TE OGH 1985/11/20 3Ob99/85

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Veröffentlicht am 20.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B C, 1230 Wien, Josef Österreichergasse 43, vertreten durch Dr. Sieglinde Schubert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Susanne D, Friseurgesellin, 1140 Wien, Linzer Straße 203/3/16, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 35

EO, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 5. März 1985, GZ 46 R 147/85-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 20. Dezember 1984, GZ 5 C 129/84-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Susanne D kaufte am 19. März 1981 bei der A Handelsgesellschaft mbH einen PKW VW 17 um S 46.000,-- . Bei der Reparatur eines am 2.5.1981 eingetretenen Schadens wurden wesentliche und unbehebbare Vorschäden festgestellt, die von der Verkäuferin angeblich absichtlich verschwiegen wurden, weshalb die Käuferin mit der beim Handelsgericht Wien am 9. Juli 1981 zu 37 Cg 658/81 eingebrachten Klage die gänzliche Aufhebung des Kaufvertrags geltend machte und die Rückzahlung des erwähnten Kaufpreises samt 4 % Zinsen seit 5. Mai 1981 begehrte. Nachdem der bestellte Sachverständige für das Kfz-Wesen und Verkehrssicherheit, der den PKW am 21.12.1982 untersucht hatte, sein Gutachten erstattet hatte, wonach das Fahrzeug am 19. März 1981 nicht verkehrs- und betriebssicher und deshalb nur S 21.000,-- wert war, während ein technisch einwandfreier reparierter PKW damals S 44.000,-- wert gewesen wäre, und wonach für die sachgemäße Behebung der im Ankaufszeitpunkt bestandenen Schäden etwa S 22.000,-- erforderlich waren, wendete die Verkäuferin in der Tagsatzung vom 21. März 1984

ein, zur Zahlung des eingeklagten Betrages nur Zug um Zug gegen Übergabe vom PKW und Typenschein, aus dem die behördliche Abmeldung hervorgehe, verpflichtet zu sein, anerkannte dann aber den eingeklagten Anspruch ebenso wie die Käuferin den Zug-um-Zug-Einwand. Mit Anerkenntnisurteil vom 21. März 1984, 24 Cg 28/84-21, wurde die damalige Beklagte schuldig erklärt, der damaligen Klägerin binnen 14 Tagen Zug um Zug gegen Ausfolgung des PKW VW Golf, Baujahr 1975, Fahrgestellnummer 1763000001, Kilometerstand 70.785, und des Typenscheins, aus dem die behördliche Abmeldung hervorgeht, S 46.000,-- samt 4 % Zinsen seit 5. Mai 1981

und S 18.000,-- Verfahrenskosten zu zahlen.

Auf Grund dieses Anerkenntnisurteils wurde der damaligen Klägerin mit Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom 27. April 1984, E 5005/84-1, zur Hereinbringung der erwähnten Geldforderungen Zug um Zug gegen Ausfolgung des PKW und des Typenscheins die Fahrnisexekution bewilligt und am 27. Juni 1984

durch Pfändung zweier Deckung bietender Maschinen vollzogen. Nach einer Bemerkung im Pfändungsprotokoll wurde die 'Zug-um-Zug-Exekution nicht vollzogen', weil der Intervenient nicht erschienen war. Wo sich der PKW befindet, konnte vom Gerichtsvollzieher damals nicht eruiert werden.

In der am 6. Juli 1984 beim Bezirksgericht Liesing eingebrachten Klage erhob die verpflichtete Partei gegen den betriebenen Anspruch die Einwendung, die betreibende Partei habe die von ihr Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung weder erfüllt noch sichergestellt und könne sie auch durch ihr Verschulden nicht mehr erfüllen, weil der PKW ein Wrack geworden sei. Dadurch sei der betriebene Anspruch erloschen.

Die Beklagte wendete ein, ihr Vertreter habe der Vertreterin der Oppositionsklägerin mit einem am 26. März 1984 zur Post gegebenen eingeschriebenen Brief den Typenschein, weiters Adolf E, einem Dienstnehmer der Klägerin, am 29.3.1984 vier Schlüssel des PKW ausgefolgt und damit ihre 'Vorausleistung' erfüllt. Die Klägerin habe den PKW auf dem Abstellplatz der MA 48 übernommen und dieser Magistratsabteilung den Auftrag zur Verschrottung des Fahrzeuges erteilt, was auch geschehen sei. Über den Zustand des zu übergebenden PKW sei im Anerkenntnisurteil nicht abgesprochen worden.

Die Klägerin replizierte, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den PKW in dem Zustand herauszugeben, der aus dem im Titelverfahren eingeholten Sachverständigengutachten hervorgehe.

