TE OGH 1985/11/27 1Ob702/85

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Veröffentlicht am 27.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich A, Innenarchitekt, Linz, Rathausgasse 5, vertreten durch Dr.Gerhard Gfrerer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Luise B, Pensionistin, Linz, Rathausgasse 5, vertreten durch Dr.Wolfgang Mohringer, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 882,50 s.A. und Räumung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 23.September 1985, GZ.13 R 659/85-15, womit der Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgeriches Linz vom 30. Mai 1985, GZ.9 C 177/85-10, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz die sachliche Erledigung des Rekurses aufgetragen. Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Mietzinsrückstandes von S 882,50 s.A. und zur Räumung der von ihr gemieteten Wohnung in Linz, Rathausgasse 5/II, weil er den Mietvertrag wegen des Zinsrückstandes gemäß § 1118 ABGB als aufgelöst erkläre.

Die Beklagte bestritt den Zinsrückstand.

Das Erstgericht sprach mit Beschluß aus, daß die Beklagte dem Kläger an rückständigen Mietzinsen bis einschließlich 30.5.1985 den Betrag von S 66,78 schulde.

Den von der Beklagten mit dem Antrag festzustellen, daß sie dem Kläger keine rückständige Mietzinse schulde, erhobenen Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz zurück, ohne in seinem Beschluß Aussprüche über den Wert des Streitgegenstandes

und - allenfalls - über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof aufzunehmen. Bei einem S 15.000,-- nicht übersteigenden Streitwert könne der Beschluß erster Instanz nur aus den im § 517 ZPO genannten, hier nicht vorliegenden Gründen angefochten werden. Die im § 37 Abs.3 Z.17 lit.a MRG vorgesehene Ausnahme treffe nicht zu, weil ein gemäß § 33 Abs.2 letzter Satz MRG ergangener Beschluß nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung zu beurteilen sei. Die Bewertung des Räumungsbegehrens in der Klage (S 12.000,--) sei nicht offenbar unrichtig, das Rechtsmittel der Beklagten somit aber unzulässig.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten, der wie ein außerordentlicher Rekurs gemäß § 528 Abs.2 zweiter Satz ZPO ausgeführt ist, ohne als solcher bezeichnet zu sein.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung (EvBl.1984/146; 1 Ob 610/85 ua; zur früheren Rechtslage SZ 45/1; MietSlg.26.332, 20.517, 19.396) sind auf gemäß § 33 Abs.2 letzter Satz (und Abs.3) MRG gefaßte Beschlüsse nicht die besonderen Bestimmungen des § 37 Abs.3 Z.17 MRG, sondern die Rechtsmittelvorschriften der Zivilprozeßordnung anzuwenden. Die Bestimmung des § 528 ZPO gilt nicht nur für Beschlüsse zweiter Instanz, mit welchen an sie gerichtete Rechtsmittel sachlich erledigt werden, sondern auch für rekursgerichtliche Entscheidungen, mit denen Rechtsmittel aus formellen Gründen zurückgewiesen werden (JBl.1985,113 uva). Ist der Rekurs gegen eine Entscheidung des Rekursgerichtes nicht schon nach § 528 Abs.1 Z.1 bis 6 ZPO unzulässig, ist er gemäß § 528 Abs.2 ZPO zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 502 Abs.4 ZPO vorliegen (JBl.1984,617; ÖBl.1984,50 uva); diese Rechtsmittelbeschränkung gilt auch für Entscheidungen des Rekursgerichtes, mit welchen ein an sie gerichteter Rekurs zurückgewiesen wird (3 Ob 133/83). Trotz der unterlassenen Aussprüche über den Wert des Streitgegenstandes und die Zulässigkeit des Rekurse an den Obersten Gerichtshof bedarf es keiner Ergänzung (Berichtigung) der Entscheidung des Rekursgerichtes. Da gemäß § 500 Abs.2 Z.3 letzter Satz ZPO die im § 49 Abs.2 Z.5 JN genannten Streitigkeiten - zu denen auch auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsklagen gehören (Fasching, Komm I 305; 5 Ob 580/84) - jedenfalls mit einem S 15.000,-- übersteigenden Betrag zu bewerten sind, kann dieser an sich auch bei Zurückweisungsbeschlüssen des Rekursgerichtes notwendige Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes (§ 527 Abs.1 ZPO) ausnahmsweise entbehrt werden (5 Ob 580/85; 5 Ob 7/85; 3 Ob 502,503/84). Da der gemäß § 33 Abs.2 letzter Satz (und Abs.3) MRG vom Erstgericht gefaßte Beschluß zwar im Zwischenstreit über die Höhe des Zinsrückstandes ergeht (MietSlg. 20.517, 19.396 ua), aber für den Räumungsstreit präjudiziell ist, ist das Räumungsbegehren auch Gegenstand dieses Zwischenstreits und damit dessen Bewertung auch für den Zwischenstreit maßgebend. Einer Ergänzung der Entscheidung des Rekursgerichtes durch Beisetzung eines Ausspruches darüber, ob der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt (§§ 528 Abs.2, 502 Abs.4 Z.2 ZPO), sowie über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof (§§ 526 Abs.3, 500 Abs.3 ZPO) bedarf es im vorliegenden Fall nicht, weil die Beklagte ihr Rechtsmittel ohnehin inhaltlich als außerordentlichen Rekurs (§§ 528 Abs.2, 505 Abs.3, 506 Abs.1 Z.5 ZPO) ausgeführt hat. Zu der von der Beklagten in ihrem Rekurs aufgeworfenen Frage, ob die Bewertungsvorschrift des § 500 Abs.2 Z.3 letzter Satz ZPO auch schon auf das zweitinstanzliche Verfahren der im § 49 Abs.2 Z.5 JN genannten Streitigkeiten (sinngemäß) anzuwenden sei, fehlt Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, so daß damit eine im Sinne des § 502 Abs.4 Z.1 ZPO erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechtes ins Treffen geführt wird. Der Rekurs der Beklagten an den Obersten Gerichtshof wäre demnach selbst dann zulässig, wenn das Rekursgericht ausspräche, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- nicht übersteige, und den Rekurs nicht zuließe. Das Rechtsmittel ist berechtigt.

Daß im Zwischenstreit über die Höhe des Mietzinsrückstandes das auf § 1118 zweiter Fall ABGB gestützte Räumungsbegehren Streitgegenstand ist und dieses zu den im § 49 Abs.2 Z.5 JN genannten Streitigkeiten zählt, wurde schon dargelegt. In Bestandsachen muß der Streitgegenstand wegen des zwingenden Gebotes des § 500 Abs.2 Z.3 letzter Satz ZPO vom Berufungsgericht stets mit einem S 15.000,-- übersteigenden Betrag bewertet werden (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1836). Diese Vorschrift richtet sich ihrer Einordnung in die Regelung der dem Berufungsgericht obliegenden Aussprüche zwar nur an dieses. Der Gesetzgeber wollte die Bestandsachen aber durch die Bewertungsvorschrift des § 500 Abs.2 Z.3 letzter Satz ZPO ganz allgemein vom Bagatellverfahren ausnehmen und sicherstellen, daß der (bei einer entsprechenden Bewertung gemäß § 502 Abs.2 Z.2 ZPO nicht anrufbare) Oberste Gerichtshof mit Bestandstreitigkeiten zumindest bei difformen Entscheidungen der Vorinstanzen durch eine ausreichend hohe Bewertung immer (wenigstens mit einem außerordentlichen Rechtsmittel) befaßt werden kann (AB 1337 BlgNR 15.GP, 18). Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn in die dritte Instanz umfangreichere Anfechtungsmöglichkeiten bestünden als in die zweite Instanz. Dies träfe auf Fälle wie den vorliegenden zu, bei welchen der Streitgegenstand in der Klage mit einem S 15.000,-- nicht übersteigenden Betrag bewertet wurde. Die Berufung wäre auf die Anfechtungsgründe der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beschränkt (§ 501 ZPO), der Rekurs - vor allem gegen einen den Sachausgang im Kündigungs- oder Räumungsstreit präjudiziellen Beschluß gemäß § 33 Abs.2 (und 3) MRG - sogar überhaupt ausgeschlossen, während in dritter Instanz (bei difformen Entscheidungen) auch Verfahrensmängel (wenigstens als erhebliche Fragen des Verfahrensrechtes) geltend gemacht und Beschlüsse im Rahmen des § 528 Abs.2 ZPO angefochten werden könnten. Da eine solche Absicht dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, ist die zwingende Bewertung von Bestandsachen mit einem S 15.000,-- übersteigenden Betrag mit Fasching (aaO) auf das zweitinstanzliche Rechtsmittelverfahren, auch wenn es sich um einen Rekurs handelt und die zweite Instanz daher als Rekursgericht zu erkennen hat, auszudehnen; deshalb ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes der Beschluß gemäß § 33 Abs.2 (und 3) MRG selbständig anfechtbar (vgl. auch Fasching aaO Rz 2160).

Dem Rekursgericht ist daher die sachliche Erledigung des an dieses Gericht gerichteten Rekurses aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E07018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00702.85.1127.000

Dokumentnummer

JJT_19851127_OGH0002_0010OB00702_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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