TE OGH 1985/6/4 4Ob6/84

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Veröffentlicht am 04.06.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Wolfgang Adametz und Dr. Gerald Mezriczky als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Grete A, Hausbesorgerin in Graz, Krenngasse 41, vertreten durch Dr. Franz Gölles, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Josefine B, Pensionistin in Graz, Krenngasse 41, vertreten durch Dr. Gerald Kleinschuster, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 54.ooo,-- s.A. infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 7.Juni 1983, GZ. 2 Cg 18/83-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 13.Jänner 1983, GZ. 3 Cr 116/81-22, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Keiner der beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit 1972 Hausbesorgerin des im Alleineigentum der Beklagten stehenden Hauses Graz, Krenngasse 41. Mit der am 27.7.1981 - zunächst beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz - überreichten Klage begehrt sie von der Beklagten die Zahlung von S 54.000 s.A. Sie habe neben ihrer Hausbesorgertätigkeit ständig persönliche Hilfsdienste geleistet, und zwar nicht etwa unentgeltlich, sondern nur deshalb, weil ihr die Beklagte ein Barlegat von S 30.000 und eine frei werdende Wohnung in ihrem Haus versprochen habe. Nachdem es 1979 zu einem Zerwürfnis zwischen den Parteien gekommen sei, habe die Beklagte der Klägerin einen Betrag von S 30.000 bar ausgezahlt. Im Jahr 1980 habe die Klägerin erfahren, daß die Beklagte ihre letztwilligen Verfügungen geändert und der Klägerin nunmehr weder ein Hauptmietrecht noch ein Wohnrecht vermacht habe.

Obgleich das angemessene Entgelt für die Dienste der Klägerin S 2.000 im Monat betragen würde, verlange sie entgegenkommenderweise nur S 1.000 monatlich, für 7 Jahre somit S 84.000,--. Daraus ergebe sich nach Abzug der bereits gezahlten S 30.000 der eingeklagte Restbetrag.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe ihr fallweise - im Monatsdurchschnitt nicht mehr als ein bis zwei Stunden - kurzfristige Hilfsdienste geleistet, wie sie üblicherweise aus bloßer Gefälligkeit erbracht und überhaupt nicht als zu entlohnende Tätigkeit gewertet würden. Sie habe auch nie ein Entgelt dafür verlangt; vielmehr habe ihr die Beklagte unentgeltlich das Einstellen von Möbeln im zweiten Zimmer ihrer Wohnung und in einem Kellerraum gestattet. Im Jahr 1977 habe die Klägerin ihren Hausbesorgerposten aufgeben wollen und in diesem Zusammenhang von der Beklagten S 45.000 zum Kauf einer Wohnung verlangt. Als die Beklagte dieses Ansinnen abgelehnt habe, habe ihr die Klägerin die Wohnungsschlüssel hingeworfen und erklärt, daß sie künftig auch die von ihr bisher gefälligkeitshalber erbrachten Hilfsdienste nicht mehr leisten werde. Dem Verlangen der Klägerin nach Auszahlung der letztwillig versprochenen S 30.000

sei die rechtsunkundige Beklagte am 5.8.1977 nachgekommen. Mit diesem Betrag seien die Dienstleistungen der Beklagten - selbst wenn sie nicht unentgeltlich erbracht worden wären - mehr als abgegolten. Im übrigen sei der Klageanspruch verjährt, weil die Klägerin ihre Dienstleistungen schon im August 1977

eingestellt habe, die Klage aber erst im August 1981 dem zuständigen Arbeitsgericht Graz überwiesen worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens habe zwar die Klägerin ihre Dienstleistungen für die Beklagte nur unter dem Gesichtspunkt der Entgeltlichkeit erbracht und deshalb auf die Errichtung letztwilliger Verfügungen zu ihren Gunsten hingewirkt; ihre Tätigkeit sei aber durch die Zahlung von S 30.000 und durch die Erlaubnis zum unentgeltlichen Einstellung von Mobiliar mehr als angemessen abgegolten worden. Davon abgesehen, habe die Klägerin nicht erst 1980, sondern schon im Sommer 1977 mit einem Widerruf der zu ihren Gunsten getroffenen letztzwilligen Anordnungen rechnen müssen. Alle vor dem 27.7.1978 entstandenen Entgeltansprüche wären daher bereits verjährt.

Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von S 25.000 sA und wies das Mehrbegehren von S 29.000 sA ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG von neuem durch und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Die nunmehr 87-jährige Beklagte war Eigentümerin zweier, keinen Ertrag abwerfender Häuser in Graz, Krenngasse 41, und Graz, Idlhofgasse. Das letztgenannte Haus verkaufte sie am 24.11.1980 um S 700.000. Im Jahr 1972

betrug die Pension der Beklagten S 2.600 monatlich, im Jahr 1978 ca. S 5.000

monatlich (einschließlich eines Hilflosenzuschusses). Die Klägerin ist seit Oktober 1972 Hausbesorgerin des Hauses Krenngasse 41. Ihr Monatsentgelt betrug ursprünglich S 240,--; jetzt erhält sie S 530,- im Monat. Neben ihrer Tätigkeit als Hausbesorgerin leistete die Klägerin im Haushalt der Beklagten ständig für diese Dienste. Die Beklagte versprach der Klägerin, ihr dafür einen Lohn zu zahlen, wenn sie das Haus in der Idlhofgasse verkauft haben werde; das war auch ein Grund für die übernahme dieser Tätigkeit durch die Klägerin gewesen. über die Höhe der zugesagtem Entlohnung wurde vorerst nicht gesprochen. Die Beklagte bewohnt im gegenständlichen Haus eine Wohnung im Ausmaß von rund 70 m 2 . In der Küche befindet sich ein mit Kohle beheizter Zusatzherd, im Schlafzimmer ein Kachelofen, der mit Holz beheizt wird. Die Kohle wurde mit einem Eimer vom Keller in den ersten Stock getragen; in der Wohnung der Beklagten befinden sich in der Küche und auf dem Balkon Kohlenkisten. Im Winter brauchte die Beklagte durchschnittlich ca. 5 Eimer Kohle; im Sommer benützte sie zum Kochen teilweise den Zusatzherd in der Küche, obgleich sich dort auch ein Elektroherd befindet.

In den Jahren 1972 bis 1976 hatte ausschließlich die Klägerin Holz und Kohle vom Keller in die Wohnung der Beklagten gebracht; von 1976 bis 1979

taten dies neben der Klägerin auch andere Personen. Seit 1976 wird das Holz für die Beklagte von Helfern der Caritas zerkleinert. Bis 1979 trug die Klägerin ca. drei bis vier Mal im Monat Holz vom Keller in die Wohnung der Beklagten; sie benötigte dafür jeweils 15 bis 30 Minuten.

Die Beklagte kochte für sich selbst und räumte auch meistens ihre Wohnung selbst auf, wobei ihr die Klägerin half. Einmal in der Woche wurde die Wohnung von der Klägerin gründlich durchgeputzt, und zwar auch dann, wenn die Beklagte auf Urlaub gefahren war. Etwa alle 14 Tage wurde der Boden von der Klägerin mit Bodenpasta eingelassen und poliert. Außerdem putzte die Klägerin zweimal im Jahr die Fenster (mit Ausnahme der Küchenfenster). Seit 1972 benützt die Beklagte eine Waschmaschine, doch wird damit nur die Kochwäsche gewaschen; die Buntwäsche der Beklagten wurde von der Klägerin mit der Hand gewaschen. Die Wäsche wurde von der Klägerin einmal im Monat gewaschen, zum Trocknen aufgehängt und dann abgenommen; das Bügeln besorgte die Beklagte.

Mehrmals in der Woche kaufte die Klägerin für die Beklagtem aber gleichzeitig auch für sich selbst und für eine Mieterin des Hauses ein. Sie brachte der Beklagten Gebäck, Milch, Fleisch und Gemüse; auch erledigte sie für die Beklagte alle Behördenwege, insbesondere im Zusammenhang mit den beiden Häusern, und sie mußte auch für die Beklagte zur Post und zu Versicherungsanstalten gehen. Die Klägerin war fast jeden Tag in der Wohnung der Beklagten, aber auch die Beklagte war öfter bei ihr; zwischen den Parteien bestand ein enger privater Kontakt. Bei Erkrankungen wurde die Beklagte - sie hatte einmal ein Augenleiden und war nach einem Sturz bettlägerig - von der Klägerin und Gertrude C gepflegt. Erstere besorgte die Medikamente und kochte in dieser Zeit für die Beklagte. Sie verrichtete für die Beklagte auch Nähmaschinenarbeiten und besserte die Leintücher aus, und zwar in Abständen von ca. einem halben Jahr bis einem Jahr. Die Klägerin wurde von der Beklagten auch mit handgeschriebenen Zetteln um die Verrichtung verschiedener Arbeiten - wie Einkauf, Schreiben von Briefen oder Putzarbeiten - ersucht. Sie pflegte auch zwei Gräber von Angehörigen der Beklagten auf verschiedenen Friedhöfen, wobei sie diese Gräber etwa drei bis viermal im Jahr aufsuchte.

