TE OGH 1985/3/19 5Ob519/85

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Veröffentlicht am 19.03.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst A, Bauunternehmer, Telfs, Hanffeldweg 58, vertreten durch Dr. Manfred Opperer, Rechtsanwalt in Telfs, wider die beklagte Partei Alois B, Holzkaufmann, Telfs, Weissenbachgasse 2, vertreten durch Dr. Ernst Friedrich Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 702.950,11 S s.A. (Streitwert im Revisionsverfahren 597.834,60 S s.A.) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12.Dezember 1984, GZ 5 R 294/84-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.September 1984, GZ 13 Cg 277/83-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung eines Betrages von 105.115,51 S samt 13 % Zinsen vom 4.3.1983 bis zum 12.10.1983 sowie 5 % Zinsen ab dem 13.10.1983 jeweils zuzüglich 18 % Umsatzsteuer aus den Zinsen und hinsichtlich der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens von 8 % aus 702.950,11 S ab dem 13.10.1983 zuzüglich 18 %

Umsatzsteuer aus den Zinsen als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleiben, werden im übrigen, das heißt hinsichtlich der Abweisung des Begehrens von 597.834,60 S samt 13 % Zinsen vom 4.3.1983 bis zum 12.10.1983 sowie 5 % Zinsen ab dem 13.10.1983 jeweils zuzüglich 18 % Umsatzsteuer aus den Zinsen und im Kostenausspruch, aufgehoben.

Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Im Frühjahr 1981 beauftragte der Beklagte den Kläger - ausgehend von dem vom Kläger erarbeiteten und unterfertigten Angebot vom 12.1.1981 (Beilage 2) - mündlich mit der Ausführung der Baumeisterarbeiten zur Erstellung des Wohn- und Geschäftsgebäudes Telfs, Weissenbachgasse 1 zu einem 'Fixpreis' von 5,512.411 S (ohne Umsatzsteuer). Die Fixpreise sollten sich sowohl auf Material- als auch auf Lohnkostenerhöhungen beziehen, also diesbezüglich nicht mehr abänderbare 'Einheitspreise' festlegen. Die durchzuführenden Arbeiten waren allerdings 'auf Nachmeß' zu berechnen, das heißt, daß bezüglich der Anzahl der Arbeitsstunden nicht von einem Fixpreis auszugehen war.

Das der Vereinbarung zugrundeliegende Angebot Beilage 2 wurde von Ing.Anton C, dem Bauleiter des Beklagten, vorbereitet und vom Kläger durch entsprechende Preisangebote vervollständigt sowie unter Beisetzung der Firmenstampiglie unterfertigt an den Beklagten zurückgesendet. Es enthält folgende wesentliche Passagen:

'Vorbemerkung: Für die Güte der Werkstoffe sowie eür Ausführung und Abrechnung gelten, wenn im Leistungsverzeichnis nichts anderes vorgesehen, die Bestimmungen der fachtechnischen Vorschriften der ÖNORM. Alle Konstruktionselemente sind statisch zu berechnen, dies ist im Einheitspreis einzukalkulieren. Die Einheitspreise sind Festpreise im Sinne der ÖNORM/veränderliche Preise laut ÖNORM und beinhalten das erforderliche Material, die Lieferung, die Herstellung frei Baustelle mit allen erdenklich möglichen Nebenleistungen wie z.B. Baustelleneinrichtung (Zu- und Abtransport), Geräte, Errichten einer eventuellen Zufahrt, Bauwasser, Baustrom, Bürokosten etc...... Die Kosten für Schlechtwettertage, Sondererstattungen und zusätzliche Feiertagsbezahlung sind in den Einheitspreisen einzurechnen.

.....

