TE OGH 1985/9/26 13Os119/84

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Veröffentlicht am 26.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. September 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Hörburger, Dr. Lachner und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführers in der Strafsache gegen Helmut A und Hugo B (C) wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 8. Mai 1984, GZ. 19 Vr 2997/82-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Gehart, des Angeklagten Hugo B und dessen Verteidigers Dr. Hanifle, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Helmut A und seines Verteidigers, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Helmut A wird nicht Folge gegeben.

Die Berufung des Angeklagten Hugo B wird zurückgewiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens den Angeklagten Helmut A und Hugo B zur Last.

Text

Gründe:

Der am 28. Juni 1941 geborene Helmut A und der am 9. April 1947 geborene Hugo B (laut S. 161, Vollmacht nach S. 266 'C') wurden des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. (I) und des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB. (II) schuldig erkannt.

Darnach haben sie, A als Leiter und B als

Bediensteter der Finanzverwaltung der Stadtgemeinde Zell am See, mit dem Vorsatz, dadurch die Stadtgemeinde Zell am See an deren Rechten zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen dieser Gemeinde als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, und zwar Helmut A, indem er es unterließ, von 1974 bis zum 20. Juli 1982 die Einhebung des seiner Gattin Gertraud A vorgeschriebenen Wasserleitungsbaubeitrags in der Höhe von 5.400 S und darüber hinaus bis zu seiner Dienstenthebung im September 1982 die Einhebung der auf den geschuldeten Abgabenbetrag entfallenden (Verzugs-) Zinsen sowie von 1977 bis zum 20. Juli 1982 die Einhebung der seiner Gattin vorgeschriebenen Kanalanschlußgebühr (genau: Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag für die Herstellung der gemeindeeigenen Abwasseranlage - S. 43) in der Höhe von 8.411,04 S und darüber hinaus bis zu seiner Dienstenthebung im September 1982 die Einhebung der auf den geschuldeten Beitrag entfallenden (Verzugs-) Zinsen anzuordnen (I 1 a und b); Hugo B, indem er in den Jahren 1977 bis 1982 die oben bezeichneten, von Gertraud A der Stadtgemeinde Zell am See geschuldeten Beiträge nicht einmahnte und nicht eintrieb (I 2).

Ferner haben sie die ihnen durch behördlichen Auftrag eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbraucht und dadurch anderen einen 100.000 S übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, und zwar Helmut A, indem er es unterließ, von 1974 bis zum 23. März 1982 die Einbringung des von Gertraud A der Stadtgemeinde Zell am See für ein Grundstück geschuldeten Kaufpreises von 142.400 S und darüber hinaus bis zu seiner Dienstenthebung im September 1982 die Einbringung der auf den geschuldeten Betrag entfallenden (Verzugs-) Zinsen anzuordnen (II 1); Hugo B, indem er von 1974 bis September 1982 die soeben bezeichnete Schuld der Gertraud A nicht

einmahnte und nicht eintrieb (II 2); Helmut A auch, indem er am 3. und 5. März 1982 (insgesamt) 50.000 S aus den Mitteln des Kurfonds Zell am See ohne Genehmigung der zuständigen Organe behob und sich zueignete (II 3).

Die Schuldsprüche werden von den Angeklagten A und

B mit Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft. Ersterer stützt sich auf

§ 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a, 9 lit. b und 10 StPO., letzterer auf

§ 281 Abs. 1 Z. 5, 8, 9 lit. a und 10 StPO.

Zur Beschwerde des Angeklagten A punkto § 302 StGB.:

Die Mängelrüge beanstandet zunächst die Urteilsfeststellung, daß zu den Aufgaben des Leiters der Finanzverwaltung die Einhebung der (hier: Abgaben-) Forderungen der Gemeinde gehörte. Dafür habe das Erstgericht mit dem bloßen Hinweis auf den Prüfungsbericht des Amts der Salzburger Landesregierung nur offenbar unzureichende Gründe angegeben und dabei auch gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen; denn die insoweit ungeprüft vom Gericht übernommene Ansicht der Landesregierung sei ihrerseits durch nichts begründet.