Dabei wendete sie jedesmal eine reine Arbeitszeit von 1/2 bis 3/4 Stunden auf.

Von 1978 bis 1981 hatte die Klägerin mit Erlaubnis der Beklagten Möbel in einem ca.16 m 2 großen Kellerraum eingestellt, außerdem ein Jahr lang eine Couch in einem Zimmer der Wohnung der Beklagten. Seit 1974 besaß die Klägerin auch Schlüssel zur Wohnung der Beklagten.

Durch das Versprechen, gut auf sie zu schauen, erreichte die Klägerin, daß die Beklagte am 14.4.1975 durch Dr. Gerald D eine letztwillige Verfügung errichten ließ, in welcher die Klägerin wie folgt bedacht wurde:

'In meinem Hause sind derzeit alle Wohnungen vermietet und handelt es sich entweder um Wohnungen bestehend aus 1 Zimmer und Küche samt Zubehör, oder 2 Zimmer samt Küche und Zubehör.

Meiner langjährigen Hausbesorgerin, Frau Grete A, Graz, Krenngasse 41, vermache ich die Hauptmietrechte an der nächstfolgend nach meinem Ableben in diesem Hause frei werdenden Wohnung, gleichgültig, ob es sich hiebei um eine 1 Zimmer-Küche oder 2 Zimmer-Küche-Wohnung handelt, mit der Verpflichtung, mit dem auf die Übergabe nächst fällig werdenden Monatsersten hiefür einen angemessenen ortsüblichen Hauptmietzins, mindestens den derzeit geltenden gesetzlichen Mietzins, zuzüglich die anteiligen Betriebskosten und öffentlichen hiefür zu bezahlen. Sollte die nächste frei werdende Wohnung eine Kellerwohnung sein, dann ist Frau Grete A berechtigt, die Annahme derselben abzulehnen und auf das Freiwerden einer anderen, nicht im Keller gelegenen Wohnung zu warten und die dann zu beanspruchen.'

Nachdem die Klägerin in der Folge der Beklagten gedroht hatte, ihre Tätigkeit für sie einzustellen, verfaßte die Beklagte am 5.1.1976 nachstehenden handschriftlichen Zusatz zu ihrer letztzwilligen Verfügung:

'Testament.

In Ergänzung meiner letztzwilligen Verfügung vom 14.4.1975 bestimme ich daß auch keine Hauseigentümerwohnung im 1.Stock bestehend aus 2 Zimmer einer Küche samt Zubehör an Frau Grete A als vermacht gilt wenn keine andere Hauptmietwohnung frei ist weil sie mir seit 4 Jahren alle Wege und Arbeiten unentgeltlich gemacht hat, und 30.000 S.' Die Klägerin war mit dieser handschriftlichen Ergänzung nicht einverstanden und schlug vor, sie notariell bekräftigen zu lassen. Daraufhin ersuchte die Klägerin im Einvernehmen mit der Beklagten den Notar Dr. E, in die Wohnung der Beklagten zu kommen. Dort verfaßte er am 4.10.1976 ein Kodizill der Beklagten, in welchem es u. a. hieß:

'Ich vermache der Frau Margarete A, geb. 21.5.1910, Krenngasse 41/I, 8010 Graz, das lebenslange, unentgeltliche Wohnungsrecht in der in meinem Hause Krenngasse 41 im I.Stock gelegenen und von mir derzeit bewohnten Wohnung, bestehend aus einem Vorraum, 2 Zimmern, einer Küche, einem Bad und WC, samt vollständigem Inventar und dem Rechte der Mitbenützung eines Kellerabteils. Die Beheizungs- und Beleuchtungskosten dieser Wohnung hat die Legatarin selbst zu tragen. Im übrigen hat sie jedoch für keinerlei Verwaltungs-, Erhaltungs- und Betriebskosten des Hauses Krenngasse 41, bzw. der Wohnung aufzukommen.

..............