Mit der Erstellung dieses Angebotes anerkennt der Unterzeichnete die in diesem Leistungsverzeichnis enthaltenen bzw. die diesem beigeschlossenen Bedingungen. Gleichzeitig erklärt er, die Baustelle besichtigt und sich über Zufahrt, Wasser- , Stromanschluß etc. und die örtlichen Gegebenheiten informiert zu haben.' Von dem vereinbarten Betrag sollten zugunsten des Beklagten noch 3 % Skonto sowie 18.000 S an Guthaben aus einer älteren Abrechnung und 60.000 S an Kosten der vom Beklagten anderweitig veranlaßten Statikberechnung abgezogen werden. Ursprünglich waren 5 Teilzahlungen vereinbart. Endlich kamen die Streitteile überein, daß der Beklagte seine zum Teil aus dem Jahr 1981

stammenden Forderungen für Holzlieferungen an den Kläger mit der Werklohnforderung verrechnen dürfe; die Gegenforderung belief sich per 31.12.1982 auf 654.475,81 S.

Im Zeitpunkt des Auftragsgespräches war allen Beteiligten bekannt, daß die am 19.12.1980 durchgeführte Bauverhandlung gewisse Anrainereinsprüche mit sich gebracht hatte. Die Gemeinde Telfs hatte dem Beklagten daher zunächst nur die Erlaubnis zur Durchführung von Aushub- und Unterfangungsarbeiten sowie zur Erstellung zweier Stützmauern erteilt. Weder bei der Auftragserteilung im Frühjahr 1981 noch später bis zum tatsächlichen Baubeginn wurde erörtert, was zu geschehen hätte, falls die Baugenehmigung zu dem für die Aufnahme der Arbeiten in Aussicht genommenen Termin nicht vorläge. Der Kläger ging zunächst davon aus, daß zumindest die Aushubarbeiten und diverse Vorarbeiten noch vor Erteilung der Baugenehmigung möglich sein würden. Er rechnete vorerst nicht mit Verzögerungen im Bauverfahren.

Am 5.3.1981 erstellte der Kläger über Aufforderung des Beklagten einen Bauzeitplan, in welchem er von einem Baubeginn im April 1981 und einer Baufertigstellung Mitte September 1981 ausging, was sich im wesentlichen mit der Absprache im Frühjahr 1981 deckte. Von diesem Terminplan gingen vorerst beide Streitteile aus. Anfang April 1981 wurden 2 bis 3 Wochen lang terminplangemäß Vorarbeiten durchgeführt, und zwar durch Errichtung zweier Stützmauern und Ausführung diverser Unterfangungsarbeiten. Für den Abbruch des Altgebäudes und den Aushub der Baugrube hatte der Beklagte selbst gesorgt. Anschließend mußten die Arbeiten unterbrochen werden, weil die Baubewilligung nicht vorlag. Wann der Baubescheid ergehen werde, war damals nicht absehbar.

Erst am 15.7.1981 fand eine weitere Bauverhandlung statt. Am 21.7.1981

wurde der Baubescheid erlassen, der am 23.7.1981 sowohl dem Bauleiter (Ing. Anton C) als auch den Streitteilen zuging. Der Kläger ist Mitglied des Gemeinderates von Telfs und Obmann des Bauausschusses. Er konnte das gesamte Verfahren zur Erlangung der Baubewilligung mitverfolgen und war auch bei der Bauverhandlung anwesend.

Vom 20.7.1981 bis zum 22.7.1981 waren die Leute des Klägers auf der Baustelle tätig. Zwischen dem 22.7.1981 und dem 10.8.1981 waren die Arbeiten wegen Betriebsurlaubes unterbrochen. Die eigentliche Baumeistertätigkeit entfaltete der Kläger erst ab Juli/August 1981, nachdem die Baustelle endgültig eingerichtet und der Kran aufgebaut worden war. Beim tatsächlichen Baubeginn war für den Kläger bereits vorhersehbar, daß der von ihm erstellte Terminplan nicht mehr eingehalten werden konnte. Es war ihm auch bewußt, daß bei den Lohn- und Materialkosten Preiserhöhungen anfallen würden. Obwohl er bereits die Absicht hatte, diese geltend zu machen, teilte er dies damals weder dem Bauleiter Ing. Anton C noch dem Beklagten selbst mit.

