall durch ein Schiedsgericht entschieden werden soll; werden aber von den nicht zwingenden Regelungen des Gesetzes abweichende Vereinbarungen über die Schiedsgerichtsbarkeit getroffen, ohne den Formerfordernissen des § 577 Abs. 3 ZPO zu entsprechen, ist der gesamte Schiedsvertrag unwirksam

OGH 31. 8. 1984, 1 Ob 20/84 (OLG Wien 11 R 63/84; KG Wiener Neustadt 3 Cg 651/83)

Text

Mit Gemeinderatsbeschluß der beklagten Gemeinde vom 29. 1. 1973 wurden der Bietergemeinschaft, bestehend aus dem Kläger, Otto S und Karl E, die Erd-, Baumeister- und Installationsarbeiten zur Herstellung der Wasserversorgungsanlage der Gemeinde übertragen. Die Niederschrift der Auftragserteilung vom 6. 3. 1973 sieht vor, daß der Kläger die Erd- und Baumeisterarbeiten zur Herstellung der Hochbehälter G und A, des Pumpwerkes G und der Quellfassung G durchzuführen hat. Ing. Otto S wurde ua. die Herstellung des gesamten Rohrnetzes übertragen. Punkt 13 der Niederschrift lautet:

"Über Streitigkeiten, die sich aus dieser Auftragserteilung ergeben, entscheidet iS der Besonderen Richtlinien für die Ausschreibung und Vergabe von Leistungen im Lande NÖ ein Schiedsgericht." Die Niederschrift ist vom Kläger und den vertretungsbefugten Organen der beklagten Partei unterfertigt. Die im Punkt 13 erwähnten besonderen Richtlinien waren der Niederschrift nicht angeschlossen. Sie sehen vor:"13. 1 Über Streitigkeiten, die sich aus den abgeschlossenen Verträgen ergeben, entscheidet ein Schiedsgericht, das aus je einem vom Bauherrn (Baubeirat) und dem Auftragnehmer zu entsendenden Sachverständigen und aus einem von letzterem gewählten Vorsitzenden besteht.

13. 2 Unterläßt ein vertragsschließender Teil binnen 14 Tagen nach erfolgter schriftlicher Aufforderung die Namhaftmachung eines Sachverständigen oder können sich die beiden entsandten Sachverständigen innerhalb von 4 Wochen nach ihrer Ernennung über die Wahl des Vorsitzenden nicht einigen, so wird der fehlende Sachverständige bzw. Vorsitzende seitens der für diese Arbeiten zuständigen technischen Abteilung des Amtes der Nö. Landesregierung bestellt.

13. 3 Das Schiedsgericht faßt seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Im übrigen gelten die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung, insbesondere auch hinsichtlich der Kostentragung, über die im Schiedsspruch zu entscheiden ist.

13. 4 Ansprüche beim Schiedsgericht können nur dann geltend gemacht werden, wenn sie innerhalb einer Fallfrist von 6 Wochen der Bauaufsicht und dem Bauherrn (Baubeirat) schriftlich bekanntgegeben wurden. Diese Fallfrist läuft von dem Tage an, an welchem die Ansprüche dem Grund nach, wenn auch nicht ziffernmäßig feststanden."Nach Fertigstellung der Arbeiten traten Undichtheiten an dem vom Kläger errichteten Rohrstrang vom bestehenden Hochbehälter zum neu errichteten Hochbehälter A auf.

Die beklagte Partei erhob gegen den Kläger bei dem gemäß Punkt 13 der Niederschrift konstituierten Schiedsgericht Klage auf Bezahlung des Betrages von 358 022.58 S sA. Die im schiedsgerichtlichen Verfahren klagende und nunmehr beklagte Partei (im folgenden: beklagte Partei) brachte vor, daß der vom Beklagten und nunmehrigen Kläger (im folgenden: Kläger) errichtete Wasserleitungsstrang mangelhaft ausgeführt worden sei, weil der Dichtungsflansch am Auslauf des Wasserbehälters unfachmännisch angebracht worden sei. Weiters seien fünf undichte und unsachgemäß montierte Muffen festgestellt worden. Durch die unfachmännische Ausführung der Arbeiten habe die beklagte Partei einen Schaden in der Höhe des mit der Schiedsklage geltend gemachten Betrages erlitten. Der Kläger beantragte vor dem Schiedsgericht Abweisung des Klagebegehrens. Die Rohrleitung vom Hochbehälter A zum Anschlußpunkt des Wasserleitungsnetzes sei nicht von ihm hergestellt worden. Er habe lediglich Erd- und Baumeisterarbeiten ausgeführt. Diese Arbeiten seien von der beklagten Partei und der Bauaufsicht im Jänner 1978 mängelfrei abgenommen worden. Der Dichtungsflansch sei von der Firma Ing. Karl E hergestellt worden; einen aufgetretenen Schaden an der Rohrleitung habe er demnach nicht zu vertreten.

