TE OGH 1985/7/30 7Ob600/85 (7Ob601/85)

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Veröffentlicht am 30.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei G***** Bank *****, vertreten durch Dr. Klaus Galle, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien Joachim Andreas D*****, und Ida G*****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, wegen S 332.726,25 s.A. und S 328.976,37 s.A. infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16.April 1985, GZ 11 R 67/85-27, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 10.August 1984, GZ 6 Cg 320/83-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei je zur Hälfte die mit S 21.741,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.840,-- Barauslagen und S 1.627,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei gewährte den Beklagten auf Grund von Bausparverträgen Zwischenfinanzierungen zum Ankauf von Grundstücken, die ab dem Zeitpunkt der Zuteilung aus den Bausparverträgen in Bauspardarlehen umgewandelt wurden. Der Zinssatz betrug für die Zwischenfinanzierung 10 %, für die Bauspardarlehen 6 %, im Falle eines Verzuges jedoch 7 %. Der Kapitalbetrag wurde von der klagenden Partei im Auftrag der Beklagten an den Rechtsanwalt Dr. Walter M***** als Treuhänder ausbezahlt. Dieser verpflichtete sich, binnen 6 Monaten nach Auszahlung des Treuhandbetrages zur Vorlage verschiedener Urkunden zum Nachweis der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten und des Pfandrechtes der klagenden Partei. Die Beklagten übernahmen neben dem Treuhänder die Haftung für die Rückzahlung des Treuhandbetrages unter anderem für den Fall der Nichterfüllung der Treuhandbedingungen. Der Nachweis der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Beklagten und des Pfandrechtes der klagenden Partei wurde vom Treuhänder trotz mehrfacher Mahnungen und der Gewährung einer Nachfrist nicht erbracht und der Treuhandbetrag von ihm auch nicht an die klagende Partei zurückbezahlt. Unter Berücksichtigung der Zinsen und Nebengebühren weist das den Erstbeklagten betreffende Konto einen Debetsaldo von S 332.726,25 und das die Zweitbeklagte betreffende Konto einen solchen von S 328.976,37 aus.

Die klagende Partei begehrt diese Beträge, gestützt auf die vereinbarte Haftungsübernahme der Beklagten.

Die Beklagten behaupten Sittenwidrigkeit der Vereinbarung. Sie hätten den Treuhandbetrag nie erhalten, der Treuhänder sei auch bereits rechtskräftig zur Rückzahlung an die klagende Partei verurteilt worden.

Das Erstgericht gab beiden Klagebegehren statt. Es verneinte eine Sittenwidrigkeit der Haftungsvereinbarung.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Revisionsausführungen über den Darlehensvertrag gehen an der hier entscheidenden Rechtsfrage vorbei, weil die klagende Partei ihre Ansprüche auf die von den Beklagten in der Treuhandvereinbarung übernommene Haftung stützte (Seite 2 der Klagen).

Zutreffend hat aber das Berufungsgericht eine Unwirksamkeit der in den von der klagenden Partei stammenden Vertragsformblättern enthaltenen Vertragsbestimmung über die Haftungsübernahme der Beklagten nach § 864 a und nach § 879 Abs 3 ABGB verneint. Nach der in erster Linie zu beurteilenden Bestimmung des § 864 a ABGB werden ungewöhnliche Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in Vertragsformblättern dann nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde nicht zu rechnen brauchte, es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen darauf hingewiesen. Bei der Beurteilung der Ungewöhnlichkeit einer Vertragsbestimmung kommt es auf deren Inhalt allein nicht an. Dieser spielt allerdings im Zusammenhang mit der Stellung der Vertragsbestimmung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich besonders aus der Art ihrer Einordnung in die allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in das Vertragsformblatt. Dies dann, wenn die fragliche Bestimmung im Vertragstext derart versteckt ist, dass sie der Vertragspartner dessen, der den Vertragstext verwendet, dort nicht vermutet, wo sie sich befindet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (Krejci in Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz, 112; SZ 56/62). Bei der Finanzierung von Grundstückskäufen durch Bauspardarlehen wird regelmäßig ein Treuhänder eingeschaltet und in der Treuhandabrede auch eine Haftungsübernahme der Darlehenswerber vorgesehen. Nach den im vorliegenden Fall verwendeten Vertragsformblättern ist diese Haftungsübernahme durch die Beklagten nicht an einem versteckten Ort, sondern dort zu finden, wo sie nach dem Vertragsaufbau vermutet werden konnte, nämlich in dem Abschnitt über den Überweisungsauftrag und die Haftungserklärung. Dieser Vertragsabschnitt wurde auch so bezeichnet und durch Unterstreichen deutlich hervorgehoben. Ein weiterer Hinweis war nach Treu und Glauben für die Beklagten daher nicht geboten (SZ 56/62), sodass auch die Argumentation der Revision mit der Verletzung einer Aufklärungspflicht nicht stichhältig ist. Die üblichkeit einer Haftungsübernahme der Darlehenswerber bei Einschaltung eines Treuhänders könnte ihr zwar noch keine rechtliche Relevanz verleihen. Sie ist jedoch nach der Art des Rechtsgeschäftes sachlich angemessen (vgl hiezu Krejci a.a.O. 113). Diese Beurteilung führt aber bereits zur Prüfung nach § 879 Abs 3 ABGB, ob die Vertragsbestimmung die Beklagten gröblich benachteiligte. Fraglich könnte hier zwar schon sein, ob es sich bei der von den Beklagten bekämpften Vertragsbestimmung nicht um eine solche handelt, die die beiderseitige Hauptleistung festlegt, sodass sie einer Nichtigkeitskontrolle überhaupt entzogen wäre, diente doch die Haftungsübernahme durch die Beklagten zweifellos der Sicherstellung des Darlehensgebers und könnte demnach als vertragstypische Leistung angesehen werden. Die Frage braucht jedoch nicht entschieden zu werden, weil jedenfalls eine gröbliche Benachteiligung der Beklagten nicht vorliegt. In den Fällen gesetzlich nicht geregelter Ordnungsfragen sind vertragliche Nebenbestimmungen nur dann gröblich benachteiligend, wenn die dem benachteiligten Vertragspartner zugedachte vertragliche Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (Krejci a.a.O. 167), wobei dies auf Grund einer die Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Interessenabwägung zu beurteilen ist (SZ 56/62). Bei der beabsichtigten Finanzierung eines Grundstückskaufes durch ein Bauspardarlehen ist der Käufer einerseits nicht in der Lage, dem Darlehensgeber vor oder Zug um Zug mit der Darlehenshingabe das vereinbarte Pfandrecht an der Liegenschaft zu begründen, weil er noch nicht Eigentümer ist, andererseits aber in der Regel gehalten, den Kaufpreis sofort zu bezahlen. Die Darlehensauszahlung vor Begründung der Sachhaftung liegt hier im Interesse des Käufers. Es ist dann aber sachgerecht, dass das mit der Darlehensauszahlung vor Begründung einer Sachhaftung verbundene Risiko dadurch abgeschwächt wird, dass die Auszahlung des Darlehensbetrages an einen Treuhänder erfolgt, dem die bestimmungsgemäße Verwendung und die Durchführung der erforderlichen Grundbuchseintragungen obliegt. Unterbleibt die grundbücherliche Eintragung aus Gründen, die auf Seiten des Treuhänders liegen, ist der Darlehensgeber auf die Personalhaftung beschränkt, dessen vertragliche Erweiterung auf die Darlehenswerber schon für den Fall der Nichterfüllung der Treuhandbedingungen einen gewissen Ausgleich für die fehlende Sachhaftung schafft. Das damit verbundene Risiko der Darlehenswerber bei untreuem Treuhänder entspringt letztlich ihrer Interessenlage bei der Finanzierung eines Grundstückkaufes auf diese Art. Es ist dann aber sachgerecht, dieses Risiko auf sie zu überwälzen. Eine Vertragsbestimmung, durch die die Mithaftung der Darlehenswerber für die Rückzahlung des Treuhandbetrages bei Nichterfüllung der Treuhandbedingungen bestimmt wird, stellt daher keine gröbliche Benachteiligung der Darlehenswerber im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB dar.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E06280

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00600.85.0730.000

Im RIS seit

12.12.2012

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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