Anläßlich der übergabe der ersten, am 1.10.1981 für das Kellergeschoß erstellten Teilleistungsrechnung eröffnete der Kläger dem Bauleiter des Beklagten erstmalig, daß er auf Grund der Verzögerung des Bauvorhabens nach Fertigstellung die Material- und Lohnpreiserhöhungen gesondert in Rechnung stellen werde. Der Bauleiter Ing.C äußerte sich dazu nur dahingehend, er werde diese Information an den Beklagten weiterleiten. Ing. C entsprach dieser Ankündigung unmittelbar nach übergabe der ersten Teilrechnung. Der Beklagte erklärte seinem Bauleiter, das Ansinnen des Klägers sei für ihn uninteressant, weil Fixpreise vereinbart worden seien. Eine Weitergabe dieser oder einer andern Erklärung an den Kläger wurde Ing. C nicht aufgetragen.

Anläßlich der übergabe der vorletzten Teilrechnung vom 24.2.1982 kündigte der Kläger im Frühjahr 1982 abermals gegenüber dem Bauleiter des Beklagten die Verrechnung von Indexerhöhungen an. Dem Kläger kam anläßlich dieser Unterredung zur Kenntnis, daß der Beklagte diese Forderung nicht anerkenne.

Ing. C informierte den Beklagten auch von der neuerlichen Ankündigung des Klägers.

Zwischen dem Beklagten und Ing. Anton C war in bezug auf die Bauleitung vereinbart, daß sich dieser ausschließlich der technischen Seite des Bauvorhabens zu widmen habe, während der Beklagte allein die finanziellen Belange sowie gelegentliche Aussprachen mit dem Bauleiter (offenbar gemeint: mit dem Kläger) wahrnehme.

Hauptsächlich wegen des verzögerten Baubeginnes strebten die Streitteile und Ing. C schließlich die Erstellung des Rohbaues bis Jahresende 1981

sowie die endgültige Fertigstellung des Gebäudes bis Ostern 1982 an. Infolge des strengen Winters und der starken Schneefälle ergaben sich jedoch weitere Bauverzögerungen, so daß das Dach erst im Jänner 1982 errichtet werden konnte.

Insbesondere die mit der Schneeräumung verbundenen Arbeiten erforderten einen erheblichen Zeitaufwand. Während der Wintermonate mußten die Öffnungen des Rohbaues mit einer Baufolie abgedeckt werden, um dieses Baulos winterfest zu machen. Bei termingerechter Bauführung (Fertigstellung spätestens im Dezember 1981) wären weder Schneeräumungsarbeitn angefallen noch wäre die Anbringung einer Baufolie notwendig gewesen. Die Schneeräumung verursachte einen Aufwand von insgesamt 43.335 S (ohne Umsatzsteuer). Durch die Aufbringung der Baufolie entstanden Kosten in Höhe von 8.000 S. Die endgültige Fertigstellung des Bauwerkes erfolgte im Juni 1982. Entsprechend dem Baufortschritt erstellte der Kläger in der Zeit vom 1.10.1981 bis zum 10.5.1982 insgesamt 7 Teilleistungsausweise über zusammen 5,185.368 S, auf die der Beklagte zwischen dem 14.10.1981 und dem 17.5.1982

insgesamt Zahlungen von 4,300.000 S leistete. Der Kläger sieht den Betrag von 4,300.000 S als termingerecht geleistet an und ist bereit, darauf 3 % Skonto zu gewähren.

Die nächste Rechnung des Klägers war die Schlußrechnung vom 2.10.1982, in welcher ein Betrag von insgesamt 7,579.231,89 S (einschließlich Umsatzsteuer) fälliggestellt wurde. Bei einer nach Erstellung der Schlußrechnung durchgeführten Besprechung erörterten die Streitteile erstmals im Detail die strittigen Forderungen des Klägers. Beide Teile beharrten auf ihren Positionen. Der Beklagte bezahlte am 16.11.1982 weitere 500.000 S und am 10.12.1982

nochmals 800.000 S. Mit Schreiben vom 24.1.1983 anerkannte er einen Gesamtbetrag (einschließlich Umsatzsteuer) von 6,361.913,50 S als gerechtfertigt und brachte hievon Eigenleistungen und 3 % Skonto von zusammen 654.475,81 S in Abzug. Die sich unter Berücksichtigung der Akontozahlungen von 5,600.000 S ergebende Differenz von 107.437,69 S wurde vom Beklagten am 25.1.1983 geleistet.

