TE OGH 1985/11/28 13Os42/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.November 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Mag. Herbert A u. a. wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten Mag. Herbert A und Dr. Gerhart B gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 16. Mai 1984, GZ. 9 e Vr 5291/80-149, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, des Angeklagten Mag. Herbert A und der Verteidiger Dr. Pichler und Dr. Stoff, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Dr. Gerhart B, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das im übrigen unberührt bleibende angefochtene Urteil in den die Angeklagten Mag. Herbert A und Dr. Gerhart B betreffenden Freisprüchen (I bzw. II b) sowie in dem Ausspruch über die Entschädigungsansprüche aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 17.Jänner 1944 geborene Bauleiter Ing. Karl C wurde des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Hingegen wurden der Genannte sowie der am 6. Mai 1933 geborene (frühere) Architekt Mag. Herbert A, der am 17. Juni 1932 geborene Konsulent Dr. Gerhart B und der am 20.März 1933 geborene Magistratsbeamte der Stadt Wien Rudolf D von der Anklage des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB. (Dr. Gerhart B und Ing. Karl C nach § 12, dritter Fall, StGB.) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Laut in der Hauptverhandlung modifizierter (Band V S. 643) Anklage lag ihnen zur Last, es hätten in Wien (I) Mag. Herbert A als von dem von der Stadt Wien mit der Bauführung beim Projekt Wien 14., Linzerstraße 466 (bis 468) betrauten 'F*** E F G H I J K W*** beauftragter Architekt und Rudolf D als Geschäftsführer dieses Fonds im bewußten und gewollten Zusammenwirken am 19.Juli 1974 und am 12. September 1974 die ihnen durch Rechtsgeschäfte eingeräumte Befugnis, die Gemeinde Wien zu verpflichten, wissentlich mißbraucht und dadurch der Gemeinde Wien einen Vermögensnachteil in der Höhe von 1,982.402,12 S plus 16 %

Umsatzsteuer (das sind ca. 2,300.000 S) zugefügt, indem Mag. Herbert A im Juli 1974 einen Subgeneralunternehmerauftrag (seitens der als Generalunternehmer fungierenden I***-B***-Ges.m.b.H.) an die Firma L, M G N.m.b.H.

veranlaßte und Rudolf D diese Auftragsvergabe akzeptierte; (II) zu den zu (I) bezeichneten strafbaren Handlungen beigetragen a) Ing. Karl C von Juli bis September 1974, indem er die Vergabe eines Subgeneralunternehmerauftrags durch die I***-B***-Ges.m.b.H. an die L, M G N.m.b.H. mit Bevollmächtigten der I***-B***- Ges.m.b.H. aushandelte, eine beschränkte Ausschreibung der zu erbringenden Leistungen fingierte und die Einholung von Konkurrenzanboten vor Erteilung des Zusatzauftrags vortäuschte, b) Dr. Gerhart B, indem er gemäß einer vor der Tat mit Mag. Herbert A geschlossenen Vereinbarung am 16.September 1974 eine Scheinrechnung an die L, M G N.m.b.H. über 1,662.120 S legte und den Betrag in Raten vom 16.September 1974 bis 13.Dezember 1974

kassierte und beiseiteschaffte.

Den Freispruch der Angeklagten Mag. Herbert A und Dr. Gerhart B bekämpft die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Das Schöffengericht ist im wesentlichen von folgenden Sachverhaltsfeststellungen ausgegangen:

Anfang 1974 ergab sich die Notwendigkeit, in Wien Unterkünfte und Schulräume für Polizeischüler zu schaffen. Die Stadt Wien erklärte sich bereit, für diesen Zweck das in ihrem Eigentum stehende Gebäude Wien 14., Linzerstraße 466 bis 468, welches als Kloster erbaut und in weiterer Folge als Säuglings- und Kinderheim verwendet worden war, instandzusetzen und umzubauen. Die Renovierungsarbeiten mußten bis 15.September 1974 abgeschlossen sein, weshalb besondere Dringlichkeit geboten war. Da jedoch für die finanzielle Bedeckung nicht vorgesorgt war und sich auch bei den Verhandlungen mit dem künftigen Benützer, der Bundespolizeidirektion Wien, über Art und Umfang des Um- bzw. Ausbaus Schwierigkeiten ergaben, erklärte sich die zuständige Magistratsabteilung 27 am 22.Mai 1974 außerstande, das Projekt zeitgerecht fertigzustellen.

