TE OGH 1985/2/14 8Ob640/84

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Veröffentlicht am 14.02.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Michael und DDr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei N*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 9 Cg 495/81 des Kreisgerichtes Leoben (Streitwert S 885.289,-), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 10. 9. 1984, GZ 5 R 116/83-12, womit der Antrag der klagenden Partei auf Überweisung ihrer Wiederaufnahmsklage an das Kreisgericht Leoben zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit seiner an das OLG Graz gerichteten und am 20. 10. 1983 bei diesem eingebrachten Wiederaufnahmsklage begehrte der Kläger die Bewilligung der Wiederaufnahme des Wiederaufnahmsverfahrens 9 Cg 495/81 des KG Leoben und die Aufhebung des in diesem Verfahren ergangenen Urteiles des KG Leoben vom 17. 5. 1982 sowie der Beschlüsse des OLG Graz vom 12. 7. 1982 und des OGH vom 21. 4. 1983, ferner im wiederaufgenommenen Wiederaufnahmeverfahren die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens 9 Cg 466/76 des KG Leoben und die Aufhebung der in diesem Verfahren ergangenen Urteile aller drei Instanzen und schließlich in diesem wiederaufgenommenen Verfahren die Fällung eines Urteiles im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens.

Das OLG Graz wies mit Beschluß vom 12. 12. 1983 (ON 2), ohne die Zustellung der Klage an die Beklagte zu verfügen, die Wiederaufnahmsklage unter anderem mit der Begründung zurück, daß es zur Entscheidung über diese Klage unzuständig sei.

Dieser Beschluß wurde dem Klagevertreter am 9. 1. 1984 zugestellt.

Der Kläger bekämpfte diese Entscheidung innerhalb offener Rechtsmittelfrist mit Rekurs.

Mit Beschluß des OGH vom 7. 6. 1984 (ON 8) wurde diesem Rechtsmittel nicht Folge gegeben. In der Begründung dieser Entscheidung wurde unter anderem ausgeführt, daß das OLG Graz mit Recht die vorliegende Wiederaufnahmsklage wegen funktioneller Unzuständigkeit zurückgewiesen habe.

Dieser Beschluß wurde dem Klagevertreter am 17. 7. 1984 zugestellt.

Am 27. 8. 1984 langte ein Antrag des Klägers beim OLG Graz ein, seine Wiederaufnahmsklage dem KG Leoben als dem zuständigen Gericht zu überweisen.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das OLG Graz diesen Antrag zurück. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Antrag des Klägers im Sinne des § 230a ZPO zwar zulässig, aber verspätet sei. Der Überweisungsantrag sei nämlich nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle binnen der Notfirst von 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses zu stellen, mit dem die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ausgesprochen und die Klage zurückgewiesen worden sei. Dies sei der Beschluß des Erstgerichtes; das Gesetz stelle nicht auf den Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses ab. Wenn der Kläger die Zuständigkeitsentscheidung anfechten und sich für den Fall der Erfolglosigkeit seines Rekurses die Überweisung der Klage an das zuständige Gericht wahren wolle, müsse er mit dem Rekurs den Eventualantrag nach § 230a ZPO verbinden. Dadurch werde dem Schutzzweck dieser Gesetzesbestimmung, materielle Nachteile durch die aus einem formalen Grund erfolgte Klagszurückweisung zu vermeiden, voll Rechnung getragen. Der Antrag des Klägers sei als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Wiederaufnahmsklage an das KG Leoben abzutreten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.

Gemäß § 230a ZPO hat, wenn die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ausgesprochen und die Klage zurückgewiesen wird, ohne daß der Kläger Gelegenheit hatte, einen Überweisungsantrag nach § 261 Abs. 6 ZPO zu stellen und der Kläger binnen der Notfrist von 14 Tagen nach der Zustellung dieses Beschlusses die Überweisung der Klage an ein anderes Gericht beantragt, das ursprünglich angerufene Gericht die Zurückweisung aufzuheben und die Klage dem vom Kläger namhaft gemachten Gericht zu überweisen, wenn es das andere Gericht nicht für offenbar unzuständig erachtet.

