TE OGH 1985/3/12 5Ob16/85

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Veröffentlicht am 12.03.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler, Dr.Jensik, Dr.Zehetner und Dr.Klinger als Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1) Herbert A, und 2) Hermann B, beide Karl-Schönherr-Straße 1, 6020 Innsbruck, beide vertreten durch Dr.Joachim Tschütscher, Landessekretär der Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Tirol, Adamgasse 9, 6020 Innsbruck, wider die Antragsgegner 1) Dr.Marianne C, Anichstraße 19, 6020 Innsbruck, 2) Monika D, Franz-Fischerstraße 7, 6020 Innsbruck, 3) Dr.Franz E, Hauptplatz 15, 2500 Baden, und 4) Dr.Friedrich D, Hauptplatz 15, 2500 Baden, sämtliche vertreten durch KommRat.Heinrich F, Hausverwalter, Colingasse 10, 6020 Innsbruck, dieser vertreten durch Dr.Bernhard Stanger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung der Betriebskosten und laufender öffentlicher Abgaben infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 19.Oktober 1984, GZ 3 a R 471/84-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 5.Juni 1984, GZ Msch 32/84-3, bestätigt wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung der Vorinstanzen wird dahin abgeändert, daß der Antrag der Mieter auf Feststellung, es handle sich bei der für 1982 vorgeschriebenen Gehsteigabgabe in der Höhe von 21.641,40 S um keine Betriebskosten oder laufende öffentliche Abgabe nach § 21 MRG, abgewiesen wird.

Begründung:

Die Antragsteller sind seit mehreren Jahren Hauptmieter in dem den Antragsgegnern gehörigen Haus Innsbruck Karl-Schönherr-Straße 1.

Text

Begründung:

10.12.1982, ZL.III-1604/1982 wurde im Hinblick auf die im Jahr 1981 erfolgte erstmalige bauordnungsgemäße Herstellung des vor dem Haus Karl-Schönherr-Straße 1 gelegenen Gesteiges auf Grund der Bestimmungen des Gesetzes vom 25.11.1968 über die Erhebung einer Abgabe für die erstmalige Herstellung zeitgemäßer Gehsteige in der Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl. Nr.23/1969, sowie des Beschlusses des Gemeinderates vom 16.12.1980 über die Festsetzung des Einheitssatzes (§ 3 Abs 6 leg.cit.) die Gehsteigabgabe mit insgesamt S 108.207,-- (Bauplatzanteil gemäß § 3 Abs 3 leg.cit. 11.259,-- und Baumassenanteil gemäß § 3 Abs 4 leg.cit. S 96.948,--) festgesetzt und ausgesprochen, daß diese Abgabe gemäß § 2 Abs 2 leg.cit. in Form einer fünf Jahre dauernden laufenden Abgabe entrichtet werden kann, wobei sich der jährlich zu entrichtende Betrag auf S 21.641,40 beläuft und die erste Jahresrate innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Bescheides einzuzahlen ist. Mit dem am 27.12.1983 bei der Schlichtungsstelle des Stadtmagistrates Innsbruck eingebrachten Antrag begehrten die Antragsteller gemäß § 37 Abs 1 Z 12 MRG die Feststellung, daß es sich bei der in der Betriebskostenabrechnung 1982 von der Hausverwaltung vorgeschriebenen Gehsteigabgabe in der Höhe von S 21.641,40 um keine Betriebskosten oder laufende öffentliche Abgaben nach § 21 MRG handle.

Der Magistrat Innsbruck stellte fest, daß durch die Vorschreibung des vorgenannten Betrages für Gehsteigabgabe 1982 das zulässige Zinsausmaß gemäß § 21 Abs 2 MRG nicht überschritten werde. Mit dieser Entscheidung gaben sich die Antragsteller nicht zufrieden und riefen fristgerecht das Gericht an.