Gestützt auf diesen schon im Berufungsverfahren nicht mehr strittigen Sachverhalt beantragte der Kläger mit der am 26.4.1983 beim Erstgericht eingelangten und in der Folge (AS 47) geringfügig eingeschränkten Klage, den Beklagten zur Bezahlung von 702.950,11 S s. A. zu verurteilen. Der Kläger brachte hiezu im wesentlichen vor, daß für die Lohn- und Materialkosten unter Zugrundelegung eines Bauzeitplanes (Baubeginn April 1981, Fertigstellung September 1981) Fixpreise bedungen worden seien. Da sich der Baubeginn ohne sein Verschulden um 4 Monate verzögert habe, habe er dem Bauleiter des Beklagten mitgeteilt, daß er in Ansehung der nach September 1981 anfallenden Arbeiten und Leistungen die Indexsteigerung für Lohn- und Materialkosten berechnen werde. Der Bauleiter des Beklagten habe dies ohne Bestreitung zur Kenntnis genommen. Damit sei eine entsprechende Abänderung des Vertrages erfolgt.

Der vom Kläger angesprochene Betrag von 702.950,11 S setzt sich wie folgt zusammen:

a) Indexerhöhung inklusive 18 % Umsatzsteuer

597.834,60 S b) Kosten der Schneeräumung und der Folie inklusive 18

% Umsatzsteuer                               60.575,30 S

c) unberechtigter Skontoabzug             44.540,21 S.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete gegen die im Rechtsmittelverfahren allein noch streitverfangene Aufwertungsforderung (lit. a) zusammengefaßt ein, mit dem Kläger ausdrücklich - ohne Zugrundelegung eines Bauzeitplanes - Fixpreise vereinbart zu haben, für die sowohl Lohn- als auch Materialpreiserhöhungen unbeachtlich seien. Im übrigen seien während der Bauarbeiten keine ins Gewicht fallenden Lohn- und Preiserhöhungen eingetreten.

Schließlich habe der Kläger Forderungen in dieser Richtung erstmals im Herbst 1981 gegenüber dem zur Entgegennahme solcher Erklärungen nicht befugten Bauleiter des Beklagten erhoben. Von einer in diesem Zusammenhang erfolgten Vertragsänderung könne keine Rede sein. Das Erstgericht verurteilte den Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung eines Betrages von 105.115,51 S (das sind die oben unter b) und c) genannten Klageteilforderungen) samt 13 % Zinsen vom 4.3.1983

bis zum 12.10.1983 und 5 % Zinsen ab dem 13.10.1983 zuzüglich 18 % Umsatzsteuer aus den Zinsen. Es unterzog den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in Ansehung der im Rechtsmittelverfahren allein noch streitverfangenen Teilforderung von 597.834,60 S nachstehender rechtlichen Beurteilung:

Dem Bauauftrag sei nicht bloß ein 'summarischer überschlag', sondern ein Kostenvoranschlag im Sinne des § 1170 a ABGB zugrundegelegen. Der Kläger habe für die Richtigkeit seines Kostenvoranschlages insoweit garantiert, als Lohn- und Materialpreiserhöhungen unberücksichtigt bleiben sollten. Zumindest in diesem Umfang sei der Voranschlag mit Garantiefunktion im Sinne des § 1170 a Abs.1 ABGB ausgestattet worden. Dies bewirke, daß der Kläger die von ihm behauptete unvorhergesehene Größe und Kostspieligkeit der veranschlagten Arbeiten zufolge der während der Arbeiten eingetretenen Indexsteigerungen nicht zum Anlaß für eine Erhöhung des bedungenen Entgeltes nehmen könne. Auch mit den Mitteln der Vertragsergänzung im Sinne des § 914 ABGB lasse sich für den Rechtsstandpunkt des Klägers nichts gewinnen.