Rechtliche Beurteilung

Diese Rüge versagt. Zufolge seiner durch § 252 Abs. 2 StPO. gebotenen Verlesung in der Hauptverhandlung (S. 326) konnte der in Rede stehende Prüfungsbericht (ON. 10) dem Schöffensenat als Beweismittel dienen, ohne daß der laut §§ 252, 258 StPO. determinierte, d.h. im § 258 StPO. niedergelegte und im § 252 StPO. durchbrochene Grundsatz der Unmittelbarkeit verletzt worden wäre. Soweit der Beschwerdeführer demgegenüber vermeint, das Erstgericht hätte eigene Nachforschungen etwa durch Beischaffung des seiner Anstellung zugrundeliegenden Dienstvertrags vornehmen müssen, verkennt er überhaupt das Wesen des relevierten Nichtigkeitsgrunds. Eine Unvollständigkeit der Erhebungen kann niemals mit der Z. 5, sondern höchstens mit der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. gerügt werden, falls in der Hauptverhandlung entsprechende Anträge gestellt worden sind. Im übrigen ist der Beschwerdeführer in seiner Verantwortung vor Gericht selbst davon ausgegangen, daß das Steuerwesen der Gemeinde einschließlich der Abgabeneinhebung zu den Agenden der Finanzverwaltung gehört, mit deren Leitung er betraut war (S. 275 f.). Mit dem Vorwurf hinwieder, das Gericht habe die für den Pflichtenkreis des Beschwerdeführers als Beamter im Sinn der §§ 74 Z. 4, 302 Abs. 1 StGB. maßgebenden Rechtsvorschriften nicht erkundet, wird eine Urteilsnichtigkeit nach der nur formelle Begründungsmängel des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen betreffenden Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. gleichfalls nicht dargetan (SSt. XXIV/15, XL/23 u.v.a.).

Ebensowenig vermag der Beschwerdeführer einen die innere Tatseite beim Mißbrauch der Amtsgewalt betreffenden Begründungsmangel aufzuzeigen.

Gegen den Vorwurf eines wissentlichen Befugnismißbrauchs dadurch, daß er die Einhebung der von seiner Ehefrau der Gemeinde geschuldeten Abgabenbeträge anzuordnen unterließ, hatte der Erstangeklagte eingewendet, mit dem damaligen Bürgermeister D vereinbart zu haben, daß diese Schulden mit seinem Anspruch auf Entlohnung für beim Reinhalteverband Zellerbecken geleistete Verwaltungsarbeit kompensiert werden. Das Schöffengericht legte dar, aus welchen Gründen (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) es dieser Verantwortung nicht zu folgen vermochte: Es verwies zunächst auf den - dem Beschwerdevorbringen zuwider in den Angaben DS (S. 305) gedeckten - Umstand, daß der Erstangeklagte (frühestens) ab 1978 außerhalb seiner normalen Dienstobliegenheiten bei der Gemeinde Zell am See zusätzliche Dienstleistungen für den o.a. Wasserverband erbracht hat, sowie darauf, daß während des ganzen Deliktszeitraums kein Beschluß über eine Entlohnung des Rechtsmittelwerbers durch den Wasserverband gefaßt worden ist; schließlich auf die Angaben des D, bei den Wasserleitungsbeiträgen habe es überhaupt keine Stundung gegeben, aber auch bei der 'Kanalanschlußgebühr' habe er A keinen Zahlungsaufschub bis zu einer Verrechnung dieser Schuld mit dessen Entlohnungsanspruch gegen den Wasserverband bewilligt. Dazu führte das Gericht noch Erwägungen an, aus welchen ihm diese Darstellung des Mitangeklagten D glaubhaft erschien (S. 356 bis 358). Von bloßen Scheingründen, wie sie der Beschwerdeführer überhaupt nur durch isolierte Betrachtung einzelner Passagen der Urteilsbegründung unter Vernachlässigung ihres Gesamtzusammenhangs zu behaupten vermag, kann insofern keine Rede sein.

Dem Beschwerdevorwurf einer Unvollständigkeit dieses Teils der Urteilsbegründung in bezug auf die in der Hauptverhandlung verlesenen Schriftstücke des Reinhalteverbands Zellerbecken ist zu entgegnen, daß sich aus den betreffenden Aktenteilen lediglich ein von diesem Wasserverband am 5. Dezember 1979 gefaßter und am 18. Dezember 1980 (laut einem das Sitzungsprotokoll ergänzenden Aktenvermerk vom 8. April 1982) bekräftigter Beschluß entnehmen läßt, (unter anderem) dem Erstangeklagten als Kassenverwalter des Verbands nach Fertigstellung der anhängigen Bauvorhaben eine Pauschalentlohnung in noch zu bestimmender Höhe auszuzahlen (S. 331, 339 f., 343). Der Inhalt dieser Schriftstücke widerstreitet in keiner Weise der Urteilsfeststellung, daß der Bürgermeister einem Zahlungsaufschub bei den zu Lasten der Gertraud A

aushaftenden Beiträgen bis zur Kompensation mit einem (künftig festzusetzenden) Entgeltanspruch des Beschwerdeführers gegen den Wasserverband nicht zugestimmt hat. Eine spezielle Erörterung des Inhalts dieser Schriftstücke im Urteil war daher nicht erforderlich. Gleiches gilt für die ebenfalls als übergangen reklamierte (dem Beschwerdevorbringen zuwider in der Hauptverhandlung nicht wiederholte) Einlassung des Angeklagten D bei der Gendarmerie, er habe vorgeschlagen, die in Aussicht genommene Pauschalentlohnung mit 30.000 bis 40.000 S zu bemessen (S. 53).

Die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a), das Urteil lasse wesentliche Feststellungen zur Abgrenzung der amtlichen Befugnisse und Pflichten des Beschwerdeführers sowie zur subjektiven Tatseite vermissen, setzt sich über die bezüglichen Konstatierungen hinweg. Darnach (S. 349 und 351) obliegt dem Leiter der Finanzverwaltung der Stadtgemeinde Zell am See - der mit Aufgaben der Gemeindeverwaltung betraut, demzufolge Beamter im Sinn des § 74 Z. 4 StGB. ist - (unter anderem) die Aufsicht über die Einhebung der der Gemeinde zustehenden Abgaben (im weitesten Sinn) einschließlich der Beiträge zum Wasserleitungs- und Kanalbau (siehe das Benützungsgebührengesetz Salzburger LGBl. Nr. 31/1963 und das Salzburger Interessentenbeiträgegesetz LGBl. Nr. 161/1962 in ihren jeweils geltenden Fassungen). Die Befugnis (zugleich Pflicht) zur Vornahme von Amtsgeschäften, deren pflichtwidrige Unterlassung dem Nichtigkeitswerber als Befugnismißbrauch zur Last fällt, ist damit im Urteil ohnehin deutlich umschrieben.

Auf der subjektiven Tatseite ist das Wissen des Angeklagten um die Pflichtwidrigkeit seiner das konkrete Recht der Gemeinde auf rechtzeitigen Eingang der in Rede stehenden Beiträge zwangsläufig schädigenden Unterlassungen ausdrücklich festgestellt (S. 353). Daraus läßt sich sowohl die Wissentlichkeit des Befugnismißbrauchs als auch der auf die konkrete Rechtsschädigung der Gemeinde ausgerichtete Vorsatz ableiten.

Verfehlt ist in diesem Zusammenhang der Einwand, die vom Angeklagten geltendgemachte Kompensation der aushaftenden Beitragsforderungen der Gemeinde mit seinem Entlohnungsanspruch gegen den Wasserverband schließe sowohl die Annahme eines Befugnismißbrauchs durch die Nichteinhebung der betreffenden Beiträge als auch die Annahme einer vorsätzlichen Schädigung der Gemeinde aus. Für die Möglichkeit der Aufrechnung fehlt die Grundvoraussetzung der Gegenseitigkeit (§ 1441 ABGB.); handelte es sich doch auf der einen Seite um Forderungen der Stadtgemeinde Zell am See gegen Gertraud A, auf der anderen Seite um eine Forderung des Angeklagten Helmut A gegen den zuvor

genannten Wasserverband, der eine selbständige Körperschaft öffentlichen Rechts bildet (§ 87 WRG.). Soweit aber der Beschwerdeführer damit argumentiert, er habe eine solche Aufrechnung, wenn auch vielleicht irrtümlich, für möglich gehalten und deshalb weder wissentlich einen Befugnismißbrauch begangen noch mit Schädigungsvorsatz gehandelt, allenfalls sei er durch einen Rechtsirrtum (§ 9 StGB.) über die Möglichkeit der Aufrechnung entschuldigt (Z. 9 lit. b), unterstellt er einen urteilsfremden Sachverhalt. Das Gericht hat nämlich (im Rahmen der Beweiswürdigung des Kompensationseinwands) konstatiert, daß sich der Täter der Unmöglichkeit der Kompensation jedenfalls - wenngleich aus einem anderen Grund, nämlich mangels Fälligkeit seiner

'Gegenforderung' - durchaus bewußt war (S. 357).

Insoweit der Schuldspruch die Nichteinhebung von Zinsen zu den unberichtigt gebliebenen Beiträgen umfaßt, ist ein Feststellungsmangel nicht relevierbar, weil davon weder die rechtliche Beurteilung noch der anzuwendende Strafsatz abhängt. Zudem ist auf § 6 Abs. 3 des Salzburger Interessentenbeiträgegesetzes zu verweisen, wonach für rückständige Beiträge (auch vorgeschriebene Vorauszahlungen: § 11 leg. cit.) Verzugszinsen von jährlich 4 v.H. zu erheben sind.

Des weiteren vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, bloßes Unterlassen einer (wenn auch gebotenen) Amtshandlung sei wegen der vergleichsweise geringeren kriminellen Energie der Passivität einem Mißbrauch der Amtsgewalt du ch aktives Tun keinesfalls gleichwertig (§ 2 StGB.). Eine solche Gleichwertigkeit sei schon wegen der vermeintlichen Aufrechenbarkeit der nicht eingehobenen Gemeindeforderungen mit einem Entlohnungsanspruch nicht anzunehmen.

Auch diese Ausführungen gehen fehl: Das Unterlassen pflichtgemäßer Amtsausübung kann einer Verletzung des durch § 302 StGB. geschützten Rechtsguts durch ein Tun unter Umständen (§ 2 StGB.) durchaus gleichwertig und gerade darum gleich letzterem als Mißbrauch der Amtsgewalt strafbar sein (Leukauf-Steininger 2 § 302 StGB. RN. 26). Im gegenständlichen Fall wurde der geringere Verhaltensunwert des zur Rechtsgutverletzung führenden Unterlassens dadurch aufgewogen, daß der Angeklagte mit seiner jahrelangen pflichtwidrigen Untätigkeit, die im Zusammenhang mit dem durch einen gleichartigen Befugnismißbrauch im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung verwirklichten Untreuetatbestand (II 1) gesehen werden muß, auf eine Begünstigung seiner Ehefrau (sonach mittelbar auf den eigenen wirtschaftlichen Vorteil) abgezielt hat (zur Bedeutung des Begünstigungsmotivs für die Gleichwertigkeitsproblematik beim Amtsmißbrauch Bertel in JBl. 1970, 345 ff., insbes. 352). Der hier abermals behauptete Aufrechnungswille wurde vom Gerichtshof als unglaubwürdig zurückgewiesen (siehe oben). Insoweit ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig.

Entschuldigenden Notstand reklamiert der Beschwerdeführer (Z. 9 lit. b) wegen eines Interessenkonflikts. Diesen erblickt er darin, daß er bei der gesetzmäßigen Einhebung der Beitragsforderungen namens der Gemeinde gegen seine eigene Gattin hätte vorgehen müssen. Indes ist die damit aufgeworfene Zumutbarkeitsfrage leicht zu beantworten: Dem Beschwerdeführer war als Organ einer Gemeindeverwaltung das richtige Verhalten von der Rechtsordnung ausdrücklich gewiesen. Verwaltungsorgane haben sich in Sachen, an denen sie selbst oder nahe Angehörige beteiligt sind, der Ausübung ihres Amts zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen (§ 7 AVG.; ähnlich § 50 iVm § 20 der Salzburger Landesabgabenordnung LGBl. Nr. 58/1963 u.a.). Der Angeklagte hätte daher bei Erkennen der Notwendigkeit amtlichen Handelns gegen seine Ehefrau sich in dieser Angelegenheit vertreten lassen müssen. Da er das nicht getan hat, vermag der Umstand, daß es sich bei der Abgabenschuldnerin um seine Ehefrau handelte, an seiner strafrechtlichen Haftung nichts zu ändern (vgl. die einen ähnlichen Fall im Bereich einer Gemeindeverwaltung betreffende Entscheidung 13 Os 6/85). Zur Beschwerde des Angeklagten A punkto

§ 153 StGB.:

