TE OGH 1985/9/8 5Ob63/85

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Veröffentlicht am 08.09.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler, Dr.Jensik, Dr.Zehetner und Dr.Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Gertraud A, Angestellte, Wien 17.,

Geblergasse 27/7-8, vertreten durch Dr.Walter Schuppich und Dr.Werner Sporn, Dr.Michael Winischhofer und Dr.Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin Annemarie B, Hauseigentümerin, Wien 17., Geblergasse 27/6 und 10, vertreten durch Dr.Johannes Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8, § 44 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 27.März 1985, GZ 41 R 186/85-22, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 17.Oktober 1984, GZ 5 Msch 67/83-15, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 80,-- S bestimmten Barauslagen des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist aufgrund des Mietvertrages vom 15.5.1973 Mieterin der Wohnung top.Nr.7 und 8 im Haus der Antragsgegnerin in Wien 17., Geblergasse 27. Diese Wohnung, die nach dem vorerwähnten Mietvertrag aus zwei Zimmern, Kabinett, Küche, Vorzimmer sowie Bad besteht, weist - wie außer Streit steht - eine Nutzfläche von 78 m 2 auf. Von Mai 1982 bis einschließlich März 1983 schrieb die Antragsgegnerin der Antragstellerin monatlich 869,88 S an Hauptmietzins und 460,-- S an Betriebskosten vor; seit 1.4.1983 werden der Antragstellerin von der Antragsgegnerin monatlich 869,88 S an Hauptmietzins und 641,92 S an Betriebskosten vorgeschrieben.

Die Antragstellerin, die auf dem Standpunkt steht, daß die Wohnung bei Abschluß des Mietvertrages in die Kategorie D einzuordnen gewesen sei, begehrt von dem gemäß § 40 Abs 2 MRG angerufenen Erstgericht (AS 33) 1.) gemäß § 44 Abs 3 MRG die Feststellung, daß die Vereinbarung über die Höhe des (monatlichen) Hauptmietzinses ab dem 1.5.1982 insoweit rechtsunwirksam sei, als sie den Betrag von 643,50 S (= 5,50 S x 78 m 2 + 50 %) übersteige, und 2.) gemäß § 37 Abs 3 MRG die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr einen Betrag von 4.301,22 S zurückzuzahlen. Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung des Antrages mit der Begründung, daß die Wohnung bereits bei Abschluß des Mietvertrages die Ausstattungsmerkmale der Kategorie B aufgewiesen habe. Das Erstgericht entschied im Sinne des Antrages. Seine Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das im Mietvertrag nicht erwähnte WC befand sich im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages weder in der Wohnung top.Nr.7 noch in der Wohnung top.Nr.8, sondern auf dem Gang; es war nicht funktionsfähig. Auch die Wasserentnahmestelle war nicht in einer der Wohnungen, sondern auf dem Gang. Bei dem im Mietvertrag erwähnten Bad handelte es sich um eine in der Küche der einen Wohnung frei stehende Badewanne ohne Anschlüsse.

Das Rekursgericht wies den Antrag der Antragstellerin ab. Es übernahm zwar die erstgerichtlichen Feststellungen in Ansehung des Bades, gelangte aber im übrigen auf Grund einer Beweiswiederholung und -ergänzung zu folgenden Feststellungen:

Bereits der Voreigentümer C hat den Gangteil, der das Klosett enthält, in den Wohnungsverband einbezogen, der aus den Wohnungen top.Nr.7 und 8 besteht. Zu diesem Zweck hat er die Wohnungseingangstür zu top.Nr.7 vorversetzt, sodaß das Klosett vom allgemeinen Gang aus nicht mehr zugänglich war. Die Antragstellerin hat lediglich an die Stelle der von C versetzten großen Türe eine kleine weiße Türe montieren lassen. Im Wohnungsverband war zur Zeit des Vertragsabschlusses ein Klosett, aber auch eine Wasserentnahmestelle vorhanden. Letztere hat jedoch nicht funktioniert. Funktionsmängel betreffend Klosett und Wasserentnahmestelle hat die Antragstellerin der damaligen Hauseigentümerin nicht angezeigt; sie hat von ihr auch deren Behebung nicht begehrt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus:

Es sei von einer Wohnung auszugehen, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages über eine Wasserentnahmestelle und ein Klosett im Wohnungsverband verfügt habe. Damit sei aber eine Wohnung der Kategorie C vorgelegen. Der nach § 16 Abs 2 Z 3 MRG hiefür höchstzulässige Hauptmietzins betrage vor dem 1.2.1984 858,-- S und danach 951,60 S, das 1 1/2-fache im Sinne des § 44 Abs 2 Z 2 MRG somit 1.287,-- S bzw. 1.427,60 S. Die Unbrauchbarkeit des Klosetts und der Wasserentnahmestelle verhindere die Einordnung der Wohnung in die Kategorie C nicht. Es reiche aus, daß die im § 16 Abs 2 Z 3 MRG genannten Ausstattungsmerkmale vorhanden gewesen seien. Die Unbrauchbarkeit derselben würde die Einordnung der Wohnung in die Kategorie D nur dann nach sich ziehen, wenn die Antragstellerin diese Unbrauchbarkeit dem Vermieter angezeigt und dieser nicht innerhalb einer angemessenen Frist die Funktionsstörungen beseitigt hätte (vgl.MietSlg.35.325). Eine Mängelanzeige habe die Antragstellerin jedoch nicht erstattet. Da der vereinbarte und vorgeschriebene Hauptmietzins in der Höhe von S 869,88 den nach § 44 Abs 2 Z 2 MRG errechneten Hauptmietzins somit nicht erreiche, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

Gegen den abändernden Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Sachbeschluß wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Antragstellerin verweist zunächst auf ihre Aussage vor dem Rekursgericht,daß sie die bei übergabe der Wohnung vorhanden gewesenen Mängel der damaligen Hauseigentümerin deshalb nicht angezeigt habe, weil sich diese im Gefängnis befunden habe und von einem inhaftierten Vermieter eine Behebung von Mängeln innerhalb angemessener Frist nicht erwartet werden könne. Im übrigen könne ihr die Unterlassung der erst am 1.1.1982 erforderlich gewordenen Mängelanzeige im Jahre 1973 nicht zum Nachteil gereichen; sie habe bei Mietvertragsabschluß und Wohnungsübernahme nicht vorhersehen können, daß die Anzeige der Unbrauchbarkeit von Klosett und Wasserentnahmestelle rund 10 Jahre später für die Einordnung der von ihr gemieteten Wohnung in die Ausstattungskategorien von Bedeutung sein werde. Schließlich müsse es unerfindlich bleiben, warum sie bei den von ihr mit Zustimmung der Vermieterin geplanten und durchgeführten umfassenden Umbau- und Renovierungsarbeiten in der gegenständlichen Wohnung gerade die Unbrauchbarkeit des Klosetts und der Wasserentnahmestelle der Hauseigentümerin hätte melden sollen. Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (5 Ob 6/84, 5 Ob 72/84, 5 Ob 19/85), ist es Zweck der im § 16 Abs 2 Z 4 MRG normierten Anzeigepflicht des Mieters, den Vermieter in die Lage zu versetzen, die ihm drohende dauernde Einstufung der vermieteten Wohnung in die Ausstattungskategorie D durch die nachträgliche Instandsetzung der unbrauchbaren Wasserentnahmestelle oder den unbrauchbaren Klosetts innerhalb einer dafür angemessenen Frist zu verhindern. Diese dem Vermieter gesetzlich gewährte Frist wird erst durch die Anzeige des Mieters, daß er die Unbrauchbarkeit der Wasserentnahmestelle oder des Klosetts bemängle, in Lauf gesetzt; selbst die bloße Kenntnis des Vermieters vom Vorhandensein dieser Mängel reicht zur gesetzlich festgelegten Folge der Einstufung der Wohnung in die Ausstattungskategorie D nicht hin, wenn ihm nicht durch die Beanstandungsanzeige der Wille des Mieters zur Kenntnis gebracht wurde, im Falle des Verzuges mit der Mängelbehebung die daraus entspringende Dauerrechtsfolge in Anspruch zu nehmen. Wenn der Mieter, anstatt dem Vermieter eine Bemängelungsanzeige zukommen zu lassen, die Unbrauchbarkeit der Wasserentnahmestelle oder des Klosetts selbst behebt und dadurch die nachträgliche Verbesserung dieser Mängel in der Wohnungsausstattung durch den Vermieter vereitelt, kommt eine Einstufung der Wohnung in die Ausstattungskategorie D wegen Unbrauchbarkeit der Wasserentnahmestelle oder des Klosetts nicht mehr in Betracht. Gerade in Fällen wie dem gegenständlichen, in denen der Mieter mit (schon im Mietvertrag erteilter) Zustimmung des Vermieters umfassende Umbau- und Renovierungsarbeiten in der Wohnung plant und durchführt, bedarf es einer Mängelanzeige und Mängelbehebungsaufforderung des Mieters, um klarzustellen, daß dieser die gemäß § 16 Abs 2 Z 4 MRG aus dem Verzug mit der Mängelbehebung entspringende Dauerrechtsfolge in Anspruch nehmen will. Der Umstand allein, daß sich der Vermieter in Haft befindet, ändert daran nichts. Aber auch daraus, daß die Bestimmung des § 16 Abs 2 Z 4 MRG erst am 1.1.1982 in Kraft getreten ist, ist für die Antragstellerin nichts zu gewinnen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 23.10.1984, 5 Ob 72/84, die Auffassung abgelehnt, § 16 Abs 2 Z 4 MRG sei insoweit, als er die Einstufung einer Wohnung mit zwar im Innern vorhandener, aber nicht brauchbarer Wasserentnahmestelle oder einem solchen Klosett in die Kategorie D davon abhängig macht, daß diese Wasserentnahmestelle oder dieses Klosett auch nicht innerhalb angemessener Frist nach Anzeige durch den Mieter vom Vermieter brauchbar gemacht wird, auf Herabsetzungsbegehren nach § 44 Abs 2 und 3 MRG nicht anwendbar. Wie in dieser Entscheidung dargelegt wurde, folgt vielmehr aus § 43 Abs 1 MRG, wonach das erste Hauptstück des Mietrechtsgesetzes, insoweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, auch für Mietverträge gilt, die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossen worden sind, sowie aus § 44 Abs 2 und 3 MRG, der fingiert, das Mietrechtsgesetz habe bereits im Zeitpunkt der Mietzinsvereinbarung gegolten, und eine diesbezügliche Ausnahme nicht erkennen läßt, das Gegenteil. Es ging schon im Hinblick auf das Gebot der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen nicht an, dem Gesetzgeber zu unterstellen, er habe die im § 44 Abs 2 und 3 MRG enthaltene Fiktion der Geltung des § 16 MRG bereits im Zeitpunkt des Abschlusses der vor dessen Inkrafttreten zustandegekommenen Hauptmietzinsvereinbarungen auf jene Bestimmungen beschränken wollen, deren Anwendung dem Mieter zum Vorteil gereicht. Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG, §§ 41,50 ZPO.

Anmerkung

E06248

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00063.85.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19850908_OGH0002_0050OB00063_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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