Das Erstgericht gab dem Antrag auf Feststellung, daß es sich bei der Gehsteigabgabe um keine Betriebskosten oder laufenden öffentlichen Abgaben nach § 21 MRG handle, statt. Bei der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ging es davon aus, daß § 21 Abs 1 MRG taxativ aufzähle, welche Kosten als Betriebskosten anzusehen seien. In diesem Katalog seien jedoch die Kosten einer Gehsteigherstellung nicht enthalten. Die Gehsteigabgabe sei aber auch keine laufende öffentliche Abgabe im Sinne des § 21 Abs 2 MRG, weil unter öffentlichen Abgaben nur Leistungen zu verstehen seien, die in regelmäßigen Abständen über einen längeren unbefristeten Zeitraum hinweg zu leisten seien. Die Gehsteigherstellungskosten seien jedoch eine einmalige Leistung; daran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß die Eigentümer berechtigt seien, die genannte Gehsteigabgabe in fünf Jahresraten zu entrichten. Die Gehsteigabgabe sei somit den Kosten der Erhaltung des Hauses im weiteren Sinn zuzuzählen, die aus der Mietzinsreserve zu decken seien. Das Gericht zweiter Instanz gab dem von den Antragsgegner gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs keine Folge und sprach gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Da das erste Hauptstück des Mietrechtsgesetzes gemäß § 43 Abs 1 MRG auch für Mietverträge gelte, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen worden seien, hätten die Bestimmungen der §§ 21 ff.MRG auf den vorliegenden Fall Anwendung zu finden. Dem Erstgericht sei darin beizupflichten, daß die Gehsteigabgabe weder den Betriebskosten noch den laufenden öffentlichen Abgaben im Sinne des Mietrechtsgesetzes zuzuzählen sei. Bei der Neuherstellung eines Gehsteiges handle es sich nicht um den Aufwand zur besseren oder leichteren Benützung der Bestandsache, sondern um einen Aufwand, der in erster Linie der Allgemeinheit zugute komme. Bei einem Gehsteig komme auch eine Gebühr für die laufende Benützung nicht in Betracht. Der Oberste Gerichtshof vertrete daher die Meinung, daß die Kosten der Neuherrichtung des Gehsteiges nicht Betriebskosten oder laufende öffentliche Abgaben seien. Da die Gehsteigabgabe in Wirklichkeit das Entgelt für die Errichtung eines Gehsteiges sei, liege keine Abgabe im technischen Sinn vor.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß - hilfsweise nach Beweiswiederholung - im Sinne der Feststellung abzuändern, daß durch die Vorschreibung des Betrages von S 21.641,40 für Gehsteigabgabe 1982 das zulässige Zinsausmaß gemäß § 21 Abs 2 MRG nicht überschritten werden und der vorliegende Antrag der Antragsteller abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsteller haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Den Vorinstanzen ist vorerst darin beizupflichten, daß nach der übergangsregelung des § 43 Abs 1 MRG auf die gegenständlichen Mietverträge die Bestimmungen des ersten Hauptstückes des Mietrechtsgesetzes anzuwenden sind. Da die Antragsgegner die 'Gehsteigabgabe 1982' den Antragstellern unter dem Titel 'Betriebskosten öffentliche Abgaben' vorgeschrieben haben, ist lediglich zu prüfen, ob es sich bei dieser Ausgabe der Antragsgegner tatsächlich um Kosten im Sinne des § 21 Abs 1 MRG oder um ein nach § 21 Abs 2 MRG den Mietern anteilig anrechenbare öffentliche Abgabe handelt.

