TE OGH 1985/10/29 10Os124/85

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Veröffentlicht am 29.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Oktober 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Friedrich, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stupka als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhard A wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2, Abs 2 und Abs 3 letzter Fall StGB über die Berufung des Angeklagten Reinhard A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 8.Juli 1985, GZ 25 Vr 3045/83-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, des Angeklagten Reinhard A und des Verteidigers Dr. Otto Schuster jun zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil aufgehoben; nach § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:

Reinhard A ist schuldig, im Juli 1983 in Imst Sachen in einem 100.000 S nicht übersteigenden Wert, und zwar eine Notburga-Figur im Wert von ca 20.000 S, eine Petrus-Figur im Wert von ca 20.000 S und eine Madonnen-Figur im Wert von ca 30.000 S, die ein bisher unbekannter Täter im selben Monat in Landeck dem Eduard B gestohlen, also durch das Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB, erlangt hatte, an sich gebracht zu haben.

Er hat hiedurch das Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 und Abs 2 StGB begangen und wird hiefür nach § 37 Abs 1, 164 Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 240 (zweihundertvierzig) Tagessätzen zu je 150 (hundertfünfzig) S, im Fall der Uneinbringlichkeit 120 (hundertzwanzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie nach § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Die Aussprüche nach § 38, 66 StGB werden aus dem Ersturteil mit der Maßgabe übernommen, daß die betreffenden Haftzeiten auf die nunmehr verhängte Geldstrafe angerechnet werden.

Von der weiteren Anklage hingegen, er habe im Juli 1983 in Imst auch eine Pferde-Figur im Wert von ca 3.000 S und eine Reiterpistole im Wert von ca 1.200 S an sich gebracht, die ein bisher unbekannter Täter am 17.Juli 1983 in Landeck dem Eduard B durch Nachsperren einer versperrten Wohnungstür oder deren Öffnen mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel oder aber durch Einsteigen durch ein Küchenfenster gestohlen, sohin durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, wobei ihm die Umstände bekannt gewesen seien, die beim unbekannten Täter eine Strafdrohung bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe begründet hätten und er habe hiedurch (in Verbindung mit dem vom Schuldspruch erfaßten Tatverhalten gleichfalls das Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2, Abs 2 und Abs 3 letzter Fall StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des weiteren Rechtsmittelverfahren zur Last.

Text

Gründe:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das oben bezeichnete Urteil, mit dem er des Verbrechens der (in Ansehung der im Spruch angeführten insgesamt fünf Kunstgegenstände begangenen) Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2, Abs 2 und Abs 3 letzter Satz StGB schuldig erkannt wurde, ist vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 8.Oktober 1985, GZ 10 Os 124/85-6, schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen worden.

Rechtliche Beurteilung

Aus diesem Anlaß wurde jedoch wahrgenommen, daß das angefochtene Urteil in zweifacher Hinsicht zum Nachteil des Angeklagten mit einer von ihm nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b und Z 10 StPO) behaftet ist. Reinhard A wurde nämlich im vorliegenden Verfahren von der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich ausgeliefert, wobei sich die Auslieferungsbewilligung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz (ON 12) auf einen vom Erstgericht erlassenen Haftbefehl (ON 3) bezog, der sich lediglich auf den Verdacht des Diebstahls oder der Hehlerei hinsichtlich der eingangs des Tenors bezeichneten drei Heiligen-Figuren erstreckte; einem Schuldspruch wegen des Verhehlens auch der Pferde-Figur und der Reiterpistole stand daher das Verfolgungshindernis einer diese Gegenstände nicht erfassenden Spezialität der Auslieferung (§ 70 Abs 1 ARHG, Art 14 Abs 1 EurAuslübk) entgegen.

Jenes Hindernis (Z 9 lit b) war ungeachtet dessen wirksam, daß sich der Angeklagte seit seiner Enthaftung (S 85 a f.) länger als fünfundvierzig Tage auf dem Gebiet der Republik Österreich aufhielt; denn im Hinblick darauf, daß er nur gegen ein Gelöbnis nach § 180 Abs 5 Z 1 StPO sowie gegen Weisungen gemäß Z 3 und Z 4 dieser Verfahrensbestimmung enthaftet wurde, kann weder von einer 'endgültigen Freilassung' iS des Art 14 Abs 1 lit b EurAuslübk noch von einer ihr nach Art VII Abs 1 des Zusatzvertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland vom 31. Jänner 1972, BGBl 1977/35, gleichstehenden bedingten Freilassung ohne eine die Bewegungsfreiheit einschränkende Anordnung und im übrigen auch nicht davon gesprochen werden, daß er darnach das Gebiet der Republik Österreich verlassen konnte und durfte (§ 70 Abs 1 Z 1 ARHG).

In diesem Umfang war demnach von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) sogleich mit einem Freispruch vorzugehen

(vgl SSt 52/49 ua).

Außerdem nahm aber das Schöffengericht in Ansehung des dem Verhehlen sämtlicher urteilsgegenständlicher Kunstobjekte zugrundegelegenen Diebstahls lediglich als erwiesen an, daß jener 'durch Nachsperren einer versperrten Wohnungstür' oder (gemeint: deren) 'Öffnen mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel' oder 'durch Einsteigen durch ein Küchenfenster' begangen worden war: von diesen (sohin) alternativ konstatierten Tatmodalitäten ist - abgesehen davon, daß nach den Verfahrensergebnissen auch die Verwendung eines widerrechtlich 'erlangten' Schlüssels zweifelhaft ist, wobei die Benützung eines bloß widerrechtlich zurückbehaltenen derartigen Instruments (vgl S 23, 33) zur Verbrechensqualifikation nicht ausreicht (vgl RZ 1983/50, EvBl 1984/87, 10 Os 147/84 ua) - jedenfalls die zuerst angeführte für die Annahme einer nach § 129 Z 1 StGB qualifikationsbegründenden Tatbegehung nicht tragfähig, weil sie auch die Möglichkeit einer (nicht qualifizierenden) Nachsperre mit einem zufällig passenden Schlüssel (vgl SSt 48/37 ua) offen läßt. Demnach liegen (auch) für die Verbrechensqualifikation nach § 164 Abs 3 letzter Fall StGB schon die objektiven Voraussetzungen nicht vor.

Die insoweit unterlaufene Urteilsnichtigkeit (Z 10) war, da nach der Aktenlage selbst in einem zweiten Rechtsgang zureichend begründbare Feststellungen für die in Rede stehende Diebstahls(und Hehlerei-) Qualifikation nicht zu erwarten wären, gleichfalls von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) durch eine sofortige Korrektur der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Verhehlens der übrigen Kunstgegenstände wie im Spruch zu beheben.

Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wurden die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten als erschwerend, sein Geständnis und das Zustandebringen der verhehlten Gegenstände hingegen als mildernd gewertet. Von einem langen Zurückliegen des Tatverhaltens allerdings kann ebensowenig gesprochen werden wie von einer Begehung der Straftat aus Unbesonnenheit oder auf Grund einer drückenden Notlage (§ 34 Z 7, 10 oder 18 StGB).

Da nach der tatund persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) innerhalb des nunmehr anzuwendenden, bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe reichenden Rahmens des § 164 Abs 2 StGB die Strafdauer im Hinblick auf die gegebenen Milderungsgründe sowie darauf, daß die seinen (insgesamt sieben) einschlägigen Vor-Verurteilungen (zu Freiheitsstrafen bis zu sieben Monaten) zugrunde gelegenen Straftaten durchwegs bereits länger als zehn Jahre zurückliegen, mit weniger als sechs Monaten auszumessen wäre und es nach dem Gesagten sowie unter Bedacht auf seine soziale Integration weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Erwägungen der Verhängung einer Freiheitsstrafe bedarf, war er gemäß § 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe zu verurteilen. Diese erscheint unter weiterem Bedacht auf die persönlichen Verhältnisse und auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten (§ 19 Abs 2 StGB) - monatliches Nettoeinkommen im Jahresdurchschnitt 10.500 S, Sorgepflicht für seine Gattin und ein Kind - in der (einer viermonatigen Freiheitsstrafe entsprechenden) Höhe von 240 Tagessätzen zu je 150 S als angemessen. Die Gewährung bedingter Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) hingegen kam mit Rücksicht auf sein belastetes Vorleben im Interesse spezialpräventiver Effizienz nicht in Betracht.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Aussprüche über die Anrechnung seiner Haftzeiten (§ 38, 66 StGB) waren mit Bezug auf die nunmehr verhängte Geldstrafe aus dem Ersturteil zu übernehmen.

Anmerkung

E06772

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00124.85.1029.000

Dokumentnummer

JJT_19851029_OGH0002_0100OS00124_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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