TE OGH 1985/9/19 12Os111/85

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Veröffentlicht am 19.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes

Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Hörburger (Berichterstatter) und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Walter A und andere wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Walter A, Herbert B und Gerfried C gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 24. April 1985, GZ 7 Vr 565/85-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Tschulik, der Angeklagten und deren Verteidiger Dr. Brandstetter, Dr. Gradischnig und Dr. Prett zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Walter A, Herbert B und Gerfried C des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB, Walter A und Herbert B überdies des Vergehens der versuchten Nötigung nach § 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach haben die Angeklagten am 22. September 1984 in Arnoldstein im bewußten Zusammenwirken Sonja D mit Gewalt gegen ihre Person, indem sie sie in den PKW K 424.726 zerrten und festhielten, sowie durch gegen sie gerichtete Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, nämlich durch die öußerung, sie würden sie umbringen und sie hätten in der Nackenstütze des PKWs eine Waffe versteckt, widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand (jeweils als unmittelbare Täter) zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht (I/). Außerdem hat Walter A durch die öußerung, er werde ihr Haus anzünden, wenn sie etwas sage, und Herbert B durch die öußerung, er werde sie umbringen, wenn sie jemanden etwas erzähle, Sonja D durch gefährliche Drohung zur Unterlassung der Anzeigeerstattung wegen der zu I/ bezeichneten Tat zu nötigen versucht (II/).

Den Schuldspruch zu Punkt I/ des Urteilssatzes bekämpfen die Angeklagten Walter A, Herbert B und Gerfried C mit

(getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden insofern, als ihr Tatverhalten als Notzucht und nicht bloß als Nötigung zum Beischlaf beurteilt worden ist; geltend gemacht wird von sämtlichen Angeklagten der Nichtigkeitsgrund der Z 10, von den Angeklagten Walter A und Gerfried C auch jener der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdeführer wenden sich - im wesentlichen übereinstimmend - gegen den Ausspruch des Gerichtes, Sonja D sei infolge der von ihnen ausgeübten Gewalt und angewendeten gefährlichen Drohung widerstandsunfähig gewesen, weil es für sie unmöglich, aussichtslos und unzumutbar gewesen sei, Widerstand zu leisten (S 124).

In tatsachenmäßiger Beziehung wird von den Angeklagten darauf hingewiesen, daß eine wirksame Gegenwehr oder Hilferufe der Sonja D durchaus möglich, zumutbar und aussichtsreich gewesen wäre, weil der Vorfall (zunächst) innerhalb des Wohngebietes von Arnoldstein, ca. 100 m von ihrem Wohnhaus entfernt, begonnen habe. Maßgeblich ist indes nur, ob sich das Tatopfer im Zeitpunkt der an ihm unternommenen Beischlafshandlungen zufolge der ausgeübten Gewalttätigkeiten oder (qualifizierten) Drohungen im Zustand extremer Hilflosigkeit befunden hat (arg.: 'in diesem Zustand' - vgl. Pallin im WK, Rz 22 zu § 201 StGB). Diese Voraussetzung ist vom Erstgericht jedoch mängelfrei bejaht worden. Sind doch den - der Ansicht des Angeklagten Walter A zuwider in der Aktenlage (vgl. S 5, 77 d.A.) gedeckten - Urteilsannahmen zufolge die Angeklagten, nachdem sie Sonja D auf ihrem Heimweg von der Discothek 'Mausefalle' eingeholt hatten und Walter A sie mit Gewalt in den PKW des Herbert B gedrückt hatte, unter Mißachtung ihrer Bitte, sie bei ihrem Haus aussteigen zu lassen, in Richtung 'Schütt' (einem unbewohnten Gebiet der Gemeinde Arnoldstein) an eine einsame Stelle in der Nähe des 'Steinwenderteiches' gefahren, um dort das Mädchen zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen.

Unzutreffend ist aber auch die Behauptung der Angeklagten Walter A und Herbert B, es sei gegen Sonja D unmittelbar vor Beginn der Unzuchtshandlungen gar keine Gewalt angewendet oder angedroht worden, diese seien vielmehr zunächst von Sonja D 'hingenommen' worden. Das Erstgericht stellte nämlich auf Grund der Verfahrensergebnisse fest, daß der Angeklagte Walter A nach Aufforderung, bei ihm einen Mundverkehr durchzuführen, mit Gewalt den Kopf des Mädchens gegen sein entblößtes Glied gedrückt hat; dabei (jedenfalls also noch vor Beginn der inkriminierten Beischlafshandlungen) bedrohten die Angeklagten abwechselnd das Opfer mit dem Umbringen und wiesen darauf hin, daß sie in der Kopfstütze des Sitzes eine Waffe versteckt hätten, die sie verwenden würden, wenn es nicht das tue, was sie von ihm verlangten. In dieser Situation hat Sonja D weiteren körperlichen Widerstand aus ihrer Sicht (mit Recht) gegen die sexuellen Attacken der drei ihr körperlich überlegenen Angeklagten an dem abgelegenen Tatort für aussichtslos erachtet (vgl. S 120, 124 d.A.). Zudem hat sie - entgegen der Meinung der Angeklagten Walter A und Herbert B - durch die gegen sie ausgeübte physische Gewalt Verletzungen, nämlich Blutergüsse im Bereich des rechten Oberschenkels (vgl. S 9, 85 d.A.) erlitten. Es liegt demnach keiner der geltend gemachten Begründungsmängel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) vor. Daß Sonja D die seinerzeitige öußerung des Walter A in der Discothek, man werde sie auf den Strich schicken, nicht ernstgenommen hat (vgl. S 119 d.A.), schließt die objektive Eignung der späteren Drohungen mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben, ihre Widerstandskraft zu brechen, für die entscheidende Phase des Tatgeschehens keineswegs aus.

