TE OGH 1985/6/5 13Os64/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Juni 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kral, Dr. Hörburger, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut A und andere wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Wilhelm B sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich aller Angeklagten und die Berufung des Angeklagten Kurt C*** gegen das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg als Schöffengerichts vom 16.Jänner 1985, GZ 11 a Vr 297/84-88, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, der Angeklagten Wilhelm B, Kurt C und Thomas D sowie der Verteidiger Dr. Steiner, Dr. Weigert, Dr. Laimer und Dr. Travnicek, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Helmut A und Friedrich E, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Wilhelm B und Kurt C die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Helmut A, Thomas D, Friedrich E, Kurt C und Wilhelm B wurden des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil sie gemeinsam Waltraud F in einem Personenkraftwagen durch im Urteil detailliert beschriebene Gewaltakte und durch die Drohung mit dem Umbringen widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf, der nur dem Thomas D gelang, mißbraucht haben.

Wilhelm B bekämpft diesen Schuldspruch aus § 281 Abs 1 Z. 4, 5 und 10 StPO

Rechtliche Beurteilung

Für eine Verfahrensrüge fehlt die Legitimation, weil in der der Urteilsfällung unmittelbar vorangegangenen Hauptverhandlung vom 16. Jänner 1985

kein Beweisantrag gestellt wurde. Daß im verlesenen Protokoll über die wiederholte Verhandlung vom 28.November 1984 der nunmehr vom Beschwerdeführer relevierte Antrag ebenso enthalten war wie die Begründung seiner Abweisung (S. 512 I. Bd.), ändert nichts daran (SSt. 32/10).

Die von der Mängelrüge aufgezeigten Widersprüche über die Reihenfolge der Aktivitäten und der Beteiligung der einzelnen Täter am gewaltsamen Entkleiden der Waltraud F betreffen unentscheidende Details; es ist gleichgültig, wer jeweils von den Tätern und auf welche Art Hand an das Notzuchtsopfer legte, haftet doch jeder Mittäter auf Grund des festgestellten gemeinsamen Vorsatzes für die gesamte Gewaltaktion. Außerdem konnte der Schöffensenat ausdrücklich 'die genaue Reihenfolge' des Unternehmens des Beischlafs nicht feststellen (S. 53 II. Bd.). Im Spruch des Urteils sind die einzelnen Gewalttätigkeiten aufgezählt, daß alle zur gleichen Zeit gesetzt worden wären, ist nicht gesagt.

Schon deshalb kann zu der in den Entscheidungsgründen dargelegten zeitlichen Abfolge des Geschehens kein Widerspruch bestehen. Die Beschwerdebehauptung, es sei unerörtert geblieben, daß F bei ihren polizeilichen Vernehmungen nur von drei oder vier Tätern gesprochen habe, ist aktenwidrig. Vielmehr ist im Urteil dieser Umstand erwähnt, jedoch unter Bezugnahme auf zahlreiche andere Verfahrensergebnisse, darunter auch auf die Verantwortung aller Angeklagten, dargetan, weshalb die Tatrichter alle fünf Angeklagten als der Notzucht überführt erachtet haben (S. 55 f. II. Bd.). Die Aussage der Zeugin G wurde im Urteil nicht übergangen, sondern ihr auf Grund wechselvoller Darstellung nur geringer Wahrheitsgehalt zugebilligt (S. 61 II. Bd.).

Die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers hielt der Schöffensenat auf Grund der Aussage der Zeugin F und der Darstellung des Mitangeklagten A für widerlegt (S. 62, II. Bd.); die Aussage des Mitangeklagten D wurde in diesem Zusammenhang erwähnt und daher nicht mit Stillschweigen übergangen. Keines Eingehens bedurfte es auf jene Angaben des Mitangeklagten C, wonach dieser den Beschwerdeführer nicht in der Nähe des Autos, in dem die Tat geschah, gesehen haben will, weil C niemals behauptet hat, während des gesamten Vorfalls B stets und genau beobachtet zu haben. Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO vertritt der Beschwerdeführer die Meinung, beim vollendet zweiaktigen Delikt der Notzucht setze der Mißbrauch zum außerehelichen Beischlaf Eigenhändigkeit voraus, weshalb bei mehreren Beteiligten nur die selbst den Beischlaf vollziehenden für das vollendete Verbrechen der Notzucht als unmittelbare Täter haften, während die anderen, bloß die Widerstandsunfähigkeit der Frau herbeiführenden Beteiligten (auch er selbst) Beihilfe (§ 12, dritter Fall, StGB) und nicht Mittäterschaft (§ 12, erster Fall, StGB) verantworten (Pallin im Wiener Kommentar, RZ. 5 und 6 zu § 201 StGB). Dem sei folgendes erwidert: Die rechtsirrige Annnahme der unmittelbaren Täterschaft (Mittäterschaft) statt einer anderen Erscheinungsform des Verbrechens (Täterschaftsform) begründet keine Nichtigkeit, weil die drei Täterschaftsformen des § 12 StGB rechtlich gleichwertig sind (Prinzip der Einheitstäterschaft). Folglich kann der Angeklagte durch die, wenn auch etwa unzutreffende, Annahme einer dieser drei Varianten in seinen Rechten nicht beeinträchtigt sein (LSK. 1982/21, 1978/126, 1978/125, 1976/205, 1978/89, 1979/116, 1976/116, 1978/52, 1977/358).

Die weiteren Ausführungen zur Rechtsrüge, wonach lediglich das Eintreffen des Beschwerdeführers beim Personenkraftwagen, in dem sich F befand, festgestellt sei, verschweigen die darauffolgende Urteilspassage, daß 'F immer abwechselnd von den Angeklagten gehalten wurde und damit keine Möglichkeit hatte, das Tatgeschehen zu verhindern, geschweige denn, den PKW.

zu verlassen' (S. 53, II. Bd.).

Im Spruch ist auch das Einverständnis aller Angeklagten zur Tat genannt und in den Gründen näher dargelegt. Ferner ist konstatiert, daß F, die sich vorher in der Gesellschaft der fünf Angeklagten in einem Gasthaus aufgehalten hatte und von diesen dann mit einer List in eine abgelegene Gegend gebracht worden war, diesen gegenüber deutlich zum Ausdruck brachte, daß sie einen Geschlechtsverkehr mit ihnen nicht will, daß die Angeklagten jedoch mit Gewalt und Drohung den Widerstand der Frau gebrochen haben, worauf D an ihr den Geschlechtsverkehr vollziehen konnte.

Sämtliche Ausführungen der Rechtsrüge, die ein einverständliches Vorgehen der Täter bestreiten, von einer Einwilligung der Frau zum Geschlechtsverkehr sprechen und allenfalls von einer bloßen Willensbeugung ausgehen, sind daher urteilsfremd und nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Letztlich wendet der Beschwerdeführer ein, daß es ihm selbst nicht gelungen sei, F widerstandsunfähig zu machen und sie zum Geschlechtsverkehr zu mißbrauchen, sodaß von seiner Seite nicht einmal der erste Deliktsakt der Notzucht beendet gewesen sei. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, daß sich der Nichtigkeitswerber insoweit des Verbrechens der versuchten Notzucht nach § 15, 201 StGB schuldig erachtet. Bezüglich der strafrechtlichen Haftung aller Angeklagten für die Brechung des Widerstands der genotzüchtigten Frau aus dem Gesichtspunkt der Mittäterschaft kann auf die Erledigung der Mängelrüge verwiesen werden. Dem ist an dieser Stelle hinzuzufügen, daß für die Verwirklichung des Tatbestands nicht erfordert wird, daß die Ausübung der Gewalt bis zum Beginn des Beischlafs andauert. Folglich verantwortet, wer die Frau widerstandsunfähig macht, damit ein anderer den Geschlechtsverkehr vollziehen kann, als Mittäter das vollendete Verbrechen (Leukauf-Steininger 2

§ 201 StGB Rz. 15; vgl. SSt. XLVIII/71; a.M. Foregger-Serini 3 S. 447). Im übrigen aber ist dieser Teil der Beschwerde nicht zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers ausgeführt (§ 282 StPO), weil ein zusätzlicher Schuldspruch wegen versuchter Notzucht (beruhend auf dem von B nicht zustandegebrachten Geschlechtsverkehr) zum Nachteil des Beschwerdeführers ausschlüge.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen. Die Berufungen teilen ihr Schicksal.

Der Schöffensenat fällte über die fünf Angeklagten nicht nur den angefochtenen Schuldspruch wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB, sondern sprach darüber hinaus auch noch Friedrich E des (an Waltraud F begangenen) Vergehens der versuchten Nötigung (zur Unterlassung der Strafanzeige) nach § 15, 105 Abs 1 StGB, Helmut A und Thomas D überdies des Vergehens der (durch Faustschläge jeweils anderen Personen zugefügten leichten) Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig.

Helmut A und Friedrich E wurden mit je zwanzig Monaten, Thomas D, Kurt C und Wilhelm B mit je einem Jahr Freiheitsentzug bestraft. Erschwerend wurden gewertet bei A, D und E das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, ferner bei A dessen einschlägigen Vorstrafen und bei E eine Vorabstrafung. Als mildernd wertete der Schöffensenat bei A und D das Alter unter 21 Jahren und das Teilgeständnis, bei D auch dessen ordentlichen Lebenswandel, bei E, daß die Nötigung beim Versuch geblieben war. Bezüglich C und B wurden weder besondere Erschwerungs- noch Milderungsgründe angeführt.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft das Strafmaß bei allen Angeklagten als zu gering. B und C begehren jeweils eine Strafreduktion und die Gewährung bedingter Strafnachsicht.

Der Staatsanwaltschaft ist beizupflichten, daß die bei der überwindung des Widerstands der F ausgeübte Gewaltanwendung eine durchaus erhebliche war;

dennoch gelang es nur einem der Täter, den Geschlechtsverkehr zu vollziehen.

Die größere Anzahl der Täter wiederum, welche allein schon den Widerstand des Opfers erlahmen ließ, ist bei der Bestrafung jedes einzelnen in Anschlag zu bringen. Nicht übersehen werden darf aber auch, daß inhaltlich des Urteils (S. 51 II. Bd.) sich die Angeklagten vor der Tat zu einer Geburtstagsfeier in einem Lokal mit

F getroffen haben, wo diese Frau, eine Mutter von vier Kindern, bei einigen Männern der Gesellschaft die Behaarung der Brust und die Größe des Geschlechtsteils durch Betasten prüfte. Es erscheint daher weder aus general- noch aus spezialpräventiver Sicht eine Anhebung des jeweils gefundenen Strafmaßes geboten.

C wiederum hat entgegen seinen Berufungsausführungen zur Wahrheitsfindung nicht wesentlich beigetragen, hat er doch seinen eigenen Tatbeitrag geleugnet und sein sonstiges Verhalten stets verniedlicht. In untergeordneter Weise wiederum war er nicht tätig, auch er trachtete an der widerstandsunfähigen Frau den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Die im Verhältnis des § 31 StGB stehenden beiden Vorstrafen, schließen allein schon die Annahme des besonderen Milderungsgrunds nach § 34 Z. 2 StGB aus, sodaß eine Prüfung, ob die Tat zu dem sonstigen Verhalten CS in Widerspruch stand, entfallen kann.

Selbst wenn C in heftiger Gemütsbewegung gehandelt haben will, so war diese doch zugegebenermaßen nicht allgemein begreiflich im Sinn des § 34 Z. 8 StGB Daß er aber in einem Rauschzustand (§ 35 StGB) gehandelt hätte, geht aus dem Urteil nicht hervor.

Soweit er letztlich auf die außergerichtlichen Folgen seiner Tat (kurzfristiger Arbeitsplatzverlust, Wohnungswechsel) verweist, genügt es ihm zu entgegnen, daß das Verbrechensopfer nach seiner Aussage teilweise noch immer an den Nachwirkungen der Tat leidet (ON 83 = S. 471 f., I. Bd.).

Die Anordnung des außerordentlichen Milderungsrechtes oder die Gewährung bedingter Strafnachsicht kommen daher nicht in Frage.

Dies gilt auch für B. Das im Urteil als anstößig beschriebene Verhalten der Zeugin F im Lokal hat die Erkenntnis des Berufungswerbers, daß sie hernach einem Geschlechtsverkehr nicht zustimmt, in keiner Weise beeinträchtigt, weil sie dazu von den Tätern erst zielstrebig in eine abgeschiedene Gegend gebracht und dort massiv Gewalt gegen sie eingesetzt wurde. Zwei Vorstrafen schließen den besonderen Milderungsgrund des § 34 Z. 2 StGB und die Anwendung des § 43 Abs 1 StGB aus. In die Kosten des Rechtsmittelverfahrens waren nur die Angeklagten B und C zu verfällen, nicht aber die Angeklagten A, D und E, bezüglich welcher nur ein ganz erfolglos gebliebenes Rechtsmittel des Gegners vorlag (§ 390 a StPO).

Anmerkung

E05716

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00064.85.0605.000

Dokumentnummer

JJT_19850605_OGH0002_0130OS00064_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten