TE OGH 1985/9/19 12Os109/85

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Veröffentlicht am 19.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.September 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Horak, Dr. Hörburger und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Anton A und Bruno B wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Deliktsfall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 21.März 1985, GZ 4 Vr 4364/84-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, sowie der Verteidiger Dr. Brandstetter und Dr. Essenther, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 13.März 1942 geborene Anton A und der am 10.Juli 1967 geborene Bruno B der Vergehen 1.) des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 erster Deliktsfall StGB, 2.) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB und 3.) der Beleidigung nach §§ 115, 117 Abs. 2 StGB schuldig erkannt.

Gegen den Schuldspruch wenden sich der Angeklagte Anton A mit einer ziffernmäßig auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit b und 10 (der Sache nach auch Z 4) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und der Angeklagte Bruno B mit einem - nach Anmeldung von Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung - in der Ausführung als 'volle Berufung wegen Vorliegens von Nichtigkeitsgründen, Schuld und Strafe' bezeichneten Rechtsmittel, mit welchem, soweit es der Sache nach als Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde anzusehen ist, die Gründe der Z 5 und 9 lit a (inhaltlich auch 9 lit b) der zitierten Gesetzesstelle geltend gemacht werden. Der Strafausspruch wird von beiden Angeklagten mit Berufung angefochten. Die Schuldberufung hat der Angeklagte B im Gerichtstag zurückgezogen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Anton A:

Gestützt auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO rügt der genannte Angeklagte die Unterlassung der zeugenschaftlichen Vernehmung der am Tatort anwesend gewesenen Andreas A und Werner C als Ursache für die seiner Meinung nach mangelhafte Begründung des Schuldspruches wie auch als Verfahrensmangel.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtausschöpfung zur Verfügung stehender Beweismittel kann jedoch mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht wirksam geltend gemacht werden (SSt 41/10). Für die Relevierung als Verfahrensmangel im Sinne der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO mangelt es dagegen an den formalen Voraussetzungen, weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung (vgl ON 14, insbesondere S 43) keinen Antrag auf Vernehmung der eingangs genannten beiden Personen als Zeugen gestellt hat. Die prozeßordnungsmäßige Geltendmachung des bezeichneten Nichtigkeitsgrundes setzt aber voraus, daß während der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder durch ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, was vorliegend sohin nicht zutrifft.

Mit dem gegenständlichen Beschwerdevorbringen wird daher weder der Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO noch jener der Z 5 der genannten Gesetzesstelle gesetzmäßig ausgeführt. Mit seinem Vorbringen in der Rechtsrüge, wonach er - nach seiner Verantwortung - von den Gendarmeriebeamten, denen gegenüber er nach dem Inhalt des Schuldspruches (Pkt 1) das Vergehen nach § 269 Abs. 1, 1. Deliktsfall StGB gesetzt hat, zu Unrecht beanstandet worden sei, weshalb die Voraussetzungen des § 269 Abs. 4 StGB gegeben seien, aber auch die übrigen Tatbestände, deretwegen er verurteilt wurde, rite nicht vorlägen und 'die ihm angelastete Tat' durch unrichtige Auslegung gesetzlichen Bestimmungen unterzogen worden sei, die darauf nicht anzuwenden seien, bringt er weder die von ihm hiedurch als verwirklicht erachteten Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO noch einen anderen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen Darstellung. Denn zum einen geht er nicht von den Feststellungen des Erstgerichtes aus, wonach gegen ihn der Verdacht einer übertretung nach der Gewerbeordnung (unbefugtes Hausieren) und nach der Parkscheibenverordnung (Parken seines PKW Kombi in einer Kurzparkzone ohne Parkschein) vorgelegen ist und er die Ausweisleistung gegenüber den einschreitenden Gendarmeriebeamten, welche seine Identität nicht kannten, verweigerte (S 48, 49). Zum anderen lassen seine allgemein gehaltenen Beschwerdebehauptungen jede Substantiierung vermissen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Bruno B:

Soweit dieser Angeklagte in Ausführung seiner auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten Beschwerde einen Begründungsmangel darin erblickt, daß das Erstgericht bei seinen Feststellungen nicht die Angaben der in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten Alois D E (S 39) und Josef F (S 42) berücksichtigt habe, wonach sich der festgenommene Mitangeklagte Anton A schon in deren Dienstfahrzeug befand, als der Beschwerdeführer den erstgenannten Gendarmeriebeamten von hinten erfaßte (Zeuge D E S 39: 'um A aus dem Dienstwagen zu befreien'), kommt diesem Umstand keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil die Amtshandlung der 'Eskortierung des Anton A in den Patrouillenwagen' (Urteilsspruch S 46) erst beendet war, als sich A dort in sicherem Gewahrsam befand. Solange die Amtshandlung - wie der Beschwerdeführer selbst zutreffend ausführt - noch 'durchgeführt' wurde und folglich nicht beendet war, konnte sohin der Beschwerdeführer durch gewaltsame Anstrengungen, den Mitangeklagten Anton A doch noch zu befreien, die Beamten in strafbarer Weise an ihrer Amtshandlung zu hindern versuchen. Im übrigen war auch der Transport des Anton A mit dem Patrouillenwagen zum Gendarmeriepostenkommando Vorau eine Amtshandlung. Der Versuch des Beschwerdeführers, die Gendarmeriebeamten daran zu hindern, ist ebenfalls ein von der Anklage erfaßtes (Mayerhofer/Rieder, StPO 2 ENr 8 und 10 zu § 281 Z 8) Verhalten, das alle Merkmale des Vergehens des (versuchten) Widerstandes gegen die Staatsgewalt erfüllt.

Rechtlich unmaßgeblich ist aber auch der Umstand, wo die dem Beschwerdeführer angelasteten Drohungen gegenüber den Gendarmeriebeamten geäußert wurden.

Was die Tatbildmäßigkeit jenes Verhaltens des Beschwerdeführers anlangt, welches seinem Schuldspruch wegen des Vergehens nach §§ 15, 269 Abs. 1, 1. Deliktsfall, StGB zugrundeliegt, so genügt es, auf die obigen Ausführungen zur Mängelrüge zu verweisen. Soweit er in diesem Zusammenhang bestreitet, daß er gegen den Gendarmeriebeamten D E überhaupt Gewalt angewendet hat, führt er seine Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus, weil er nicht von den gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichtes ausgeht. In welchem Zusammenhang der Tatort des Vergehens nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB - welches nach den Urteilsfeststellungen (S 51, 55 und 56) im übrigen sowohl am Ort der Festnahme des Anton A als auch während der Eskortierung und schließlich am Gendarmeriepostenkommando Vorau begangen wurde - mit dem den beiden Angeklagten vorgeworfenen Vergehen nach §§ 15, 269 Abs. 1,

1. Deliktsfall StGB stehen soll, wird in der Bschwerde nicht ausgeführt.

Unbegründet ist die Rechtsrüge des Angeklagten B, soweit sie die Ansicht vertritt, die ihm und seinem Mitangeklagten als Vergehen nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB angelasteten Drohungen - die Angeklagten haben nach dem Inhalt des Schuldspruches (Punkt 2/) die Gendarmeriebeamten Alois D E und Josef F anläßlich

jenes Vorfalles, der auch Gegenstand des Anklagevorwurfes in Richtung des Vergehens nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB war, durch die mehrmalige Äußerung, sie würden 'umgebracht' werden, mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu

versetzen - entbehrten der objektiven Eignung, den Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und ihre persönliche Beschaffenheit begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z 5 StGB) und seien daher nicht tatbildlich im Sinne des § 107 StGB. Denn derartige wiederholte Drohungen, ausgesprochen von augenscheinlich zur Gewalttätigkeit neigenden Personen, sind objektiv durchaus geeignet, auch Gendarmeriebeamte in Furcht und Unruhe zu versetzen, zumal sich entgegen den insoweit nicht von den Urteilsfeststellungen ausgehenden Beschwerdebehauptungen die - in Vorau

ausgestoßenen - Drohungen keineswegs auf die Ankündigung ihrer Verwirklichung 'wenn ich den in Graz erwische' beschränkten (vgl S 51, 58). Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, daß er das angedrohte übel nicht ernstlich in Aussicht gestellt habe, führt er neuerlich seine Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus, da er nicht von den Urteilsfeststellungen ausgeht, wonach er in subjektiver Hinsicht in der Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) handelte, die Gendarmeriebeamten durch die Drohungen in Furcht und Unruhe zu setzen (S 58).