Als weiteres Legat vermache ich der Frau Margarete A einen Bargeldbetrag von S 30.000,-- (Schilling dreißigtausend).' Nach einer Wertsicherungsklausel und der Anordnung der grundbücherlichen Sicherstellung des Legates hieß es sodann noch weiter:

'Diese Verfügung zugunsten der Frau Margarete A treffe ich aus Dankbarkeit für die von ihr mir innerhalb der letzten 4 Jahre erwiesene Treue und geleistete Betreuung und Verrichtung diverser Arbeiten und Leistungen.' Zwischen dem handschriftlichen Zusatz vom 5.1.1976 und dem Kodizill vom 4.10.1976 verlangte die Klägerin von der Beklagten keine Bezahlung ihrer Arbeitsleistungen im Haushalt. Sie war überdies der Meinung, daß sie eine solche Lohnforderung so lange nicht einklagen könne, als die letztwillige Verfügung der Beklagten zu ihren Gunsten nicht widerrufen worden sei. In der Folge befürchtete die Klägerin einen Widerruf der letztwilligen Verfügung durce die Beklagte. Sie verlangte deshalb die Zahlung des Legates von S 30.000. Tatsächlich zahlte ihr die Beklagte am 5.8.1977 diesen Betrag aus.

Im Jahr 1978 gab es größere Spannungen zwischen den Parteien. Die Klägerin teilte der Beklagten mit, daß sie nicht mehr für sie arbeiten werde; sie wurde aber von der Beklagten zu weiterer Arbeit überredet.

Im Sommer 1978 war bei der Beklagten deren Nichte Emma Horvath drei Monate lang auf Besuch. Sie führte während dieser Zeit für ihre Tante den Haushalt;

Angebote der Klägerin, beim Einkaufen zu helfen, lehnte sie ab. Die Klägerin entfaltete in diesem Zeitraum keine Tätigkeit für die Beklagte. In der Folge arbeitete aber die Klägerin noch bis Dezember 1979 im Haushalt der Beklagten weiter. Dann stellte sie ihre Tätigkeit endgültig ein, weil sie von der Beklagten keinen Lohn erhielt und diese mit ihrer Arbeitsleistung unzufrieden war. Die Klägerin gab der Beklagten auch die Wohnungsschlüssel zurück. In den Jahren 1975 bis 1977 verrichtete auch Hildegard F Arbeiten im Haushalt der Beklagten. Sie war ca.dreißigmal bei ihr, wobei sie aber nicht jedesmal arbeitete. Von Dezember 1978 bis zum Sommer 1979 besuchte Herta G einmal in der Woche die Beklagte; sie wurde dann immer von der Beklagten gebeten, für sie etwas einzukaufen. Seit 1978 hat auch Hubert H einige Einkäufe für die Beklagte besorgt. Hin und wieder half ihr auch die Mieterin Anna I.

Vor 2 oder 3 Jahren ersuchte die Beklagte die Mieterin Gertrude C, bei der Pfarre Herz Jesu anzurufen und dort zu bitten, man möge ihr jemanden zum Kohlentragen schicken. Gertrude C bekam aber zur Antwort, daß niemand diese Arbeiten für die Beklagte verrichten wolle, weil diese nichts bezahle. Die Pfarre Herz Jesu vermittelte jedoch der Beklagten Personen, die für sie kleinere Arbeiten und Besorgungen, wie das Tragen von Kohle, erledigten.

Am 20.2.1980 errichtete die Beklagte eine neue letztwillige Verfügung, in welcher sie alle bisherigen Verfügungen, Testamente und Kodizille, insbesondere diejenigen vom 14.4.1975 und vom 4.10.1976, widerrief.

Seit April 1980 leistete die Beklagte fast monatlich Zahlungen von je S 50,-- an die Pfarre Herz Jesu, Altenhilfe.

Mit Schreiben vom 13.5.1980 forderte die Klägerin von der Beklagten für die von ihr sieben Jahre lang geleisteten Privatarbeiten ein Entgelt von S 54.000. Sie wußte damals noch nichts davon, daß die Beklagte das Kodizill vom 4.10.1976 widerrufen hatte; davon erfuhr sie erst nach dem 10.3.1981.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin ihre Arbeitsleistungen im Haushalt der Beklagten einerseits mit Rücksicht auf die ihr für die Zeit nach dem Verkauf des Hauses in der Idlhofgasse versprochene Bezahlung, andererseits im Vertrauen auf die zu ihren Gunsten errichteten letztwilligen Anordnungen der Beklagten erbracht habe. Die in dieser Erwartung enttäuschte Klägerin habe gemäß § 1152 ABGB Anspruch auf eine angemessene Entlohnung. Da die Beklagte das Haus in der Idlhofgasse im Jahr 1980 verkauft und das Kodizill vom 4.10.1976 am 20.2.1980 widerrufen habe, habe die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB erst damals zu laufen begonnen. Durch die Einbringung der Klage am 27.7.1981 sei die Verjährung gemäß § 1497 ABGB unterbrochen worden, so daß sich die Verjährungseinrede der Beklagten als ungerechtfertigt erweise.

Zur Höhe des Entgeltanspruches der Klägerin verwies das Berufungsgericht auf den Mindestlohntarif des Einigungsamtes Graz, nach welchem der Stundenlohn einer Bedienerin in der Zeit vom 1.3.1970 bis 30.6.1980 zunächst S 13,--, dann S 19,-- und schließlich S 26,-- betragen habe; dazu komme noch eine Weihnachtsremuneration in der Höhe eines Monatsentgeltes und der Urlaubszuschuß nach § 9 des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes.

Eindeutige Feststellungen über das zeitliche Ausmaß der Arbeitsleistungen der Klägerin hätten, wenn überhaupt, nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten getroffen werden können. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles könne man aber davon ausgehen, daß die Klägerin in der Zeit von November 1972 bis November 1979 durchschnittlich Arbeitsleistungen im Ausmaß von etwa 6 Stunden wöchentlich für die Beklagte erbracht habe. Das ihr hiefür gebührende Entgelt sei gemäß § 273 ZPO mit S 55.000 festzusetzen. Da die Klägerin auf diese Forderung schon S 30.000 erhalten habe, belaufe sich ihr restlicher Entgeltanspruch auf S 25.000.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird von beiden Parteien mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs.1 Z 2 und 4 ZPO angefochten. Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von S 25.000 sA und beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens; die Klägerin bekämpft die Abweisung ihres Begehrens auf Zahlung weiterer S 29.000 sA und beantragt den Zuspruch auch dieses Betrages. Hilfsweise beantragen beide Parteien die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz.

In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben. Die Beklagte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Keine der beiden Revisionen ist berechtigt.

Einen wesentlichen Mangel des zweitinstanzlichen Verfahrens sehen beide Parteien in der Anwendung des § 273 ZPO durch das Berufungsgericht.

Angesichts der Vielzahl der von den Parteien zum Grund und zur Höhe des Klagebegehrens angebotenen Beweismittel wäre es dem Berufungsgericht ohne allzu großen Aufwand möglich gewesen, die Anzahl der von der Klägerin für die Beklagte geleisteten Arbeitsstunden im einzelnen festzustellen und daraus die Höhe eines allfälligen Entgeltanspruches zu errechnen. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angeführten Beweisschwierigkeiten beträfen nicht die Beschaffung und die Durchführung der einzelnen Beweise, sondern nur die Beweiswürdigung als solche. Seiner Verpflichtung, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung nach freier überzeugung zu beurteilen, ob eine tatsächliche Angabe für wahr zu halten ist oder nicht, dürfe sich das Gericht nicht durch Anwendung des § 273 ZPO entziehen.

Diese Rüge ist nicht stichhältig: Gemäß § 273 Abs.1 Satz 1 ZPO kann

das Gericht, wenn feststeht, daß eine Partei ........... eine

Forderung zu stellen hat, der Beweis über den strittigen Betrag

.......... der Forderung aber gar nicht oder nur mit

unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen ist,..........

selbst mit übergehung eines von der Partei angebotenen Beweises

diesen Betrag nach freier überzeugung festsetzen. Alle diese

Voraussetzungen treffen hier zu. Daß die Klägerin ihre

Arbeitsleistungen im Haushalt der Beklagten nicht nur im Vertrauen

auf die ihr versprochene Bezahlung nach dem Verkauf des Hauses in

der Idlhofgasse, sondern vor allem auch in der - der Beklagten

bekannten - Erwartung einer letztwilligen Bedenkung erbracht hat und

daher jetzt - nach dem Verkauf des Hauses und dem Widerruf des

Kodizills - eine angemessene Entlohnung ihrer Dienstleistungen

verlangen kann (§ 1152 ABGB), ist im Revisionsverfahren nicht mehr

strittig (zur Vergütung sogenannter 'zweckverfehlender'

