TE OGH 1985/1/16 13Os197/84 (13Os198/84)

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Veröffentlicht am 16.01.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mahn als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A und andere wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann A sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengerichts vom 1. Juni 1984, GZ 3 a Vr 4014/83-76, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, des Angeklagten Johann A und des Verteidigers Dr. Sauer-Nordendorf zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe des Johann A auf 10 (zehn) Monate erhöht. Der Berufung des Angeklagten wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 30.August 1961 geborene Johann A wurde des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Er hat in Graz im Mai oder Juni 1983 im bewußten Zusammenwirken mit Walter B mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Wolfgang C mit der Drohung, A sei ein Jugendpolizist und werde D anzeigen, wenn er kein Geld bringe, zur übergabe zunächst einer Barschaft von 4.000 S und sodann einer Stahlkassette mit Münzen im Wert von mindestens 16.000 S genötigt (I 2 a und b). Bargeld und Kassette hatte C seinen Eltern gestohlen.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft Johann A mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5, 9 lit a und b (sachlich Z. 10) StPO gestützten (nach Erhalt einer Urteilsabschrift am 27.August 1984 durch den Verteidiger zufolge § 17 Abs 3 Ende ZustellG BGBl. Nr. 200/1982 rechtzeitig ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde (womit der Wiedereinsetzungsantrag ON 79 gegenstandslos ist).

Die Mängelrüge macht eine Undeutlichkeit der Urteilsfeststellungen geltend, weil nicht klar ersichtlich sei, ob der Beschwerdeführer sich selbst gegenüber dem Erpreßten als Jugendpolizist ausgab und die Angaben seines Komplizen, er würde bei Zahlung die Anzeige unterdrücken, ausdrücklich bestätigte (S. 382), oder aber, ob - im Sinn der Verantwortung des Beschwerdeführers - er bei der Bezeichnung als Jugendpolizist durch B nur genickt habe (siehe S. 385). Eine solche Undeutlichkeit, selbst wenn sie dem Urteil anhaftete (siehe demgegenüber S. 382 Mitte), beträfe aber keine entscheidende Tatsache, weil eine Bestätigung durch Zeichen (Nicken) und überhaupt jede konkludente Bekräftigung einer verbalen Drohung rechtlich gleichwertig wäre.

Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus eine gerichtliche Feststellung des Inhalts fordert, er habe die öußerungen seines Komplizen nur durch Kopfnicken bestätigt, ohne sie selbst genau gehört zu haben, bringt er den behaupteten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, sondern leitet (aus den Beweisergebnissen) auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Weise eine andere als die vom Erstgericht getroffene (im übrigen, wie dargelegt, zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führende) Feststellung ab.

Auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit a und b (der Sache nach Z. 10) StPO gestützt, begehrt der Nichtigkeitswerber zunächst einen Schuldspruch wegen Hehlerei statt wegen Erpressung. Die festgestellte gefährliche Drohung sei nicht geeignet gewesen, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen. Schon die Drohung des Mitangeklagten B mit einer Anzeige des C wegen (Familien-)Diebstahls wäre kaum gefährlich gewesen, weil dem Bedrohten ja klar gewesen wäre, daß der Erpresser sich mit einer solchen Anzeige selbst bloßstellte, überdies aber, weil der Familiendiebstahl nur ein Privatanklagedelikt sei. Vor allem sei die Handlung des Beschwerdeführers zur Verwirklichung der Erpressung ungeeignet gewesen, weil ein Polizist, wie jedermann klar sei, keine Anzeige unterdrücken und sich überhaupt nicht an einer Erpressung beteiligen könne. Allenfalls könne von einer Täuschung gesprochen werden, sodaß das Tatbild des Betrugs verwirklicht wäre, wobei der Beschwerdeführer - allerdings unter Außerachtlassung der diesfalls gegebenen Qualifikation des § 147 Abs 2 StGB - vermeint, ihm drohe nur ein Strafrahmen bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe (richtig: bis zu drei Jahren). Richtigerweise hafte er aber für Hehlerei infolge der Annahme der von B unrechtmäßig erlangten Werte. Mit all dem verkennt der Beschwerdeführer das Wesen der hier angewendeten gefährlichen Drohung gemäß der Legaldefinition des § 74 Z. 5 StGB Drohung ist die Kundgebung des Willensentschlusses, ein übel für einen anderen herbeizuführen, das der Drohende - unmittelbar selbst oder durch eine Mittelsperson - zu verwirklichen vermag oder verwirklichen zu können vorgibt.

Dieses übel kann in einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre und Vermögen bestehen. Es muß ein vom Willen des Drohenden abhängiges übel in Aussicht gestellt werden; daß der Drohende dieses übel auch verwirklichen will, ist nicht erforderlich. Es genügt, daß die Verwirklichung durch ihn ernst gemeint scheint. Die Eignung der Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, ist unter Anlegung eines Durchschnittsmaßstabs zu beurteilen (Leukauf-Steininger 2 RN. 18 zu § 74 StGB).

Vorliegend haben der Beschwerdeführer und sein Komplize mit der Erstattung einer Strafanzeige gedroht, worin jedenfalls eine Bedrohung an der Ehre, in der Regel auch eine solche an der Freiheit oder am Vermögen zu erblicken ist (SSt. XXXIV/48; JBl 1981, 384; Kienapfel, BT I 2 RN. 39, 48 und 64 zu § 105 StGB). Der Umstand, daß der Erpreßte sich keines Offizialdelikts, sondern des nur über Privatanklage zu verfolgenden, im Familienkreis begangenen Diebstahls (§ 166 StGB) schuldig gemacht hatte, steht dem nicht entgegen, weil auch dieser eine gerichtlich strafbare Handlung ist. Die Verwirklichung des übels war durchaus vorstellbar (allenfalls auch im Weg einer anonymen, den Angeklagten B nicht belastenden Anzeige) und die Vorspiegelung, ein 'Jugendpolizist' spiele mit dem Angeklagten B zusammen, war geeignet, die Situation für den Bedrohten nur umso gefährlicher und für B risikolos erscheinen zu lassen. Die Eignung der gebrauchten Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, ist sonach irrtumsfrei zugrundegelegt worden. Daß die Bedrohung im Vortäuschen einer Gefahrensituation bestand, macht die Tat nicht zum Betrug. Für diesen ist typisch, daß der in Irrtum Geführte die ihn selbst schädigende Handlung aus freien Stücken (wenngleich in Verkennung der wahren Sachlage) setzt, während das Wesen der Erpressung darin liegt, daß der Erpreßte zu dem Willensentschluß, auf dem die ihn schädigende Handlung beruht, durch Zwang (Nötigung) gelangt, mag die dadurch bewirkte Besorgnis nun auf der Annahme einer wirklichen oder einer vorgetäuschten Gefahr beruhen (Leukauf-Steininger 2 , RN. 20; Kienapfel BT II, RN. 103 ff., je zu § 144 StGB).

An dieser Erpressung hat der Beschwerdeführer nach den erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen einverständlich mit B mitgewirkt, sodaß ihm auch dessen öußerungen zuzurechnen sind. Darnach ist es rechtlich unerheblich, ob er diese durch bloßes Kopfnicken bestätigte oder an der Bedrohung des Zeugen C (siehe dessen Angaben in S. 366) auch verbal mitwirkte. Daß der Täter den durch eigenes strafbares Verhalten abgenötigten Leistungsgegenstand vom ortsanwesenden Mittäter (dem der Erpreßte den Geldbetrag ausgefolgt hatte), also unmittelbar in die Hand bekam, stellt nicht eine Hehlerei dar, setzt diese doch voraus, daß der Täter eine Sache, die - hier allein aktuell - ein anderer (der sogenannte Vortäter) durch ein Verbrechen, ein Vergehen gegen fremdes Vermögen oder ein Vergehen nach § 304 bis 311 StGB erlangt hat, an sich bringt (§ 164 Abs 1 Z. 2 StGB).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Johann A gemäß § 144 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Dabei waren erschwerend drei einschlägige Vorstrafen und die Tatbegehung mit einem Jugendlichen, mildernd das teilweise Geständnis in der Richtung der Hehlerei und die partielle Schadensgutmachung. Die Voraussetzungen für die außerordentliche Strafmilderung (§ 41 StGB) und für die bedingte Strafnachsicht (§ 43 StGB) wurden verneint (S. 391, 392). Gegen das Strafmaß richten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, der überdies eine Umwandlung in eine Geldstrafe und die bedingte Strafnachsicht begehrt. Das eine Erhöhung der Freiheitsstrafe anstrebende Rechtsmittel der Anklagebehörde greift voll durch. Einschlägig sind alle vier Vorverurteilungen des Angeklagten, weil auch jene des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 22.November 1979 (12 E Vr 3300/79) u.a. wegen Vergehens der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs 1 und 2 StGB) ein zur Erpressung (§ 144 Abs 1 StGB) einschlägiges Delikt betraf. Trotz seines Alters von erst 23 Jahren wurden über den Angeklagten bereits Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von 28 Monaten verhängt. Am 26. Juli 1981 wurde er mit einem Strafrest von 9 Monaten und 10 Tagen aus der letzten Strafhaft bedingt entlassen und ihm ein Bewährungshelfer bestellt. Dennoch ist er wieder rückfällig geworden.

Der Hinweis auf die Haupttäterschaft des Mitangeklagten Walter B versagt, weil alle im § 12 StGB normierten Täterschaftsformen gleichwertig sind (u.a. 13 Os 34/82) und der Berufungswerber wie auch der Jugendliche B als unmittelbare, nämlich als Mittäter (das sind mehrere, im einverständlichen Zusammenwirken handelnde Haupttäter gemäß § 12, erster Fall, StGB) aufgetreten sind. Sofern aber in der Berufung der Milderungsgrund des § 34 Z. 4 StGB (Einwirkung des B) angesprochen werden soll, steht dem zu Lasten des Rechtsmittelwerbers die wenigstens gleichgewichtige Tatsache gegenüber, daß er sich als damals fast Zweiundzwanzigjähriger zur Komplizenschaft mit dem nahezu um fünf Jahre jüngeren, kaum siebzehnjährigen B verstanden hat.

Von einer Unbesonnenheit kann angesichts der gleichfalls gravierenden Tatwiederholung (S. 388) keine Rede sein. Eine Mindeststrafe ist unter diesen Umständen nicht mehr vertretbar. Wenn hier mit einer bloß maßvollen Erhöhung der Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden werden kann, so nur deshalb, weil A zu Beginn der Hauptverhandlung einen Betrag von 10.000 S zur Schadensgutmachung übergeben hat (S. 355 unten), womit er selbst zwar nicht mehr bereichert sein mag (siehe S. 382), angesichts der deliktischen Solidarhaftung für den Gesamtschaden (§ 1301, 1302 ABGB) aber dennoch nicht von voller Schadensgutmachung gesprochen werden kann. Die nicht nur gegen das Strafmaß, sondern auch auf bedingte Nachsicht und Anwendung des § 37 StGB gerichtete Berufung des Angeklagten blieb erfolglos.

Das erste Begehren ist mit der Stattgebung der Berufung der Gegenpartei erledigt.

Einer Umwandlung der Freiheits- in eine Geldstrafe steht das Strafausmaß (§ 37 Abs 1 StGB), einer bedingten Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) das Vorleben des Angeklagten entgegen.

Anmerkung

E05098

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00197.84.0116.000

Dokumentnummer

JJT_19850116_OGH0002_0130OS00197_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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