TE OGH 1985/10/15 4Ob110/84

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Veröffentlicht am 15.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Kuderna sowie die Beisitzer HonProf.Dr.Gottfried Winkler und HonProf.Dr.Hanns Waas als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria A, Friseurin, Spittal an der Drau, Auenweg 22, vertreten durch Dr.Hans Rogen, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wider die beklagte Partei Arnold B, Friseurmeister in Spittal an der Drau, Tiroler Straße 10, vertreten durch Mag.Norbert Pucher, Angestellter der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Kärnten in Klagenfurt, Bahnhofstraße 40, wegen restlicher S 10.460,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 6.Juli 1984, GZ 3 Cg 3/84-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Spittal an der Drau vom 19.Dezember 1983, GZ Cr 60/83-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 4.587,48 (darin S 290,-- Barauslagen und S 390,68 USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 2.579,68 (darin S 480,- Barauslagen und S 190,88 USt.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 10.10.1967 bis 9.10.1982 ohne Unterbrechung beim Beklagten als Friseur beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Kollektivvertrag für das Friseurgewerbe zuletzt in der ab 1.11.1977 geltenden Fassung (im folgenden nur: Kollektivvertrag) anzuwenden.

Mit der vorliegenden, am 9.8.1983 beim Erstgericht überreichten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten zunächst die Zahlung von 26.380,-- netto sA. Auf Grund der Bestimmungen des Arbeiter-Abfertigungsgesetzes habe sie Anspruch auf eine Abfertigung im Ausmaß von 60 % des Sechsfachen ihres monatlichen Entgelts, das sind S 31.380,--; nach Abzug einer vom Beklagten geleisteten Akontozahlung von S 5.000,-- verbleibe eine Restforderung in der Höhe des eingeklagten Betrages.

In der Verhandlungstagsatzung vom 26.8.1983 anerkannte der Beklagte einen Abfertigungsanspruch von 60 % von vier Monatsentgelten (ziffernmäßig S 20.920,--) und zahlte der Klägerin den davon offenen Betrag von (S 20.920 - S 5.000 =) S 15.920,-- bar aus. Die Klägerin schränkte daraufhin ihr Klagebegehren um diesen Betrag auf S 10.460,-- netto sA ein.

Der Beklagte hat das eingeschränkte Klagebegehren nur dem Grunde nach bestritten. Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht mehr als 15 Jahre gedauert habe, bestehe ein weitergehender Abfertigungsanspruch nicht zu Recht; dieser sei im übrigen erst im März 1983 geltend gemacht worden und daher nach dem Kollektivvertrag verfallen.

Außer Streit steht, daß der Beklagte einen Abfertigungsanspruch von sechs Monaten niemals anerkannt hat.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 10.460,--sA. Auf der Grundlage des eingangs wiedergegebenen, unbestritten gebliebenen Sachverhalts sei das eingeschränkte Zahlungsbegehren der Klägerin berechtigt: Da die Klägerin im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 9.10.1982 das fünfzehnte Dienstjahr vollendet hatte, gebühre ihr nach den Bestimmungen des Arbeiter-Abfertigungsgesetzes in Verbindung mit § 23 Abs 1 AngG eine Abfertigung im Ausmaß von 60 % des sechsfachen Monatsentgeltes. Dieser Anspruch sei vom Beklagten dem Grund nach anerkannt worden und schon aus diesem Grunde nicht verfallen; auch die beiden Teilzahlungen hätten den Lauf der sechswöchigen Fallfrist des Kollektivvertrages unterbrochen. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und nahm ergänzend folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

§ 20 Z 1 des Kollektivvertrages lautet wie folgt:

'Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind, soweit sie nicht durch Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist bereits verfallen sind, bei sonstigem Verfall spätestens sechs Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen'.

Mit Schreiben vom 14.10.1982 hat der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater Mag.Ambros C dem Beklagten mitgeteilt, daß die im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses im 15.Dienstjahr befindliche Klägerin einen Abfertigungsanspruch von 60 % des vierfachen Monatsentgeltes, das sind S 20.920,-- netto, habe. Dieses Schreiben wurde vom Beklagten noch am selben Tag der Klägerin ausgehändigt.

Der Beklagte hat am 13.12.1982 auf das Konto der Klägerin bei der Kärntner Sparkasse einen Betrag von S 5.000,-- unter Angabe des Verwendungszwecks 'a kto.Abfertigung' eingezahlt.

Außer Streit steht schließlich, daß die Klägerin die eingeschränkte Klageforderung gegenüber dem Beklagten erstmals mit Schreiben vom 29.4.1983 schriftlich geltend gemacht hat. Von diesen Sachverhaltsfeststellungen ausgehend, hielt das Berufungsgericht die Rechtsrüge des Beklagten für begründet:

Der - vom Erstgericht richtig auf der Grundlage des sechsfachen Monatsentgeltes berechnete - Abfertigungsanspruch sei von der Klägerin erstmals am 29.4.1983 und damit nach Ablauf der sechswöchigen Fallfrist des Kollektivvertrages erhoben worden; eine allfällige frühere Geltendmachung gegenüber dem Steuerberater des Beklagten reiche nicht aus, weil zwischen diesem und der Klägerin kein Rechtsverhältnis bestehe. Da der Beklagte niemals einen Abfertigungsanspruch im Ausmaß von sechs Monatsentgelten anerkannt habe, sei der Lauf der Fallfrist weder durch das Schreiben vom 14.10.1982 noch durch die Teilzahlung des Beklagten vom 13.12.1982 unterbrochen worden.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach von der Klägerin mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO bekämpft. Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Beklagte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Klägerin hält die Verfallsklausel des § 20 des Kollektivvertrages deshalb für gesetzwidrig, weil sie eine gemäß § 3 des Arbeiter-Abfertigungsgesetzes unzulässige Beschränkung ihres Abfertigungsanspruches bedeute. Sie übersieht dabei, daß nach ständiger Rechtsprechung kollektivvertragliche Verfallsklauseln nicht die einzelnen Ansprüche als solche, sondern nur deren Geltendmachung beschränken und demgemäß nicht schon dann rechtsunwirksam sind, wenn sie zwingende Ansprüche betreffen (SZ 56/27 = Arb.10.219; Arb.6.062 ua). Die Behauptung der Klägerin, in ihrer Berufungsmitteilung, daß § 20 des Kollektivvertrages gegen zwingendes Recht verstoße und ihre Rechte unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes beschränke, schließt aber auch die Einwendung einer sittenwidrigen Erschwerung der Rechtsverfolgung im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB in sich.

In dieser Richtung ist der Einwand der Klägerin im Ergebnis

berechtigt. Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen

hat (SZ 56/27 = Arb.10.219;

Arb.8.515 = EvBl 1968/356 = SozM I C 646;

Arb.10.174 = ZAS 1983,177), ist eine Verfallsklausel dann

sittenwidrig im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB, wenn sie zum Nachteil des Arbeitnehmers gegen zwingende gesetzliche

Fristbestimmungen - etwa § 1162 d ABGB oder § 34 AngG - verstößt oder wenn durch eine unangemessen kurze Ausschlußfrist die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschwert würde. Letzteres trifft hier zu: Die zeitliche Beschränkung der Geltendmachung arbeitsrechtlicher Ansprüche durch eine im Kollektivvertrag vereinbarte Verfallsklausel soll jene Beweisschwierigkeiten vermeiden, wie sie sich erfahrungsgemäß gerade in diesem Bereich schon nach relativ kurzer Zeit für beide Teile ergeben; sie zwingt den Arbeitnehmer, allfällige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis möglichst bald und damit zu einer Zeit geltend zu machen, in der nicht nur ihm selbst, sondern auch dem Arbeitgeber die zur Klarstellung des rechtserheblichen Sachverhalts notwendigen Beweismittel in aller Regel noch zur Verfügung stehen. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof in einer kollektivvertraglichen Fallfrist von vier Monaten (SZ 56/27 = Arb.10.219) ebensowenig eine übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung gesehen wie in der Vereinbarung einer Ausschlußfrist von nur drei Monaten

(Arb.10.174 = ZAS 1983,177; ebenso neuerdings 4 Ob 78/(5). Eine noch weitergehende Abkürzung des Zeitraums, der dem Arbeitnehmer zur Geltendmachung seiner Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zur Verfügung steht erweckt aber Bedenken, weil ihm in einem solchen Fall kaum noch genügend Zeit bliebe, um allenfalls fehlende Unterlagen zu beschaffen, die notwendigen Erkundigungen über die Rechtslage einzuziehen und sich die zur - gerichtlichen oder außergerichtlichen - Geltendmachung seiner Ansprüche notwendigen und zweckdienlichen Schritte entsprechend zu überlegen. Welche besonderen Umstände gerade im vorliegenden Fall eine Ausschlußfrist von nur sechs Wochen rechtfertigen könnten, ist nicht zu sehen; der erkennende Senat ist deshalb der Auffassung, daß diese extrem kurze, sachlich durch nichts gerechtfertigte Befristung die Geltendmachung der Ansprüche des Arbeitnehmers übermäßig erschwert und deshalb im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung wegen Vestoßes gegen § 879 Abs 1 ABGB rechtsunwirksam ist.

Ist damit aber die rechtliche Grundlage für die Annahme eines Verfalles des eingeklagten Abfertigungsanspruchs weggefallen, dann erweist sich das Begehren der Klägerin auf Zahlung des - der Höhe nach unbestrittenen - restlichen Abfertigungsbetrages von S 10.460,-- sA als berechtigt. Der Revision war daher Folge zu geben und in Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes das Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen.

Die Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E06648

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00110.84.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19851015_OGH0002_0040OB00110_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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