TE OGH 1985/3/21 13Os8/85

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Veröffentlicht am 21.03.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kießwetter, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert A und Gerald B wegen des Verbrechens des Raubs nach §§ 142 f. StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Gerald B sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 22. Oktober 1984, GZ. 20 q Vr 7934/84-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Strasser, sowie der Verteidiger Dr. Stern und Dr. Ullmann, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Robert A wird nicht Folge gegeben. Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über Gerald B verhängte Strafe auf 5 (fünf) Jahre erhöht. Der Angeklagte Gerald B wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 21.Juni 1966 geborene Robert A wurde des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143, erster und zweiter Fall, sowie 15 StGB (1 a und b, 2 a bis c) und der am 16.November 1964 geborene Gerald B desselben Delikts in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB (1 a und b) schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Dieses Urteil wird vom Angeklagten Gerald B mit einer auf § 345 Abs. 1 Z. 6 und 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde angefochten. Des weiteren liegen Berufungen dieses Angeklagten, des Angeklagten Robert A, dem neben den beiden in Gesellschaft B'S versuchten Raubtaten noch drei allein, gleichfalls auf Trafikantinnen verübte Raubüberfälle zur Last liegen, und der Staatsanwaltschaft bezüglich des Angeklagten B vor. Inhaltlich der den Nichtigkeitswerber betreffenden Schuldsprüche (1 a und b) und der korrespondierenden Wahrsprüche (fortlaufende Zahlen 1 und 2 des Fragenschemas) verantwortet B, daß er 1. am 24.Mai 1984 mit seinem Personenkraftwagen zum Tatort in Wien 20., Adalbert Stifter-Straße 23 fuhr und in Tatortnähe im Fluchtauto wartete, während A die Trafik der Irmgard C betrat, mit einem fünfschüssigen Gasrevolver auf sie zielte und von ihr das gesamte Bargeld forderte, dann aber vor der angekündigten Attacke eines Hundes flüchtete (1 a), sowie 2. am 5.Juli 1984 nach Auskundschaften des Tatorts in Wien 5., Wiedner Hauptstraße 113 mit seinem Fahrzeug in Tatortnähe vorfuhr und im Fluchtauto wartete, während A die Trafik des Eduard D betrat, dort der Angestellten Magdalena E einen fünfschüssigen Gasrevolver vorhielt und äußerte: 'Das ist ein überfall, alles Geld her, auch alles private Geld', dann aber infolge des zufälligen Dazwischentretens eines Trafikkunden flüchtete (1 b). In der Rüge der Fragestellung (§ 345 Abs. 1 Z. 6 StPO) nimmt der Beschwerdeführer Bezug auf seine Verantwortung und jene des Mitangeklagten, wonach er jeweils außer Sichtweite, im Fall C in einer Nebengasse etwa 100 m und im Fall D etwa 500 m vom Tatort entfernt, bzw. in einer Nebengasse 'um die Ecke des Hauses der Trafik', und im letzteren Fall eine Viertelstunde lang im Kraftwagen auf die Rückkehr des Mitangeklagten gewartet (S. 243, 248, 251 f.) und selbst keine Ausführungshandlungen gesetzt hätte. Er reklamiert die Stellung einer Eventualfrage (§ 314 Abs. 1 StPO) in der Richtung der Beihilfe (eines sonstigen Tatbeitrags) zum Verbrechen des versuchten schweren Raubes im Sinn des § 12, dritter Fall, StGB

Rechtliche Beurteilung

Der Einwand versagt.

'Gesellschaft' (§§ 127, 143 StGB) - eine spezielle Begehungsform unmittelbarer Täterschaft (§ 12 StGB, erster Fall) - besteht in einem von mindestens zwei Personen im Einverständnis über die Tatverübung zur Tatzeit und am Tatort oder in dessen näheren Umgebung zur Erreichung des gemeinsamen Ziels gesetzten arbeitsteiligen Zusammenwirken, wobei es genügt, daß einer der Diebsgenossen oder Raubgenossen das Unternehmen durch den anderen am Tatort oder in dessen Nähe in irgendeiner Weise unterstützt. Das räumliche Naheverhältnis der Gesellschaftstäter bei der Verübung der Tat, worauf sich die gegenständliche Rüge bezieht, ist aber nicht von einer generell begrenzbaren Entfernung abhängig (Leukauf-Steininger 2 RN. 74 bis 76 zu § 127 StGB, RN. 7 zu § 143 StGB). Vielmehr kommt es darauf an, ob der Diebsgenosse oder Raubgenosse de facto einen mitgestaltenden Einfluß auf die Tatausführung hat, so zwar, daß auf der Seite der Täter jene Aktionseinheit besteht, die Rechtsgut und Opfer in erhöhtem Maß gefährdet (Kienapfel BT. II RN. 261 zu § 127 StGB).

In den Fällen C und D chauffierte der Beschwerdeführer den die Tat unmittelbar ausführenden Komplizen zunächst in die jeweilige Tatortumgebung und wartete dort mit dem Personenkraftwagen, um den Raubgenossen und die Beute später in Sicherheit zu bringen. Selbst wenn der Rechtsmittelwerber außer Sichtweite und in einer Entfernung bis zu 500 m vom jeweiligen Ort des überfalls gewartet haben sollte, ist auf Grund der obangeführten Kriterien die 'Gesellschaft' in der Bedeutung des § 143 StGB

zu bejahen. Insofern handelt es sich nicht um einen etwa fernab vom Tatort geleisteten Beitrag, der die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses von vornherein ausschlösse (Leukauf-Steininger 2 RN. 74 zu § 127 StGB), sondern um die oben gekennzeichnete Aktionseinheit, also um jenes arbeitsteilige Zusammenwirken, durch das in geradezu typischer Weise eine gegenüber dem Handeln des Alleintäters graduell gesteigerte Gefahrenlage für das Rechtsgut und das Opfer geschaffen wird (vgl. Leukauf-Steininger 2 RN. 77

zu § 127 StGB). Die begehrte Eventualfrage ist sonach durch kein entsprechendes Verfahrensergebnis indiziert.

Gleichermaßen fehl geht die Rüge der Rechtsbelehrung (§ 345 Abs. 1 Z. 8 StPO). Dort vertritt der Nichtigkeitswerber die Auffassung, es wäre den Geschwornen zu erläutern gewesen, was im konkreten Fall als 'unmittelbare Nähe' (S. 6 der Rechtsbelehrung) zu verstehen sei. Indes ist die Zurückführung der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale - vorliegend des Gesellschaftsverhältnisses und damit implicite auch des dafür maßgebenden, in der Rechtsbelehrung verwendeten (tatsächlichen) Begriffs 'unmittelbare Nähe' - auf den ihnen zugrundeliegenden konkreten Sachverhalt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht Sache der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 Abs. 2 StPO), sondern der gemäß § 323 Abs. 2 StPO abzuhaltenden Besprechung der Fragen. Insofern bringt der Beschwerdeführer den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO gar nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Seine Nichtigkeitsbeschwerde war daher insgesamt zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB Robert A zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und Gerald B unter Anwendung des § 41 StGB zu einer solchen von vier Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht beim Angeklagten A die fünffache und beim Angeklagten B die zweifache Tatwiederholung (gemeint: die fünf- bzw. zweifache Tatbegehung, mithin die vierbzw. einmalige Tatwiederholung), beim Letztgenannten auch die auf gleicher schädlicher Neigung beruhende Vorstrafe (wegen Diebstahls) und den raschen Rückfall als erschwerend, hingegen als mildernd bei beiden Angeklagten das Alter unter 21 Jahren zu den Tatzeitpunkten, bei A überdies den bisher ordentlichen Lebenswandel, das umfassende und reumütige Geständnis und die teilweise objektive Schadensgutmachung sowie den Umstand, daß zwei Raubfakten nur bis ins Versuchsstadium gediehen waren, bei B überdies das Faktengeständnis und die Versuchseigenschaft der von ihm begangenen Taten. Das Vorliegen beider Qualifikationsvoraussetzungen des § 143, erster Satz, StGB

wurde als Erschwerungsgrund übersehen.

Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagten die Herabsetzung der Freiheitsstrafen, A unter Anwendung des § 41 StGB, der öffentliche Ankläger in Ansehung des Angeklagten B die Erhöhung der Freiheitsstrafe unter Ausschaltung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) an.

Nur dem letztangeführten Rechtsmittel ist ein Erfolg beschieden. Wie die Staatsanwaltschaft zutreffend verweist, überwiegen die hinsichtlich B angenommenen Milderungsgründe die Erschwerungsumstände dem Gewichte nach nicht beträchtlich. Mit Rücksicht auf die schon angeführte Vorstrafe und den raschen Rückfall ist auch nicht zu erwarten, daß der Angeklagte B bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestausmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine strafbaren Handlungen mehr begehen werde. Daraus ergibt sich, daß - der Meinung des Geschwornengerichts zuwider - beide Voraussetzungen zur Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB nicht gegeben sind. Auf der Grundlage der gegebenen Strafzumessungsgründe erscheint eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren, bei der es sich ohnehin um die im Gesetz angedrohte Mindeststrafe handelt, tat- und tätergerecht.

Durch diese Erledigung der Berufung des öffentlichen Anklägers erweist sich das selbe Rechtsmittel des Angeklagte B als gegenstandslos, sodaß dieser mit seiner Berufung auf die über das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ergangene Entscheidung zu verweisen war.

Bezüglich des Angeklagten A hat das Erstgericht ein angemessenes Strafmaß gefunden. Der Umstand, daß der genannte Angeklagte zwei von fünf Raubüberfällen vor Vollendung des 18. Lebensjahrs und die drei weiteren kurze Zeit nach seinem 18. Geburtstag verübte, vermochten den Obersten Gerichtshof zu einer Strafreduktion nicht zu veranlassen. Daß die Anwendung des § 11 JGG. bei - wie hier - überschneidenden Zeiträumen, also bei einer Tatbegehung teils vor und teils nach Erreichen des 18. Lebensjahrs ausgeschlossen ist, wird auch vom Rechtsmittelwerber gar nicht behauptet. Vor allem die fünffache Tatbegehung, aber auch die in drei Fällen gegebene zweifache Qualifikation des § 143 StGB sowie Erwägungen der Generalprävention erfordern die vom Geschwornengericht für Robert A ausgemessene Freiheitsstrafe. Die Voraussetzungen des § 41 StGB sind - im Gegensatz zur Meinung dieses Rechtsmittelwerbers - mangels beträchtlichen überwiegens der Milderungsumstände gegenüber den Erschwerungsgründen zu verneinen. Wurde über den Angeklagten A bei einem gesetzlichen Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren nur eine sechsjährige Freiheitsstrafe verhängt, trug das Erstgericht - unter ausdrücklicher Berücksichtigung des Milderungsumstands des § 34 Z. 1 StGB - der Persönlichkeitsstruktur des noch jungen und daher noch nicht voll ausgereiften Angeklagten hinreichend Rechnung. Auch die übrigen, vom Rechtsmittelwerber A angeführten Umstände, die seinen bisher ordentlichen Lebenswandel begründen, wurden vom Geschwornengericht durch Zubilligung des Milderungsumstands des § 34 Z. 2 StGB berücksichtigt.

Anmerkung

E05399

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00008.85.0321.000

Dokumentnummer

JJT_19850321_OGH0002_0130OS00008_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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