TE OGH 1984/12/12 1Ob647/84

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Veröffentlicht am 12.12.1984
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Norm

ABGB §1168a

Kopf

SZ 57/197

Spruch

Zur Erfüllung seiner Warnpflicht muß der Werkunternehmer umfangreiche, technisch schwierige und kostenintensive Untersuchungen, die zur Werkleistung und zur Höhe des Werklohns nicht in einem vernünftigen Verhältnis stehen, nur durchführen, wenn dies besonders vereinbart ist

OGH 12. 12. 1984, 1 Ob 647/84 (OLG Graz 7 R 55/84; LGZ Graz 8 Cg 382/81)

Text

Der Baumeister Rudolf T errichtete im Jahre 1969 im Auftrage der klagenden Partei zwei Silos mit den firmeninternen Bezeichnungen 5 und 6. In den mit Rudolf T abgeschlossenen Verträgen war vereinbart, daß dieser die statischen Berechnungen und Bauzeichnungen in der von der Behörde vorgeschriebenen Form zu erstellen und die Bauausführung nach den derzeit gültigen ÖNORMEN beziehungsweise DIN durchzuführen hatte, die Dimensionierung des Silos war unter Berücksichtigung der Tatsache vorzunehmen, daß gleichzeitig gefüllt und entleert werde. Rudolf T hatte die für die Bemessung des Silos wichtigen Daten wie Füllhöhe, Raumgewicht, Schüttwinkel und Wandreibung nachzuprüfen und die Ergebnisse bei der Dimensionierung mit den nötigen Sicherheiten für Silobauten zu berücksichtigen; Rudolf T haftete somit in jeder Hinsicht für die Güte des von ihm ausgeführten Bauwerkes und verpflichtete sich, allfällige Schäden an demselben, die innerhalb von zwei Jahren ab Kollaudierungsdatum gerechnet aufscheinen und auf falsche statische Berechnung, unsachgemäße Arbeit oder Verwendung ungeeigneten Materials zurückzuführen sind, innerhalb von vier Wochen kostenlos zu beheben. Rudolf T ist am 11. 5. 1971 verstorben. Sein Nachlaß wurde mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Rottenmann vom 27. 7. 1971 seiner Witwe Margarethe T, die sich auf Grund des Testamentes des Erblassers zum gesamten Nachlaß unbedingt erbserklärt hatte, eingeantwortet. Auf Grund des im Abhandlungsverfahren getroffenen Übereinkommens übernahm der Sohn Ing. Dietrich T den gesamten Nachlaß in sein Alleineigentum. Der Silo 6 ist am 24. 8. 1979 zufolge von Spannungen in der Horizontalbewehrung der Silowände, die die Zugfestigkeit der Stahleinlagen überschritten, eingestürzt. Weder Ing. Dietrich T noch Margarethe T haben an die klagende Partei bisher Schadenersatzleistungen erbracht.