Daraufhin faßte der Amtsführende Stadtrat für Finanzen und Wirtschaftspolitik Hans O am 29.Mai 1974 den Entschluß, die Bauagenden der Zuständigkeitsvielfalt des Wiener Magistrats zu entziehen und dem 'FONDS E F G H I J K W*** zu übertragen. Nach einer am 29.Mai 1974 getroffenen Absprache sollte diesem Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit, dessen Präsidentin zum damaligen Zeitpunkt die mittlerweile verstorbene Amtsführende Stadträtin für das Wohlfahrtswesen Maria P war und als dessen Geschäftsführer der Angeklagte Rudolf D fungierte, die gesamte Bauführung übertragen werden. Zur Durchführung der Agenden sollte sich der Fonds eines Architekten bedienen. Zu diesem Zweck trat am 30.Mai 1974 Rudolf D an den Architekten Mag. Herbert A heran, der ohne vorherige vertragliche Regelung seiner Konsulententätigkeit - ein formeller Vertrag wurde erst am 25.September 1974 abgeschlossen - sofort Planung und Bauleitung übernahm. Mag. Herbert A betraute mit den Bauarbeiten die Firma I***-B***-Ges.m.b.H. in Baden (Q.), von der er durch den bei ihm angestellten Angeklagten Ing. Karl C am 11. Juni 1974 ein Anbot einholen ließ. Auf Grund einer oberflächlichen Baubeschreibung und Kostenschätzung wurde Mag. A mit Schreiben des R vom 26.Juni 1974 aufgefordert, die von der MA 27 begonnenen Arbeiten fortzusetzen und mit deren Ausführung im Namen und auf Rechnung des R geeignete Fachfirmen zu beauftragen. Erst am 2. Juli 1974 kam es zwischen dem R und dem Magistrat der Stadt Wien zum Abschluß eines 'Bauführungsvertrages'.

Gleichzeitig begannen die Q. und andere Unternehmen an der Baustelle mit den Arbeiten.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Mag. Herbert A die Absicht, das Projekt als 'Architektenbaustelle' zu führen und einzelne Professionisten heranzuziehen. Auf Grund eines ausdrücklichen Wunsches der Präsidentin des R Maria P, einen Generalunternehmer zu bestellen, wurden Kontakte mit der Q.

aufgenommen. Da deren Bauleiter zunächst ablehnten, die Funktion eines Generalunternehmers auszuüben, weil die zur Verfügung stehende Zeit es nicht mehr zuließe, Anbote von Professionisten einzuholen und diese auch zeitgerecht zur Ausführung gelangen zu lassen, bot Mag. Herbert A eine Läsungsmöglichkeit in der Form an, daß die L, M G N.m.b.H.

(S.), ein damals zu 99 % in seinem Eigentum stehendes Unternehmen, sich als Subgeneralunternehmer zur Verfügung stelle. Da aber die S., die sich mit der Verwaltung von Häusern sowie dem Grundstücksgeschäft befaßte (V. Band S. 835), noch keine Konzession für Baumeisterarbeiten besaß, wurde Einigung schließlich dahin erzielt, daß die Q. als Generalunternehmer eingesetzt werden und die S. als Subgeneralunternehmer für alle übrigen Professionisten auf der Baustelle wirken sollte. Am 3.Juli 1974 verfaßte Mag. Herbert A eine etwas detailliertere Baubeschreibung mit Bauzeitplan und übermittelte diese unter dem Titel 'Ausschreibungsunterlagen für Hauptunternehmerleistungen' an die Q. Diese erstellte dazu am 9.Juli 1974 ein Anbot über 13,849.000 S, worauf Mag. Herbert A namens des R mit Schreiben vom 19.Juli 1974 der Q. den - von dieser mit Gegenschlußbrief vom 16.August 1974