Aus dem Wesen des Kostenvoranschlages unter Garantie ergebe sich nämlich, daß der Preis auch bei von vornherein nicht absehbaren Komplikationen (hier: Erteilung der Baubewilligung später als angenommen) gleichbleiben solle.

Insoferne hätten die Vertragspartner also auch für solche Problemfälle bzw. Störungen in der Vertragsabwicklung Vorsorge getroffen, weshalb eine ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen sei.

Für den Kläger wäre aber auch dann nichts gewonnen, wenn man einen Kostenvoranschlag ohne Garantie im Sinne des § 1170 a Abs.2 ABGB annähme.

Auch wenn der Unternehmer für die Richtigkeit seines Kostenvoranschlages nicht Gewähr geleistet habe, müsse er - schon nach den Grundsätzen der Vertragstreue - für dessen Einhaltung sorgen. Erweise sich zum Zweck der Herstellung des vereinbarten Werkes eine beträchtliche überschreitung des Kostenvoranschlages als unvermeidlich (hier auf Grund der eingetretenen Preissteigerungen, die im Baukostenindex ihren Niederschlag gefunden hätten), so habe er dies dem Besteller bei sonstigem Verlust des Anspruches auf Mehrkosten unverzüglich anzuzeigen. Solange der Besteller nicht von der unvermeidlich gewordenen beträchtlichen überschreitung des Kostenvoranschlages verständigt worden sei, könne er davon ausgehen, daß sich der Unternehmer an seinen Voranschlag gebunden erachte; dies gelte selbst dann, wenn der Besteller eine derartige überschreitung des Voranschlages aus den Umständen vermuten müsse. Hier sei dem Kläger bereits bei Beginn der eigentlichen Bauausführung im Juli/August 1981 bekannt gewesen, daß es zu einer Verzögerung der Bauarbeiten und damit zu einer Steigerung der veranschlagten Lohn- und Materialkosten kommen werde.Obwohl er bereits zu diesem Zeitpunkt eingeplant gehabt habe, die Mehraufwendungen zu fordern, habe er die ersten Anstalten im Hinblick auf eine (spätere) Geltendmachung dieses Anspruches erst anläßlich der übergabe der ersten Teilrechnung Anfang Oktober 1981 unternommen, was nicht als unverzügliche Anzeige an den Werkbesteller (Beklagten) im Sinne des Gesetzes beurteilt werden könne.Der Kläger könne daher die durch die Erhöhung des Baukostenindex verursachten Mehrkosten vom Beklagten nicht ersetzt verlangen. Selbst in dem Falle, daß sich ein gegenüber dem Kostenvoranschlag zusätzlicher oder andersartiger Aufwand an Arbeit oder Material als unvermeidlich erweise und zu einer beträchtlichen überschreitung des Voranschlages Anlaß gebe,sei das Einverständnis des Bestellers mit diesem zusätzlichen oder andersartigen Aufwand allein noch nicht ausreichend, um die Annahme zu rechtfertigen, der Besteller habe damit die Mehrkosten ungeachtet des Unterbleibens einer Anzeige im Sinne des § 1170 a Abs.2 ABGB übernehmen wollen. Das Berufungsgericht gab der nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es führte aus:

Nach Meinung des Klägers habe das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung übersehen, daß der noch streitverfangene Anspruch nicht (nur) aus einer beträchtlichen überschreitung des Kostenvoranschlages resultiere, sondern seine Grundlage (auch) in der Bestimmung des § 1168 ABGB finde. Dem könne nicht gefolgt werden. Offensichtlich habe der Kläger § 1168 Abs.1 Satz 2 ABGB im Auge. Danach gebühre dem Unternehmer, der infolge auf Seite des Bestellers liegender Umstände durch Zeitverlust bei der Ausführung des Werkes verkürzt worden sei, eine angemessene Entschädigung. Unter 'auf Seite des Bestellers liegenden Umständen' seien Ereignisse zu verstehen, die von ihm verschuldet worden seien, oder aber Zufälle, die sich in seiner Person, seiner Familie oder seiner Wirtschaft ereignet hätten (Adler-Höller in Klang 2 V 402; Ehrenzweig 2 II/1, 525). Die Tatsache, daß ein Bauherr für den Bau, dessen Herstellung er einem Baumeister aufgetragen habe, keine Baubewilligung erhalte, werde als ein auf Seite des Bestellers liegender Umstand beurteilt (Adler-Höller a.a.O.; SZ 47/149). Die Verzögerungen in der Bauführung, die sich aus der Erteilung der Baugenehmigung erst im Juli 1981 ergeben hätten, seien somit auf Umstände zurückzuführen, die im Sinne des § 1168 Abs.1 Satz 2 ABGB auf Seite des Bestellers - hier des Beklagten - gelegen seien. Der sich daraus für den Unternehmer - hier den Kläger - ergebende Anspruch, für den durch diese Umstände verursachten Zeitverlust eine angemessene Entschädigung zu begehren, bestehe zusätzlich zum Anspruch auf Werklohn für das verspätet ausgeführte Werk und habe mit diesem nichts zu tun (Ehrenzweig a.a.O.; Bydlinski in JBl.1973, 282 im Rahmen einer kritischen Besprechung der Entscheidung JBl.1973, 309). Auch vom Kläger werde eingeräumt. daß zur Feststellung der diesem nach § 1168 Abs.1 Satz 2 ABGB gebührenden Entschädigung noch eine Verfahrensergänzung notwendig wäre. Die dem Unternehmer nach dieser Bestimmung gebührende angemessene Entschädigung richte sich nach der Größe des Zeitverlustes und der Höhe des Entgeltes für das Werk sowie nach der dafür ordentlicherweise erforderlichen Zeit, wobei aus dem Entgelt der für den Auslagenersatz entfallende Teil auszuscheiden sei; habe der Besteller die durch die Verzögerung freigewordene Zeit zu anderweitigem Erwerb verwendet oder solche Verwendung absichtlich unterlassen, so seien die entsprechenden Beträge in Abrechnung zu bringen (Adler-Höller a.a.O. 404;

JBl.1973, 309). Im Rahmen seines im Verfahren erster Instanz erstatteten Prozeßvorbringens habe der Kläger nun einen sich aus § 1168 Abs.1

Satz 2 ABGB ergebenden Anspruch auch nicht andeutungsweise geltend gemacht. Er habe sich vielmehr hinsichtlich des noch streitverfangenen Teilanspruches lediglich auf eine mit dem Beklagten vereinbarte Vertragsänderung berufen, die ihm das Recht verschaffe, für die nach September 1981 erbrachten Arbeiten und Leistungen eine Aufwertung des Werklohnes in Anspruch zu nehmen. Zu einer Beurteilung nach § 1168 Abs.1 Satz 2 ABGB habe daher für das Erstgericht in Ermangelung entsprechender Prozeßbehauptungen kein Anlaß bestanden. Das Erstgericht sei auch nicht gehalten gewesen, im Rahmen der ihm gemäß § 182 ZPO obliegenden Anleitungspflicht den anwaltlich vertretenen Kläger auf einen in der erwähnten Bestimmung eine Grundlage findenden Entschädigungsanspruch aufmerksam zu machen bzw. auf die Möglichkeit einer Klageänderung (önderung des Rechtsgrundes der Forderung) hinzuweisen (JBl.1978, 545; RZ 1978/110 und 120; JBl.1984, 147). Da der Kläger einen aus § 1168 Abs.1 Satz 2 ABGB abgeleiteten Anspruch im Verfahren erster Instanz nicht erhoben habe, sei es ihm nach § 482 Abs.1 ZPO im Zusammenhalt mit § 483 Abs.4 ZPO verwehrt, den im Rechtsmittelverfahren noch streitverfangenen Anspruch auf diesen Rechtsgrund zu stützen. Daß der vom Kläger im Verfahren erster Instanz geltend gemachte Aufwertungsanspruch auf der Basis des vom Erstgericht unbekämpft festgestellten Sachverhaltes nicht begründet sei, werde vom Kläger nicht bestritten. Es genüge daher insoweit, auf die zutreffende Begründung des Ersturteils zu verweisen, der sich das Berufungsgericht anschließe.