Die klagende Partei begehrt den Betrag von 2 280 168.50 S sA und führt zur Begründung aus, Rudolf T habe die statische Berechnung des Silotisches und der Abdeckplatte für den ersten Silobau (Silo 5) sowie die Umrechnung der Stahlbewehrung des Silomantels von Torstahl 40 auf Rippentorstahl 50 von den Beklagten durchführen lassen. Die Beklagten hätten einen neuen Bewehrungsplan für diesen Silo erstellt, der auch für die Errichtung des Silos 6 Verwendung gefunden habe. Die Bewehrung des Silomantels sei nicht auf Grund eigener statischer Berechnungen der Beklagten, sondern lediglich auf Grund Umrechnung der Bewehrung, die für einen früheren Silobau (Silo 4) erstellt worden sei und noch auf der im Zeitpunkt der Auftragserteilung an die Beklagten überholten Theorie von Janssen beruhte, erfolgt. Wäre die Bewehrung nach der DIN-Norm 1055/1965 errechnet worden, wäre der Siloeinsturz vermieden worden. Zur Vermeidung weiterer Schäden hätten auch die Silos 5, 7 und 8, die nach denselben Grundsätzen bewehrt worden seien, verstärkt werden müssen. Die Beklagten hätten gegenüber ihrem Auftraggeber Rudolf T eine schuldhafte Pflichtverletzung zu vertreten, weil sie die Umrechnung der Bewehrung des Silomantels und die Verfassung des neuen Bewehrungsplans übernommen, es aber unterlassen hätten, ihren Auftraggeber darauf hinzuweisen, daß die Art der Mantelbewehrung nicht mehr den anerkannten Regeln der Baukunst entspreche. Der Anspruch der klagenden Partei grunde sich auf die ihr von Margarethe T und Ing. Dietrich T abgetretenen Ansprüche; auf eigene vertragliche Rechtsbeziehungen werde das Klagebegehren nicht gegrundet. Unter Anerkennung des von ihr zu vertretenden Mitverschuldens des Baumeisters Rudolf T im Ausmaß von zwei Dritteln des Schadens werde ein Drittel des Gesamtschadens in der Höhe des Klagsbetrages geltend gemacht. Margarethe T und Ing. Dietrich T haben der klagenden Partei alle Ansprüche welcher Art immer, die ihnen gegen die Beklagten aus diesem Schadensfall zustehen könnten, abgetreten.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Rudolf T habe ihnen keinen Auftrag zur statischen Berechnung des Silomantels, sondern nur der Boden- und Deckplatte des Silos erteilt. Diese Berechnungen seien ordnungsgemäß ausgeführt worden. Rudolf T habe für die Errichtung des Silos im übrigen die statischen Berechnungen der Firma S-AG aus dem Jahre 1961, die bereits bei Errichtung anderer Silobauten der klagenden Partei Verwendung gefunden hätten, herangezogen. Da diese Berechnungen auf der Verwendung von Torstahl 40 basierten, der im Jahre 1969 nicht mehr erhältlich gewesen sei, hätten sie den Auftrag zur Umrechnung der Stahlgüte auf Torstahl 50 erhalten. Auch dieser Auftrag sei ordnungsgemäß ausgeführt worden. Rudolf T habe ihnen bei Auftragserteilung auch nicht die statischen Berechnungen der Firma S-AG, sondern lediglich einen Plan zur Verfügung gestellt, der auf Grund der statischen Berechnungen gezeichnet worden und aus dem die Methode der Berechnung nicht ersichtlich gewesen sei. Schon seit 1955 hätten die Beklagten wie viele andere Ziviltechniker, die sich mit Silobauten beschäftigen, höhere Sicherheiten als nach Janssen erforderlich angenommen.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und stellte fest: Anfang 1979 habe sich Baumeister L von der klagenden Partei und im März 1969 Baumeister Rudolf T beim Zweitbeklagten nach den Kosten einer statischen Berechnung für einen Silo erkundigt. Der klagenden Partei sei vom Zweitbeklagten ein Betrag von 90 000 S - Baumeister Rudolf T ein Betrag von zirka 80 000 S - genannt worden. Nach Auftragserteilung an Baumeister Rudolf T habe dieser von der Bauleitung der klagenden Partei eine statische Berechnung der Firma S-AG aus dem Jahre 1961 übergeben erhalten, nach der bereits der Silo 4 der klagenden Partei erbaut worden war, weiters Ausführungspläne der Firma S-AG und einen Plan der klagenden Partei für den neu zu errichtenden Silo 5. Auch die Leistungsbeschreibung sei textlich nach jener der Firma S-AG aus dem Jahre 1961 verfaßt worden. Rudolf T habe für den Bau der Silos 5, 6, 7 und 8 keine eigene Statik errechnet oder errechnen lassen, sondern die Statik der Firma S-AG aus dem Jahre 1961 herangezogen. Anfang April 1969 sei Ing. Dietrich T in das Büro der Beklagten gekommen und habe sich danach