Bei Zugrundelegung der vom Schöffengericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen kann in rechtlicher Hinsicht (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) nicht in Zweifel gezogen werden, daß die Gewaltakte und Drohungen der Angeklagten Sonja D in einen Zustand echter Wehrlosigkeit versetzt haben, in welchem sie aus physischen und psychischen Gründen zu weiterem Widerstand außerstande gewesen ist und in dem ihr eine fortgesetzte Gegenwehr wegen Aussichtslosigkeit auch nicht zugemutet werden konnte (vgl. EvBl 1975/270 = ÖJZ-LSK 1975/42; ÖJZ-LSK 1979/313 u.v.a.). Daß Sonja D nicht völlig (im Sinne einer gänzlichen Aufhebung ihrer Bewegungsfreiheit) unfähig gewesen ist, sich weiter zur Wehr zu setzen und allenfalls den Angeklagten von Beginn an in anderer als der von ihr gewählten Weise hätte Widerstand leisten können, ist für die Verwirklichung des Tatbestandes der Notzucht unerheblich (vgl. SSt. 52/5 = ÖJZ-LSK 1981/90); genug daran, daß sie auf Grund der ausgeübten Gewalt und der gegen sie geäußerten Drohungen an einer Örtlichkeit ohne Sicht- und Gehörkontakt zur Umwelt dem Mißbrauch durch Beischlaf keinen aktuellen Widerstandswillen entgegensetzen konnte.

Verfehlt ist schließlich der Beschwerdeeinwand des Angeklagten Walter A, weder sein Vorsatz, noch jener der Mitangeklagten sei auf die Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit des Tatopfers gerichtet gewesen. Daß sich die Täter der Ernstlichkeit des Widerstandes der Sonja D bewußt gewesen sind und ihr Vorsatz sowohl die Herbeiführung einer Lage extremer Hilflosigkeit, als auch die Vollziehung des außerehelichen Beischlafs umfaßt hat, ist vom Schöffengericht ausdrücklich festgestellt worden (vgl. S 124 d.A.); insoweit erweist sich daher die vom Angeklagten Walter A erhobene Rechtsrüge, welche ein Festhalten an den Konstatierungen der Tatsacheninstanz vorausgesetzt hätte, als nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Das Tatverhalten der Angeklagten wurde demnach rechtlich zutreffend nicht bloß als Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB, sondern als Notzucht gemäß § 201 Abs 1 StGB beurteilt. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren sohin zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten nach § 201 Abs 1 StGB, Walter A und Herbert B auch unter Anwendung des § 28 StGB, zu Freiheitsstrafen, und zwar Walter A und Herbert B zu je fünfzehn Monaten, Gerfried C zu einem Jahr. Bei der Strafbemessung war bei Walter A und Herbert B erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, bei Gerfried C nichts, hingegen mildernd bei allen Angeklagten das Alter unter 21 Jahren, bis bisherige Unbescholtenheit und das Geständnis, bei Gerfried C überdies der Umstand, daß er die Tat unter Einwirkung des Walter A begangen hat.

Den Berufungen der Angeklagten, mit welchen sie eine Strafherabsetzung und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstreben, kommt keine Berechtigung zu.

Zwar ist den Berufungswerbern darin beizupflichten, daß ihre vom Erstgericht festgestellte Alkoholisierung (vgl. Urteil S 121) als strafmildernd zu berücksichtigen ist, weil keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, daß die Angeklagten beim Alkoholkonsum damit rechnen mußten, sie könnten im berauschten Zustand eine strafbare Handlung begehen. Selbst unter Zugrundelegung der zugunsten der Angeklagten korrigierten Strafzumessungsgründe ist jedoch angesichts des hohen Unrechtsgehaltes und der gravierenden Schuld der Angeklagten eine Herabsetzung der Strafe nicht gerechtfertigt.

Im Hinblick auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles, insbes. der Art der Tatausführung - das Opfer, ein damals 16 Jahre altes Mädchen, mußte schwere Eingriffe in ihre Intimssphäre erdulden - und den hohen Schuldgehalt sowie den beträchtlichen sozialen Störwert derartiger Taten, bedarf es der Vollstreckung der Strafe, um der Begehung derartiger Taten durch andere entgegenzuwirken, sodaß bei allen Angeklagten generalpräventive Erwägungen gegen die bedingte Nachsicht der Strafe i.S. des § 43 Abs 1 bzw. Abs 2 StGB sprechen.

Anmerkung

E06467

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00111.85.0919.000

Dokumentnummer

JJT_19850919_OGH0002_0120OS00111_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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