TE OGH 1985/4/18 8Ob620/84

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Veröffentlicht am 18.04.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Melber und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** registrierte Genossenschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Franz Wallentin, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, wider die beklagten Parteien 1) Theresia L*****, und 2) Gertraud T*****, beide vertreten durch Dr. Walter Anderl, Rechtsanwalt in Mayrhofen, wegen Anfechtung (S 1,781.254,--), infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26. April 1984, GZ. 2 R 89/84-19, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27. Dezember 1983, GZ. 10 Cg 131/83-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, sein Urteil hinsichtlich des die Erstbeklagte betreffenden Streitgegenstandes durch die erforderlichen Aussprüche nach § 500 Abs. 2 Z 2 bzw. Z 3 ZPO, allenfalls auch nach § 500 Abs. 3 ZPO, zu ergänzen.

Text

Begründung:

Die Erstbeklagte ist die Ehefrau des Franz L*****, die Zweitbeklagte und Johann L***** sind seine ehelichen Kinder.

Franz L***** übernahm gegenüber der Klägerin die Haftung als Bürge und Zahler für von dieser seinem Sohn Johann L***** eingeräumte Kredite.

Mit einer als Schenkungsvertrag bezeichneten schriftlichen Vereinbarung vom 20. 9. 1982 übertrug Franz L***** das Eigentum an seiner Liegenschaft EZ ***** KG R***** je zur Hälfte an die Erst- und die Zweitbeklagte.

Die Klägerin erwirkte gegen Franz L***** zur Durchsetzung seiner ihr gegenüber übernommenen Verpflichtungen als Bürge und Zahler rechtskräftige Wechselzahlungsaufträge.

Im vorliegenden Rechtsstreit (die Klage wurde am 8. 3. 1983 eingebracht) stellte die Klägerin aus dem Rechtsgrund der Anfechtung des von Franz L***** mit den beiden Beklagten geschlossenen Vertrages vom 20. 9. 1982 zuletzt das Begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, die Exekution auf die Liegenschaft EZ ***** KG R***** zu Gunsten der Forderung der Klägerin von S 1,781.254,-- s.A. auf Grund der rechtskräftigen Wechselzahlungsaufträge 10 Cg 799/82 und 10 Cg 800/82 des Landesgerichtes Innsbruck zu dulden; die Beklagten könnten sich von dieser Verpflichtung durch Zahlung eines Betrages von S 1,920.897,-- s.A. und Zahlung der Prozeßkosten befreien.

Die Beklagten bestritten das Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zu Gunsten einer Forderung der Klägerin von S 1,611.334,30 s.A. statt und wies es, soweit es in Ansehung der weiteren Forderung der Klägerin von S 169.919,70 s.A. gestellt wurde, ab; es räumte den Beklagten im Sinne des Antrages der Klägerin die Befugnis ein, sich von der ihnen auferlegten Verpflichtung durch Zahlung von S 1,920.897,-- s.A. und Zahlung der Prozeßkosten dieses Verfahrens zu befreien.

Dieses Urteil blieb in seinem klagsabweisenden Teil unbekämpft. Von der Erstbeklagten wurde es im Umfang der Stattgebung des gegen sie gerichteten Klagebegehrens mit Berufung bekämpft, von der Zweitbeklagten nur im Umfang der ihr eingeräumten Lösungsbefugnis.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Beklagten keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Erstbeklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das gegen sie gerichtete Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Über das vorliegende Rechtsmittel kann derzeit nicht abgesprochen werden, weil seine Zulässigkeit nicht erschöpfend beurteilt werden kann.

Beim Anfechtungsanspruch auf Duldung einer Exekution in eine bestimmte Sache zur Hereinbringung einer Geldforderung besteht der Streitgegenstand nicht in einem Geldbetrag. Er ist daher grundsätzlich im Sinne der Vorschriften des § 500 Abs 2 ZPO zu bewerten (3 Ob 114/74; 6 Ob 595/80).

Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Geltendmachung derartiger Anfechtungsansprüche nicht gegen eine Person, sondern gegen zwei verschiedene Anfechtungsgegner, die in Wahrheit dahin zu verstehen sind, daß die Klägerin von jeder der beiden Beklagten die Duldung der Exekution zur Durchsetzung ihrer vollstreckbaren Forderung gegen Franz L***** in den ihr gehörigen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***** KG R***** begehrt; zu irgendwelchen Verfügungen über den ihr nicht gehörigen Hälfteanteil an dieser Liegenschaft wäre ja keine der beiden Beklagten berechtigt.

Gegen mehrere Beklagte gerichtete Ansprüche könnten bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nur dann zusammengerechnet werden, wenn es sich um materielle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 1 ZPO handelte; Ansprüche gegen formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO sind hingegen für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zusammenzurechnen (SZ 24/335; SZ 28/134 uva.).

Die beiden Beklagten sind nur formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO. Sie stehen in Ansehung des Streitgegenstandes nicht in Rechtsgemeinschaft und sind weder aus demselben tatsächlichen Grund noch solidarisch verpflichtet. Es handelt sich vielmehr um die Anfechtung zweier verschiedener Rechtshandlungen des Schuldners der Klägerin, nämlich der Übertragung eines Hälfteanteiles seiner Liegenschaft an die Erstbeklagte und die Übertragung des zweiten Hälfteanteiles an dieser Liegenschaft an die Zweitbeklagte. Weder der Umstand, daß die Übertragung der Liegenschaftsanteile an die beiden Beklagten in einem Vertrag erfolgte noch die Geltendmachung des gleichen Anfechtungstatbestandes kann die Voraussetzungen einer materiellen Streitgenossenschaft (siehe dazu Fasching Kommentar II 185; Zivilprozeßrecht Rdz. 371) auf Seiten der Beklagten begründen (vgl. 7 Ob 697/80; 5 Ob 586/82; 5 Ob 596/82; JBl. 1982, 380; 1 Ob 635/84).

Unter diesen Umständen kommt im vorliegenden Fall, in dem beide Beklagte gegen die Entscheidung des Erstgerichtes Berufung erhoben haben und in dem daher die Entscheidung des Berufungsgerichtes gegen beide Beklagte gerichtete Ansprüche betraf, zur Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Revision der Erstbeklagten nur der Wert des sie betreffenden Streitgegenstandes im Berufungsverfahren in Betracht.

Daraus folgt aber, daß der Ausspruch des Berufungsgerichtes, der (gesamte) Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, übersteige S 300.000,--, nicht ausreicht, um die Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels der Erstbeklagten beurteilen zu können.

Das Berufungsgericht wird vielmehr hinsichtlich des die Erstbeklagte betreffenden Streitgegenstandes die nach § 500 Abs. 2 Z 2 bzw. Z 3 ZPO, allenfalls auch die nach § 500 Abs. 3 ZPO erforderlichen Aussprüche vorzunehmen haben. Da das Berufungsgericht diese erforderlichen Aussprüche unterlassen hat, ist ihm ihre Nachholung durch Berichtigung (Ergänzung) des Urteilsspruches und auch durch Nachholung einer allenfalls notwendigen Begründung (im Fall des § 500 Abs. 3 ZPO) aufzutragen (1 Ob 731/83 ua.).

Sollte das Berufungsgericht aussprechen, daß die Revision hinsichtlich des die Erstbeklagte betreffenden Streitgegenstandes nicht nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig ist, wäre die bereits erstattete Revision dem Beklagtenvertreter zur allfälligen Ergänzung im Sinne des § 506 Abs. 1 Z 5 ZPO zurückzustellen.

Textnummer

E05516

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00620.840.0418.000

Im RIS seit

22.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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