angenommenen - Bauauftrag als Generalunternehmer zu einem Fixpreis von 13,572.000 S inklusive Mehrwertsteuer erteilte. Mit Datum 7. August 1974 übertrug die Q. die Durchführung sämtlicher Professionistenarbeiten mit Ausnahme der Bauarbeiten der S. zu einem Fixpreis von 10,608.000 S inklusive Mehrwertsteuer, worauf die S., soweit dies nicht schon Anfang Juli 1974 mündlich durch Mag. A geschehen war, Professionisten beauftragte.

Bei der Abwicklung des Bauprojekts wurde eine ordnungsgemäße beschränkte Ausschreibung nach ÖNORM 2050 fingiert und es wurden (ohne Kalkulationsgrundlagen und ohne Besichtigung der Baustelle verfaßte) Gefälligkeitsanbote der Firmen T & U, V Baugesellschaft m. b.H. und W WIEN Ges.m.b.H. eingeholt. Am 14.August 1974 wurde sodann vom R der MA 52

mitgeteilt, daß die Q. auf Grund einer beschränkten Ausschreibung als Hauptunternehmer ermittelt worden sei.

Die vom Wiener Gemeinderat für Bauvorhaben bewilligten Budgetmittel von zunächst 13,000.000 S und später weiteren 3,000.000 S (für Trockenlegungsarbeiten und für die Errichtung eines Traufenpflasters) wurden dem R in Teilbeträgen überwiesen. Am 2.Juni 1975 legte die Q. dem R eine Schlußrechnung über 15,094.221,99 S inklusive Mehrwertsteuer; die S. legte ihrerseits Teilrechnungen, auf Grund welcher sie entsprechende Teilzahlungen angewiesen erhielt. Von dem mit Schlußrechnung vom 12.Mai 1975 seitens der S. gegenüber der Q.

(als Generalunternehmer) geltend gemachten Betrag von 10,758.000 S einschließlich Mehrwertsteuer wurden von der Q. 10,085.204,91 S anerkannt. Demnach erläste (?) die S. 8,694.142,16 S, wovon an Professionisten 6,711.740,04 S bezahlt wurden. Der S. verblieb somit ein Rohgewinn von 1,982.402,12 S.

Im Zug der Abwicklung des Projekts war die Amtsführende Stadträtin Maria P an den Angeklagten Mag. Herbert A mit dem Wunsch um eine 'Spende' - in welchem Zusammenhang eine Summe von 1,500.000 S genannt wurde - für ihr Lieblingsprojekt, die 'Stadt des Kindes' in Wien-Hadersdorf, herangetreten. Mag. A zeigte sich hiezu bereit, gab aber zu verstehen, daß dies für ihn nur dann wirtschaftlich vertretbar wäre, wenn er die Spende als Betriebsausgabe buchhaltungsmäßig unterbringen könne. Als in weiterer Folge der Angeklagte Dr. Gerhart B mit ihm Kontakt aufnahm und erklärte, er habe als Treuhänder ein Inkasso für Provisionen aus der Baustelle Linzerstraße zu tätigen, schien es Mag. Herbert A klar, daß es sich hiebei um die vereinbarte Spende handeln müsse. Von den Auftraggebern des Dr. Gerhart B war dabei die Bezahlung eines Honorars für seine Vermittlungstätigkeit in Ansehung des Subgeneralunternehmerauftrags von der Q. an die S. vorgeschoben worden. Mit Schreiben vom 31.Juli 1974 und 6.August 1974 wurden die fingierten Honorarvereinbarungen zusammengefaßt, und am 16.September 1974 wurde eine Honorarnote über 1,539.000 S zuzüglich 123.120 S, zusammen sohin 1,662.120 S, an die S. gelegt, welcher Betrag mit Wissen und Willen Mag. AS zwischen dem 16.September und 13.Dezember 1974 an Dr. B zur Auszahlung gelangte. Im Rahmen einer bei Dr. B vorgenommenen Betriebsprüfung wurden ein Eingang von 1,662.120 S unter dem Titel 'Firma X Q.' und ein Ausgang in gleicher Höhe unter dem Titel 'Ausgang an Martin A***' festgestellt.

