TE OGH 1985/4/18 6Ob502/85

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Veröffentlicht am 18.04.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Dr. Riedler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef G***, 1060 Wien, Garbergasse 11/39, vertreten durch Dr. Herbert Stegmüller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz A, Angestellter, 1010 Wien, Annagasse 3 a/35, vertreten durch Dr. Peter Schnabl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 60.000,- s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Oktober 1984, GZ 14 R 205/84-12, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30.Mai 1984, GZ 15 Cg 49/84-8, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte ist Hälfteeigentümer des Hauses Wien 5., Einsiedlergasse 18-20. Die zweite Hälfte gehört seiner Ehefrau. Der Kläger war früher Mieter der Wohnung Nr.25 in diesem Haus. Der Kläger brachte vor, er habe die Wohnung um S 412.000,-- renoviert und die Renovierungsarbeiten hätten im Juli 1982 noch einen Wert von S 341.500,--

gehabt. Im Juli 1982 habe er zugunsten des von ihm gebrachten neuen Mieters dieser Wohnung, Ewald B, seine Hauptmietrechte zurückgelegt. Von Ewald B habe er für seine Investitionen den Betrag von S 195.000,- erhalten. Der Beklagte habe dem Kläger das Bringen eines Nachmieters nur unter der Bedingung gestattet, daß er selbst den Betrag von S 60.000,-- erhalte. Aus finanzieller Notlage habe der Kläger dem Beklagten diesen Betrag bezahlt. Der Betrag sei ohne Rechtsgrund bezahlt worden. Das Klagebegehren werde auch auf den Titel der Bereicherung gestützt.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, die vom Kläger in der Wohnung durchgeführten Adaptierungsarbeiten hätten den Wert von S 80.000,-- nicht überschritten. Der Beklagte habe es dem Kläger freigestellt, aus der Wohnung auszuziehen, wann er wolle. Ein Mitspracherecht bei der Neuvermietung sei dem Kläger nie eingeräumt worden. Der Beklagte sei nur Hälfteeigentümer des Hauses und habe auch nur die Hälfte des Betrages, nämlich S 30.000,-- erhalten. Die andere Hälfte habe seine Gattin bekommen. Die Berechtigung des Ablösebetrages liege in der Einräumung eines Sonderrechtes an den Kläger. Der Beklagte stellte jedoch außer Streit, daß der Betrag von S 60.000,-- an die Hauseigentümer nicht unter dem Titel der Investitionsablöse bezahlt worden sei, sondern für die Einräumung des Sonderrechtes auf Namhaftmachung eines Nachmieters. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger war vom August 1977 bis Juli 1982 Mieter der dem Beklagten und seiner Gattin gehörigen Wohnung in Wien 5., Einsiedlergasse 18-20 Tür Nr.25

und ab Oktober 1977 auch der Wohnung Tür Nr.26 (sollte richtig heißen: Mieter der Wohnungen Nr.25 und 26 in dem dem Beklagten und dessen Gattin gehörigen Haus). Er verzichtete am 21.7.1982 zugunsten von Ewald B auf seine Hauptmietrechte. Der Beklagte und seine Gattin schlossen am 21.7.1982 mit Ewald B einen Mietvertrag betreffend diese Wohnung ab, weil sie vom Kläger einen Betrag von S 60.000,-- erhielten.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Zustimmung des Vermieters zur Person eines vom Kläger beigebrachten Nachmieters stelle die Einräumung eines Sonderrechtes dar, wofür die Entrichtung von S 60.000,--

gerechtfertigt sei. Es liege weder eine rechtsgrundlose Leistung des Klägers noch eine verbotene Ablöse vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte aus, es sei davon auszugehen, daß eine Leistung, die für die Begründung eines neuen Mietverhältnisses gegeben worden sei, dann ungültig sei, wenn eine gleichwertige Gegenleistung fehle. Der Beklagte habe die S 60.000,-

nur dafür erhalten, daß er mit dem vom Kläger präsentierten Nachmieter auch tatsächlich einen Mietvertrag abgeschlossen habe. Unter der Herrschaft des Mietengesetzes, das auf den vorliegenden Fall allerdings nicht mehr anzuwenden sei, sei die Frage, ob eine Vereinbarung über die Präsentation eines Nachmieters gegen übergabe eines Geldbetrages gültig habe vereinbart werden können oder nicht, in der Judikatur strittig gewesen. Durch die Zulässigerklärung der Vereinbarung eines die Grenzen des § 16 MG übersteigenden Mietzinses seien die Fälle des Rückforderungstatbestandes des § 17 MG eingeengt und Ablösen unter Heranziehung des § 16 MG weitgehend auf den Mietzins verrechnungspflichtig geworden. Im Hinblick darauf, daß § 16 MRG Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses jetzt nur mehr ausnahmsweise gestatte und die Höchstgrenze der zulässigen Mietzinse wieder auf Grund des Gesetzes zu errechnen sei, sei dieser Judikatur weitgehend der Boden entzogen. Ob die Wohnung der gesetzlichen Mietzinsregelung des § 16 MRG unterliege oder nicht, sei allerdings im Verfahren erster Instanz nicht erörtert worden. Insoweit liege ein Feststellungsmangel vor. § 27 MRG sehe für die von ihm geregelten Fälle Kondiktionsansprüche vor. Die Person des Rückforderungsberechtigten werde in dieser Gesetzesstelle nicht näher genannt.

Im vorliegenden Fall kämen hiefür der neue Mieter Ewald B und der Kläger als der frühere Mieter in Frage. Falls Ewald B dem Kläger im wesentlichen für die Aufgabe der Hauptmietrechte - ohne daß Investitionen weiter wirkten - S 195.000,- bezahlt haben sollte, wovon dieser wieder S 60.000,- an den Beklagten weitergegeben habe, könne es jedenfalls nicht zweifelhaft sein, daß Ewald B als der eigentliche Verkürzte die dem Kläger zugeflossenen S 60.000,- bei diesem kondizieren könne. Treffe die Behauptung des Klägers zu, daß die im Juli 1982 vorhandenen Investitionen noch S 341.500,-- wert gewesen seien, so wäre er berechtigt gewesen, von Ewald B eine Investitionsablöse in der Höhe von S 195.000,-- zu verlangen. Dann wäre er der Entreicherte und hätte gegen den Kläger einen auf § 27 MRG basierenden Kondiktionsanspruch.

Anders wäre es, wenn der Kläger von Ewald B eine verbotene Ablöse verlangt und bekommen hätte. In diesem Falle wäre nicht der Kläger, sondern nur Ewald B entreichert. Ein stattgebendes Urteil hätte nämlich zur Folge, daß der Kläger, solange er nicht von Ewald B auf Rückzahlung der Ablöse in Anspruch genommen werde, in noch stärkerem Ausmaß bereichert wäre. In einem derartigen Fall müßte § 1174 Abs 1 erster Satz ABGB angewendet werden.

Verwerflichkeit des Empfanges der S 60.000,-- durch den Beklagten allein würde als Basis für die Kondiktion nicht ausreichen, weil der Vorwurf der Verwerflichkeit auch den Kläger treffen würde. Das Gesetz habe sich in einem solchen Fall einer beiderseitigen turpitudo für den Grundsatz 'in pari causa melior est conditio possidentis' entschieden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, das Ersturteil wieder herzustellen.

Der Kläger beantragt, den Rekurs zu verwerfen und den Beschluß des Berufungsgerichtes zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil zur Frage, ob und unter welchen Umständen nach dem Mietrechtsgesetz Vereinbarungen, womit der frühere Mieter gegen Zahlung einer Geldsumme an den Hauseigentümer von diesem das Recht eingeräumt erhielt, den Nachmieter zu bestimmen, ungültig sind, noch keine oberstgerichtliche Judikatur besteht.