Hinzuzufügen sei lediglich, daß es sich bei den zwischen den Streitteilen vereinbarten Materialpreisen und Lohnkosten nach den unangefochtenen Feststellungen des Erstgerichtes um Festpreise gehandelt habe, die ohne eine entsprechende Abänderung des Werkvertrages auch nach Ablauf der in der ÖNORM B 2110 vorgesehenen Frist von 4 Monaten einen Preisausgleich nicht zugelassen hätten (vgl. Mell-Schwimann, Grundriß des Baurechts 85). Eine Vertragsänderung könne auf der Basis des festgestellten Sachverhaltes aber nicht angenommen und daher der rechtlichen Beurteilung auch nicht unterstellt werden.

Gegen die Bestätigung der Abweisung des Mehrbegehrens von 597.834,60 S samt 13 % Zinsen vom 4.3.1983 bis zum 12.10.1983 sowie 5 % Zinsen ab dem 13.10.1983 jeweils zuzüglich 18 % Umsatzsteuer aus den Zinsen durch das Berufungsgericht richtet sich die auf § 503 Abs.1 Z 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, im Umfang der Anfechtung die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Kläger hält in der Revision an seiner bereits in der Berufung zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung fest, daß sein Vorbringen in erster Instanz ungeachtet dessen, daß er die Bestimmung des § 1168 ABGB darin nicht ausdrücklich genannt habe, hinreichend deutlich und präzisiert gewesen sei, um die Pflicht des Gerichtes auszulösen, die Berechtigung seines Anspruches auch in der Richtung der genannten Bestimmung zu prüfen.

Da der Kläger mit diesen Ausführungen die erhobene Rechtsrüge zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung bringt, ist der Oberste Gerichtshof verpflichtet, die materiellrechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu überprüfen.

Eine solche überprüfung ergibt folgendes:

Die Frage, welchen der beiden Vertragsteile beim Werkvertrag die Gefahr treffen soll, wird im österreichischen Recht nach der Sphärentheorie beantwortet. Danach hat jeder Vertragsteil den Zufall zu tragen, der sich in seiner Sphäre ereignet hat; dies kommt insbesondere in den Vorschriften der §§ 1168 und 1168 a ABGB zum Ausdruck (Adler-Höller in Klang 2 V 400 f;

vgl. auch Koziol-Welser 6 I 307). Die genannten Vorschriften sind über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus (§ 1168 Abs.1 ABGB regelt die Gefahrtragung beim Unterbleiben - Satz 1 - bzw. bei der Verzögerung - Satz 2 - der Werkausführung infolge von Umständen auf Seite des Bestellers; § 1168 a ABGB behandelt den zufälligen Untergang des Werkes, den Verlust des Stoffes und das Mißlingen des Werkes infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers) analogiefähig. Der Oberste Gerichtshof schließt sich daher der Meinung von Krejci (in Rummel, ABGB, Rdz 7 und 25 zu § 1170 a in Verbindung mit Rdz 11 und 27 zu § 1168) an, daß höhere Werklohnforderungen des Unternehmers (unter anderem) wegen Mehraufwendungen, die auf Umstände in der Bestellersphäre zurückzuführen sind, selbst bei Zugrundelegung eines 'Kostenvoranschlages unter ausdrücklicher Gewährleistung' im Sinne des § 1170 a Abs.1 ABGB nicht ausgeschlossen sind, daß dem Besteller weder in diesem Fall noch bei Zugrundelegung eines 'Kostenvoranschlages ohne Gewährleistung' im Sinne des § 1170 a Abs.2 ABGB, bei dem das Vertrauen auf dessen Einhaltung von vornherein geringer ist, ein Rücktrittsrecht zusteht (weshalb - wie zu ergänzen ist - in beiden Fällen die - wegen des Rücktrittsrechtes des Bestellers normierte - unverzügliche Anzeige einer unvermeidlichen beträchtlichen überschreitung zur Wahrung des Anspruches auf die Mehrkosten entbehrlich ist) und daß dem Unternehmer in beiden Fällen wegen Mehraufwendungen, die auf Umstände in der Bestellersphäre zurückzuführen sind, eine angemessene Aufstockung des Werklohnes gebührt.