Auf Grund der Verfahrensergebnisse gelangte das Erstgericht zur Auffassung, es sei nicht erwiesen, daß Mag. Herbert A als beauftragter Architekt die Einschaltung seiner Firma S. als Subgeneralunternehmer wissentlich mißbräuchlich veranlaßt habe, um die Gemeinde Wien durch eine ungerechtfertigte Verteuerung des Projekts an ihrem Vermögen zu schädigen. Die Erzielung eines Rohgewinns von 1,982.402,12 S, durch welchen objektiv eine Verteuerung des Projekts eingetreten ist, sei angesichts des von ihm übernommenen extrem hohen Risikos (Kostengarantie und Pönale für den Fall nicht zeitgerechter Vertragserfüllung) für Mag. A nicht vorherzusehen gewesen; auch lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß er seine Mitarbeiter aufgefordert habe, überhöhte Kostenschätzungen vorzunehmen (Band V S. 849, 857 ff.). Durch den Abschluß eines Generalunternehmer- bzw. Subgeneralunternehmervertrags habe Mag. A zwar gegen den Inhalt des zwischen dem R und der Gemeinde Wien abgeschlossenen Bauführungsvertrags verstoßen, doch fehle insoweit das Tatbestandsmerkmal der Wissentlichkeit, weil für A die Gemeinde Wien in der Stadträtin P personifiziert gewesen sei und ihm nicht habe zugemutet werden können, gegen den Willen seines Vertragspartners - des R - zu handeln (Band V S. 841, 877). Wenngleich nicht mehr festgestellt werden konnte, wohin die an Dr. Gerhart B zur Auszahlung gelangten Geldbeträge tatsächlich geflossen sind (jedenfalls nicht an 'Martin A***'), sei doch kein ausreichendes Motiv zu ersehen, um ein 'untreues' Handeln des Angeklagten A verständlich zu machen (Band V S. 855, 857, 865 ff.). Zudem sei die Spende nach der unwiderlegten Verantwortung AS nicht nur auf das vorliegende Projekt zu beziehen, sondern als Versuch anzusehen, bei der Gemeinde Wien im Geschäft zu bleiben (Band V S. 879). Das Verhalten des Angeklagten Dr. B aber sei 'konnex' mit einem untreuen Handeln des Angeklagten A zu sehen, sodaß auch bei Dr. B der Tatbestand der Untreue (§ 12, dritter Fall, StGB.) nicht gegeben sei (Band V S. 879 ff.).

