TE OGH 1985/10/9 9Os133/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.10.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Oktober 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, Dr. Lachner, Dr. Felzmann und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 15. November 1984, GZ. 28 Vr 3409/83-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Janovsky jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB. auf das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 10.Oktober 1984, AZ. 10 U 982/84, auf 8 (acht) Monate als Zusatzstrafe herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen Freispruch

enthaltenden - Urteil wurde der 40-jährige Handelsvertreter Helmut A des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 23.September 1983 die der gewerbsmäßigen Unzucht bereits ergebene (aus Angola stammende) österreichische Staatsbürgerin Olivia B der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzt, zugeführt, indem er sie zur Ausübung ihres unzüchtigen Gewerbes in die Bundesrepublik Deutschland, nämlich in ein Bordell nach Deggendorf, brachte.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. In Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes (Z. 5) wendet er ein, aus der Zeugenaussage des Alexander C gehe eindeutig hervor, daß Olivia B in der Pension 'ANNABELL' in Deggendorf nicht als Prostituierte, sondern als Animierdame beschäftigt gewesen sei; auch aus den abgehörten Telefongesprächen zwischen ihm und C ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß er gewußt habe, B würde in der bezeichneten Pension der gewerbsmäßigen Unzucht nachgehen. Mit diesem Vorbringen vermag er indes keinen formellen Begründungsmangel aufzuzeigen. Denn das Schöffengericht hat die Verantwortung des Angeklagten, er habe nicht gewußt, daß Olivia B in Deggendorf der Prostitution nachgehen werde, aufgrund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse als unglaubwürdig abgelehnt. Dabei stützte es sich nicht nur auf die eigenen Angaben des Angeklagten - denen zufolge ihm B erzählt habe, sie wolle, nachdem sie zuvor in Hamburg als Prostituierte gearbeitet hatte, nunmehr in Innsbruck (bzw. in Kärnten) der gewerbsmäßigen Unzucht nachgehen und auf seinen Einwand, dies sei zu gefährlich, geäußert habe, sie wolle 'in den süddeutschen Raum, eventuell nach Deggendorf' (vgl. S. 23 verso, 268, 284) -, sondern vor allem auf die in der Hauptverhandlung verlesenen (vgl. S. 272) Angaben des Zeugen Alexander C vor der Polizei (S. 47 ff) und vor dem Untersuchungsrichter (S. 91 ff), wo er das von seiner Lebensgefährtin Sieglinde D gepachtete Etablissement in Deggendorf (in dem er als Geschäftsführer tätig war) zwar als 'Animierbetrieb' und Olivia B als

'Animiermädchen' bezeichnete, jedoch gleichzeitig mit einer jeden Zweifel ausschließenden Eindeutigkeit zum Ausdruck brachte, daß die bei ihm beschäftigten Mädchen mit seiner Kenntnis auch der gewerbsmäßigen Prostitution nachgehen (vgl. S. 49, 92, 284). Daß Olivia B vom Angeklagten dem Alexander C nicht bloß als Animiermädchen vermittelt wurde, sondern in der Pension 'ANNABELL' von vornherein die gewerbsmäßige Unzucht ausüben sollte, konnte das Schöffengericht (gemäß § 258 Abs. 2 StPO.) außerdem aus den im Urteil (vgl. S. 284 f) zitierten Passagen der (Anfang Oktober 1983 abgehörten) Telefongespräche (S. 171 f) zwischen Alexander C und dem Angeklagten ableiten, wonach er schon genug solcher Clubs in Deutschland kenne und wisse, 'wie es da läuft'. Insoweit der Beschwerdeführer demgegenüber die Beweiskraft der vom Gericht herangezogenen Verfahrensergebnisse mit dem Hinweis in Zweifel zu ziehen sucht, diese hätten auch die für ihn günstigere Schlußfolgerung zugelassen, er habe Olivia B bloß als Animierdame nach Deutschland in die Pension 'ANNABELL' gebracht, wo sich diese erst - von seinem vorangegangenen Mitwirken völlig unabhängig - zur Ausübung der Prostitution entschlossen habe, bekämpft er, wie schon die Formulierungen 'doch nicht so wahrscheinlich ......' und 'gleichermaßen wahrscheinlich ist' zeigen, in unzulässiger und damit unbeachtlicher Weise lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Aber auch die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) geht fehl, mit welcher der Beschwerdeführer die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens im Sinn des § 217 Abs. 1 StGB. einerseits mit der Behauptung, der gewähnliche Aufenthalt der Olivia B sei nicht (mehr) in Österreich, sondern aufgrund ihrer vorangegangenen Tätigkeit ohnehin in Deutschland gewesen, und andererseits mit dem Argument bestreitet, es könne nicht davon gesprochen werden, daß er B der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt habe, weil sich seine - zudem als bloße Hilfestellung zu wertende - Tätigkeit darin erschöpft habe, Verbindungen mit Alexander C zu knüpfen, um B ihrem eigenen Wunsch entsprechend in der Pension

'ANNABELL' unterzubringen.

Nach § 217 Abs. 1 StGB. ist strafbar, wer eine Person in einem anderen Staat, als in dem, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzt oder in dem sie ihren gewähnlichen Aufenthalt hat, der gewerbsmäßigen Unzucht zuführt oder sie hiefür anwirbt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hatte die österreichische Staatsbürgerin Olivia B zur Tatzeit ihren gewähnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland. Denn nach den Urteilsfeststellungen (S. 281 f) war sie zwar, nachdem sie am 10. Jänner 1983 ihren Ehegatten in Vorarlberg verlassen hatte, in der Bundesrepublik Deutschland der Prostitution nachgegangen, am 19. September 1983 jedoch mit Friedrich E von Hamburg wieder nach Österreich zurückgekehrt, wo sich der Angeklagte nach der Festnahme ES ihrer annahm und sie in seiner Wohnung schlafen ließ. In der Folge bat Olivia B den Angeklagten, sie nach Kärnten zu bringen, wo sie wieder in einem Club (als Prostituierte) arbeiten wollte. Der Angeklagte entschloß sich aber, B - wie schon eine andere Frauensperson zuvor - an das Privatbordell des Alexander C in Deggendorf/Bundesrepublik Deutschland weiterzuvermitteln, womit sich B letztlich einverstanden erklärte. Nach nur 6-tägigem Aufenthalt in Deggendorf ergriff sie jedoch die Flucht und kehrte neuerlich nach Österreich zurück. Demzufolge hatte, wie das Schöffengericht zutreffend erkannte (S. 282), B zum maßgeblichen Zeitpunkt (des Zuführens zur Prostitution in der Bundesrepublik Deutschland) ihren gewähnlichen Aufenthalt in Österreich, wo sie nach den eigenen Angaben des Angeklagten (S. 23 verso, 268) bleiben wollte (vgl. hiezu Pallin im Wiener Kommentar § 217 Rz. 4).

In Ansehung des Tatbestandsmerkmals Zuführen hinwieder trifft es zwar zu, daß hiefür ein bloßes Raten oder ein in untergeordneter Weise Behilflichsein nicht ausreicht; der Täter muß vielmehr - über ein allgemeines Verleiten und bloßes Unterstützen hinaus - eine Mittlertätigkeit entfalten, durch welche die gesamte Lebensführung der betroffenen Person auf die Ausübung der Prostitution (im Ausland) ausgerichtet wird, also mit Rat und Tat dahin wirken, daß das Opfer im Ausland der gewerbsmäßigen Unzucht nachgeht (vgl. EvBl. 1980/108 = SSt. 50/59; Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 215 RN. 4, § 217 RN. 5).