Nach dem Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung beginnt die hier normierte 14tägige Notfrist mit der Zustellung des Beschlusses, mit dem das Gericht erster Instanz seine Unzuständigkeit ausspricht und die Klage zurückweist (arg. „... nach der Zustellung dieses Beschlusses ...“). Dies wird auch daraus deutlich, daß nach der Anordnung des Gesetzes das ursprünglich angerufene Gericht im Falle eines fristgerechten Antrages die Zurückweisung aufzuheben und die Klage dem vom Kläger nahmhaft gemachten Gericht zu überweisen hat, ohne daß hier etwa die Möglichkeit der Aufhebung eines bestätigenden Beschlusses des Rekursgerichtes auch nur erwähnt wird.

Die Gesetzesmaterialien geben keinen Anhaltspunkt für eine vom Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung abweichende Auslegung. Nach der Regierungsvorlage sollte § 230a ZPO anordnen, daß dann, wenn die Klage zurückgewiesen wird, ohne daß der Kläger Gelegenheit hatte, einen Antrag auf Überweisung nach § 261 Abs. 6 ZPO zu stellen, die Gerichtsanhängigkeit durch die Zurückweisung nicht als aufgehoben gelte, wenn der Kläger seinen Anspruch binnen 14 Tagen ab Zustellung des Zurückweisungsbeschlsses bzw. einer Entscheidung nach § 47 JN neuerlich klagsweise geltend macht. Diese vorgeschlagene Bestimmung erlangte nicht Gesetzeskraft. Ihre zum Gesetz gewordene Fassung erhielt die Bestimmung des § 230a ZPO erst im Justizausschuß. Durch diese Bestimmung sollte erreicht werden, daß der Kläger nicht durch eine Zurückweisung der Klage, also aus einem formalen Grund, etwa im Zusammenhang mit dem Ablauf einer Frist, einen materiellen Nachteil erleidet. Dabei wurde weitgehend dem Vorbild des § 271 Abs. 6 ZPO gefolgt (siehe dazu RV 669 BlgNR 15. GP 10, 51 und AB 1337 BlgNR 15. GP 12, 40). Bezüglich der letztgenannten Bestimmung ist aber in keiner Weise zweifelhaft, daß ein Überweisungsantrag nur vor der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz gestellt werden kann (Fasching Zivilprozeßrecht Rdz. 225) Für eine Absicht des Gesetzgebers, dem Kläger entgegen dem Wortlaut des § 230a ZPO die Möglichkeit einzuräumen, binnen 14 Tagen nach Rechtskraft einer Unzuständigkeitsentscheidung – nicht nach Zustellung der vom Gericht erster Instanz gefällten Unzuständigkeitsentscheidung – einen Überweisungsantrag im Sinne dieser Gesetzesstelle zu stellen, fehlt unter diesen Umständen jeder Anhaltspunkt. Eine derartige Gesetzesauslegung würde vielmehr dem erklärten Gesetzeszweck – Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens und Verminderung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und Leerläufen – eher widersprechen.

Der erkennende Senat vermag daher der von Schalich in ÖJZ 1983, 259 vertretenen Meinung, daß der Kläger auch noch (binnen 14 Tagen) nach der Zustellung der Entscheidung, mit der seinem Rekurs gegen einen Unzuständigkeitsbeschluß keine Folge gegeben wurde, einen Antrag nach § 230a ZPO stellen darf, nicht zu folgen. Er kommt vielmehr in Übereinstimmung mit Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz. 218 und Petrasch, Schwerpunkte der ZVN 1983, 147 in der Schriftenreihe des BM für Justiz Nr. 18, zu dem Ergebnis, daß die im § 230a ZPO normierte 14tägige Notfrist bereits mit der Zustellung des Beschlusses des Gerichtes erster Instanz, mit dem die Unzuständigkeit ausgesprochen und die Klage zurückgewiesen wurde, an den Kläger zu laufen beginnt.

Diese Zustellung erfolgte im vorliegenden Fall am 9. 1. 1984. Der Überweisungsantrag des Klägers wurde am 24. 8. 1984 zur Post gegeben und langte am 27. 8. 1984 beim OLG Graz ein. Er wurde daher von diesem mit Recht als verspätet zurückgewiesen.

Dem Rekurs des Klägers mußte unter diesen Umständen ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat der Kläger gemäß den §§ 40, 50 ZPO selbst zu tragen.

Textnummer

E09066

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00640.840.0214.000

Im RIS seit

10.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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