Mit dem Gesetz vom 25.November 1968, TirLGBl.Nr.23/1968, wurde die Stadt Innsbruck gemäß § 8 Abs 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr.45, ermächtigt, zur teilweisen Deckung der Kosten der erstmaligen Herstellung zeitgemäßer Gehsteige (§ 68 der Bauordnung der Landeshauptstadt Innsbruck) eine Abgabe (§ 14 Abs 1 Z 15 des Finanzausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr.2) zu erheben (§ 1 leg.cit.). Hinsichtlich der Frage des Entstehens der Abgabepflicht unterscheidet das Gesetz zwischen Eigentümern von zu bebauenden Grundstücken (Bauplätzen) und solchen von bereits bebauten Grundstücken. Für erstere entsteht die Abgabepflicht - in Form einer einmaligen Abgabe - bei Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung (§ 2 Abs 1). Für Eigentümer von bereits bebauten Grundstücken normiert das Gesetz (§ 2 Abs 2) die Entrichtung einer 'laufenden Abgabe' für den Fall, daß diese Grundstücke an eine Verkehrsfläche, die noch nicht mit zeitgemäßen Gehsteigen versehen ist, angrenzen oder mit dieser durch Privatwege in Verbindung stehen und nicht bereits eine Abgabe nach Abs 1 entrichtet wurde; die Abgabepflicht tritt auch dann ein, wenn nur an einer Seite der Verkehrsfläche ein Gehsteig vorgesehen ist; die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Abgabe beginnt mit dem der Fertigstellung des Gehsteiges folgenden Kalenderjahr und dauert fünf Jahre.

Schließlich wird noch angeordnet, daß die Abgabe jeweils bis 31.März eines jeden Jahres vorzuschreiben ist und zwei Wochen nach der Vorschreibung fällig wird. § 3 des genannten Gesetzes sieht vor, wie die 'einmalige Abgabe (§ 2 Abs 1)' zu ermitteln ist (Abs 1) und daß 'als laufende Abgabe (§ 2 Abs 2)' jährlich ein Fünftel des Betrages nach Abs 1 zu entrichten ist (Abs 2). Aus all diesen Bestimmungen folgt, daß die nach diesem Gesetz zu entrichtende Abgabe lediglich einen nach einem generellen Schlüssel für den Einzelfall berechneten (§§ 3 Abs 3 bis 6, und 4 leg.cit.) Beitrag zur teilweisen Deckung der der Stadt Innsbruck erwachsenden Kosten der Herstellung zeitgemäßer Gehsteige im ganzen Stadtgebiet darstellt. Bedenkt man weiters, daß die Verpflichtung zur Entrichtung der 'laufenden Abgabe' nach § 2 Abs 2

des genannten Gesetzes auch dann besteht, wenn gar nicht der vor dem (bereits bebauten) Grundstück des Zahlungspflichtigen gelegene Gehsteig hergestellt wurde, sondern bloß der jenseits der Verkehrsfläche befindliche Gehsteig oder uU sogar nur ein Gehsteig in einer anderen Straße, so wird deutlich erkennbar, daß es sich bei der den Antragsgegnern hier vorgeschriebenen Abgabe nicht um die 'Kosten der Neuherstellung eines Gehsteiges' handelt, sondern tatsächlich um eine 'öffentliche Abgabe', die von der Liegenschaft zu entrichten ist.

Damit allein schon unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von jenem, der der in EvBl.1958/182 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zugrundelag, sodaß aus dieser Entscheidung - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - für die hier zu lösende Rechtsfrage nichts zu gewinnen ist. Da der Tiroler Landesgesetzgeber die in § 2 Abs 2 leg.cit.

normierte Abgabe als - wenngleich auf fünf Jahre beschränkt - wiederkehrende, jährlich vorzuschreibende und jährlich zu zahlende Abgabe geschaffen und nicht angeordnet hat, daß sie auf die Mieter nicht überwälzt werden darf, muß sie als eine von der Liegenschaft zu entrichtende laufende öffentliche Abgabe iS der §§ 15 Abs 1 Z 2 und 21 Abs 2 MRG angesehen werden. Die Antragsgegner waren daher berechtigt, die ihnen für das Jahr 1982 vorgeschriebene 'Gehsteigabgabe' den Antragstellern anteilsmäßig vorzuschreiben. Damit erweist sich aber der Revisionsrekurs als berechtigt, weshalb ihm Folge zu geben und die Entscheidung der Vorinstanzen spruchgemäß abzuändern war.

Anmerkung

E05135

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00016.85.0312.000

Dokumentnummer

JJT_19850312_OGH0002_0050OB00016_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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