Das Berufungsgericht hat nun - in übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung (siehe auch Krejci a.a.O. Rdz 11 zu § 1168; Mell-Schwimann, Grundriß des Baurechts 76; 6 Ob 835/83) - den Umstand, daß die Baubewilligung, deren Erwirkung dem Beklagten oblag, entgegen den Erwartungen der Streitteile bei Abschluß des Werkvertrages erst im Juli 1981 erteilt wurde, zutreffend als einen solchen in der Beklagtensphäre qualifiziert. Anhaltspunkte für die Annahme, daß der Kläger nach dem zwischen den Streitteilen zustandegekommenen Werkvertrag - abweichend von der soeben dargelegten (dispositiven) gesetzlichen Regelung - auch für den der Bestellersphäre zuzuordnenden Fall einer erheblichen Verzögerung der Erteilung der Baubewilligung an seine Fixpreiszusage gebunden sein sollte, sind bei Berücksichtigung der gesetzlichen Auslegungsregeln weder dem beiderseitigen Parteienvorbringen noch dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen. Es sprechen vielmehr nachstehende Momente gegen eine derartige Annahme: Beide Parteien gingen bei Abschluß des Werkvertrages in Kenntnis des Standes des Baubewilligungsverfahrens von einer Baufertigstellung Mitte September 1981 aus, ohne zu erörtern, was zu geschehen hätte, falls die Baubewilligung in dem für die Aufnahme der Arbeiten in Aussicht genommenen Zeitpunkt nicht vorläge. Nach der in Österreich generell akzeptierten ÖNORM B 2110 sind Preise von Bauleistungen, die nach dem Vertrag innerhalb von 4 Monaten nach Angebotslegung zu beenden sind, im Zweifel Festpreise; sollen sich die Arbeiten nach dem Vertrag auf einen längeren Zeitraum erstrecken oder geschieht dies ohne Verschulden des Unternehmers, so unterliegen die Preise (mangels anderweitiger Vereinbarung) dem Preisausgleich, das heißt sie sind als veränderliche Preise anzusehen (vgl. Mell-Schwimann a.a.O. 85 f).

Schon auf Grund dieser überlegungen gelangt der Oberste Gerichtshof entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen zu dem Ergebnis, daß der Kläger vom Beklagten (auch) die Mehrkosten verlangen kann, die ihm durch Lohn- und Materialpreissteigerungen ab Oktober 1981 entstanden sind. Es erübrigt sich daher zu untersuchen, ob diese Mehrkosten überhaupt unmittelbar unter die im § 1168 Abs.1 Satz 2 ABGB genannte Verkürzung fallen, die dem Unternehmer durch einen Zeitverlust bei Ausführung des Werkes zugefügt wurde, der auf Umstände auf Seite des Bestellers zurückzuführen ist (siehe zu der vergleichbaren Bestimmung des § 642 BGB Soergel im Münchner Kommentar Rdz 7 und 8, Glanzmann im RGRK-BGB 12 Rdz 5 ff, Müller-Foell, Die Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag 118, wonach die angemessene Entschädigung dem Unternehmer als Ausgleich der Einbuße gebührt, die er dadurch erfuhr, daß er Kapital und Arbeitskraft ungenützt für den Besteller bereithielt, ohne hiefür im Werklohn ein Entgelt zu finden), und ob der Kläger sein Begehren in erster Instanz auf diesen Klagegrund gestützt hat.

Die Bejahung des noch streitverfangenen Anspruches des Klägers dem Grunde nach macht eine Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und eine Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht in diesem Umfang zur entsprechenden Erörterung und Feststellung der Anspruchshöhe erforderlich.

Es war daher spruchgemäß zu beschließen.

Der Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E05131

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00519.85.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19850319_OGH0002_0050OB00519_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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