erkundigt, ob diese bereit wären, die Bodenplatte sowie die Abdeckplatte des Silos 5 neu zu berechnen, und habe darauf verwiesen, daß er die übrige Statik bereits besitze. Der Zweitbeklagte, der mit Ing. Dietrich T gesprochen habe, habe sich nicht danach erkundigt, wer die übrige Statik erstellt habe und zu welchem Zeitpunkt dies geschehen sei. Bei dieser Besprechung habe Ing. Dietrich T die statische Berechnung der Firma S-AG aus dem Jahre 1961 nicht mitgehabt; er habe den Beklagten nur Pläne der klagenden Partei zur Verfügung gestellt, aus denen eindeutig die Konstruktion der Boden- und Abdeckplatte zu entnehmen gewesen sei. Weiters habe er ihnen einen Übersichtsplan übergeben, der ein Füllgewicht von 1 300 t und ein Raumgewicht von 1.6 t/m[3] aufgewiesen habe. Den Beklagten sei dann der Auftrag zur Berechnung der Boden- und Abdeckplatte erteilt worden; dabei sei ihnen die statische Berechnung der Firma S-AG für den Silo 4 nicht zur Verfügung gestanden; sie hätten diese Berechnung für ihre Arbeiten auch nicht benötigt. Nach Ausführung des Auftrages sei Ing. Dietrich T neuerlich zum Zweitbeklagten gekommen und habe ihm den Auftrag erteilt, die dem Wandbewehrungsplan der Firma S-AG aus dem Jahre 1961 zugrunde gelegte Stahlgüte (Torstahl 40), die im Jahre 1969 am österreichischen Markt nicht mehr erhältlich gewesen sei, auf Torstahl 50 umzurechnen. Mit dieser Umrechnung sei ein im Büro der Beklagten beschäftigter Techniker beauftragt worden. Die Umrechnung habe keine Besichtigung eines bereits bestehenden Silos erfordert; es sei dafür auch nicht erforderlich gewesen, daß statische Berechnungen zur Verfügung gestellt werden. Für die Umrechnung habe der Bewehrungsplan genügt, aus dem die Methode der statischen Berechnung nicht ohne weiteres ersichtlich gewesen sei. Die Umrechnung der Stahlgüten sei im allgemeinen Aufgabe eines Mittelschultechnikers; die vom Büro der Beklagten vorgenommene Umrechnung sei richtig, das in Rechnung gestellte Honorar von 2 800 S angemessen. Etwas später habe Baumeister Rudolf T den Auftrag erteilt, die Pläne des Silos 5 nochmals zu pausen und für das Bauvorhaben Silo 6 ihm zuzuschicken. Von den Beklagten sei auf den Plänen des Silos 5 das Datum der Mutterpause ausradiert und durch das Datum 16. 7. 1969 ersetzt worden; anstelle der Silonummer 5 sei die Silonummer 6 eingesetzt worden. Da die Stützen des Silos 6 etwas anders ausgebaut gewesen seien, sei von den Beklagten für den Silo 6 der Silotisch neu gezeichnet worden. Dem für das Bauvorhaben Silo 5 und 6 zuständigen Betriebsleiter der klagenden Partei Wilhelm A sei klar gewesen, daß der von den Beklagten erstellte Bewehrungsplan keine statische Berechnung darstelle. Obwohl er gewußt habe, daß Baumeister Rudolf T seiner vertraglichen Verpflichtung zur Beistellung einer statischen Berechnung nicht nachgekommen sei, habe er diesem Umstand keine große Bedeutung beigemessen, weil er ohnehin statische Berechnungen nicht prüfen konnte. Für ihn seien nur die Abmessungen in den Plänen wichtig gewesen. Ing. Dietrich T habe in der Folge die Beklagten gebeten, die von ihnen berechneten Konstruktionen beurkundet zu liefern. Damit die statische Berechnung, über die Ing. Dietrich T bereits verfügte, mit der Berechnung der Beklagten betreffend den Silotisch und die Abdeckplatte zusammenpasse, hätten die Beklagten die diesbezüglichen Unterlagen von Ing. Dietrich T angefordert und auch erhalten. Dabei handle es sich um die statische Berechnung der Firma S-AG betreffend den Silo 4. Bei der von den Beklagten Ende Juli 1969 vorgenommenen statischen Berechnung für die Bodenplatte und Abdeckplatte sei versucht worden, eine Übereinstimmung mit den Berechnungen der Firma S-AG zu erzielen. Die Einspannbiegemomente des Silomantels an der Oberkante der oberen Platte des Silotisches seien nicht nachgewiesen worden, im Bewehrungsplan sei aber eine entsprechende Anschlußbewehrung vorhanden, sodaß diese Arbeiten der Beklagten als ordnungsgemäß durchgeführt anzusehen seien. Da die Beklagten keinen Auftrag zur Erstellung einer statischen Berechnung des Silomantels beziehungsweise zur Überprüfung der vorliegenden statischen Berechnung gehabt hatten, habe sich der Zweitbeklagte hierum auch nicht gekümmert. Er habe demnach insbesondere die statische Berechnung der Firma S-AG nicht überprüft.

In den Jahren vor 1950 sei in Europa eine Reihe von Silos, die nach der damals üblichen Janssen-Theorie berechnet worden waren, eingestürzt, was dazu geführt habe, daß die Grundlagen der bis dahin angewendeten Theorie überdacht und verbessert worden seien. In der BRD sei im November 1964 die DIN 1055 Blatt 6 herausgegeben worden, in der die Lastannahmen für Silobauten in der Form neu geregelt worden seien, daß die anzunehmenden Lasten über den Seitendruck des Silogutes wesentlich erhöht worden seien. Aber schon vor Veröffentlichung dieser DIN 1055 hätten Konstrukteure, die mit Silobauten befaßt waren, von sich aus die fehlerhaften Angaben der Janssen-Theorie durch Wahl höherer Seitendrücke korrigiert; dies sei schon etwa seit 1950 geschehen, also ab jenem Zeitpunkt, ab dem zahlreiche Schadensfälle bekannt geworden seien. Im Jahre 1969 habe ein Zivilingenieur, dem eine statische Berechnung aus dem Jahre 1961 vorlag, davon ausgehen können, daß diese höheren Sicherheiten bereits Berücksichtigung gefunden hätten. Die statische Berechnung der Firma S-AG habe die höheren Sicherheiten nach DIN 1055 Blatt 6 nicht berücksichtigt. In der statischen Berechnung sei auf Blatt 5 vermerkt, daß die Belastungen der Silowand durch das Füllgut nach Betonkalender 1952 berechnet worden seien. Im Betonkalender 1952 werde noch die Berechnungsmethode nach Janssen dargelegt. Die Firma S-AG sei bei ihren statischen Berechnungen auch von einem Raumgewicht des Füllguts von 1.6 t pro m3 ausgegangen. Diese Annahme sei unrichtig, weil die ÖNORM B 4000 zweiter Teil, Ausgabe 8. 3. 1958, unter Punkt 3.4 für Magnesit, Sintermagnesit körnig, ein Gewicht von 2 000 kg je m3 vorsehe. Hätte die Firma S-AG den Silomantel mit diesem Normgewicht berechnet, wäre die Sicherheit eine wesentlich höhere gewesen. Um die Silodrücke nach DIN 1055 mit der geforderten Sicherheit aufnehmen zu können, hätte der Silomantel mit mehr als der doppelten Stahlquerschnittsfläche bewehrt werden müssen. Wäre dies geschehen, wäre der Silo 6 höchstwahrscheinlich nicht eingestürzt. Selbst die nach DIN 1055 geforderten Sicherheiten seien nicht ausreichend, wenn Sintergut mit einer Temperatur um 240 Grad C gelagert werde, wie dies bei der klagenden Partei der Fall sei. Solche Temperaturen müßten dem Statiker gesondert mitgeteilt werden. Schon eine einmalige Erreichung dieses Wertes könne bewirken, daß Risse infolge von Temperaturspannungen auftreten, wodurch der Silomantel in statischer Hinsicht gegenüber dem Membranzustand verändert werde.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, die Beklagten hätten zur Ausführung des ihnen erteilten Auftrages die statische Berechnung des Silomantels nicht benötigt. Es habe für sie daher auch keine Veranlassung bestanden, bei der Umzeichnung des Bewehrungsplanes und der Umrechnung der Stahlgüten die aus dem beigestellten Bewehrungsplan nicht ersichtliche Methode der Berechnung zu ermitteln. Demnach falle den Beklagten auch eine Verletzung von Aufklärungspflichten nicht zur Last. Dem erhobenen Klagebegehren komme aber auch aus anderen Erwägungen Berechtigung nicht zu. Die klagende Partei grunde ihr Begehren ausschließlich auf die Zession von Ansprüchen, die den Rechtsnachfolgern nach Baumeister Rudolf T gegenüber den Beklagten zustehen. Derartige Regreßansprüche hätten aber die Leistung von Schadenersatz durch die Rechtsnachfolger nach Rudolf T zur Voraussetzung. Ein direkter Anspruch der klagenden Partei gegen die Beklagten, wie er zufolge der Schutzwirkung des zwischen den Beklagten und Rudolf T abgeschlossenen Vertrages anzunehmen sei, sei nicht geltend gemacht worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und führte in rechtlicher Hinsicht aus, nach Lehre und Rechtsprechung stehe nur demjenigen von mehreren solidarisch haftenden Schädigern der Rückersatz gegen die übrigen zu, der diesen Schaden ersetzt habe. In gleicher Weise knüpfe § 896 ABGB das Rückgriffsrecht eines Solidarschuldners an die Voraussetzung, daß er die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen habe. Der Rückersatzanspruch eines Solidarschuldners gegen einen Mitschuldner entstehe daher nicht schon mit dem Schadensereignis selbst oder mit der Geltendmachung des Anspruchs durch den geschädigten Dritten, sondern nur, wenn und insoweit ein Solidarschuldner über den von ihm im Innenverhältnis endgültig zu tragenden Anteil hinaus in Anspruch genommen worden sei und dem Geschädigten tatsächlich Ersatz geleistet habe. Selbst wenn man daher davon ausgehen wollte, daß das Schadensereignis sowohl von Baumeister Rudolf T als auch von den Beklagten verschuldet worden sei, so hätte Rudolf T sich an die Beklagten nur dann halten können, wenn er selbst von der klagenden Partei wegen des Schadens in Anspruch genommen und Schadenersatz in einem seinen Verschuldensanteil übersteigenden Ausmaß geleistet hätte. Solange Rudolf T der klagenden Partei nichts bezahlt habe, könne eine Regreßforderung nicht existent geworden sein. Hätten andererseits die Nachfolger Rudolf Ts den Anspruch der klagenden Partei ihnen gegenüber effektiv durch Zahlung befriedigt, wäre zwar ein Regreßanspruch entstanden, doch wäre damit einer Zession an die klagende Partei die Geschäftsgrundlage entzogen. Zufolge Schuldtilgung hätte die klagende Partei kein schutzwürdiges Interesse mehr an einer nochmaligen, sie ungerechtfertigt bereichernden Zahlung durch die Beklagten. Die klagende Partei habe als Rechtsgrund in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise nur geltend gemacht, daß ihr die Ansprüche der Rechtsnachfolger nach Rudolf T gegen die Beklagten abgetreten worden seien. Da solche Ansprüche aber erst mit der Zahlung an die klagende Partei entstanden sein konnten, sei das Klagebegehren schon deshalb nicht gerechtfertigt. Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, daß dem Vertrag zwischen den Beklagten und Rudolf T Schutzwirkung gegenüber der klagenden Partei zukam, wäre damit nichts gewonnen. Eine Verletzung der Warnpflicht nach § 1168 a ABGB falle den Beklagten nicht zur Last. Die den Beklagten erteilten Aufträge hätten ordnungsgemäß ausgeführt werden können, ohne daß sie die gesamte Statik des Silos überprüfen mußten. Sei von Rudolf T ein eingeschränkter Auftrag erteilt worden, habe er nicht erwarten können, daß die Beklagten über die Durchführung dieses Auftrages hinaus noch besondere weitere Prüfungen vornehmen und Untersuchungen anstellen. Die Beklagten hätten vielmehr ihrerseits voraussetzen dürfen, daß ein sachkundiger Auftraggeber sich seinerseits ausreichend über die übrigen für die Realisierung des Bauvorhabens maßgeblichen Umstände informiert habe. Eine andere Auffassung würde die Warnpflicht des Unternehmers überspannen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach ständiger Rechtsprechung kann der gemäß den §§ 1302 letzter Halbsatz, 896 ABGB dem Solidarschuldner vorbehaltene Rückersatz gegen die übrigen erst verlangt werden, wenn wirklich Ersatz geleistet wurde (SZ 54/12; SZ 51/97; SZ 46/128; SZ 42/172; SZ 18/148; Ehrenzweig, System[2] II/1, 105; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 313; Koziol, Österr. Haftpflichtrecht[2] I 299, 303; Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz. 2 zu § 896). Die bloße Möglichkeit, zur Zahlung herangezogen zu werden, gibt noch kein Rückgriffsrecht (SZ 54/12; JBl. 1959, 344; Gamerith aaO). Darüber hinaus gewährt § 1313 ABGB dem Geschäftsherrn, der wegen eines Fehlverhaltens seines Erfüllungsgehilfen dem Gläubiger schadenersatzpflichtig wurde, einen Regreßanspruch, der jedoch gleichfalls Zahlung durch den Geschäftsherrn voraussetzt (SZ 51/97; JBl. 1977, 49; SZ 46/19; Ehrenzweig aaO 298; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] II 350 insbesondere FN 91). Die klagende Partei tritt der dargestellten Lehre und Rechtsprechung nicht entgegen, sondern legt dar, keinen Regreßanspruch iS der §§ 1302, 896 ABGB erhoben zu haben, sondern den auf sie übergegangenen Anspruch des Rudolf T gegen die Beklagten auf (teilweise) Freistellung von der Haftung geltend zu machen. Rudolf T beziehungsweise seine Rechtsnachfolger hätten auf Grund des ihnen zustehenden Anspruchs auf Mitwirkung der Beklagten an der Schadensgutmachung einen Anspruch auf Leistung des Klagsbetrages durch die Beklagten an die klagende Partei erheben können; dieser Anspruch sei der klagenden Partei zediert worden.