Gerade eine solche Einflußnahme auf das Opfer ist aber im vorliegenden Fall entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht erfolgt. Denn nach den Konstatierungen des Schöffengerichts beschränkte sich dieses Verhalten keineswegs auf die Unterstützung einer der gewerbsmäßigen Unzucht ergebenen und zur Ausübung dieser Tätigkeit im Ausland bereits entschlossen gewesenen Person. Vielmehr hat der Angeklagte den Willen der Olivia B dadurch

entscheidend beeinflußt, daß er sie von ihrem Plan, in Kärnten (bzw. in Innsbruck) in einem 'Club' zu arbeiten, abbrachte und sie auf die Möglichkeit hinwies, im Privatbordell des Alexander C in Deggendorf unterzukommen. Bei seiner gegenteiligen Behauptung, die Idee hiezu sei vom Tatopfer selbst ausgegangen und er habe, indem er Alexander C anrief und B sodann mit seinem PKW. nach Deggendorf brachte, ausschließlich deren Wunsch entsprochen, geht der Beschwerdeführer nicht vom festgestellten Urteilssachverhalt, sondern von seiner eigenen, vom Schöffengericht jedoch mit mängelfreier Begründung abgelehnten Verantwortung aus. Nach den Urteilsannahmen war es vielmehr der Angeklagte, der die Verbindung zwischen Olivia B und Alexander C hergestellt und

vermittelt hat, indem er die Ankunft in Deggendorf ankündigte und vorbereitete und B schließlich persönlich dorthin brachte. Solcherart hat er die Genannte daher nicht nur beraten, sondern auch faktisch unterstützt und sie damit sehr wohl in der Bedeutung des § 217 Abs. 1 StGB. der gewerblichen Unzucht in einem anderen Staat zugeführt. Daß es dann auch der eigene Wunsch der Prostituierten gewesen sein mag, ihrem Gewerbe im Ausland nachzugehen, kann hieran nichts ändern, weil die Tathandlung nach dem ersten Absatz des § 217 StGB. eine zwar beeinflußte, aber letzten Endes freiwillige Bereitschaft der betreffenden Person - welche nach den Eingangsworten dieser Gesetzesstelle auch bereits vorher der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben sein kann - zur Prostitutionsausübung in einem anderen Land voraussetzt (vgl. Pallin a.a.O. Rz. 5). Da der Schuldspruch wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB. sohin frei von Rechtsirrtum erfolgte, war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 217 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten. Dabei wertete es keinen Umstand als erschwerend oder mildernd. Der Berufung des Angeklagten, mit welcher er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt Berechtigung zu. Der reklamierte Milderungsgrund, den der Berufungswerber daraus abzuleiten sucht, daß Olivia B von sich aus der

gewerblichen Unzucht nachgehen wollte und ihn sogar gebeten habe, sie nach 'Kärnten' in einen Club zu fahren, liegt zwar nicht vor, weil es beim Verbrechen des Menschenhandels - im Gegensatz zum Tatbild der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB. - nicht darauf ankommt, daß das Opfer vor der Tat noch nicht der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben war; es ist somit auch die Prostituierte Schutzobjekt nach § 217 StGB. (vgl. Leukauf-Steininger a.a.O. § 217 RN. 3).

Andererseits hat aber der Angeklagte, wie sich aus der vom Obersten Gerichtshof eingeholten Strafregisterauskunft ergibt, seit der Begehung der urteilsgegenständlichen Straftat eine (weitere) Verurteilung erlitten, und zwar durch das Bezirksgericht Innsbruck am 10.Oktober 1984 zum AZ. 10 U 982/84 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB. zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 130 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Auf dieses Urteil war daher bei der Entscheidung über die Berufung gemäß §§ 31, 40 StGB. Rücksicht zu nehmen. Da bei gemeinsamer Aburteilung der von den beiden Urteilen erfaßten Taten eine Freiheitsstrafe in der Gesamtdauer von neun Monaten der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB.) Rechnung getragen hätte, war dementsprechend die im vorliegenden Verfahren über ihn verhängte Freiheitsstrafe unter Bedacht auf die bereits rechtskräftig ausgesprochene (Ersatzfreiheits-)Strafe (von 30 Tagen) in Stattgebung der mithin begründeten Berufung auf acht Monate (als Zusatzstrafe) zu reduzieren.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E06585

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00133.85.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19851009_OGH0002_0090OS00133_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten