Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik. Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eleonore A, Hausfrau, 8043 Graz, Am Lindenhof 35, vertreten durch Dr.Werner Stauder, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1) Liselotte B, Realitätenbesitzerin, 8010 Graz, Kirschengasse 15, 2) Elisabeth C, Hausbesorgerin, 8010 Graz, Katzianergasse 1, 3) Helmut C, Magistratsbeamter, 8010 Graz, Heckenweg 8, alle vertreten durch Dr.Christian Moser, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 25.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 22.Oktober 1984, GZ 6 R 162/84-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29.Juni 1984, GZ 11 Cg 77/83-20, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien haben der klagenden Partei die mit S 2.958,23 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,11 Umsatzsteuer und S 240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
520 Entscheidungsgründe:
In der vorliegenden Klage begehrte Edith D für die Verletzungen, welche sie bei einem am 30.12.1981 vor dem Hause Graz, Katzianergasse 1, erfolgten Sturz auf den Gehsteig erlitten hatte, von den Beklagten die Zahlung eines 'vorläufigen Teilschmerzengeldes' von S 60.000,--, mit der Erklärung, daß sie sich die 'Ausdehnung des Schmerzengeldanspruches nach Gutachtenerstellung' vorbehalte. Am 18.3.1983 ist Edith D verstorben. Nach Einlangen eines ärztlichen Sachverständigengutachtens dehnte der Klagsvertreter das Schmerzengeld auf S 95.000,-- aus. In der Folge wurde die Bezeichnung der klagenden Partei auf Eleonore A, die Alleinerbin nach Edith D, berichtigt.
Das Erstgericht sprach der klagenden Partei einen Betrag von S 60.000,-- samt Anhang zu und wies das Mehrbegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht, dagegen der hinsichtlich der Abweisung eines Teilbetrages von S 25.000,--
erhobenen Berufung der klagenden Partei Folge und sprach ihr einen weiteren Schmerzengeldbetrag in der vorgenannten Höhe zu. Es erklärte die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig. Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung wendet sich die auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Nach den erstgerichtlichen, vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen erlitt Edith D durch den Sturz einen Oberschenkelbruch rechts sowie Körperprellungen. Der Bruch wurde operativ durch Nagelung stabilisiert und konsolidierte sich in der Folge soweit, daß keine wesentliche Belastungsinsuffizienz auftrat und die Verletzte mit Stockhilfe gehfähig war. Das rechte Bein wies eine Verkürzung um 3 cm auf, durch welche eine überlastungsschädigung an der Wirbelsäule und den Hüftgelenken eintreten kann, allerdings erst allmählich, sodaß eine solche Schädigung im Zeitpunkt des Ablebens der Genannten noch nicht bestand. Das statische Mißverhältnis verursachte jedoch infolge der unphysiologischen Belastungsmomente Bewegungsschmerzen im Bereiche der unteren Wirbelsäule und in den Hüftgelenken, verstärkt durch das hohe Alter der Verletzten (Geburtsjahr 1902). Es bestanden auch Wundschmerzen und postoperative Schmerzen, auch das Schockgeschehen hatte negative Auswirkungen auf das Allgemeinbefinden. Mit der Mobilisierung traten Bewegungsschmerzen in sich stets verminderndem Ausmaß auf, weiters infolge der Beinlängenverkürzung Kreuzund Gelenksschmerzen. Schließlich hatte die Verletzte auch prellungsbedingte Entzündungsschmerzen. Insgesamt bestanden durch 12 Tage starke, durch 26 Tage mittlere und durch 50 Tage leichte Schmerzen.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, ein Schmerzengeldanspruch könne nur insoweit vererbt werden, als ein ziffernmäßig bestimmter Betrag schon zu Lebzeiten des Verletzten gerichtlich geltend gemacht worden sei. Die vorliegendenfalls nach dem Tode der Verletzten erfolgte Klagsausdehnung dürfe demgemäß nicht berücksichtigt werden. Das Berufungsgericht war der Auffassung, eine Ausdehnung des eingeklagten Schmerzengeldbetrages nach dem Tode des Verletzten müsse jedenfalls dann zulässig erscheinen, wenn sich dieser - so wie hier - bei der gerichtlichen Geltendmachung seines Schmerzengeldanspruches ausdrücklich die Klagsausdehnung vorbehalten habe, also vor der endgültigen Bezifferung des Begehrens die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung abzuwarten beabsichtigt und damit zum Ausdruck gebracht habe, das höchstmögliche Schmerzengeld zu verlangen. Da vorliegendenfalls im Hinblick auf Art und Umfang der von der Verletzten erlittenen Schmerzen eine Abgeltung des erlittenen Ungemachs mit S 85.000,--
angemessen erscheine, sei der weitere Zuspruch von S 25.000,-- gerechtfertigt.
