TE OGH 1984/9/11 10Os99/84

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Veröffentlicht am 11.09.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini (Berichterstatter), Dr. Schneider, Dr. Lachner sowie Hon. Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführer in der Strafsache gegen Kurt A und Erhard B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten B, die Berufung des Angeklagten A sowie die in Ansehung beider Angeklagten erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 3. April 1984, GZ 19 Vr 4045/83-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart, beider Angeklagten sowie deren Verteidiger Dr. Glatzl und Dr. Schubert zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung des Angeklagten Kurt A wird zurückgewiesen. Den Berufungen des Angeklagten Erhard B sowie der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden - auch einen Teilfreispruch enthaltenden - angefochtenen Urteil wurden Kurt A und Erhard B des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil sie am 18. Dezember 1983 in Salzburg in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) dem Manfred C mit Gewalt (gegen seine Person) und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, und zwar dadurch, daß sie ihn niederstießen, würgten, am Boden festhielten und ihm ankündigten, sie würden ihn 'kaltmachen', wenn er schreie, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld im Betrag von 20 DM und 20 S, mit dem Vorsatz weggenommen hatten, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 345 Abs 1 Z 6 und 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Verstöße gegen § 3l4 Abs 1 StPO (Z 6) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß den Geschwornen zur ihn betreffenden (anklagekonformen) Hauptfrage nach Gesellschaftsraub keine Eventualfrage nach einer bloßen Beteiligung seinerseits daran im Sinn des § 12 dritter Fall StGB sowie zudem, für den Fall auch deren Verneinung, keine weitere Eventualfrage nach Unterlassung der Hilfeleistung (§ 95 StGB) gestellt wurde.

Konkrete Ergebnisse der Hauptverhandlung, nach denen er das Tatopfer (gemäß dem Beschwerdevorbringen) zwar mit (auch das Gesellschaftsverhältnis umfassendem) Raubvorsatz, jedoch ohne weitergehende eigene Tätlichkeiten oder Drohungen lediglich 'am Kopf gehalten' hätte, während es von A am Boden festgehalten wurde, vermag er aber in Ausführung dieser Rüge nicht aufzuzeigen, zumal er selbst einen derartigen Vorsatz entschieden bestritten und immer wieder beteuert hat, er habe seinen Begleiter vorerst sowohl handgreiflich als auch durch Zureden vom Raub abhalten wollen und erst nach dem Scheitern jener Bemühungen dem C aus Mitleid den Kopf 'gehalten', damit er nicht im Schnee liege (S 275, 277 f.). Demnach sei nur am Rand erwähnt, daß selbst bei einer Tatversion, wie sie solcherart in der Beschwerde - nach dem Gesagten bloß hypothetisch - releviert wird, für die Annahme lediglich eines Tatbeitrags des Angeklagten B zum Raub nach § 12 dritter Fall StGB kein Raum wäre, weil auch schon ein Festhalten des zu Boden geworfenen Tatopfers am Kopf mit Raubvorsatz zur Unterstützung des die Sachwegnahme realisierenden Komplizen für sich allein durchaus als 'Gewalt gegen eine Person' nach § 142 Abs 1 StGB und damit als eigene Ausführungshandlung (§ 12 erster Fall) StGB zum Raub anzusehen wäre;

und außerdem würde die deliktstypische Sondertäterschaftsform des Gesellschaftsraubes (§ 142 erster Fall StGB) - unter den Voraussetzungen gleichzeitiger Anwesenheit aller Beteiligten am Tatort sowie einverständlichen Zusamenwirkens - sogar auch solche (im vorliegenden Fall aber wie gesagt gar nicht aktuelle) Verhaltensweisen, die der gesetzlichen Umschreibung der Tathandlungen des Raubes nicht unmittelbar entsprechen und demnach an sich nur als ein 'sonstiger Beitrag' zu diesem Delikt anzusehen wären, als in 'unmittelbarer Täterschaft' begangenen 'Gesellschaftsraub' mitumfassen.

