TE OGH 1984/11/8 6Ob710/84

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Veröffentlicht am 08.11.1984
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Norm

ABGB §§1035 ff
ABGB §1097

Kopf

SZ 57/167

Spruch

Der Mieter, der gleichzeitig Miteigentümer des Bestandobjektes ist, kann notwendige, den übrigen Miteigentümern auf Grund einer Benützungsregelung als alleinigen Bestandgebern obliegende Aufwendungen auf das Bestandobjekt sofort, nützliche Aufwendungen aber erst bei Beendigung des Bestandverhältnisses ersetzt verlangen; außerdem kann er von den anderen Miteigentümern entsprechend ihren Miteigentumsanteilen Aufwandersatz als Geschäftsführer ohne Auftrag begehren

OGH 8. 11. 1984, 6 Ob 710/84 (OLG Innsbruck 1 R 132/84; LG Innsbruck 5 Cg 220/83)

Text

Die vier Kläger sind zu je einem Achtel, der Beklagte ist zu einem Viertel Miteigentümer der Liegenschaft EZ 1097 II KG P mit dem Haus B-Straße 16. Im Jahre 1967 trafen die damaligen Hälfteeigentümer der Liegenschaft, Karl Z und Adele M, eine schriftliche Vereinbarung, mit welcher ersterem die im Erdgeschoß gelegene und letzterer die im ersten Stock des Hauses befindliche Wohnung samt Dachkammer zur Benützung zugewiesen wurden. Mit Kaufvertrag vom 13. 7. 1977 kauften der Beklagte und seine Ehegattin Ottilie L von Karl Z dessen Hälfteanteil, sodaß sie seither je zu einem Viertel Eigentümer dieser Liegenschaft sind.

Der Beklagte bewohnte mit seiner Ehegattin schon seit 1967 die im ersten Stock befindliche Wohnung und die Mansardenkammer. Am 30. 5. 1977 schloß er mit Adele M einen neuen schriftlichen Mietvertrag, mit welchem sie einen monatlichen wertgesicherten Mietzins von 1 700 S zuzüglich der Umsatzsteuer vereinbarten; ausdrücklich wurde darin festgehalten, daß damit der bisherige Mietvertrag vom 1. 8. 1967 gegenstandslos werde.

Mit Kaufvertrag vom 10. 7. 1980 erwarben die Kläger den Hälfteanteil der Adele M. Am 16. 7. 1980 teilte der Drittkläger dem Beklagten dies mit und ersuchte ihn um Ausfolgung von Schlüsseln für das Haus. Der Beklagte weigerte sich, die Schlüssel herauszugeben, und ließ das Schloß ändern. Erst später übergab er den Klägern die ursprünglichen, nicht mehr passenden Schlüssel. Er verbot den Klägern das Betreten des Hauses.

Im Jahre 1982 ließ der Beklagte an den Fenstern und an der Veranda der von ihm benützten Wohnung Sanierungsarbeiten durchführen, das Stiegenhaus streichen und das WC erneuern. Im Jahre 1983 ließ er Rauchfänge des Hauses ausschleifen und bezahlte hiefür 12 900 S zuzüglich 330.40 S für eine Druckprobe, nachdem der zuständige Rauchfangkehrer festgestellt hatte, daß die Küchenrauchfanggruppe undicht sei. Es konnte nicht festgestellt werden, welcher Wohnung die hievon betroffenen Rauchfänge zuzuordnen sind, ob zwischen den Streitteilen über Erhaltungsarbeiten am Haus gesprochen wurde und ob die Parteien vereinbart hatten, die Kläger würden Mietzinsforderungen bis zur Einigung der Streitteile über die Gegenforderungen des Beklagten nicht gerichtlich geltend machen.

Die Kläger begehrten vom Beklagten zuletzt die Zahlung des rückständigen Mietzinses von insgesamt 62 160.81 S und brachten hiezu vor, der Beklagte habe den bisher fälligen Mietzins an sie nie entrichtet.