Soweit der Rechtsmittelwerber das Fehlen begründeter Feststellungen betreffend die ihm über das Vermögen der Stadtgemeinde eingeräumte Verfügungsmacht rügt (Z. 9 lit. a) und Ausführungen über die Grundlagen der angenommenen Befugnis vermißt (Z. 5), ist er auf die Urteilsgründe zu verweisen: Darnach hatte er als Leiter der Finanzverwaltung unbestrittenermaßen (siehe abermals S. 275 f.) die gleichen Obliegenheiten wie bei der Einhebung der Gemeindeabgaben auch hinsichtlich der Einbringung privatrechtlicher Forderungen der Gemeinde, worunter die Kaufpreisforderung gegen seine Gattin für das ihr im Jahr 1974 von der Gemeinde verkaufte Grundstück fiel (S. 349 und 362). Die Befugnis des Erstangeklagten zur Vornahme von - das Gemeindevermögen

betreffenden - Rechtshandlungen (§ 153 StGB.) steht daher außer Zweifel. Der weitere Einwand, diese Vertretungsmacht beruhe den (in der Beschwerde als aktenwidrig und zugleich rechtlich verfehlt bezeichneten) Urteilsannahmen zuwider nicht auf einem behördlichen Auftrag, sondern auf einem Rechtsgeschäft (nämlich dem Anstellungsvertrag), kann angesichts der Gleichstellung beider Entstehungsgründe im § 153 StGB. auf sich beruhen. Gleichwohl mag erwidert werden, daß nicht schon der rechtsgeschäftliche Akt seiner Anstellung als Vertragsbediensteter, sondern erst die Betrauung des Angeklagten mit entsprechenden Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde die Vertretungsmacht entstehen ließ.

Der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung bleibt unsubstantiiert; ihm ist nicht zu entnehmen, welche Konstatierungen des Urteils willkürlich 'unterstellt' oder unlogisch begründet sein sollen. Den weiteren Behauptungen der Mängelrüge zuwider setzen sich die Entscheidungsgründe ohnehin mit der Verantwortung des Beschwerdeführers auseinander, er habe für die Kaufpreisschuld seiner Gattin vom Bürgermeister D eine unbefristete Stundung erwirkt (S. 355 und 356). Allein die Feststellung, daß A und D zwar über einen Zahlungsaufschub sprachen, ein solcher aber längstens zwei Jahre hätte dauern können (S. 351), folgt in unanfechtbarer Beweiswürdigung den Angaben des D (S. 303, 313), ohne daß diese etwa im Urteil aktenwidrig aufscheinen. Im Gegensatz zu der weiteren Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) kann aus den Urteilsfeststellungen eine seitens des Bürgermeisters gewährte Stundung - welche übrigens eines Beschlusses der Gemeindevertretung bedurft hätte (§ 18 der Salzburger Gemeindeordnung 1976 LGBl. Nr. 56 und § 26 Abs. 2 der Gemeindehaushaltsverordnung 1979 LGBl. Nr. 83) - auf unbestimmte Zeit, etwa 'nach Möglichkeit oder Tunlichkeit', keinesfalls abgeleitet werden. War doch lediglich von einem längstens zweijährigen (formlosen) Zuwarten die Rede, welches die dem Beschwerdeführer als Untreue angelastete Untätigkeit bis zum Jahr 1982 nicht zu decken vermöchte. Die pflichtwidrige und den Interessen der Gemeinde abträgliche Unterlassung jedweder Einbringungsschritte seitens des Angeklagten bis zur Aufdeckung des Sachverhalts durch die Gemeindeaufsicht der Landesregierung (1982) begründet vielmehr einen Befugnismißbrauch, wobei nach dem Gesagten auch keine Rede davon sein kann, daß Einbringungsmaßnahmen etwa mangels Fälligkeit 'vorzeitig' gewesen wären.

Den Urteilsfeststellungen (S. 353) zufolge war sich der Rechtsmittelwerber über die Pflichtwidrigkeit seines Unterlassens im klaren, weshalb das Urteil insoweit, der Meinung des Beschwerdeführers zuwider, auch keinen Feststellungsmangel zum subjektiven Tatbestand (Wissentlichkeit des Befugnismißbrauchs) aufweist.

Daß der Stadtgemeinde durch das beinahe acht Jahre dauernde Vorenthalten eines Betrags von 142.400 S ein Vermögensnachteil - der kein dauernder sein muß (Kienapfel BT. II § 153 StGB. RN. 54) - von mehr als 100.000 S zugefügt wurde, unterliegt auch dann keinem Zweifel, wenn berücksichtigt wird, daß das Gericht den damit verbundenen Zinsenverlust der Höhe nach nicht exakt festgestellt, sondern sich mit dem Ausspruch begnügt hat, die Gemeinde habe einen Zinsenverlust jedenfalls in beträchtlicher Höhe erlitten, weil sie bei ihrer laufenden Gebarung auf (hochverzinsliche) Kassenkredite angewiesen war. Da letztere Tatsache aus Tz. 2.2. des Prüfungsberichts der Gemeindeaufsichtsbehörde (ON. 10) zudem klar ersichtlich ist, kann von einer 'willkürlich' aufgestellten 'reinen Hypothese', wie in der Beschwerde vermeint wird, keine Rede sein.

Zur Notstandseinrede (Z. 9 lit. b) ist, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das vorher in dieser Richtung Gesagte zu verweisen:

Es wäre dem Angeklagten freigestanden, seiner Befangenheit Rechnung zu tragen und unter Offenlegung des Sachverhalts die übertragung der Wahrnehmung der Interessen der Gemeinde gegenüber seiner Ehegattin auf einen anderen Organwalter zu erwirken.

Für den aus demselben Nichtigkeitsgrund beanspruchten Rechtsirrtum unterstellt der Beschwerdeführer die urteils- und verfahrensfremde Prämisse, vom Bürgermeister sei ihm ein 'Zuwarten' auf unbestimmte Zeit (bis es ihm und seiner Gattin 'besser ausgehen sollte') zugesagt worden, worauf er habe vertrauen dürfen. Diese vom Urteilssachverhalt abweichende Rechtsrüge ist wiederum nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt.

Nach den im Faktum II/3 getroffenen Feststellungen behob der Erstangeklagte am 3. bzw. 5. März 1982 durch eigenmächtige Ausfüllung und (Mit-) Unterfertigung zweier vom Kurdirektor Johann E blanko unterschriebener Schecks von einem Konto des Kurfonds Zell am See insgesamt 50.000 S und eignete sich diesen Betrag zu, um solcherart von ihm dem Fußballklub Zell am See, dessen Funktionär er war, vorgestreckte Gelder hereinzubringen. Er hoffte dabei, daß der Klub noch im Jahr 1982 von der Stadtgemeinde Zell am See eine Subvention erhalten werde, aus welcher die betreffende Summe an den Kurfonds refundiert werden würde.

In seiner Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) bestreitet der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit, der Sache nach aber schon die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens (als Befugnismißbrauch) indem er vorbringt, die finanzielle Förderung des Fußballklubs Zell am See habe zu den gesetzlichen Aufgaben des Kurfonds gehört. Auf diese nicht begründete Behauptung braucht nicht eingegangen zu werden, weil der Mißbrauch der Verpflichtungsbefugnis (§ 153 StGB.) darin besteht, daß der Angeklagte ohne die im Innenverhältnis erforderliche Zustimmung entscheidungsbefugter Organe des Kurfonds gehandelt, d.h. weder den Bürgermeister (als Vorsitzenden der Kurkommission) noch den Kurdirektor (als Leiter der Kurverwaltung) von seiner eigenmächtigen Handlungsweise in Kenntnis gesetzt hat. Die Wissentlichkeit dieses Befugnismißbrauchs ist, der insoweit aktenwidrigen und den Urteilsinhalt ignorierenden Behauptung eines Feststellungsmangels (Z. 9 lit. a) zuwider, ausdrücklich konstatiert (S. 355) und entgegen den Vorwürfen der Mängelrüge (Z. 5) auch ausreichend begründet worden (S. 358, 359).

Die festgestellte Hoffnung des Beschwerdeführers, dem Kurfonds würden die entzogenen Mittel aus einer von der Stadtgemeinde Zell am See dem Fußballklub künftig zu gewährenden Subvention wieder zugeführt werden, ist mit der Annahme des subjektiven Tatbestands der Untreue durchaus vereinbar, denn sie ändert nichts am wissentlichen Befugnismißbrauch mittels eigenmächtiger Vornahme einer dem Angeklagten im Innenverhältnis nicht erlaubten Vermögensverschiebung. Da der Vermögensnachteil, wie erwähnt, kein dauernder sein muß, läßt die Hoffnung des Erstangeklagten, der dem Kurfonds zugefügte Vermögensnachteil werde nicht von Dauer sein, auch den tatbestandswesentlichen Schädigungsvorsatz unberührt.

Zur Beschwerde des Angeklagten B:

Unter den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und 10 StPO. ficht B die seinem Schuldspruch wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt (I 2) zugrundeliegende Urteilsannahme, die Gemeinde handle bei der Einhebung der Beiträge zum Wasserleitungs- und Kanalbau im Rahmen der Hoheitsverwaltung, der Sache nach ausschließlich als rechtsirrig an (Z. 9 lit. a und 10), wobei allerdings kein anderes, auf die Tat anzuwendendes Strafgesetz benannt wird. Das Vorbringen hält jedoch einer überprüfung nicht stand.

Im Bereich der Hoheitsverwaltung (§ 302 StGB.: 'in Vollziehung der Gesetze') stehen der Staat oder sonstige Personen öffentlichen Rechts im Verhältnis der überordnung zu anderen Rechtssubjekten (Foregger-Serini 3 S. 616; Befehls- und Zwangsgewalt ist für die Hoheitsverwaltung nicht erforderlich: siehe z.B. § 269 Abs. 3, letzter Satzteil, StGB., der sonst überflüssig wäre, und ständige Rechtsprechung). Gerade das trifft auf die bescheidmäßige Vorschreibung von Wasserleitungsbaubeiträgen und Interessentenbeiträgen für den Kanalbau durch eine Gemeinde nach den einschlägigen Landesgesetzen zu (siehe § 10 Benützungsgebührengesetz LGBl. Nr. 31/1963 und § 5 iVm. § 11 Abs. 5 Salzburger Interessentenbeiträgegesetz LGBl. Nr. 161/1962, beide Gesetze in der geltenden Fassung). Gleichermaßen gehört die Einbringung solcher bescheidmäßig vorgeschriebenen Leistungen zur Hoheitsverwaltung der Gemeinde. Darauf, daß die Errichtung von Wasserleitungs- und Abwasseranlagen (ähnlich dem Straßenbau: siehe SSt. 50/6) in den Bereich der sogenannten Privatwirtschaftsverwaltung fällt, kommt es somit nicht an. Verfehlt ist auch der gleichfalls unter tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten (Z. 5 und 9 lit. a) der Sache nach gegen die Schuldsprüche sowohl nach § 302 StGB. als auch nach § 153 StGB. gerichtete Einwand, das bloße Unterlassen von Mahnungen könne vorliegend keinen Befugnismißbrauch darstellen, weil es einer Erinnerung des Schuldners an die ihm ohnehin bekanntgewesenen Schulden nicht bedurft habe. Damit verkennt der Zweitangeklagte das Wesen des ihm angelasteten Verhaltens, das im Unterlassen jedweder, nach der Sach- und Rechtslage gebotenen Einbringungsschritte, nicht bloß im Unterbleiben einer Erinnerung des Schuldners an seine Zahlungspflicht, bestanden hat.

Das zur subjektiven Tatseite erstattete Beschwerdevorbringen erschöpft sich in einer schlichten Bestreitung sowohl der Wissentlichkeit bei den Befugnismißbräuchen als auch eines Schädigungsvorsatzes. Damit wird weder die Mängelrüge noch ein rechtlicher Einwand prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Letztlich versagt auch der Vorwurf einer Anklageüberschreitung (Z. 8) durch den ergangenen Schuldspruch wegen Untreue (II 2). Der angerufene Nichtigkeitsgrund liegt vor, wenn das Urteil die Anklage gegen die Vorschrift der §§ 262, 263 und 267 StPO. überschritten hat. Der Gerichtshof schöpft aber nach § 262 StPO. das Urteil nach seiner rechtlichen überzeugung, ohne die in der Anklageschrift enthaltene Bezeichnung der Tat übernehmen zu müssen, und ist gemäß § 267 StPO. nur insoweit an die Anträge des Anklägers gebunden, als er den Angeklagten nicht einer Tat schuldig erklären kann, auf die die Anklage weder ursprünglich gerichtet war noch in der Hauptverhandlung (gemäß §§ 263, 279 StPO.) ausgedehnt wurde. Im vorliegenden Fall erachtete das Schöffengericht, daß die der Anklage wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt (gegen den Beschwerdeführer in Punkt 2 in bezug auf Punkt 1 a der Anklageschrift) zugrundeliegenden Tatsachen eine andere als die in der Anklage bezeichnete strafbare Handlung, nämlich das Verbrechen der Untreue begründen. Die Identität von Anklage- und Urteilsfaktum blieb dabei, was der Beschwerdeführer gar nicht bestreitet, durchaus gewahrt. Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in übereinstimmung mit der dem Obersten Gerichtshof am 3. September 1985 zugegangenen Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Schöffengericht verhängte gemäß §§ 28, 153 Abs. 2, zweiter Strafsatz, StGB. für eine Probezeit von je drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafen, und zwar über Helmut A in der Dauer von einem Jahr, über Hugo B unter

Anwendung des § 41 StGB. in der Dauer von vier Monaten. Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen, mildernd hingegen die Unbescholtenheit und die teilweise Schadensgutmachung, bei B überdies, daß es sich bei ihm um einen äußerst bildungsschwachen und ängstlichen Menschen handelt sowie die Tatbegehung nicht zum eigenen Vorteil, sondern lediglich aus einer gewissen Angst.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte A die

'Umwandlung der verhängten Haftstrafe in eine solche Geldstrafe, wobei diese gleichzeitig unter Auferlegung einer (herabgesetzten) Probezeit vorläufig bedingt nachgesehen werde; hilfsweise (die) Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe ebenfalls unter Auferlegung einer Probezeit' (S. 401).

Daß A unbescholten ist, wurde vom Erstgericht ebenso berücksichtigt wie der Umstand, daß der Schaden teilweise gutgemacht wurde. Davon, daß die durch den 100.000 S übersteigenden Schaden bewirkte höhere Strafdrohung (§ 153 Abs. 2, zweiter Strafsatz, StGB.) 'zmindest zweifelhaft ist', kann, wie aus der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden zu ersehen ist, keine Rede sein. Unerfindlich bleibt auch, weshalb den Berufungswerber nur eine geringe Schuld treffen soll und die Taten unter Umständen begangen worden sein sollen, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen. Hatte der Angeklagte A doch letztlich seinen eigenen finanziellen Vorteil im Auge (siehe oben), was sein Tatmotiv zwar klar und verständlich, aber die Tat um nichts entschuldbarer macht. Die gegenteilige Auffassung liefe darauf hinaus, ein deliktisches Handeln zum eigenen Nutzen zu privilegieren, was der im Strafgesetzbuch, das den Bereicherungsvorsatz vielfach als Tatbestandsmerkmal konstituiert, verkörperten allgemeinen Rechtsüberzeugung glatt widerspräche.

Zwar ist es richtig, daß der Angeklagte A die ihm

angelasteten Erfolgsdelikte teilweise (nur die Schuldsprüche I 1 a und b, II 1, nicht aber II 3) durch Unterlassung der pflichtgemäßen Abwendung des tatbestandsmäßigen Erfolgs begangen hat, was einen Milderungsgrund herstellt (§ 34 Z. 5 StGB.). Die gerade hier besonders augenfällige Gleichwertigkeit der Unterlassung der Erfolgsabwendung mit der aktiven Herbeiführung des verpönten Erfolgs (siehe oben) nimmt diesem mildernden Umstand aber sein spezifisches Gewicht. Die von den Tatrichtern verhängte, noch dazu bedingt aufgeschobene Sanktion ist durchaus angemessen, sodaß der Berufung des Angeklagten A in jeder Richtung ein Erfolg versagt bleiben muß.

Der Angeklagte B hat in seiner Berufungsausführung bloß Umstände angeführt, die seine Tat in einem milderen Lichte erscheinen ließen und daraus gefolgert, daß seine Strafberufung 'daher in eventu gerechtfertigt' sei (S. 380). Doch hat er weder in der Berufungsschrift oder bei der Anmeldung dieses Rechtsmittels ausdrücklich erklärt, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert finde (S. 327, 369, 370, 379, 380). Die im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof gestellten Berufungsanträge waren verspätet. Die Berufung des Angeklagten B mußte daher zurückgewiesen werden (§§ 294 Abs. 4, 296 Abs. 2 StPO.).

Anmerkung

E06714

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00119.84.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19850926_OGH0002_0130OS00119_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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