Eine Eventualfrage in Richtung § 95 StGB hinwieder war nach der (insoweit allein ins Treffen geführten) Verantwortung des Angeklagten schon deswegen nicht indiziert, weil er damit zwar wohl (wie erwähnt) einen Raubvorsatz leugnete, dabei aber keinerlei Tatsachen vorgebracht hat, nach denen C durch die in Rede stehende Tat der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsstörung ausgesetzt gewesen wäre (und zudem er selbst eine zu dessen Rettung aus jener Gefahr offensichtlich erforderlich gewesene Hilfeleistung vorsätzlich unterlassen hätte). Ebensowenig kann auch von einer (in der Beschwerde behaupteten) Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung (Z 8) insofern die Rede sein, als den Geschwornen kein Hinweis darauf gegeben worden sei, daß aus dem üblicherweise eine Entschlossenheit zur Beteiligung an einem Raub zum Ausdruck bringenden Verhalten eines dabei Anwesenden nicht schon 'zwangs läufig' auf einen wirklich dahingehenden Vorsatz des Betreffenden geschlossen werden dürfe, und als die hiefür maßgebenden Erläuterungen zur subjektiven Tatseite des Gesellschaftsraubes sowie 'zum Bereich des Vorsatzes des Mittäters im Sinn des § 12 StGB' jedenfalls unübersichtlich und irreführend seien.

Denn in der relevierten Belehrung sind durch den mehrfachen Hinweis auf das Erfordernis eines Einverständnisses der Beteiligten sowohl in Ansehung ihres Zusammenwirkens bei der Tatausführung als auch in bezug auf das gemeinsame Ziel (S 5) hinreichend klargestellt, daß ein Handeln 'in Gesellschaft' im Sinn des § 143 erster Fall StGB ohne Rücksicht auf die Art der Beteiligung (nach § 12 erster bis dritter Fall StGB) in subjektiver Hinsicht jedenfalls einen übereinstimmenden Tatentschluß aller Beteiligten voraussetzt. Dabei war die (zutreffende) Erläuterung, daß hiezu auf Seiten des einen Täters, der die Ausführung durch den anderen aktiv fördern oder erleichtern will, dessen unmittelbar 'beim' Tatgeschehen zum Ausdruck kommende Entschlossenheit zu einem allfälligen helfenden Eingreifen genügt, der Beschwerdeauffassung zuwider keineswegs geeignet, ein Mißverständnis dahin aufkommen zu lassen, daß ein derartiger Unterstützungswille des betreffenden Täters dann, wenn jener für einen Raub typische Tathandlungen setzte, etwa zwangsläufig schon in diesem (äußeren) Tatgeschehen zum Ausdruck komme und demzufolge dessen Vorsatz gar nicht gesondert zu prüfen sei.

Von einer Mißverständlichkeit oder von einer zur Irreleitung der Geschwornen geeigneten (und deshalb einer Unrichtigkeit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes gleichkommenden) Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung kann daher insoweit keine Rede sein.

Gegen die Gefahr einer allfälligen Unübersichtlichkeit aber ist jedenfalls durch die den Geschwornen auch mündlich zu erteilende Aufklärung und die daran anschließende Besprechung, an deren Schluß sich der Vorsitzende zu überzeugen hat, ob seine Belehrung von den Geschwornen verstanden worden ist (§ 323 StPO), ausreichend Vorsorge getroffen, sodaß in einem derartigen Mangel allein in keinem Fall eine zur Nichtigkeit des Wahrspruchs (und des Urteils) führende Unrichtigkeit (Z 8) erblickt werden könnte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte beide Angeklagten nach § 41, 143 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar A in der Dauer von vier, B in der Dauer von zwei Jahren.

Zur Strafbemessung wertete es die (bei A fünf, bei B drei) einschlägigen Vorstrafen der Angeklagten, die den Voraussetzungen des § 39

StGB entsprechen, und ihren überaus raschen Rückfall sowie bei A auch seine Funktion als Hauptinitiator der Tat als erschwerend, ihre verminderte Zurechnungsfähigkeit, den geringen Umfang der Beute und die Schadensgutmachung durch deren Sicherstellung sowie außerdem bei A sein Geständnis und sein Alter von (allerdings nur einen Tag) weniger als 21 Jahren (zur Tatzeit) und bei B seine untergeordnete Rolle bei der Tatbegehung hingegen als mildernd.

Gegen den Strafausspruch haben beide Angeklagten, aber auch die Staatsanwaltschaft (in Ansehung eines jeden von ihnen) Berufung erhoben.

Der Angeklagte A hat dieses Rechtsmittel allerdings nur angemeldet, ohne dabei jene Punkte des Straf-Erkenntnisses zu bezeichnen, durch die er sich beschwert findet; auf seine - erst im Gerichtstag (und damit verspätet) begründete - Berufung war daher keine Rücksicht zu nehmen (§ 294 Abs 2, 296 Abs 1 und 3 StPO).

