TE OGH 1985/3/20 1Ob529/85

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Veröffentlicht am 20.03.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Wurz, Dr.Gamerith und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Rudolf A, Rechtsanwalt, Seilergasse 3, 1010 Wien, wider die beklagte Partei Dr. Theodor B, Rechtsanwalt, Wiesingerstraße 6, 1010 Wien, als Masseverwalter im Konkurs der prot. Firma J. C & Co GesmbH, Edelsinnstraße 5, 1120 Wien, wegen Räumung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Oktober 1984, GZ 41 R 943/84-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 20. Juni 1984, GZ 4 C 1672/84-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 14.223,70 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon 1.274,70 S Umsatzsteuer und 192 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger vermietete der prot. Fa. J. C & Co GesmbH mit Mietvertrag vom 11.Dezember 1980 die dort näher bezeichneten Geschäftsräume seiner Liegenschaft Wien 12, Edelsinnstraße 5, EZ 908 KG Hetzendorf. Er vereinbarte mit der Mieterin, daß er den Mietvertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit sofortiger Wirkung für aufgelöst erklären könne, wenn über das Vermögen der Mieterin das Konkurs- oder Ausgleichsverfahren eröffent werde. Am 12.März 1984 wurde über das Vermögen der Mieterin der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt.

Das Erstgericht gab dem auf diesem Sachverhalt gestützten Begehren des Klägers, der Beklagte sei schuldig, das (näher umschriebene) Bestandobjekt zu räumen und dem Kläger von allen Fahrnissen geräumt zu übergeben, statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des beklagten Masseverwalters Folge.

Es wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Mangels Behauptung eines konkreten gegenteiligen Sachverhaltes durch den Kläger sei die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes zu vermuten. § 29 Abs 1 MRG anerkenne als Auflösungsgründe neben der - auf einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 30 MRG gestützten und formgebundenen - Aufkündigung die formfreie und sofort wirksame Auflösungserklärung gemäß § 1118 ABGB nur in den beiden dort aufgezählten Gründen. Jede Vereinbarung, mit der mietenrechtlich anerkannte Auflösungsgründe um andere Tatsachen erweitert würden, sei rechtsunwirskam. Dies gelte auch für Vereinbarungen, die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossen worden seien, wenn sich der als Auflösungsgrund herangezogene Sachverhalt erst nach dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes ereignet habe. Für die Wirksamkeit weiterer, in § 29 MRG nicht genannter Auflösungsgründe sei der Zeitpunkt der Rechtsgestaltung maßgebend.

Der Kläger erhebt Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und unrichtiger Kostenfestsetzung und beantragt Wiederherstellung des Ersturteils. Der Beklagte beantragte Zurückweisung der Revision mangels Beschwer des Klägers und hilfsweise, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, im übrigen aber nicht berechtigt. Aus dem übereinstimmenden Vorbringen der Streitteile geht hervor, daß der Beklagte während des Rechtsmittelverfahrens das Bestandobjekt geräumt hat.

Entgegen seiner Ansicht hat dies jedoch auf die Beschwer der Streitteile keine Auswirkung. Daß der Beklagte nach Schluß der Verhandlung erster Instanz die auferlegte Leistung erbringt, nimmt ihm nicht die Befugnis zur Bekämpfung des ihm nachteiligen Urteils (EvBl. 1981/101); umgekehrt berührt es auch die Beschwer des Klägers nicht, wenn der Beklagte ihm inzwischen die Leistung erbringt, deren Begehren durch das bekämpfte Urteil abgewiesen wurde (Fasching IV 20). Die Erklärung des Klägers, er schränke 'unabhängig von der Zulässigkeit der Revision den Streitwert' auf Zuspruch von Kosten ein, ist, da er die Entscheidung der zweiten Instanz in vollem Umfang bekämpft und Wiederherstellung des Ersturteils beantragt, nicht als - im Rechtsmittelverfahren unzulässige - Einschränkung auf Kosten zu verstehen.