Arbeitsleistungen siehe vor allem Bydlinski, Lohn- und

Kondiktionsansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen,

Wilburg-FS !1965  45 ff, bes.77 f, und ihm folgend die neuere

Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, so bes.SZ 49/136 =

Arb.9540 = NZ 1978, 223;

Arb.8668, Arb.9127 =JBL 1974, 327 = ZAS 1974, 98; Arb.9464, 9700;

ZAS 1976, 174; EvBl.1980/37 uva; vgl. auch Koziol-Welser 6 I 326 f;

Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht 2 I 79 f). Der Vergütungsanspruch der Klägerin steht damit zwar dem Grunde nach fest. Eine exakte Ermittlung des zeitlichen Ausmaßes ihrer Arbeitsleistungen - also der Anzahl jener Arbeitsstunden, die sie zwischen Oktober 1972 und Dezember 1979

für die Beklagte erbracht hat - stößt aber naturgemäß auf kaum überwindliche Beweisschwierigkeiten. Das Berufungsgericht hat mit Recht auf die gerade hier besonders widersprüchlichen Beweisergebnisse verwiesen, hat doch etwa die Beklagte das Ausmaß der Arbeitsleistungen der Klägerin mit nur rund 2 Stunden wöchentlich angegeben, die Klägerin selbst aber von 11 Stunden pro Woche gesprochen. Die praktische Unmöglichkeit, den zeitlichen Umfang der von der Klägerin im Verlauf von mehr als 7 Jahren unregelmäßig und fallweise im Haushalt der Beklagten geleisteten Dienste ziffernmäßig auch nur einigermaßen verläßlich festzustellen, liegt auf der Hand; das Berufungsgericht hat deshalb mit Recht die Bestimmung des § 273 ZPO angewendet. Der von den Parteien in diesem Zusammenhang gerügte Verfahrensmangel ist somit nicht gegeben. Auch gegen das Ergebnis dieser - dem Bereich der rechtlichen Beurteilung zuzuordnenden - Ermessensentscheidung der zweiten Instanz bestehen keine Bedenken: Das Berufungsgericht hat unter Hinweis darauf, daß die Beklagte für sich selbst kochen und auch die täglich anfallenden Aufräumarbeiten im wesentlichen selbst ausführen konnte, die Klägerin ihr dabei nur geholfen und schwerere Arbeiten sowie Besorgungen verrichtet hat, sowie unter Bedachtnahme darauf, daß die Klägerin ab 1978 zeitweise keine Arbeitsleistungen für die Beklagte mehr erbracht hat, das durchschnittliche Ausmaß der Dienstverrichtungen der Klägerin mit wöchentlich etwa 6 Stunden festgesetzt.

Nicht dagegen, wohl aber gegen die Annahme des angefochtenen Urteils, das der Klägerin für diese Arbeitsleistungen zustehende Entgelt sei 'nach den näheren Umständen des vorliegenden Falles unter Anwendung des § 273 ZPO mit S 55.000,-- festzusetzen', wenden sich die Revisionen beider Parteien. Auch diese Rüge ist jedoch nicht stichhältig: Auf welcher Grundlage das Berufungsgericht den Stundenlohn einer Bedienerin für die Zeit vom 1.3.1970 bis 31.12.1973 mit S 13,--, für die Zeit vom 1.4. (richtig: 1.1.) 1974 bis 28.2.1977 mit S 19,-- und für die Zeit vom 1.3.1977 bis 30.6.1980 mit S 26,--

angenommen hat, ist entgegen der Meinung der Beklagten keineswegs 'unerfindlich'; es hat diese Beträge vielmehr den Mindestlohntarifen für Hausgehilfen und Hausangestellte des Einigungsamtes Graz Me 1/69 (verlautbart in den Amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für soziale Verwaltung 1970, 330), Me 1/73 (verlautbart in den Amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für soziale Verwaltung und des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz 1974, 257) und Me 3/76 (verlautbart in den Amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für soziale Verwaltung und des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz 1977, 227) entnommen, welche (ua) auch für solche Arbeitnehmer gelten, 'die nicht unter das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz fallen, jedoch bei Dienstgebern, die keiner kollektivvertragsfähigen Körperschaft angehören, einschlägige Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten verrichten' (so jeweils § 1 lit.b bb) dieser Mindestlohntarife). Geht man aber davon aus, daß die Klägerin von November 1972 bis Dezember 1979 im Wochendurchschnitt etwa 6 Stunden in Haushalt der Beklagten gearbeitet hat, dann ergibt sich unter Zugrundelegung der angeführten Stundenlöhne von S 13,-- (für die Zeit vom 1.11.1972 bis 31.12.1973), S 19,-- (für die Zeit vom 1.1.1974 bis 28.2.1977) und S 26,--

(für die Zeit vom 1.3.1977 bis 31.12.1979) sowie unter Bedachtnahme auf den Anspruch der Klägerin auf ein 13. (Urlaubszuschuß) und 14. (Weihnachtsremuneration) Monatsentgelt ein Entlohnungsanspruch von insgesamt rund S 54.200,--. Gegen die Angemessenheit des vom Berufungsgericht unter Anwendung des § 273 ZPO festgesetzten Betrages von S 55.000 bestehen somit auch unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken.

Dem Berufungsgericht ist schließlich auch insoweit zu folgen, als es die Verjährungseinrede der Beklagten als nicht gerechtfertigt erkannt hat. Gemäß § 1478 ABGB beginnt die Verjährung grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem das Recht 'zuerst hätte ausgeübt werden können', seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis - zB mangelnde Fälligkeit - mehr entgegensteht (SZ 38/44;

Arb.8844 mwN; ebenso Koziol-Welser 6  I 149). Werden, wie hier,

Leistungen in der Erwartung einer späteren letztwilligen Zuwendung

erbracht, dann tritt die Fälligkeit des bei Nichterfüllung dieser

Erwartung bestehenden Entlohnungsanspruches nach § 1152 ABGB - und

damit auch der Beginn der Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB -

ein, sobald objektiv hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind,

daß mit der Erfüllung der Zusage oder Erwartung nicht mehr gerechnet

werden kann. Das ist jedoch nicht erst dann der Fall, wenn die

Erfüllung der Zusage oder der Erwartung objektiv unmöglich geworden

ist - etwa weil der Leistungsempfänger ohne Hinterlassung einer

letztwilligen Verfügung gestorben ist - , sondern schon in dem

Zeitpunkt, in welchem endgültig feststeht, daß der angestrebte

Erfolg - etwa wegen ausdrücklicher Ablehnung der Erfüllung durch den

Leistungsempfänger - nicht mehr erreicht werden kann (SZ 27/147 =

EvBl.1954/327; SZ 34/164 = Arb.7453 =   EvBl.1962/63;

SZ 35/66 = Arb.7577 = SozM I Ae 479; Arb.7914; Arb.8668 = SozM III E

437;

Arb.9005, 9235, 9700 ua.; ebenso Bydlinski aaO 79). Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanzen hat die Klägerin von der am 20.2.1980 errichteten letztwilligen Verfügung der Beklagten, mit welcher das Kodizill vom 4.10.1976 widerrufen wurde, erst nach dem 10.3.1981 erfahren. Erst damit war ihre Erwartung, von der Beklagten letztzwillig mit einem Wohnungsrecht im Haus Krenngasse 41 bedacht zu werden, endgültig vereitelt und die Fälligkeit ihres Anspruches auf angemessene Entlohnung im Sinne des § 1152 ABGB eingetreten. Da auch das Haus in der Idlhofgasse erst im November 1980 verkauft wurde, ist die vorliegende, am 27.7.1981 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz überreichte und von diesem im August 1981 dem Arbeitsgericht Graz überwiesene Klage in jedem Fall noch innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB eingebracht worden. Zu dem gleichen Ergebnis käme man im übrigen auch dann, wenn man im Sinne der von der Beklagten in erster Instanz vertretenen Rechtsauffassung die Verjährung schon mit der endgültigen Einstellung der Arbeitsleistungen der Klägerin beginnen lassen wollte, hat doch die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen bis zum Dezember 1979

Arbeitsleistungen im Haushalt der Beklagten erbracht. Bei dieser Sachlage können auch die gegenteiligen, zum Teil nur schwer verständlichen Revisionsausführungen der Beklagten zur Verjährungsfrage zu keinem anderen Ergebnis führen. Den unbegründeten Revisionen beider Parteien war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 43 Abs.1 ZPO.

Anmerkung

E05759

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00006.84.0604.000

Dokumentnummer

JJT_19850604_OGH0002_0040OB00006_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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