TE OGH 1985/6/20 12Os91/85

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Veröffentlicht am 20.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Juni 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger (Berichterstatter), Dr. Walenta, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernst A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 7.April 1981, GZ. 19 E Vr 67/79-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 7.April 1981, GZ. 19 E Vr 67/79-18, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 53 Abs. 3 StGB.

Dieser Beschluß und alle darauf beruhenden Verfügungen (insbesondere die Strafvollzugsanordnung S. 78) werden aufgehoben und es wird gemäß § 292 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Der Antrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten vom 18.Juni 1980 auf Widerruf der dem Verurteilten Ernst A gewährten bedingten Strafnachsicht wird abgewiesen und die Strafe endgültig nachgesehen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 31.Jänner 1979, GZ. 19 E Vr 67/79-12, wurde Ernst A des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. schuldig erkannt und hiefür (unter Anrechnung der Vorhaft vom 24.Dezember 1978, 12.30 Uhr, bis 31. Jänner 1979, 9.45 Uhr) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB.

wurde die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gleichzeitig wurde dem Verurteilten - soweit hier von Bedeutung - die Weisung erteilt, eine Arbeit anzunehmen, den Schaden (von 55.000 S zum Nachteil der Österreichischen B AG. und 7.700 S zum Nachteil des 'Eigentümers der Pension St. Stefan') in monatlichen Raten zu je 5.000 S gutzumachen und dem Gericht diese Ratenzahlungen vierteljährlich nachzuweisen (S. 54). Das Urteil ist am selben Tag in Rechtskraft erwachsen. Mit Schriftsatz vom 11.Juni 1980 teilte Rechtsanwalt Dr. Max C namens der Österreichischen B AG., Filiale St. Pölten, dem Kreisgericht St. Pölten mit, daß Ernst A bisher nur drei Zahlungen zur Schadensgutmachung erbracht hat, und zwar am 6.April 1979 4.803,42 S, am 18.Mai 1979 4.085 S und am 13.November 1979 3.831,20 S (S. 64).

Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft St. Pölten am 18.Juni 1980 den Antrag 'auf Vorgehen nach dem § 53 Abs. 3 StGB.' (S. 65). Zu diesem Antrag wurde Ernst A, der in die Schweiz verzogen war, am 24. Oktober 1980 im Rechtshilfeweg durch die Bezirksanwaltschaft Uster vernommen. Er gab an, im Jahre 1979 auch den Schaden des Eigentümers der Pension St. Stefan in der Höhe von 7.700 S gutgemacht zu haben. Im übrigen sei er nicht aus bösem Willen, sondern infolge seiner gespannten finanziellen Situation der ihm erteilten Weisung nur teilweise nachgekommen. Er sei als Saisonkellner in der Schweiz tätig und erhalte jeweils nur für neun Monate pro Jahr eine Arbeitsbewilligung. Während der übrigen Zeit sei er arbeitslos. Er werde unbeschadet der seiner Meinung nach 'viel zu hohen' Ratenverpflichtung im November 1980 2.000 S an die B überweisen. Weitere Zahlungen werden ihm allerdings erst im Jahre 1981 möglich sein, da seine derzeitige Saisonbewilligung Ende Oktober 1980 ablaufe und er erst ab 1.Jänner 1981 eine neue Saisonbewilligung erhalten werde. 'Im Verlaufe des nächsten Monats' werde er beim Kreisgericht St. Pölten vorsprechen, um eine 'Vereinbarung' zu treffen (gemeint ersichtlich: um eine Herabsetzung der Ratenverpflichtung zu erwirken). Gleichzeitig mit der Vernehmung wurde Ernst A förmlich ermahnt und auf die Möglichkeit des Widerrufes der bedingten Strafnachsicht für den Fall (der weiteren) Nichtbefolgung der Weisung hingewiesen (S. 67 bis 69). Da Ernst A in der Folge weder bei Gericht vorsprach noch Zahlungsbelege zum Nachweis seiner (weiteren) Schadensgutmachung vorlegte, faßte das Kreisgericht St. Pölten am 7.April 1981 den Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht, wobei es in der Begründung mit Beziehung auf dessen Vernehmung im Rechtshilfewege vom 24.Oktober 1980 im wesentlichen ausführte, 'im Hinblick auf den verstrichenen Zeitraum' seit Ankündigung weiterer Zahlungen bzw. einer Vorsprache bei Gericht sei unter Zugrundelegung seiner damaligen Angaben über sein Einkommen und seine Sorgepflichten anzunehmen, daß er der erteilten Weisung aus bösem Willen nicht nachgekommen sei (S. 76, 77).

Dieser Beschluß wurde Ernst A am 6.Mai 1981 im Rechtshilfewege zu eigenen Handen zugestellt (Rückschein bei ON. 20) und blieb unbekämpft.

Am 3.August 1981 ordnete das Kreisgericht St. Pölten den Strafvollzug an (S. 78), stellte Ernst A im Rechtshilfeweg am 19. Oktober 1981 die Aufforderung zum Strafantritt (StPO-Form StV 4) zu (S. 85) und verständigte mittels StPO-Form StV 1 das kreisgerichtliche Gefangenenhaus St. Pölten von der Anordnung des Strafvollzuges sowie das Strafregisteramt vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht (S. 78). Infolge Nichtantrittes der Freiheitsstrafe (S. 83) veranlaßte es sodann am 4.Dezember 1981 die Ausschreibung des Ernst A zur Verhaftung und ließ am 5.Juli 1982 das Urteil in das Verzeichnis unvollstreckter Strafen eintragen (S. 90).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten vom 7.April 1981, GZ. 19 E Vr 67/79-18, womit die mit Urteil desselben Gerichtes vom 31. Jänner 1979 gewährte bedingte Strafnachsicht der über Ernst A verhängten zehnmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen wurde, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 53 Abs. 3 StGB. hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht (u.a.) zu widerrufen und die Strafe vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher während der Probezeit eine Weisung des Gerichtes trotz förmlicher Mahnung aus bösem Willen nicht befolgt. Der Widerruf nach dem ersten Fall der zitierten Gesetzesstelle setzt sohin die Erteilung einer förmlichen Mahnung und die nachfolgende Nichtbefolgung der - durch die Mahnung noch einmal nachdrücklich in Erinnerung gebrachten - Weisung aus bösem Willen voraus. Obzwar Ernst A vorliegend ungeachtet der förmlichen Mahnung anläßlich seiner Vernehmung durch die Bezirksanwaltschaft Uster vom 24. Oktober 1980, den restlichen Schaden gutzumachen, in der Folge keine weiteren Zahlungen leistete, erfolgte der Widerruf zu Unrecht:

Das Gericht hat es nämlich unterlassen, die nach dem Gesetz erforderliche Prüfung durchzuführen, ob der Verurteilte den Weisungen des Gerichtes in der für den Widerrufsbeschluß maßgebenden Zeit vom 24.Oktober 1980 bis 7.April 1981 'aus bösem Willen' nicht nachkam. Diese Prüfung war im vorliegenden Fall nach der Aktenlage umsomehr geboten, als Ernst A bei seiner Vernehmung am 24.Oktober 1980 ausdrücklich darauf hinwies, daß seine für 1980 gewährte 'Saisonbewilligung' Ende Oktober 1980 ablief und er erst ab 1. Jänner 1981 eine neue 'Saisonbewilligung' erhalten werde. Mangels einer Überprüfung, ob Ernst A von den Schweizer Behörden für das Jahr 1981 tatsächlich eine Saisonarbeitsbewilligung erhalten hat bzw. welche Einkünfte er sonst erzielte, durfte (allein) aus dem bloßen Zeitablauf seit seiner weitere Zahlungen ankündigenden Vernehmung vom 24.Oktober 1980 nicht schon der Schluß gezogen werden, er habe böswillig im Sinne des § 53 Abs. 3 StGB. keine weiteren Ratenzahlungen zur Schadensgutmachung erbracht (vgl. RZ. 1985/45).

Durch den Widerruf der bedingten Strafnachsicht ohne Überprüfung und Feststellung des Vorliegens aller im § 53 Abs. 3 StGB. normierten Voraussetzungen wurde das Gesetz daher in eben dieser Bestimmung zum Nachteil des Verurteilten, der die Strafe noch nicht verbüßt hat, verletzt.

Die Probezeit ist am 31.Jänner 1982 abgelaufen, ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht sohin nicht mehr zulässig (§ 56 StGB.; siehe auch die dem Akt angeschlossene Strafregisterauskunft vom 14. Mai 1985).

Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt sich ein Eingehen auf die verfahrensrechtliche Frage, ob mit Grund von einer (neuerlichen) Anhörung des Verurteilten vor der Entscheidung über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht (§ 495 Abs. 3 StPO.) Abstand genommen wurde.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war somit spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E06088

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00091.85.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19850620_OGH0002_0120OS00091_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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