Das Erstgericht erklärte den betriebenen Anspruch für erloschen. Es stellte im wesentlichen fest, daß sich das Fahrzeug zur Zeit der Befundaufnahme durch den Sachverständigen im Titelprozeß am 21. Oktober (richtig: Dezember) 1982 in einem mittleren Pflegezustand befand und in der Folge auf dem Abstellplatz der MA 48 in der Eibesbrunnergasse stand. Im Beweissicherungsverfahren 3 Nc 24/84 des Bezirksgerichtes Favoriten stellte derselbe Sachverständige am 4. April 1984 Beschädigungen fest, die bei der erwähnten früheren Befundaufnahme noch nicht vorhanden waren und einen Reparaturaufwand von mindestens S 15.000,-- erfordern würden. Das Fahrzeug, das im März 1981 einen Verkaufswert von S 21.000,-- hatte, wäre drei Jahre später nur mehr S 13.500,-- wert gewesen. Wegen der erwähnten Reparaturkosten handelt es sich wirtschaftlich um einen Totalschaden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Beklagte könne das Fahrzeug durch ihr Verschulden (Abstellen auf einem allgemein zugänglichen Abstellplatz der MA 48) nicht mehr in dem Zustand übergeben, in dem es sich beim ex tunc aufgelästen Kaufvertrag befunden habe. Daß die im Beweissicherungsverfahren festgestellten Beschädigungen vor dem Schluß der Verhandlung im Titelprozeß eingetreten seien, sei im Oppositionsstreit weder behauptet noch bewiesen worden. Die Parteien seien offensichtlich davon ausgegangen, daß diese Schäden erst später eingetreten seien. Eine nach Entstehen des Titels eingetretene Unmöglichkeit oder Unerschwinglichkeit der Leistung könne mit Oppositionsklage geltend gemacht werden.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil der ersten Instanz durch Abweisung des Klagebegehrens ab und erklärte die Revision für zulässig.

Die Annahme des Erstgerichts, man könne den Parteien unterstellen, sie seien davon ausgegangen, daß die Beschädigungen erst nach dem 21. März 1984 entstanden seien, entbehre einer aktenmäßigen Grundlage. Die klagende Partei hätte behaupten und allenfalls beweisen müssen, daß die Unmöglichkeit der Gegenleistung erst nach dem im § 35 Abs 1 EO genannten Zeitpunkt eingetreten sei, habe dies aber nicht einmal behauptet, sodaß ihre Klage insoweit nicht schlüssig sei. Die klagende Partei habe ihr Begehren aber auch darauf gestützt, daß die Beklagte ihren Anspruch auf Ausfolgung des PKW weder erfüllt noch sichergestellt habe. Dies könne lediglich ein Vollzugshindernis der unabhängig vom Nachweis der Erfüllung oder Sicherstellung der Gegenleistung zu bewilligenden Exekution und daher nur einen Aufschiebungsgrund darstellen, nicht aber mit Einwendungen gegen den Anspruch geltend gemacht werden. Nur wenn behauptet werde, daß die Erfüllung der Gegenleistung durch irgendwelche Umstände unmöglich gemacht und damit der wechselseitig verbindliche Vertrag überhaupt aufgehoben worden wäre (§ 1447 ABGB), könnte darin die Geltendmachung einer den Anspruch aufhebenden Tatsache im Sinne des § 35 EO erblickt werden. Eine solche dauernde, nach Entstehen des Exekutionstitels eingetretene Unmöglichkeit der Gegenleistung habe die klagende Partei jedoch nicht behauptet.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß der Oberste Gerichtshof die Frage, ob die mangelnde Erfüllung oder Sicherstellung der Zug um Zug zu bewirkenden Gegenleistung nach § 35 EO geltend gemacht werden könne, bisher nicht einheitlich entschieden habe.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern, allenfalls es zwecks Zurückverweisung aufzuheben.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 35 Abs 1 EO können gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution bewilligt wurde, im Zuge des Exekutionsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels eingetreten sind. Falls jedoch dieser Exekutionstitel in einer gerichtlichen Entscheidung besteht, ist der Zeitpunkt maßgebend, bis zu welchem der Verpflichtete von den bezüglichen Tatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen konnte.

Im vorliegenden Fall könnten daher nur solche den betriebenen Anspruch aufhebenden oder hemmende Tatsachen eingewendet werden, die nach Schluß der mündlichen Verhandlung vom 21. März 1984, in der das den Exekutionstitel bildende Anerkenntnisurteil erlassen wurde, eingetreten sind. Einwendungen, deren Vorbringen im Titelverfahren nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen objektiv unmöglich war, sind auch dann keine tauglichen Oppositionsgründe, wenn sie aus subjektiven Gründen, etwa - unverschuldeter - Unkenntnis, nicht vorgebracht wurden (ständige jüngere Rechtsprechung: SZ 13/148;

SZ 15/128; SZ 17/100; EvBl 1970/167, SZ 49/4 ua.; ebenso Heller-Berger-Stix I 397 f. mit weiteren Literaturangaben;

Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht 2, 112). Auf die in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich geläste Frage, unter welchen Voraussetzungen der Umstand, daß der betreibende Gläubiger die von ihm Zug-um-Zug zu bewirkende Gegenleistung weder erfüllt noch sichergestellt hat, mit Einwendungen gegen den Anspruch nach § 35 EO geltend gemacht werden kann (Heller-Berger-Stix I 220, 374, 435 und 541 f;

GlUNF 4578; AnwZ 1931, 53; SZ 13/148; F. 1961, 551;

MietSlg 15.669, EvBl 1970/167; MietSlg 27.718), oder einen Aufschiebungsgrund nach § 42 Abs 1 Z 4 EO darstellt (Pollak, System 2, III 896; Holzhammer, aaO, 86; 3 Ob 163/56;

MietSlg 17.813; EvBl 1968/328), braucht in diesem Fall aus folgenden Gründen nicht näher eingegangen werden:

Wie sich vor allem aus dem auf Ausspruch des Erlöschens des betriebenen Anspruchs gerichteten Klagebegehren und aus der Replik der Oppositionsklägerin auf das Vorbringen der Beklagten ergibt, wollte die erstere nicht bloß behaupten, daß der betriebene Anspruch mangels Erfüllung oder Sicherstellung der Gegenleistung gehemmt sei, sondern daß dieser Anspruch aufgehoben sei. Die betreibende Partei könne nämlich die Gegenleistung aus ihrem Verschulden nicht mehr erbringen, weil der von ihr auszufolgende PKW zum Wrack geworden sei.

Die Unmöglichkeit der (Gegen-)Leistung kann zwar nach Lehre (Heller-Berger-Stix I 375 f; II XL) und Rechtsprechung (SZ 19/58; EvBl 1970/167) eine den Anspruch aufhebende Tatsache sein. Einen Oppositionsgrund bildet sie aber nur dann, wenn die Unmöglichkeit der Leistung nach dem im § 35 Abs 1 EO bezeichneten Zeitpunkt eingetreten ist.

Dies hätte die Oppositionsklägerin behaupten und allenfalls beweisen müssen. Darin, daß sie diese Einwendung in einer Oppositionsklage erhob, kann insbesondere deshalb keine solche Behauptung erblickt werden, weil die im Beweissicherungsverfahren am 4. April 1984 festgestellten Beschädigungen des von der betreibenden Partei der verpflichteten Partei auszufolgenden PKW nicht nur während des nicht einmal zwei Wochen umfassenden Zeitraumes seit dem Verhandlungsschluß im Titelprozeß, sondern auch in den mehr als 15 Monaten zwischen der Befundaufnahme des Sachverständigen im Titelprozeß am 21. Dezember 1982 und dem Verhandlungsschluß im Titelprozeß entstanden sein können.

Für letztere Annahme sprechen übrigens insbesondere die festgestellten Aufweichungen der beiden Lautsprechermembranen und der Tapezierung des Rücksitzes durch Regenwasser und die in der Revision aufgestellte Behauptung, es stehe fest, daß die Oppositionsbeklagte den PKW im Zeitraum von Oktober 1982 bis 4. April 1984 zum Wrack gemacht habe.

Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht die Annahme des Erstgerichtes, die Parteien seien offensichtlich davon ausgegangen, daß die am 4. April 1984 festgestellten Schäden am PKW erst nach Schluß der Verhandlung im Titelprozeß eingetreten seien, mit Recht als nicht zutreffend bezeichnet.

Da in der Oppositionsklage somit keine Tatsachen behauptet wurden, die erst nach Verhandlungsschluß im Titelprozeß eingetreten sind, wurde das Oppositionsbegehren schon deshalb vom Berufungsgericht mit Recht abgewiesen, weshalb auf die Revisionsausführungen, die sich mit dieser Grundvoraussetzung jedes Oppositionsgrundes nicht auseinandersetzen, nicht eingegangen werden muß.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Nach den §§ 40, 41 und 50 ZPO hat die Revisionswerberin keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels.

Anmerkung

E06930

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00099.85.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19851120_OGH0002_0030OB00099_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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