TE OGH 1985/2/19 11Os20/85

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Veröffentlicht am 19.02.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Februar 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kohlegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. November 1984, GZ 8 Vr 3.034/84-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.Februar 1955 geborene Invalidenrentner Franz A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 27.August 1984 auf einem neben der Bundesstraße angelegten Parkplatz im Gemeindegebiet Ratten, Helga B, die er über deren Ersuchen heimbringen sollte, mit Gewalt, indem er sie mit dem Oberkörper zwischen Fahrer- und Beifahrersitz seines Personenkraftwagens zwängte und (danach) auch mit dem Oberkörper auf den Beifahrersitz drückte, mehrmals zum außerehelichen Beischlaf nötigte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4

und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Das Hauptgewicht legt der Beschwerdeführer auf die Verfahrensrüge, mit der die Abweisung seiner in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge deshalb als Eingriff in seine Verteidigungsrechte qualifiziert wird, weil bei Aufnahme der zur Widerlegung der Behauptung einer Gewaltanwendung zur Erzwingung des Geschlechtsverkehrs dienlichen Beweise 'nach der Sachlage nicht auszuschließen war, daß ..... der Sachverhalt weiter befriedigend geklärt werden' könnte (S 159). Inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolls beantragte der Verteidiger am Ende des Beweisverfahrens die Einholung des Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen zum Beweis für die Unmöglichkeit der von der Zeugin (B) geschilderten Vorgänge unter Berücksichtigung des körperlichen Gebrechens des Angeklagten; weiters die Vornahme eines Augenscheins (im Personenkraftwagen) zum Beweis für die Unmöglichkeit der von der Zeugin geschilderten Positionen (beim Geschlechtsverkehr) und schließlich die Einvernahme mehrerer Zeugen zum Beweis dafür, daß sich die Zeugin B ständig in Lokalen aufhielt, wiederholt alkoholisiert war und öußerungen über Rauschgift machte (S 139). Der Begründung der abweislichen Entscheidung des Schöffensenats, der Angeklagte habe die Durchführung eines (wenn auch freiwilligen) Geschlechtsverkehrs in seinem Auto zugegeben, wodurch dessen Unmöglichkeit widerlegt sei, und die beantragten Zeugen haben mit dem Tathergang nichts zu tun (S 140), ist im Ergebnis beizupflichten. Gegen die Ablehnung der Vernehmung von Leumundszeugen bringt die Beschwerde nichts vor und konzentriert sich darzutun, daß die Abstandnahme von der Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen und die Unterlassung der Besichtigung des (oder eines) tatgegenständlichen Automodells den Verfahrensvorschriften zuwiderlaufe. Das Gericht habe nämlich den Sinn dieser Beweisanträge mißverstanden, weil nicht die Unmöglichkeit, in diesem Fahrzeug geschlechtlich zu verkehren, unter Beweis gestellt werden sollte, sondern die Unrichtigkeit der Bekundungen der Zeugin B, daß der Angeklagte trotz seiner körperlichen Behinderung den Geschlechtsverkehr gewaltsam durchführte.

Diesem Einwand liegt aber ersichtlich ein die (hier angenommenen) Tatbestandsvoraussetzungen des Verbrechens nach § 202 Abs 1 StGB betreffender Denkfehler zugrunde (der allerdings in einer etwas mißverständlichen Passage des Urteils vorgebildet ist - S 150), weil die Beweisanträge darauf abzielen, daß das Mädchen nicht überwältigt worden sein kann, was aber nur zur Herstellung des Tatbestands nach § 201 Abs 1 StGB erforderlich wäre. Diese beiden Verbrechen unterscheiden sich zwar nicht in den zur Erzwingung des Geschlechtsverkehrs angewendeten Mitteln (der Gewalt gegen die Person des Tatopfers oder der gegen dieses Opfer gerichteten Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben) jedoch in der hiedurch beim Opfer vorsätzlich herbeigeführten Wirkung. Wird durch diese Mittel die Widerstandsunfähigkeit bewirkt und dieser Zustand zur Ausübung des außerehelichen Beischlafs ausgenützt, ist nämlich der Tatbestand der Notzucht erfüllt; duldet hingegen das Opfer den Beischlaf unter dem physischen oder psychischen Druck der Gewalt oder Drohung, ohne geradezu widerstandsunfähig zu sein, liegt - wie hier - Nötigung zum Beischlaf vor (13 Os 190/84). Das Gericht wirft dem Angeklagten im Einklang mit der Aussage der Zeugin B, aus Angst vor weiterer Gewalt gehorcht zu haben (S 136), nur vor, durch seine gewaltsame Zudringlichkeit sich das Mädchen so weit gefügig gemacht zu haben, daß es schließlich seiner Aufforderung, gewisse Stellungen einzunehmen und den Geschlechtsverkehr zu dulden, immer weiter resignierend nachkam (S 144 in Verbindung mit S 147, 148). Damit ist aber den Beweisanträgen die rechtliche Basis entzogen, weil auch der Angeklagte nie bestritt, daß der Beischlaf bei (wenn auch nicht freiwilliger, sondern abgenötigter) Mithilfe der Frau durchgeführt werden konnte und auch durchgeführt wurde. Das Gericht ist daher zu Recht den Beweisanboten nicht nähergetreten.

Aus diesen Gründen ist aber in der mangelnden Erörterung der (negativen) Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen auf Verletzungsspuren kein Begründungsmangel (Z 5) zu erblicken, weil bei der von der Zeugin geschilderten Gewaltanwendung Verletzungen nicht unbedingt entstanden sein mußten.

Soweit die Mängelrüge aber versucht, die vom Erstgericht unter lebensnaher Beurteilung der Situation, wie sie der zufällig des Weges kommende Kraftfahrer Franz C vorfand, und dem von diesem unbeteiligten Zeugen geschilderten Verhalten der Zeugin B auf der Grundlage der Aussagen des Tatopfers getroffenen Feststellungen als mangelhaft begründet darzustellen, weil die Zeugin den Täter in der ersten Aufregung als 'Haberer' bezeichnete (ON 8 in Verbindung mit S 137), der Zeuge Viktor D sie als häufig alkoholisierte Lokalbesucherin schilderte (S 138) und die in die Erhebungen eingeschaltete Gendarmeriebeamtin Liliane E nachträglich den Eindruck gewann, B sei zunächst einem Geschlechtsverkehr nicht abgeneigt gewesen (S 139), begibt sie sich auf das Gebiet der unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung. Es ist den Tatrichtern allein zu überlassen, welche Schlüsse sie aus den ihnen in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweisen ziehen, und es genügt, wenn sie die Gründe für ihre überzeugung von der Schuld des Angeklagten in gedrängter Form darlegen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Kommen sie - wie in diesem Straffall - zu dem denkrichtigen Ergebnis, daß die Zeugenaussage der (einzigen) unmittelbaren Tatzeugin der Wahrheit entspricht, bedarf es nicht mehr des Eingehens auf weitere, mit dem Tatgeschehen nicht unmittelbar zusammenhängende Details des abgeführten Beweisverfahrens, die nur für die Glaubwürdigkeit des Zeugen im allgemeinen, nicht aber für die Richtigkeit der Tatschilderung Bedeutung haben könnten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich daher insoweit als überhaupt nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO, im übrigen aber als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO und war schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Für die Verhandlung und Entscheidung über die Berufung wird ein Gerichtstag anberaumt werden (§ 296 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E05369

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00020.85.0219.000

Dokumentnummer

JJT_19850219_OGH0002_0110OS00020_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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