Wohl keiner näheren Begründung bedarf es, daß - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - die öffentliche Beschimpfung einer anderen Person (hier: der in Ausübung ihres Dienstes begriffenen beiden Gendarmeriebeamten) mit den ordinären Schimpfworten 'Schweine und Arschlöcher' (Punkt 3/ des Schuldspruches) sehr wohl den Tatbestand des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs. 1 StGB erfüllt. Soweit der Beschwerdeführer jedoch weiters - damit der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO relevierend - den Entschuldigungsgrund des § 115 Abs. 3 StGB mit der Begründung für sich in Anspruch nimmt, es habe sich nur um eine 'Entrüstungsbeleidigung' gehandelt, zumal ihre Ursache in den äußeren Umständen, insbesondere in der Vorgangsweise der Beamten gegenüber seinem Freund Anton A gelegen gewesen sei, ist er ebenfalls nicht im Recht. Denn dieser Entschuldigungsgrund setzt unter anderem voraus, daß die Beleidigung in einer nach den Umständen entschuldbaren Weise erfolgt. Davon kann hier aber keine Rede sein, weil sich die beiden Gendarmeriebeamten sowohl gegenüber dem Beschwerdeführer selbst als auch gegenüber dem Angeklagten Anton A korrekt verhalten und eine dem Gesetz entsprechende, begründete Amtshandlung durchgeführt, demnach keinem der beiden Angeklagten irgendeinen objektiven Grund zu einer Beschimpfungsreaktion gegeben haben. Die zitierten Beschimpfungen beruhten daher in keiner Weise auf einem dazu Anlaß gebenden Verhalten der beschimpften Beamten, sondern ausschließlich in einem Charaktermangel der Angeklagten.

Zu Recht hat sohin das Erstgericht den Beschwerdeführer - wie auch den Angeklagten Anton A - auch des (Offizial-)Vergehens der Beleidigung nach §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Die sohin zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Bruno B und die nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Anton A waren daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten nach §§ 28, 269 Abs. 1 erster Strafsatz StGB zu (gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von je drei Jahren bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafen, und zwar Anton A zu 10 (zehn) Monaten und Bruno B unter Anwendung des § 11 JGG zu 3 (drei) Monaten. Dabei wertete es bei beiden Angeklagten das Zusammentreffen dreier Vergehen, bei A zusätzlich die einschlägige Vorstrafe als erschwerend, als mildernd hingegen, daß es beim Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben ist. Mit ihren Berufungen begehren die Angeklagten eine Herabsetzung ihrer Strafen, Bruno B ferner auch die Verkürzung der Probezeit und die Anwendung des § 13 JGG.

Beide Berufungen sind nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat die Strafbemessungsgründe im wesentlichen richtig erfaßt und gewürdigt. Lediglich beim Angeklagten B kommt als Milderungsgrund noch das Geständnis im Vorverfahren, das zur Wahrheitsfindung wesentlich beigetragen hat, hinzu. Die übrigen von den Berufungswerbern relevierten Milderungsgründe liegen jedoch nicht vor. Von achtenswerten Beweggründen und einer begreiflichen Gemütsbewegung kann bei beiden Angeklagten keine Rede sein, denn die Gendarmeriebeamten haben die Amtshandlung vorschriftsmäßig und korrekt durchgeführt. Auch liegt keine Unbesonnenheit vor, weil die Angeklagten ihr strafbares Verhalten erst einige Zeit nach Einleitung der Amtshandlung und nach erfolgter Abmahnung begonnen und fortgesetzt haben. Sorgepflichten stellen an sich keinen Milderungsgrund dar. Auch wenn der Erstangeklagte aus Not seinen Sorgepflichten nicht nachkommen konnte, wäre eine solche Notlage nicht der Beweggrund für die vorliegenden Straftaten gewesen, sodaß die Voraussetzungen des § 34 Z 10 StGB nicht vorliegen. Daß der Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben ist, wurde bereits vom Erstgericht als mildernd gewertet. Weil die Beamten durch die gefährliche Drohung in Furcht und Unruhe versetzt und durch die öffentlich ausgesprochenen Beleidigungen in ihrer Ehre verletzt wurden, kann der Meinung des Berufungswerbers nicht beigepflichtet werden, daß kein Schaden eingetreten sei. Schließlich liegt beim Angeklagten B das von ihm als Milderungsgrund geltend gemachte geringe Verschulden nicht vor. B wurde innerhalb einer gemäß § 13 JGG bestimmten Probezeit neuerlich (mehrfach) straffällig. Ein abermaliger Schuldspruch ohne Strafausspruch reicht somit nicht aus, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Die vom Erstgericht über beide Angeklagten verhängten Strafen sind tatschuldangemessen, sodaß eine Strafreduzierung nicht in Betracht kam. Ebensowenig besteht Anlaß zu einer Verkürzung der Probezeit.

Den Berufungen war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E06465

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00109.85.0919.000

Dokumentnummer

JJT_19850919_OGH0002_0120OS00109_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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