TE OGH 1985/7/9 11Os106/85

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Veröffentlicht am 09.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Juli 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Dieter A wegen des Verbrechens der Erpressung nach dem § 144 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 14.März 1985, GZ 12 b Vr 775/84-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Erpressung nach dem § 144 Abs 1 StGB (Punkt I des Urteilssatzes) und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 30.Juni 1956 geborene Dieter A des Verbrechens der Erpressung nach dem § 144 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt. Darnach hat er am 23.Juni 1984 in Palterndorf Josef B mit Gewalt und durch gefährliche Drohung, nämlich durch Versetzen von Schlägen und durch die Ankündigung weiterer Schläge, zur Bezahlung von Getränken genötigt, was diesen am Vermögen schädigte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern (I), und B durch die Schläge vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihm eine Prellung und einen Bluterguß unter dem linken Auge und an der Unterlippe zufügte (II).

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde an, wobei er zur Erpressung (I) ersichtlich nur § 281 Abs 1 Z 5 StPO, zur Körperverletzung ausdrücklich § 281 Abs 1 Z 10, inhaltlich aber auch Z 5, StPO geltend macht. Den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Die Mängelrüge zeigt mit Recht auf, daß sich das Erstgericht, ohne sich mit der die Erpressung leugnenden Verantwortung näher auseinanderzusetzen, ausschließlich auf die am Ende der Hauptverhandlung wieder als richtig bestätigten ersten Angaben des Zeugen B vor der Gendarmerie stützt, aber keine Beweismittel dafür angibt, daß der Beschwerdeführer schon beim Versetzen der Schläge den 'erpresserischen Vorsatz' gefaßt hatte:

Die Urteilskonstatierungen erschöpfen sich in der Tat darin, daß Dieter A dem Josef B Schläge versetzte und weitere

ankündigte, um ihn zur Bezahlung von Getränken zu veranlassen. Nur weil er nicht geschlagen werden wollte, zahlte B weitere Getränke, die auch vom Angeklagten konsumiert wurden (S 134 oben). Im Rahmen der Beweiswürdigung ist lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die leugnende Verantwortung des Angeklagten durch die Aussagen des Zeugen B in der Hauptverhandlung, in der er letztlich seine ursprünglichen Angaben vor der Gendarmerie aufrecht erhielt, als widerlegt betrachtet werde (S 134 Mitte). Dieter A verantwortete sich aber durchgehend damit, daß er dem alkoholisierten Josef B, mit dem er gemeinsam zechte, deshalb einen Schlag ins Gesicht versetzte, weil dieser ihn beschimpfte. B habe ihm zwar auch Getränke bezahlt, sei hiezu aber nicht gezwungen worden (S 27, 33, 99, 100 in Verbindung mit S 127, sowie S 123, 124). Josef B hingegen beschuldigte A bei den kurz nach der Tat einsetzenden Gendarmerieerhebungen des Raubes seiner Brieftasche mit 18.000 S Inhalt. Dieser habe ihm Faustschläge ins Gesicht versetzt und die Brieftasche gewaltsam entrissen (S 21). Später stellte sich allerdings heraus, daß nur 1.500 S fehlten, weil sich das übrige Geld in der Wohnung des B fand (S 43, 45) und ihm die Brieftasche auch nicht durch Schläge abgenötigt, sondern nur aus der Hand genommen worden war (S 73), weshalb wegen dieses, dem hier Gegenstand der Anklage bildenden Geschehen nachfolgenden Vorfalles mit dem in der Hauptverhandlung verlesenen (S 127) Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 30.August 1984, 11 b Vr 476/84-18 (ON 10) A auch nur des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 StGB schuldig erkannt wurde. In diesem Urteil wurde auch (die gegenständliche Tat betreffend) festgestellt, daß alle Beteiligten erheblich alkoholisiert waren, als es um 1 Uhr früh zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen A und B kam, nach deren Beendigung sie gemeinsam weiterzechten (S 84, 85).

Bei seiner ersten, dem hier angefochtenen Schuldspruch

zugrundegelegten niederschriftlichen Vernehmung wurden die Angaben

des Zeugen B wie folgt protokolliert: ... 'Er schlug mich ins

Gesicht. Nach den Schlägen sagte A zu mir, daß ich ihn

provoziert hätte. .... A verlangte anschließend, daß ich ihm

etwas zahle, da er mich sonst wieder schlagen werde. Aus Angst, daß

Dieter A seine Drohung wieder wahrmachen werde, habe ich ihm

einige LSD (gemeint: Cola-Wein-Mischungen) bezahlt' (S 19). Auch bei

weiteren Vernehmungen bestätigte der Zeuge, bezahlt zu haben, weil

ihm Schläge angedroht wurden (S 71, 93), erklärte dann aber in der

Hauptverhandlung, daß er schon getrunken hatte, als er von A 2

bis 3 Ohrfeigen bekam. Dann habe man weitergetrunken und er sei von

A aufgefordert worden, etwas zu bezahlen. Er habe bezahlt, um

nicht noch einmal geschlagen zu werden, bedroht sei er nicht worden

(S 125). Erst nach Vorhalt bestätigte er wieder seine erste Aussage

(S 19) als tatsachengerecht, er könne sich aber an den Wortlaut (der

Drohung) nicht mehr erinnern (S 126).

Schon aus der Darlegung dieser Beweisergebnisse ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Urteilsannahme, der Angeklagte habe schon die Schläge mit dem Vorsatz geführt, um den Zechkumpanen zur Bezahlung von Getränken zu nötigen. Noch weniger Substrat ergibt sich für die (nur durch Zitierung der verba legalia im Spruch getroffene) Feststellung, der Angeklagte habe die Schläge und die (als gefährliche Drohung nach § 74 Z 5 StGB zu qualifizierende ?) Ankündigung weiterer Schläge mit dem Vorsatz abgegeben, sich (oder Dritte) unrechtmäßig zu bereichern. Der Forderung des A, weitere Getränke zu bezahlen, können bei milieu- und situationsgerechter Betrachtung auch andere Beweggründe als unrechtmäßige Bereicherung zugrundeliegen, gehört es doch - so auch die Verantwortung des A (S 123) - zu den Gepflogenheiten von Zechkumpanen, Einladungen zum Mittrinken auszusprechen, aber dann auf entsprechende Gegeneinladungen zu dringen.

Damit zeigt sich aber, daß die Urteilsbegründung in entscheidenden Punkten unvollständig blieb, weil im Beweisverfahren hervorgekommene Umstände (Trunkenheit der Beteiligten, Grund der tätlichen Auseinandersetzung, Ablauf der Ereignisse, Motiv für die Zahlungsaufforderung), die durchaus einer kontroversiellen Deutung zugänglich sind, mit Stillschweigen übergangen und nicht gewürdigt wurden; dies, obwohl sich die Aussagen des einzigen Belastungszeugen in anderen Punkten nicht als verläßlich erwiesen hatten (Mayerhofer-Rieder 2 , E 61, 62 zu § 281 Z 5 StPO). Damit stand schon bei der nichtöffentlichen Beratung fest, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung in erster Instanz unumgänglich ist, weshalb in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Schuldspruch wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB zu kassieren war (§ 285 e StPO).

Wenn die Beschwerde im übrigen auch den Schuldspruch wegen Körperverletzung (II) als rechtsirrig (Z 10), inhaltlich aber hinsichtlich der Verletzungsfolgen als unzureichend begründet (Z 5) bekämpft, ist sie nicht im Recht. Diesbezüglich konnte sich das Gericht auf das Geständnis des Angeklagten im Sinn des Punktes II der Anklageschrift, die sich wieder auf die Verletzungsanzeige (S 41) stützt, berufen (S 123, 134). Die Rüge aber, die Staatsanwaltschaft habe Anklage wegen des Vergehens nach § 83 Abs 2 StGB erhoben, weil 'A wohl in Mißhandlungs-, nicht aber in Verletzungsabsicht' handelte, ist zunächst aktenwidrig (Anklage auch nach § 83 Abs 1 StGB - S 113), vernachlässigt die (im Spruch enthaltene) Feststellung der vorsätzlichen Verletzung und bringt damit überhaupt keinen zum Vorteil des Angeklagten ausschlagenden Einwand vor, weil es angesichts der rechtlich gleichwertigen Begehungsweisen ein- und desselben gesetzlichen Tatbildes unerheblich ist, ob der Schuldspruch nach Abs 1 oder Abs 2 des § 83 StGB gefällt wurde (Mayerhofer-Rieder 2 , E 41 zu § 281 Z 10 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen Körperverletzung (II) richtet, als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO ebenfalls schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen, seine Verfällung in den Kostenersatz gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E06083

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00106.85.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19850709_OGH0002_0110OS00106_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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