Er ist jedoch im Ergebnis nicht begründet.

Der Beklagte vertritt weiterhin den Standpunkt, der Betrag von S

60.000,--

sei für die Einräumung eines Sonderrechtes bezahlt worden und dies

verstoße nicht gegen § 27 MRG.

Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Gemäß § 27 Abs 1 Z 5 MRG sind Vereinbarungen ungültig und verboten, wonach der Vermieter oder der frühere Mieter sich oder einem anderen gegen die guten Sitten Leistungen versprechen läßt, die mit dem Mietvertrag in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Diese Bestimmung entspricht wörtlich dem früheren § 17 Abs 1 lit d MG und der damit gleichfalls wörtlich übereinstimmenden Bestimmung des § 18 Abs 2 lit d MG (vor der Novelle BGBl. Nr.200/1919). Vor dem Mietrechtsänderungsgesetz BGBl. Nr.281/1967 vertrat die Rechtsprechung unter Berufung auch auf die Entscheidung JB 23 neu = SZ 8/322, fast einhellig die Auffassung, eine zwischen dem Vermieter und dem zurücktretenden Mieter geschlossene Vereinbarung, wonach letzterer für die Zustimmung zum Mieterwechsel eine Zahlung zu leisten habe, sei gemäß § 17 Abs 1 lit d MG verboten (MietSlg20.355, 16.272, 11.429, 11.430, 11.434, 11.436, 11.439 uva; nunmehr auch Würth in Rummel ABGB Rdz 4 zu § 27 MRG). Dabei bestimmt sich jedoch die Person dessen, der die Ablöse zurückverlangen kann - wenn bei Ablösevereinbarungen als Geldgeber bloß ein alter oder ein neuer Mieter aufscheint - darnach, wer durch die Ablösezahlung wirtschaftlich belastet gewesen, aus wessen Vermögen die Zahlung geleistet worden ist. Es soll dadurch unter anderem verhindert werden, daß der alte Mieter einen Betrag vom Vermieter zurückverlangen kann, den er bei der Festsetzung des vom neuen Mieter zu zahlenden Betrages bereits einkalkuliert hat und der daher in seinem Vermögen nur eine Durchgangspost bildet (MietSlg17.329, 16.276, 16.275, 16.274 uva). Von einer wirtschaftlichen Belastung des abtretenden Mieters durch die von ihm für die Zustimmung zum Mieterwechsel an den Hauseigentümer geleistete Ablöse kann aber nur dann gesprochen werden, wenn der Wert jener Investitionen, die vom neuen Mieter übernommen und abgelöst worden sind, im Zeitpunkt der übernahme des Bestandobjektes den Betrag der vom neuen Mieter an den abtretenden Mieter geleisteten Ablöse erreicht oder überschritten hat. Denn in diesem Fall wäre dem abtretenden Mieter dadurch, daß er einen Teil der vom neuen Mieter erhaltenen Ablöse dem Hauseigentümer bezahlen mußte, weniger zugekommen als er vom neuen Mieter nach dem Gesetz hätte beanspruchen dürfen. Dann hätte er die Ablöse an den Hauseigentümer aus eigenem Vermögen geleistet. Im entgegengesetzten Fall wäre jedoch der neue Mieter als derjenige anzusehen, der mit der unzulässigen Ablösezahlung an den Hauseigentümer wirtschaftlich belastet war (MietSlg16.275 ua; Würth aaO Rdz 9 zu § 27 MRG). Das Mietrechtsänderungsgesetz BGBl. Nr.281/1967 hat allerdings in der Folge die rechtlichen Möglichkeiten einer freien Zinsvereinbarung wesentlich erweitert und im gleichen Verhältnis die Anwendbarkeit des § 17 MG eingeengt (SZ 43/11; MietSlg22.310/20, 29.291 ua). Durch das Mietrechtsgesetz wurde jedoch die Möglichkeit der freien Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses stark eingeschränkt. Eine solche Vereinbarung ist nur mehr denkbar, wenn § 16 MRG weder unmittelbar noch mittelbar anzuwenden und die Zinsbildung auch nicht durch andere zwingende Normen beschränkt ist (Würth aaO Rdz 4 zu § 27 MRG). Damit sind aber für die Beurteilung der Frage, ob eine nach § 27 MRG verbotene Vereinbarung vorliegt, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in allen Fällen wieder anwendbar, in denen die Mietzinsbildung dem § 16 MRG unterliegt. Denn in diesen Fällen nützt der Hauseigentümer die auf dem Wohnungsmarkt noch immer herrschenden außerordentlichen Verhältnisse dazu aus, um sich ein öquivalent dafür zu verschaffen, daß ihm die Möglichkeit entgeht, bei einer Neuvermietung in Zukunft eine nach § 27 MRG verbotene Ablöse zu verlangen. Die Verfügungsmöglichkeit des Vermieters bildet nämlich - abgesehen vom Fall des Eigenbedarfes der hier nicht behauptet wurde und auch nicht vorliegt, da die Wohnung weitervermietet wurde - in den Fällen des gesetzlich vorgeschriebenen Mietzinses regelmäßig nur dann einen konkreten Vorteil für den Vermieter, wenn er den Bestandgegenstand gegen eine (verbotene) Ablöse weiter vermieten kann.

Darin liegt aber eine sittenwidrige Vereinbarung im Sinne des § 27 Abs 1 Z 5 MRG. Im bisherigen Verfahren wurde allerdings die Frage nicht geklärt, ob der Mietgegenstand unter § 16 MRG fällt. Daß dem Nachmieter gleiche oder sogar bessere Bedingungen eingeräumt wurden, als sie zuvor der Kläger hatte, ändert daran nichts. Im Anwendungsbereich des § 16 MRG sind Einmalzahlungen selbst dann dem § 27 Abs 1 Z 1 oder 5 MRG zu unterstellen, wenn der laufende zulässige Mietzins nicht ausgeschöpft wurde, außer es handelt sich um eine echte Mietzinsvorauszahlung (Würth aaO Rdz 4 zu § 27 MRG). Daß die vom Vormieter vorgenommenen Investitionen, sofern sie Bestandteil des Hauses geworden sind, in das Eigentum des Vermieters übergingen, ändert nichts daran, daß der Vormieter ohne Rücksicht auf die Beschränkungen des § 10 MRG sich vom Nachmieter den noch vorhandenen Wert der Investitionen ersetzen lassen darf (Würth aaO Rdz 6 zu § 27 MRG). Eine Anwendung des Mietengesetzes auf den Rückforderungsanspruch kommt nicht in Frage, weil die zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vereinbarung bereits in die Zeit der Geltung des Mietrechtsgesetzes fällt.

Mit Recht rügt der Beklagte allerdings, daß sich die Vorinstanzen mit seiner Einwendung, er sei nur Hälfteeigentümer des Hauses und ihm sei nur der halbe Betrag zugekommen, die andere Hälfte aber seiner Frau als weiterer Hälfteeigentümerin, nicht auseinandergesetzt haben. Da es sich beim Anspruch nach § 27 Abs 3 MRG, ebenso wie bei jenem nach § 17 Abs 2 MG, nicht um einen Schadenersatzanspruch, sondern um einen besonderen im Gesetz geregelten Kondiktionenanspruch handelt, haftet der Beklagte nur für den Betrag, der ihm zugekommen ist, im Zweifel nach seinem Anteil (MietSlg3894, 19.261 ua; Würth aaO Rdz 9 zu § 27 MRG). Dem Rekurs war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E05491

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00502.85.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19850418_OGH0002_0060OB00502_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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