Mit Schiedsspruch vom 3. 12. 1982 wurde der Kläger schuldig erkannt, der beklagten Partei den Betrag von 205 729.51 S sowie 8 914.93 S an Zinsen binnen 14 Tagen zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung von 152 293.07 S wurde abgewiesen. Ursache des aufgetretenen Schadens sei die unsachgemäße Verlegung der Rohre. Der eingetretene Schaden falle in den Verantwortungsbereich des Klägers, der sich durch die Übernahme der Arbeiten dazu bekannt habe, die erforderliche Sachkenntnis zu besitzen. Dem Auftraggeber stehe es frei, gegen wen er seine Schadenersatzforderung richte. Der Schiedsspruch wurde dem Kläger am 29. 3. 1983 zugestellt.

Mit der am 9. 6. 1983 erhobenen Klage begehrt der Kläger, den Schiedsspruch gemäß § 595 Abs. 1 Z 1 und 6 ZPO für wirkungslos zu erklären. Er habe zwischenzeitig festgestellt, daß überhaupt kein schriftlicher Schiedsvertrag vorliege, weil er einen Schiedsvertrag, der den gegenständlichen Werkvertrag betreffe, nicht unterzeichnet habe. Er habe weiters bereits vor dem Schiedsgericht bestritten, die Rohre verlegt zu haben. Der Schiedsspruch lasse nicht erkennen, wer die Rohre unsachgemäß verlegt habe; das Schiedsgericht sei davon ausgegangen, daß sich die beklagte Partei an jeden, der mit dem Bauvorhaben zu tun gehabt habe, wegen allfälliger Schadenersatzansprüche halten könne. Damit verstoße der Schiedsspruch aber gegen zwingende Rechtsvorschriften des bürgerlichen Rechts.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, die Schiedsgerichtsvereinbarung sei in der Niederschrift vom 6. 3. 1973 durch Verweisung auf die "Besonderen Richtlinien für die Ausschreibung und Vergabe von Leistungen im Lande NÖ" getroffen worden. Zwingende Rechtsvorschriften des materiellen Rechts seien durch den Schiedsspruch nicht verletzt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Ein rechtswirksamer Schiedsvertrag liege nicht vor, weil der allgemein gehaltene Hinweis in der Niederschrift auf die "Besonderen Richtlinien" des Landes NÖ nicht ausreiche. Es sei weiters auch der Anfechtungsgrund nach § 595 Abs. 1 Z 6 ZPO gegeben, weil der Schiedsspruch keine Feststellungen über Schadensverursachung und Verschulden des Klägers enthalte und damit die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen über den Schadenersatz nach den §§ 1295 ff. ABGB verletze.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge.

Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300 000 S übersteige. Nach Lehre und Rechtsprechung genüge für die Annahme eines gültigen Schiedsvertrages die Bezugnahme auf andere die Schiedsvereinbarung enthaltende Urkunden nur dann, wenn diese Urkunden unmittelbar der von den Parteien unterfertigten Vertragsurkunde angeschlossen seien. Dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu. Selbst wenn aber von der Rechtswirksamkeit der Schiedsgerichtsvereinbarung auszugehen wäre, so unterlägen doch die hier strittigen Schäden nicht dem Schiedsvertrag, weil der Auftrag hiezu nicht gemäß der Niederschrift vom 6. 3. 1973, sondern ohne jede Bezugnahme auf diese rund dreieinhalb Jahre später erteilt worden sei. Ein Schiedsvertrag sei aber nicht auf Grund ausdehnender Auslegung auf ergänzende Abkommen zum ursprünglichen Vertrag anzuwenden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auf den vorliegenden Rechtsfall gelangen die Bestimmungen der §§ 577 ff. ZPO über das schiedsgerichtliche Verfahren idF vor der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. Nr. 135, zur Anwendung, da der Schiedsspruch vor dem 30. 4. 1983 gefällt wurde (vgl. Art. XIV § 2 Abs. 1 Z 10 BGBl. 135/1983). Gemäß § 595 Z 1 ZPO ist der Schiedsspruch wirkungslos, wenn der Schiedsvertrag ungültig war, was dann zutrifft, wenn er den Formvorschriften des § 577 Abs. 3 ZPO nicht entspricht (Fasching, Komm. IV 878, Fasching, Schiedsgericht und Schiedsverfahren 149; Pollak, System[2] 782). Gemäß § 577 Abs. 3 ZPO muß der Schiedsvertrag schriftlich errichtet werden. Das Formerfordernis soll vor allem vor Übereilung schützen und Gewähr dafür bieten, daß sich die Parteien der Bedeutung dieser Vereinbarung, die einem Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs gleichkommt, bewußt sind; darüber hinaus dient die Schriftform der leichteren Feststellbarkeit des Inhalts der Vereinbarung (SZ 45/55; EvBl. 1971/205; Fasching Komm. aaO 725; Pollak aaO 776). Daraus wurde abgeleitet, daß die (bloße) Bezugnahme auf eine andere, die Schiedsvereinbarung enthaltende Urkunde dem Schriftlichkeitserfordernis nur dann genügt, wenn diese Urkunde unmittelbar der unterfertigten Vertragsurkunde angeschlossen ist (SZ 45/55). Dem Erfordernis der Schriftlichkeit ist hingegen nicht entsprochen, wenn in einer von den Vertragsteilen unterfertigten Urkunde nur ganz allgemein auf ein Formular hingewiesen wird, das eine Schiedsgerichtsklausel enthält (EvBl. 1966/407; ähnl. SZ 23/160).

Im vorliegenden Fall unterfertigten die Streitteile die Niederschrift vom 6. 3. 1973, die im Punkt 13 vorsieht, daß über Streitigkeiten, die sich aus dieser Auftragserteilung ergeben, iS der "Besonderen Richtlinien für die Ausschreibung und Vergabe von Leistungen im Lande NÖ" ein Schiedsgericht entscheidet. Die Schiedsgerichtsklausel war damit durch die Unterschrift der Parteien gedeckt. Das Gesetz verlangt aber nicht nur die schriftliche Vereinbarung einer Schiedsgerichtsklausel, sondern des gesamten Schiedsvertrages. Der Schiedsvertrag muß als zwingenden Inhalt nur die genaue Bezeichnung der Parteien und des Streitfalles (§ 577 Abs. 1 ZPO) bzw. des Rechtsverhältnisses, das im Streitfall der Beurteilung durch die Schiedsrichter unterliegen soll (§ 577 Abs. 2 ZPO), und die Vereinbarung enthalten, diese Streitigkeiten durch einen Schiedsrichter oder ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen; im übrigen gelten dann die nicht zwingenden Regeln des Gesetzes. Fakultativer Inhalt können aber auch Bedingungen und Befristungen, Vorschriften über die Besetzung und Abstimmungsmehrheit des Schiedsgerichtes und über das Verfahren vor dem Schiedsgericht sein (Fasching,

Lehrbuch Rdz. 2180). Werden solche zusätzlichen Vereinbarungen getroffen, sind sie Teil des Schiedsvertrages und unterliegen damit ebenfalls dem gesetzlichen Formerfordernis. Ein Schiedsvertrag, der auch fakultative Vereinbarungen enthält, ohne daß diese den Formerfordernissen gemäß getroffen wurden, ist dann zur Gänze wirkungslos.

Im vorliegenden Fall enthält die von den Streitteilen unterfertigte Niederschrift vom 6. 3. 1973 zwar die Vereinbarung, daß ein Schiedsgericht über Streitigkeiten aus der Auftragserteilung entscheiden soll, was an sich für einen Schiedsvertrag genügen würde, doch enthielten die "Besonderen Richtlinien für die Ausschreibung und Vergabe von Leistungen im Lande NÖ", auf die in der Schiedsvereinbarung verwiesen wurde, von den nicht zwingenden Regelungen des Gesetzes Abweichungen, waren aber dem unterfertigten Vertrag nicht angeschlossen. Diese "Besonderen Bestimmungen" hatten insbesondere vom Gesetz abweichende Vorschriften über die Konstituierung des Schiedsgerichtes zum Inhalt und waren nicht einmal widerspruchsfrei, weil Punkt 13.1 die Bestellung des Vorsitzenden dem vom Auftragsnehmer zu entsendenden Sachverständigen überträgt, wogegen Punkt 13.2 davon ausgeht, daß sich die beiden von den Streitteilen namhaft gemachten Schiedsrichter über den Vorsitzenden zu einigen hätten und bei Nichteinigung die Bestellung des Vorsitzenden durch die zuständige technische Abteilung des Amtes der Nö. Landesregierung erfolgen soll. Hätten sich die Streitteile darauf beschränkt, in der Niederschrift vom 6. 3. 1973 nur zu vereinbaren, daß ein Schiedsgericht über die aus der Auftragserteilung entstehenden Streitigkeiten entscheiden soll, so wäre damit dem Formerfordernis des § 577 Abs. 3 ZPO entsprochen gewesen. Wurden aber darüber hinausgehende Vereinbarungen getroffen, so müßten sie jedenfalls dann, wenn sie mit der gesetzlichen, für den Fall des Fehlens konkreter Vereinbarungen geltenden Regelung nicht übereinstimmten, als Teil des Schiedsvertrages ebenfalls dem Schriftlichkeitserfordernis entsprechen, was, wie dargelegt, nur dann der Fall gewesen wäre, wenn zumindest die Urkunde, auf die verwiesen wurde, der unterfertigten Vertragsurkunde angeschlossen gewesen wäre. Demnach ist aber, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, der gefällte Schiedsspruch gemäß § 595 Z 1 ZPO wirkungslos.

Anmerkung

Z57135

Schlagworte

Schiedsvertrag, Schriftlichkeit und Formerfordernisse des § 577 Abs. 3, ZPO

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0010OB00020.84.0831.000

Dokumentnummer

JJT_19840831_OGH0002_0010OB00020_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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