Rechtliche Beurteilung

Begründungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.), wie sie von der Staatsanwaltschaft namentlich betreffend die Verneinung der subjektiven Seite des Tatbestands der Untreue, nämlich der Wissentlichkeit des Befugnismißbrauchs, geltend gemacht werden, haften dem angefochtenen Urteil in mehrfacher Hinsicht an. Zunächst ist - vor dem Durchgriff auf gerügte Einzelheiten - festzuhalten, daß die Urteilsannahme, der Angeklagte A sei mit dem Generalunternehmerauftrag 'ein großes Wagnis eingegangen', weil dieser Auftrag eine gravierende Pönaleverpflichtung zum Gegenstand hatte (V. Band S. 851), im Widerspruch zu der Konstatierung steht, daß A die Q. als Generalunternehmer herangezogen (eingesetzt: V. Band S. 837) hat, während die S. nur Subgeneralunternehmer war (insofern aktenwidrig V. Band S. 841). Aus der Heranziehung der Q. könnte auch das Gegenteil eines Wagnisses geschlossen werden, nämlich das Vorschieben einer damals potenten Baufirma als haftender Generalunternehmer, wogegen die S. praktisch vermögenslos und ertragsschwach war (siehe weiter unten) und folglich de facto für gar nichts einstehen konnte (es sei denn, sie machte einen unverhältnismäßigen Gewinn). Damit brächen die Urteilsüberlegungen zur Verteuerung wegen der Leistung einer Kostengarantie zusammen. Gleiches gilt für den vereinbarten Fertigstellungstermin (15.September 1974: V. Band S. 813), der ohnedies in einem geradezu unglaublichen Ausmaß überschritten wurde; konnte doch die MA 52 (nach Abnahme der Arbeiten am 24.April 1975) erst am 30.Oktober 1975 (!) feststellen, daß - endlich - alle Mängel behoben seien (Einzelheiten I. Band S. 83, 85).

Sodann: Der Rohgewinn der S. von 1,982.402,12 S fußt auf einer vom Schöffensenat urteilsmäßig (V. Band S. 847) nicht aufgeklärten Ausgangsposition per 8,694.142,16 S, dem 'Erläs der S.' (Erläs minus Zahlungen an die Professionisten von 6,711.740,04 S ergibt den Rohgewinn). Daß dieser Rohgewinn zuzüglich Umsatzsteuer eine Verteuerung für den R und damit in weiterer Folge für die Gemeinde Wien brachte (s. Band V S. 851), trifft zu. Wollte man nun, wie es das Landesgericht tat, trotz allem Vorgesagten von einer seitens der S. als Subgeneralunternehmer geleisteten 'Kostengarantie' als - wenn auch 'nicht ausgewogenem' - Äquivalent für den Millionengewinn ausgehen, so hätte es einer entsprechenden Auseinandersetzung mit der Preisangemessenheit einer solchen 'Kostengarantie' bedurft. Der Sachverständige Dipl.Ing. Y bezifferte (mit Begründung) das angemessene Entgelt der - hypothetischen - Kostengarantie für die S. mit 270.000 S, mit welchem Betrag übrigens der Gewinn der Q. gekürzt werden müßte (siehe Band V S. 777). Die Differenz zum tatsächlich erzielten Rohgewinn von nahezu 2,000.000 S ist so groß, daß sie unter dem Gesichtspunkt der daraus abgeleiteten Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite eine kritische Erörterung verlangt. Eine Befassung des Urteils mit der Preisangemessenheit der angeblichen oder nominellen Kostengarantie fehlt indes überhaupt. Sachlich unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels schlägt ferner die Rüge durch, das Urteil lasse eine Erörterung des - gewiß wesentlichen - Hinweises des Sachverständigen Dipl.Ing. Y vermissen, der Bau sei um zirka 3,8 Millionen Schilling zuzüglich 16 % Umsatzsteuer überzahlt worden (Band IV S. 211). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, daß bei strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen die wirtschaftliche Betrachtungsweise vor der juristischen den Vorrang hat (vgl. LSK. 1981/10, 1983/157; EvBl. 1981/7, 1981/193, 1981/224; RZ. 1982/34).