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und der Aktenwidrigkeit liegen nach Beurteilung des erkennenden Senates nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Kläger rügt, daß das Berufungsgericht die in § 1 Abs 3 des in erster Instanz vorgelegten Mietvertrages enthaltene Vereinbarung, daß das Mietengesetz auf den vorliegenden Bestandvertrag insbesondere in bezug auf den Kündigungsschutz keine Anwendung finde, nicht beachtet habe. Diese Rüge ist nicht berechtigt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß die kündigende (klagende) Partei das Vorliegen der Mieterschutzfreiheit darzutun hat. Sie muß daher die Voraussetzungen für das Vorliegen einer einschlägigen Ausnahmebestimmung ausdrücklich behaupten und beweisen (SZ 21/125; MietSlg. 34.368, 33.261 ua). Die Vorlage einer Urkunde vermag ausreichende Parteienbehauptungen nicht zu ersetzen. Im übrigen kann aber die Anwendung des Mietengesetzes oder des Mietrechtsgesetzes auf bestimmte Räume nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden (MietSlg. 21.267/34). Maßgebend ist nur, ob tatsächlich ein Ausnahmetatbestand vorliegt. Die dazu vom Revisionswerber nunmehr aufgestellten Tatsachenbehauptungen verstoßen gegen das Neuerungsverbot. Abgesehen davon übersieht er, daß die §§ 29 bis 36 MRG gemäß § 1 Abs 4 Z 1 MRG auch für Mietgegenstände gelten, die in Gebäuden gelegen sind, die ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel auf Grund einer nach dem 30. Juni 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind.

Schon während der Geltungsdauer des Mietengesetzes entsprach es ständiger Rechtsprechung, daß bei geschützten Bestandverhältnissen nicht jede Vertragsverletzung, sondern nur eine für einen Kündigungstatbestand ausreichende Verletzung eines wichtigen Interesses des Bestandgebers rechtswirksam als Aufhebungsgrund vereinbart werden konnte, da andernfalls eine Umgehung der Schutzvorschriften möglich wäre (SZ 43/28 mwN; näheres zur Zulässigkeit solcher Vereinbarungen in den einzelnen Phasen der Mietengesetzgebung bei Würth in Rummel, ABGB, Rdz 9 zu § 1118; vgl. auch Klang 2 V 119 f). Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung RZ 1983/70

= MietSlg. 35.344 ausführte, anerkennt § 29 Abs 1 MRG als Auflösungsgründe neben der - auf einen wichtigen Grund im Sinn des § 30 MRG gestützten und gemäß § 33 Abs 1 MRG formgebundenen Aufkündigung die - formfreie und sofort wirksame - Auflösungserklärung gemäß § 1118 ABGB nur mehr in den beiden dort aufgezählten, im wesentlichen den §§ 30 Abs 2 Z 1 und 3 MRG entsprechenden Gründen. Damit ist im Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes jede Vereinbarung über die Erweiterung der mietrechtsgesetzlich anerkannten Auflösungsgründe um andere Tatbestände, mögen sie auch als Kündigungsgründe anerkannt sein, rechtsunwirksam; dies auch dann, wenn sie vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossen wurde, soferne sich der als Auflösungsgrund geltend gemachte Sachverhalt erst nach dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes erfüllt hat (§ 43 Abs 1 MRG; RZ 1983/70; Würth in Rummel aaO). Insbesondere kann auch der Eintritt von Umständen, die im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbart wurden und als wichtig und bedeutsam anzusehen sind (§ 30 Abs 2 Z 13 MG), nur mehr in der Form einer Kündigung geltend gemacht werden (Würth in Rummel aaO Rdz 9 zu § 1118 und Rdz 3 zu § 29 MRG; Würth-Zingher 2 133, Anm. 17 zu § 29 MRG). Der Revisionswerber vermag daher mit dem Argument, wenn § 30 Abs 2 Z 13 MRG die schriftliche Vereinbarung wichtiger und bedeutender Umstände als Kündigungsgrund gestatte, müsse dies auch für die Vereinbarung von Auflösungsgründen gelten, nicht durchzudringen.

§ 528 Abs 1 Z 2 ZPO schließt sowohl eine selbständige als auch eine in der Revision enthaltene Bekämpfung der Kostenentscheidung aus. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05102

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00529.85.0320.000

Dokumentnummer

JJT_19850320_OGH0002_0010OB00529_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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