Der Beklagte, der das Klagebegehren der Höhe nach unbestritten ließ, wendete insbesondere die von ihm aufgewendeten Kosten für die Behebung von Schäden am Haus im Betrag von 75 859.42 S einschließlich seiner Arbeitsleistungen sowie die halben Kosten des Kaminausschleifens samt Druckprobe in der Höhe von 6 615.20 S als Gegenforderungen zur Aufrechnung bis zum Klagsbetrag ein.

Das Erstgericht sprach aus, daß die eingeklagte Forderung jedem der Kläger gegenüber mit 15 540.20 S samt stufenweisen Zinsen zu Recht und die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von je 15 540.20 S (samt stufenweisen Zinsen) an alle Kläger. Da nicht feststehe, daß die Kläger den Reparaturarbeiten zugestimmt hätten, sei der Beklagte als Geschäftsführer ohne Auftrag zu behandeln. Da er einen nach § 1036 ABGB zu beurteilenden Notfall nicht behauptet habe, sei seine Gegenforderung am § 1037 ABGB zu messen. Da er sich nicht um die Einwilligung der Kläger beworben habe, könne er nur soweit Ersatz verlangen, als seine Aufwendungen zum klaren überwiegenden Vorteil der Kläger gemacht worden seien. Dabei dürfe aus Gründen der Billigkeit sein Gesamtverhalten nicht außer Betracht bleiben. Bringe man die Bestimmungen der §§ 1036 f., 1097 ABGB in einen richtig verstandenen Zusammenhang mit § 1035 ABGB, so könne es nicht zweifelhaft sein, daß lediglich unbillige Vorteile des Geschäftsherrn ausgeglichen werden sollten. Der Beklagte habe den Klägern jede Möglichkeit, die Notwendigkeit der Reparaturen zu prüfen, verwehrt; gehe der Geschäftsführer so vor, als wäre er allein verfügungsberechtigt, könne er sich nicht darauf berufen, auch im Interesse der Kläger tätig geworden zu sein. Daher sei nicht mehr zu prüfen, ob die Aufwendungen notwendig oder nützlich gewesen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die Revision unzulässig sei. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und fügte hinzu, ein Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB komme als subsidiärer Rechtsbehelf schon angesichts der Eigentumsgemeinschaft und des Mietverhältnisses nicht in Betracht.

Der Oberste Gerichtshof gab der ao. Revision des Beklagten Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Ausspruch der Vorinstanzen über die eingeklagte Mietzinsforderung wird vom Beklagten nicht bekämpft. Strittig und Gegenstand des Revisionsverfahrens ist lediglich die Frage, ob und inwieweit der Beklagte die Kläger - sowohl als Vermieter seiner Wohnung als auch als Miteigentümer der Liegenschaft - auf Ersatz der auf die Wohnung bzw. das Haus gemachten Aufwendungen in Anspruch nehmen kann. Dabei ist zu beachten, daß sich die Voraussetzungen, der Inhalt und der Umfang der Aufwandersatzansprüche des Mieters und des Miteigentümers keineswegs decken. Während der Mieter vom Vermieter den gesamten diesem obliegenden Aufwand und - allerdings erst nach Beendigung des Bestandverhältnisses - auch die nützlichen Aufwendungen auf den Bestandgegenstand verlangen kann (§ 1097 ABGB), kann der Miteigentümer von den übrigen Teilhabern nur den Ersatz des ihrem Anteil entsprechenden Teiles seines zur Abwendung eines Schadens oder zum klaren überwiegenden Vorteil gemachten Aufwandes auf den Gegenstand des Miteigentums ersetzt verlangen. Den Vorinstanzen kann nicht beigepflichtet werden, daß dem Beklagten jeder Ersatzanspruch verwehrt sei, weil er sich so verhalten habe, als ob er Alleineigentümer wäre. Die Kläger haben nämlich gar nicht behauptet, daß der Beklagte bei seinen Aufwendungen nicht die Absicht verfolgt habe, (auch) im fremden Interesse zu handeln (Rummel in Rummel, ABGB, Rdz. 5 zu § 1035; Stanzl in Klang[2] IV/1, 892 f.). Die Kläger haben lediglich vorgebracht, der Beklagte habe eigenmächtig gehandelt. Dieser Einwand geht aber deshalb ins Leere, weil die Geschäftsführung ohne Auftrag schon begrifflich als eigenmächtige Geschäftsbesorgung für einen anderen zu verstehen ist (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[6] I 370; Stanzl aaO 890 ff.). Im übrigen ist zu unterscheiden, ob der Beklagte den Aufwand als Mieter auf den Bestandgegenstand oder als Miteigentümer auf das gemeinsame Gut gemacht hat.