Demgegenüber vertritt die Revision der beklagten Parteien den Standpunkt, eine Ausdehnung des Schmerzengeldes nach dem Tode des Verletzten sei nicht möglich, weil die Bestimmung des § 1325 ABGB ein ziffernmäßiges Begehren schon zu Lebzeiten des Verletzten verlange. Es seien auch keine Umstände hervorgekommen, nach welchen der Klagsvertreter einen Auftrag erhalten habe, das Schmerzengeldbegehren auf einen bestimmten Betrag auszudehnen, der Vorbehalt in der Klage allein sei als übliche 'Floskel' nicht genügend. Auch wäre es für die Verletzte im Hinblick auf vorliegende Judikatur von vornherein möglich gewesen, ihren Schmerzengeldanspruch 'entsprechend abzuschätzen'.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Der vorliegende Schmerzengeldanspruch wird auf die Bestimmung des § 1325 ABGB gestützt. Nach dieser Gesetzesstelle muß derjenige, der jemanden am Körper verletzt, dem solcherart Beschädigten 'auf Verlangen ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld bezahlen'. Aus den Worten 'auf Verlangen' hat die Rechtsprechung einen höchstpersönlichen Anspruch des Verletzten abgeleitet und für die Vererblichkeit dieses Anspruches demgemäß gefordert, daß er beim Tode des Verletzten bereits durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden war. Diese Rechtsprechung wurde trotz gegenteiliger Lehrmeinungen (siehe die Anführung bei Rummel ABGB Rdz 51 zu § 1325; Berger in RZ 1983, 38) grundsätzlich stets aufrechterhalten und der erkennende Senat hat seine hiefür maßgeblichen Erwägungen zuletzt in den in SZ 54/25 und ZVR 1983/327 veröffentlichten Entscheidungen dargelegt. Auch auf der Grundlage dieser ständigen Rechtsprechung erscheint der von der Revision bekämpfte Schmerzengeldzuspruch jedoch möglich, weil vorliegendenfalls im Sinne der zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ohnehin von einem bereits von der Verletzten selbst bei Gericht gestellten 'Verlangen' und damit der Vererblichkeit dieses Anspruches auszugehen ist.
Mit ihrer - gemäß § 34 ZPO auch hinsichtlich der Formulierung ihr selbst zuzurechnenden - Erklärung in der Klage, sie begehre ein 'vorläufiges Teilschmerzengeld' und behalte sich die Ausdehnung des Klagebegehrens 'nach Gutachtenerstattung' vor, hatte die Verletzte nämlich jedenfalls eindeutig und zweifelsfrei persönlich zum Ausdruck gebracht, daß sie schon jetzt auf der Grundlage der im einzuholenden Sachverständigengutachten festgestellten Schmerzen das der Judikatur entsprechende Gesamtschmerzengeld verlange und ihr Prozeßvertreter demgemäß in ihrem Auftrag im solcherart erklärten Umfang die Klagsausdehnung vorzunehmen habe. Damit schien aber das in der Klage enthaltene Verlangen der Verletzten nach Schmerzengeld inhaltlich bereits voll bestimmt und es kann bei sinnvoller Auslegung des im § 1325 ABGB enthaltenen Ausdruckes 'auf Verlangen' der bloß förmlichen ziffernmäßigen Festsetzung desselben nicht mehr entscheidende Bedeutung hinsichtlich seiner Vererblichkeit zukommen. Hingewiesen sei hiebei darauf, daß der von der Verletzten gewählte Vorgang der endgültigen Bezifferung nach Gutachtenerstattung durch den Gesetzestext des § 1325 ABGB gestützt wird, wonach der Schädiger dem Verletzten 'auf Verlangen ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld zu bezahlen hat'. Unter 'Verlangen' könnte insoweit also auch eine teilweise Geltendmachung bloß dem Grunde nach verstanden werden.
Der somit auf die nunmehrige Klägerin im Erbwege übergegangene Schmerzengeldanspruch ist entgegen der Ansicht der Revisionswerber aber auch in der vom Berufungsgericht zuerkannten Höhe gerechtfertigt. Diesbezüglich genügt der Hinweis darauf, daß der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 187/83 für einen während 85 Tagen mit Schmerzen verbundenen Schienbeinbruch ein Schmerzengeld von S 70.000,-- zusprach und in der Entscheidung 8 Ob 259/82 bei einem mit Prellungen und Rißquetschwunden verbundenen Oberarmbruch ein Schmerzengeld von S 86.000,-- zuerkannte. Vorliegendenfalls hatte die Verletzte neben Körperprellungen einen mit gewissen Komplikationen verbundenen Oberschenkelbruch erlitten und deswegen durch 88 Tage Schmerzen zu ertragen. Im Vergleich mit den vorgenannten Fällen ist das vom Berufungsgericht zugesprochene Schmerzengeld von insgesamt S 85.000,-- somit nicht als zu hoch anzusehen.
Der insgesamt ungerechtfertigten Revision war demgemäß ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E05005European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00515.85.0212.000Dokumentnummer
JJT_19850212_OGH0002_0020OB00515_8500000_000