Den Berufungen des Angeklagten B, der eine Herabsetzung des Strafmaßes und die Gewährung bedingter Strafnachsicht begehrt, gleichwie der Anklagebehörde, die hinsichtlich beider Angeklagten eine Straferhöhung unter Ausschaltung des § 41 StGB anstrebt, hinwieder kommt keine Berechtigung zu.

Die vom Angeklagten B zusätzlich reklamierten Milderungsgründe liegen im wesentlichen nicht vor.

Die bloß untergeordnete Rolle dieses Berufungswerbers bei der Tat hat das Geschwornengericht ohnedies berücksichtigt; davon aber, daß er letztere geradezu 'unter der Einwirkung' des A oder gar nur aus Unbesonnenheit begangen hätte, kann nach der Aktenlage keine Rede sein. Ebensowenig trifft es zu, daß er sich freiwillig gestellt hätte; mußte doch ganz im Gegenteil gegen ihn, weil er flüchtig war, ein Haftbefehl erlassen werden, worauf er nach bereits eingeleiteter Fahndung auf Grund eines vertraulichen Hinweises in seiner Unterkunft aufgegriffen werden konnte (S 39, 41, 67). Seinem lediglich wenige Monate lang durchgehaltenen straffreien Verhalten in Freiheit schließlich kommt umso weniger eine mildernde Wirkung zu, als er innerhalb jenes Zeitraums binnen drei Wochen nach dem ihn betreffenden Berufungsurteil im letzten Vorverfahren, mit dem die dort in erster Instanz über ihn verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf zwanzig Monate herabgesetzt worden war, wieder rückfällig wurde.

Unter diesen Umständen erweist sich die über B ausgemessene Strafe selbst unter Bedacht darauf, daß er (zwar kein Geständnis abgelegt, jedoch immerhin) einen gewissen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet hat, weil seine Angaben zur überführung des (zunächst) leugnenden A mit beizutragen geeignet waren, durchaus nicht als überhöht, sodaß für eine noch weitergehende außerordentliche Strafmilderung jedenfalls kein Raum war, zumal das Erstgericht auch dem unterschiedlichen Ausmaß der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld beider Angeklagten (§ 32 StGB) durch eine entsprechende Abstufung der Strafdauer ausreichend Rechnung getragen hat. Dem von der Staatsanwaltschaft vertretenen Standpunkt zuwider kann aber doch - insbesondere mit Rücksicht auf die noch unausgereifte Persönlichkeit der Angeklagten und die innerhalb der deliktstypischen Bandbreite dem unteren Bereich zuzuordnende Intensität der von ihnen ausgeübten Gewalt in Verbindung mit dem geringen Wert der zudem zur Gänze sichergestellten Beute - gerade noch von einem beträchtlichen überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsumständen nicht nur der Zahl, sondern auch ihrem inneren Gewicht nach ausgegangen werden.

Ebenso ist im Hinblick darauf, daß beide Angeklagten vor der ihnen im vorliegenden Verfahren zur Last fallenden Tat noch keinen einschneidenden Strafvollzug erlitten haben und ihre Persönlichkeitsentwicklung bei ihrem Alter von 21 (A) und 22 (B) Jahren gewiß noch nicht abgeschlossen ist, nach Lage des Falles die Annahme einer begründeten Aussicht statthaft, daß die Dauer der vom Geschwornengericht über sie verhängten Freiheitsstrafe (vgl EBRV, 136) dazu ausreicht, sie künftighin zu einer sozial angepaßten Lebensführung zu veranlassen, sodaß die Anwendung des § 41 Abs 1 Z 3 StGB und in diesem Rahmen das jeweils festgesetzte Strafausmaß als gerechtfertigt angesehen werden können.

Daß bei B darüber hinaus aus besonderen Gründen geradezu eine Gewähr für künftiges Wohlverhalten bestünde, kann indessen auf Grund seines bisher in Erscheinung getretenen Persönlichkeitsbildes umso weniger angenommen werden, als auch seine von ihm relevierte 'helfende und führende Aufnahme' in einen Pfarrhof als 'Hilfsmesner' nicht dazu angetan war, ihn vor dem Rückfall zu bewahren; die Gewährung bedingter Strafnachsicht an ihn (§ 43 Abs 2 StGB) ist demnach vom Erstgericht mit Recht abgelehnt worden (vgl Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 13 zu § 41).

Den Berufungen mußte daher gleichfalls ein Erfolg ver sagt bleiben.

Anmerkung

E04567

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00099.84.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19840911_OGH0002_0100OS00099_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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