Soweit der Beklagte seine Ansprüche auf Ersatz seiner Aufwendungen auf den Bestandgegenstand - also die ihm von den Klägern vermietete Wohnung im Obergeschoß und in der Mansarde - stützt, macht er mit Recht den Ersatz der gesamten darauf Bezug habenden Aufwendungen gegen die Kläger geltend, weil sie angesichts der Benützungsregelung aus dem Jahre 1967 als Rechtsnachfolger der Adele M als seine Vermieter anzusehen sind. Die Kläger sind als Käufer zwar Einzelrechtsnachfolger, doch haben sie selbst in der Klage vorgebracht, daß der Mietzins von ihrem Eigentumserwerb an an sie zu zahlen sei; sie gehen somit selbst davon aus, daß sie in das Bestandverhältnis mit dem Beklagten eingetreten sind. Soweit der Beklagte auf das Bestandobjekt einen den Klägern oblegenen oder einen nützlichen Aufwand gemacht hat, ist deren Verpflichtung zum Ersatz der ohne ihre Zustimmung gemachten Aufwendungen des Beklagten nach den §§ 1097, 1036 f. ABGB zu beurteilen (EvBl. 1971/208; RZ 1937, 17 ua.). Da der Bestandnehmer seine Aufwendungen im allgemeinen nicht in der Absicht, ein Anliegen des Bestandgebers zu fördern, sondern im eigenen Interesse vornimmt, kann sich die im § 1097 ABGB enthaltene Verweisung auf die §§ 1036 f. ABGB nur auf den Umfang des Ersatzanspruches erstrecken; es handelt sich um einen Fall der angewandten Geschäftsführung (MietSlg. 30 187; 1 Ob 6/84; vgl. Klang in Klang[2] V 47). Daß er bei Vornahme der Aufwendungen im eigenen Interesse handelte, steht seinem Ersatzanspruch als Bestandnehmer - bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen - nicht entgegen. Allerdings kann der Beklagte den Aufwandersatz aus dem Gründe der im § 1097 ABGB angeordneten angewandten Geschäftsführung derzeit nur insoweit geltend machen, als es sich um notwendige dem Bestandgeber obliegende Aufwendungen handelt. Die sonst geltende Beschränkung der Instandhaltungspflicht des Vermieters auf die Beseitigung ernster Schäden des Hauses (§ 3 Abs. 2 Z 2 MRG; vgl. SZ 47/98) kommt hier nicht in Betracht, weil es sich um ein Haus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen handelt, auf die die Bestimmung des § 3 Abs. 2 Z 2 MRG nicht anzuwenden ist (§ 1 Abs. 4 Z 2 MRG). Dagegen kann der Bestandnehmer den Ersatz nützlicher Aufwände vom Vermieter erst dann begehren, wenn das Bestandverhältnis bereits beendet ist. Erst danach steht fest, ob der Aufwand des Mieters überhaupt noch wirksam ist und dem Bestandgeber zum klaren und überwiegenden Vorteil gereichen kann (SZ 47/98 ua.). Da das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen weiterhin aufrecht ist, sind daher nur jene Forderungen des Beklagten auf Ersatz seiner auf das Mietobjekt gemachten Aufwendungen fällig und daher zur Aufrechnung geeignet, die nach Gesetz oder Vertrag den Klägern oblegen wären.

Daneben kann der Beklagte - sofern auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen - von den Miteigentümern der Liegenschaft Aufwandersatz als Geschäftsführer ohne Auftrag begehren. Führt der Miteigentümer Reparaturarbeiten an der gemeinsamen Liegenschaft durch, besorgt er zugleich mit der Verrichtung eigener Geschäfte auch noch jene der anderen Miteigentümer mit. Ob der Beklagte von den Klägern entsprechend ihren Miteigentumsanteilen - insgesamt - die Hälfte seiner Auslagen ersetzt verlangen kann, hängt davon ab, ob der Aufwand notwendig und zweckmäßig gemacht (§ 1036 ABGB) oder zum wirklich überwiegenden Vorteil der Miteigentümer (§ 1037 ABGB) getätigt worden ist (MietSlg. 27 106; EvBl. 1968/39; JBl. 1958, 309 ua.; Stanzl aaO 891 f.; Rummel aaO). Den Vorinstanzen ist allerdings darin zuzustimmen, daß sich der Beklagte - soweit er seine Ansprüche nicht (auch) auf § 1097 ABGB stützen kann - nicht auf einen Notfall berufen kann. Ein solcher ist nämlich nur dann anzunehmen, wenn es dem Geschäftsführer nicht möglich war, rechtzeitig die Zustimmung des Geschäftsherrn einzuholen (EvBl. 1982/83; Koziol-Welser aaO 371;

Stanzl aaO 897). Daß es dem Beklagten unmöglich gewesen wäre, das Einvernehmen mit den Klägern herzustellen, hat er nicht behauptet;

es liegen hiefür auch keinerlei Anhaltspunkte vor. Er kann also, soweit er den Ersatz seiner Aufwendungen auf das Gemeinschaftsgut verlangt, die Kläger nur auf Ersatz seines nützlichen Aufwandes iS des § 1037 ABGB in Anspruch nehmen. Nützlich ist der Aufwand nicht schon allein bei objektiver Wertsteigerung infolge der Investition, sondern nur dann und insoweit, als auch der Vorteil des Geschäftsherrn außer Zweifel steht (EvBl. 1971/208; 1 Ob 6/84; Klang aaO 49). Bei Beurteilung, ob der Aufwand des Geschäftsführers dem Geschäftsherrn zum klaren überwiegenden Vorteil gereicht, ist von einer an der Verkehrsauffassung orientierten objektiven Bewertung auszugehen, die auf alle Interessen des Geschäftsherrn Bedacht nimmt (Rummel aaO Rdz. 4 zu § 1037 mwN). Nützlich ist der Aufwand jedenfalls, wenn er zur Abwendung drohenden Schadens gemacht wurde und nicht fehlgeschlagen ist. Der Beklagte hat behauptet, daß die Fenster "kaputt" gewesen seien und von der Baupolizei der Auftrag erteilt worden sei, die Veranda instand zu setzen.

Da die Vorinstanzen - ausgehend von ihrer Rechtsansicht - keinerlei Feststellungen über die Art, den Umfang, den Nutzen und die Zweckmäßigkeit der vom Beklagten behaupteten Aufwendungen getroffen haben, wird die Sachverhaltsgrundlage im fortgesetzten Verfahren in diesem Sinne zu ergänzen sein. Bei seiner neuerlichen Entscheidung wird das Erstgericht zu berücksichtigen haben, daß dem Beklagten für die von ihm selbst verrichteten Arbeiten nur dann eine Entlohnung für Mühewaltung zusteht, wenn diese von ihm berufs- oder gewerbsmäßig ausgeführt wurden (Klang aaO 49; Stanzl aaO 898 f.; SZ 47/98 ua.).

Anmerkung

Z57167

Schlagworte

Benützungsregelung, s. a. Miteigentum, Bestandobjekt, Ersatz von Aufwendungen durch Mieter und Miteigentümer, Mieter, Ersatz von Aufwendungen auf Bestandobjekt des - und, Miteigentümers, Miteigentum, Mieter und Miteigentümer: Ersatz von Aufwendungen auf, Bestandobjekt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00710.84.1108.000

Dokumentnummer

JJT_19841108_OGH0002_0060OB00710_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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