Ob einem Gesamtschuldner ein Mitwirkungsanspruch gegen den Mitschuldner auf Zahlung an den Gläubiger zusteht, ist umstritten. Ehrenzweig aaO 105 anerkennt das Recht, vom Mitschuldner zu verlangen, daß er nach Maßgabe des Rückgriffsrechtes zur Befriedigung mitwirke, nur auf Grund eines besonderen Verhältnisses zwischen den Mitschuldnern. Gamerith aaO Rdz. 4 zu § 896 lehnt, der Rechtsprechung folgend, den Freistellungsanspruch ab. Nach Gschnitzer aaO 313 entspringt hingegen bei Gesamtschuldnern das Recht auf Mitwirkung ebenso wie der Regreßanspruch dem Gemeinschaftsverhältnis; neben dem Regreß nach Zahlung bestehe überdies Mitwirkungspflicht zur Zahlung (Gschnitzer, Anm. zu JBl. 1959, 344). Koziol aaO 350, 351 FN 96 sowie in seiner Anmerkung zu ZAS 1978/24 in ZAS 1978, 188 spricht sich unter Berufung auf das Recht der Bundesrepublik Deutschland auch im Verhältnis zum Erfüllungsgehilfen für einen Freistellungsanspruch aus, der daraus abzuleiten wäre, daß der Gehilfe dem Geschäftsherrn verantwortlich wird, weil er diesen Ansprüchen des Gläubigers ausgesetzt hat (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] II 350 FN 91; aA SZ 51/97). Er lehnt aber gleichzeitig die Annahme von Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber einem der Vertragsleistung nahestehenden Dritten ab; sie sollen nicht dazu führen, dem Erfüllungsgehilfen eine Vertragshaftung aufzubürden, wenn dem Gläubiger ohnehin vertragliche Ansprüche gegen den Geschäftsherrn zustehen (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] II 90; so SZ 51/176). Koziol erachtet es nur als erwägenswert, auch Schutz- und Sorgfaltspflichten zugunsten des Leistungsempfängers anzunehmen, wenn der Gehilfe ein selbständiger Unternehmer ist und die Leistung zugunsten des Gläubigers verspricht. Diese Voraussetzungen träfen bei den Beklagten als selbständigen freiberuflichen Ziviltechnikern, deren vertragliche Leistung erkennbar für die klagende Partei bestimmt war, zu. Ob die einen Freistellungsanspruch ablehnende Rechtsprechung des OGH auch in Fällen, in denen nicht die Sonderbestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes zur Anwendung gelangen (ZAS 1978/24; Arb. 9179), aufrecht zu erhalten wäre, kann dahingestellt bleiben, weil den Beklagten eine Vernachlässigung der Warnpflicht nicht zur Last fällt und daher eine Haftung gegenüber Rudolf T, die Grundlage für einen Freistellungsanspruch bilden könnte, nicht bestand.

Die Revision erblickt das zum Schadenersatz verpflichtende Verhalten der Beklagten darin, daß sie bei Ausführung des ihnen von Rudolf T erteilten Auftrages im Besitze des Planes der S-AG für den Silo 4 aus dem Jahr 1961 gewesen seien. Dieser Plan sei vier Jahre vor Herausgabe der DIN 1055/1965 verfaßt worden. Die Beklagten hätten daher zumindest Anlaß zu Zweifeln haben müssen, ob der Plan, dessen Umrechnung und Neuzeichnung sie übernahmen, jene Sicherheiten vorsah, die nach den im Zeitpunkt ihrer Tätigkeit gegebenen Regeln der Technik (DIN 1055) für Silomäntel erforderlich waren. Sie hätten nicht davon ausgehen können, daß Rudolf T sich anderweitig die notwendigen statischen Berechnungen für den Silomantel besorgt hätte. Obwohl sie von Rudolf T nur den Auftrag zur Berechnung des Silotisches und der Abdeckplatte sowie zur Umrechnung der Torstahlgüte und der Zeichnung eines neuen Bewehrungsplanes erhalten haben, wären sie verpflichtet gewesen, schon vor Übernahme des Auftrages zu prüfen, ob dessen Ausführung von ihnen verantwortlich erfolgen könne. Sie hätten schon bei der Auftragsübernahme Überlegungen dahin anstellen müssen, ob eine Begrenzung ihrer Tätigkeit iS des eingeschränkten Auftrages bei einem Bau, der mit besonderen Risiken verbunden ist, verantwortlicherweise hingenommen werden könne. Wollten sie in Anbetracht des verhältnismäßig geringen Honorars für den eingeschränkten Auftrag eine sorgfältige Prüfung aller wesentlichen Umstände nicht durchführen, hätten sie die Auftragsübernahme ablehnen müssen. Bei Überprüfung der statischen Berechnung der S-AG hätten die Beklagten aber an drei Stellen einen Hinweis auf den Betonkalender 1952 erhalten; es hätte ihnen dann klar sein müssen, daß die Berechnungen der S-AG noch auf der veralteten Methode Janssen aufgebaut und demnach nicht den im Jahr 1969 geltenden Regeln der Technik entsprochen haben. Dies hätte die Beklagten zur Warnung des Bestellers veranlassen müssen.

Diesen Ausführungen kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 1168 a ABGB haftet der Unternehmer für den Schaden, wenn ein ihm aufgetragenes Werk zufolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers mißlingt und der Unternehmer den Besteller nicht gewarnt hat. Unter Stoff ist alles zu verstehen, aus dem oder an dem das Werk herzustellen ist. Offenbar ist ein Mangel nach Lehre und Rechtsprechung nicht nur dann, wenn er in die Augen fällt, sondern auch, wenn der Mangel nach der beim Unternehmer vorauszusetzenden Fachkenntnis (§ 1299 ABGB) bei sachgemäßer Ausführung der Arbeit hätte erkannt werden müssen (Adler-Höller in Klang[2] V 408; Iro,

Die Warnpflicht des Werkunternehmers, ÖJZ 1983, 505, 506; SZ 54/128; SZ 52/15; SZ 45/75; SZ 37/163; JBl. 1973, 151). Das Gesetz sieht im Unternehmer einen Sachverständigen, der den Besteller zu beraten und zu warnen hat, wenn dieser einen offenbar untauglichen Stoff beistellt oder offenbar unrichtige Anweisungen erteilt (RZ 1984/15). Der Unternehmer verliert bei unterlassener Warnung nicht nur den Anspruch auf das Entgelt, sondern haftet auch für den weiter entstehenden Schaden (SZ 52/15; SZ 45/75). Es ist in Rechtsprechung und Lehre auch allgemein anerkannt, daß der Unternehmer grundsätzlich verhalten ist, Vorleistungen des Bestellers beziehungsweise anderer Unternehmer zu überprüfen (SZ 37/163; Iro aaO 506; Soergel in Münchener Kommentar § 633 BGB RZ 52, 56; Soergel-Mühl, BGB[11] vor § 631 RZ 53, § 633 RZ 24). In der Rechtsprechung wurde jedoch hervorgehoben, daß die Warnpflicht des Unternehmers nicht überspannt werden darf. Zu besonderen, nicht üblichen Prüfungen und Untersuchungen ist er nicht verpflichtet (SZ 37/163). Werde bei einem Vertrag über den Bau eines Hauses vom Bauherrn der Grund zur Verfügung gestellt, müsse der Bauführer zwar die zur Fundierung des Gebäudes erforderlichen Maßnahmen treffen, er müsse aber ohne Anlaß nicht annehmen, daß der Grund schlechter oder gefährlicher sei, als dies seiner Lage entspreche, und müsse nicht prüfen, ob nicht aus besonderen Ursachen ausnahmsweise gerade dieser Grund seine besonderen Fehler habe; nach unbekannten Fehlern der Grundstücke dieser Lage müsse er nicht suchen (Adler-Höller aaO 408). Es wird auch der Standpunkt vertreten, daß bei der Frage des Ausmaßes der Warnpflicht der wirtschaftliche Aspekt nicht vernachlässigt werden dürfe. Umfangreiche, technisch schwierige und kostenintensive Untersuchungen müsse der Unternehmer nicht anstellen, es sei denn, es wäre dies besonders vereinbart oder hätte im Entgelt seinen Ausdruck gefunden. Der Prüfungsaufwand müsse in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Werkleistung und zur Höhe des Werklohns stehen (Iro aaO 507). Die klagende Partei räumt in der Revision ein, daß die statische Überprüfung des Silomantels durch die Beklagten in Anbetracht des verhältnismäßig geringen Honorars für den ihnen erteilten eingeschränkten Auftrag nicht wirtschaftlich gewesen sein könnte. Dies mußte die Beklagte jedoch, entgegen der Ansicht der Revisionswerberin, nicht zur Ablehnung des Auftrages veranlassen, sondern spricht vielmehr gegen die Ausdehnung der Prüfpflicht auf das von der klagenden Partei für erforderlich erachtete Ausmaß. Die Warnpflicht besteht immer nur im Rahmen der eigenen Leistungspflicht des Unternehmers und der damit verbundenen Schutz- und Sorgfaltspflichten (RZ 1984/15; SZ 52/15; vgl. auch SZ 51/26). So wurde etwa ausgesprochen, daß die Untersuchungspflicht eines Reparaturunternehmers nicht so weit gehen könne, daß er das Objekt der Reparatur nach Feststellung und Behebung des Schadens auch noch in anderen Teilen auf das Vorliegen weiterer Fehler untersuchen müßte, die bei einwandfreier Montage im Herstellerwerk nicht auftreten, wenn er nur die Pflicht zur Beseitigung der aufgetretenen Funktionsuntüchtigkeit des Objektes und nicht zur vollständigen Überprüfung auf etwaige sonstige Fehler übernommen hat (HS 9467).

Den Beklagten wurde zunächst nur der Auftrag erteilt, den Silotisch und die Abdeckplatte für den Silo 5 neu zu berechnen; Ing. Dietrich T teilte zudem den Beklagten mit, daß er "die übrige Statik bereits habe". Weiters wurden die Beklagten damit beauftragt, die Stahlgüte der Wandbewehrung des Silomantels umzurechnen. Die statische Berechnung der Firma S-AG wurde den Beklagten zunächst nicht ausgefolgt; sie haben sie für die Ausführung ihrer Arbeiten auch nicht benötigt. Erst als Ing. Dietrich T in der Folge forderte, die berechnete Konstruktion beurkundet zu liefern, wurde den Beklagten die statische Berechnung der Firma S-AG betreffend den Silo 4 aus dem Jahr 1961 übergeben, damit die Berechnung der Beklagten mit der bereits erstellten Berechnung in Übereinstimmung gebracht werden konnte. Den Beklagten wurde von Rudolf T ein eingeschränkter Auftrag erteilt. Im Hinblick auf diesen Umstand und die Erklärung des Ing. Dietrich T, daß er die Statik für den Silomantel bereits besitze, hatten die Beklagten auch dann, als ihnen die statischen Berechnungen der Firma S-AG aus dem Jahre 1961 übergeben wurden, keine Veranlassung, diese Berechnungen näher zu prüfen, zumal der hiefür erforderliche Aufwand, wie die klagende Partei selbst einräumt, in einem Mißverhältnis zu dem den Beklagten gebührenden Entgelt stehen mußte. Daß sich die Firma S-AG bei ihrer aus dem Jahr 1961 stammenden Berechnung noch der veralteten Methode nach Janssen bedient hatte, hätten die Beklagten nur bei Überprüfung der Berechnung feststellen können. Von vornherein war nicht anzunehmen, daß eine Baufirma noch im Jahre 1961 eine schon damals in Fachkreisen als überholt angesehene technische Methode verwendet hat. Es kann daher ungeprüft bleiben, ob die Beklagten eine Warnpflicht dann getroffen hätte, wenn sie schon aus dem Zeitpunkt der Erstellung der Berechnung erkennen hätten können, daß die Berechnung auf der überholten Methode Janssen beruht. Mit Recht gelangte das Berufungsgericht daher zum Ergebnis, daß Rudolf T im Hinblick auf den den Beklagten erteilten eingeschränkten Auftrag nicht erwarten konnte, daß sie Überprüfungen und Untersuchungen in Ansehung der Statik der übrigen Bauteile vornehmen werden. Die Beklagten durften vielmehr davon ausgehen, daß auch die übrigen statischen Berechnungen von einem Fachmann ordnungsgemäß erstellt worden sind. Den Beklagten fällt dann aber eine Vertragsverletzung nicht zur Last. Es fehlt dann auch die Grundlage für einen Freistellungsanspruch des Baumeisters Rudolf T, der an die klagende Partei übertragen werden konnte.

Anmerkung

Z57197

Schlagworte

Warnpflicht, s. a. Werkunternehmer, Werkunternehmer, Umfang der durch die Warnpflicht gebotenen, Untersuchungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0010OB00647.84.1212.000

Dokumentnummer

JJT_19841212_OGH0002_0010OB00647_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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