Zur Begründung für die Urteilsfeststellung, es sei nicht mehr zu klären, wie sich der Rohgewinn der S. von 1,982.402,12 S zusammensetze (V. Band S. 847), spricht das Schöffengericht die Vermutung aus, eine der Ursachen hiefür dürften Fehleinschätzungen der Mitarbeiter des Angeklagten A, nämlich des (Ober-) Bauleiters Ing. C und des Bauleiters Ing. Z gewesen sein. Es negiert Anhaltspunkte für die Vornahme überhöhter Kostenschätzungen (AS) wider besseres Wissen, ohne sich jedoch mit dem Bericht des Kontrollamts der Stadt Wien vom 4.Februar 1980 und dem Gedächtnisprotokoll über eine Besprechung des zur Überprüfung der rechnerischen Unterlagen und Besichtigung der durchgeführten Adaptierungsarbeiten eingesetzten Unterausschusses vom 19.Oktober 1978 in irgendeiner Weise auseinanderzusetzen. Aus dem Bericht vom 4. Februar 1980 (Band I S. 11 ff.) ergibt sich nämlich, daß der Angeklagte Mag. A sich durch die Verfassung ungenauer Leistungsbeschreibungen in die Lage versetzt hat, den Leistungsumfang selbst zu bestimmen (Band I S. 73 f.), und daß die Arbeiten äußerst mangelhaft durchgeführt wurden (siehe oben und Band I S. 81 ff.). Das erwähnte Gedächtnisprotokoll vom 19.Oktober 1978 (Band I S. 373 ff.) hinwiederum hält fest, daß bei der Verarbeitung 'das Billigste vom Billigen' verwendet wurde und daß die Qualität der Ausführung der Adaptierungsarbeiten Entsetzen ausgeläst habe. Darnach wird das Zustandekommen des sogenannten Rohgewinns mit peinlichster Genauigkeit zu untersuchen sein.

Die Unterlassung der Auseinandersetzung mit den soeben erörterten Verfahrensergebnissen bedeutet in ihrer Auswirkung eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung in Ansehung eines in objektiver wie in subjektiver Richtung entscheidungswesentlichen Umstands.

Aber auch die Überprüfung der vom Erstgericht gegebenen Begründung für seine Annahme, der Rohgewinn von 1,982.402,12 S sei für Mag. A im Zeitpunkt der Kostenschätzung und des Abschlusses des Subgeneralunternehmervertrags 'nicht vorhersehbar' gewesen (Band V S. 849), welche Überlegung gleichfalls gegen den im Anklagevorwurf enthaltenen wissentlichen Befugnismißbrauch spräche, zeigt Mängel in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.

Abgesehen davon, daß die eben angeführte Urteilsannahme auf widersprüchlichen und darum nicht tragfähigen Überlegungen zum kaufmännischen Risiko (siehe oben) sowie auf der aus dem Zusammenhang genommenen Äußerung des Bausachverständigen Dipl.Ing. Y über die Möglichkeit der Gewinnerzielung, (die Sache) hätte genausogut ins Gegenteil ausgehen können (Band V S. 790), beruht, erwog das Schöffengericht im gegebenen Zusammenhang überdies, daß der Angeklagte A in seiner Gebührenrechnung als Architekt gar nicht alles begehrt hatte, was ihm tarifmäßig zugestanden wäre (Band V S. 879). Dabei übersah das Erstgericht die von ihm zuvor selbst festgestellte Tatsache (Band V S. 835), daß 'die Kammervertretung eine wirtschaftliche Tätigkeit für Mitglieder (also für Architekten, wie den Angeklagten A) in diesem Bereiche nicht schätzte'. Die Beachtung dieser Standesrücksicht kann nicht ohne weiteres als eine Grundlage für die Annahme einer 'nicht grundsätzlich unredlichen Gesinnung' in Beziehung auf den wissentlichen Befugnismißbrauch (vgl. abermals Band V S. 879) herangezogen werden. Sonach erweist sich die aus dem Architektenhonorar (Gebührenrechnung) gezogene Urteilsfolgerung als unhaltbar.

Zutreffend rügt die Staatsanwaltschaft auch, daß sich das Landesgericht nicht damit auseinandergesetzt hat, welche Mittel der S. zur Bezahlung der angeblich von Stadträtin P verlangten 'Spende' von 1,500.000 S zur Verfügung gestanden wären, hätte sie aus dem Subgeneralunternehmervertrag mit der Q. keinen Gewinn gezogen. Die Ausführungen des Buchsachverständigen Dr. AA über die Gewinn- und Verlustrechnung der S. für das Jahr 1975 (siehe Band II S. 457 ff.), wonach dieses - nur die Mindestausstattung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung von 100.000 S, von denen lediglich 25.000 S tatsächlich einbezahlt waren (Band V S. 835), aufweisende - Unternehmen im Jahr 1975 andere als aus dem verfahrensgegenständlichen Hausumbau stammende Erlöse nicht erzielte, wurden gänzlich übergangen. Die - bereits erörterte - vom Erstgericht konkret in Erwägung gezogene mangelnde Gewinnerwartung läßt sich mit der von der S. übernommenen Provisionsverpflichtung insbesondere dann nicht in Einklang bringen, wenn man deren fehlendes Vermögen und mangelnde Ertragskraft (Gewinn- und Verlustrechnung 1975 im II. Band, Beilage 1 nach S. 465) berücksichtigt. Eine Auseinandersetzung mit diesen Umständen auf der Grundlage aller Verfahrensergebnisse, insbesondere der Darlegungen des Buchsachverständigen in Verbindung mit den gegebenen wirtschaftlichen Aspekten, läßt das angefochtene Urteil vermissen. Die soeben erwähnte Gewinn- und Verlustrechnung 1975 ist übrigens kennzeichnend für die wirtschaftliche Minimalpotenz der S. (tatsächliche Kapitaleinzahlung 25.000 S) im Zusammenhang mit einem Dreizehnmillionenprojekt: Auf der Ertragseite figurieren einsam 10,7 Millionen aus dem gegenständlichen Geschäft, während rundum als Erlöse nur vergleichsweise unbedeutende Posten aufgelistet sind. Ohne auf die weiteren, Mag. A betreffenden Rechtsmittelausführungen eingehen zu müssen, war der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft schon aus dem Grund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. Folge zu geben und mit der Kassierung des den Erstangeklagten betreffenden Freispruchs vom Anklagevorwurf des Verbrechens der Untreue vorzugehen.

Bezüglich des Angeklagten Dr. B vermißt die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft zutreffend Urteilsfeststellungen zur inneren Tatseite (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.). Der Hinweis in den Urteilsgründen, BS Verhalten sei 'nur konnex' mit einem untreuen Handeln AS zu sehen (Band V S. 879 ff.), reicht unter Berücksichtigung der dem Freispruch AS anhaftenden, vorstehend aufgezeigten Begründungsmängel, die den Freispruch dieses Angeklagten unhaltbar erscheinen lassen, für die Beurteilung des inkriminierten Verhaltens des Angeklagten Dr. B nicht aus. Es war darum der Beschwerde der Anklagebehörde gegen den Freispruch des Zweitangeklagten ebenfalls stattzugeben (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) sowie ein neues Verfahren gegen Mag. Herbert A und Dr. Gerhart B in erster Instanz anzuordnen.

Zu beachten ist, daß die Strafbarkeit des Letztgenannten nicht davon abhängig wäre, daß Mag. A als Haupttäter seinerseits wissentlich seine Befugnis mißbraucht und mit Schädigungsvorsatz gehandelt hätte, sofern nur eine geförderte Tat objektiv wenigstens im Versuchsstadium vorläge (quantitativ limitierte Akzessorietät der Beihilfe: LSK. 1985/58 = 13 Os 93/84). Im übrigen wäre das in der Anklageschrift geschilderte Verhalten des Zweitangeklagten selbständig in jeder in Betracht kommenden Richtung (§§ 133, 146 StGB.) zu würdigen gewesen.

Für den zweiten Rechtsgang sei noch angemerkt, daß ein allfälliger Rückfluß der angeblichen Spende in den Vorteilsbereich der Gemeinde Wien aus der Buchhaltung der 'Stadt des Kindes' hervorgehen müßte, die bis jetzt nicht zur Gänze überprüft ist (Band V S. 855). Ansonst läßt eine rechtliche Gesamtschau der gegenständlichen Strafsache für diese Möglichkeit keinen Raum.

Anmerkung

E06880

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00042.85.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19851128_OGH0002_0130OS00042_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten