TE OGH 1984/12/18 9Os172/84

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Veröffentlicht am 18.12.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Hon.Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hardegg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin A wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 26. Juli 1984, GZ 3 a Vr 534/84-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Oehlzand jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem (vom Anklagevorwurf des Vergehens nach § 94 Abs. 1 StGB) freisprechenden Teil und demgemäß auch in dem den Strafausspruch vertretenden Ausspruch nach § 13 Abs. 1 JGG aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.Dezember 1967 geborene Jugendliche Martin A des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 17.Jänner 1984 in Köflach den Gustav B durch Versetzen mehrerer Faustschläge, die eine Schwellung unter dem linken Auge, Nasenbluten, eine Schädel- und Nasenbeinprellung, eine Prellung des rechten Knies und Hauptabschürfungen am rechten Knie zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt.

Hingegen wurde er von dem weiteren Anklagevorwurf, er habe es vorsätzlich unterlassen, dem Gustav B dessen Verletzung am Körper er durch die oben wiedergegebene Tathandlung verursacht habe, die erforderliche Hilfe zu leisten, indem er sich vom Tatort entfernte und um Gustav B nicht kümmerte und hiedurch das Vergehen des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Staatsanwaltschaft gegen diesen Freispruch erhobene, auf die Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist begründet.

Auszugehen ist davon, daß sich aus der gegen das Imstichlassen eines Verletzten gerichteten Strafdrohung mittelbar eine überzeugungspflicht des Verursachers einer Verletzung ergibt, ob Hilfe erforderlich ist, und daß ein Täter, der es vorsätzlich unterläßt, sich sogleich davon zu überzeugen, welcher Art die Hilfsbedürftigkeit des Verletzten ist und der sich deshalb nicht um diesen kümmert, nur dann straflos bleibt, wenn das Unfallopfer objektiv nicht hilfsbedürftig ist oder wenn eine Hilfeleistung dem Täter nicht zuzumuten wäre (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB 2 , RN 8 und 9 zu § 94 und die dort sowie bei Kienapfel BT I 2 , RN 28 und 29 zitierte Judikatur). Da das Erstgericht nun seine freisprechende Entscheidung allein darauf stützte, daß der Angeklagte wegen der spärlichen Beleuchtung oder infolge des raschen Verlaufes der Tätlichkeiten an B möglicherweise keine Verletzungen bemerkte (vgl S 61) - in welchem Zusammenhang es übrigens die Verantwortung des Angeklagten vor der Gendarmerie (vgl S 12 in ON 2), der von ihm tätlich angegriffene Mann sei zu Boden gefallen und habe stark im Gesicht geblutet, mit völligem Stillschweigen überging -, jedoch ersichtlich unter Zugrundelegung seiner unrichtigen Rechtsansicht jegliche Konstatierungen darüber unterließ, aus welchen Gründen der Angeklagte seiner überzeugungspflicht nicht nachkam und inwieweit der Verletzte objektiv hilfsbedürftig war und es auch all jene Umstände im Dunkeln ließ, die zur Lösung der Zumutbarkeitsfrage von Belang sind, war, weil es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, die mangelnden Feststellungen nachzuholen, in Stattgebung der staatsanwaltschaftlichen Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E04994

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00172.84.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19841218_OGH0002_0090OS00172_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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