TE OGH 1985/12/3 11Os172/85

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Veröffentlicht am 03.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Dezember 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Horst A wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 11. September 1985, GZ 7 Vr 806/85-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Bassler als Vertreter der Generalprokuratur und des Verteidigers Dr. Granner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.Mai 1936 geborene Angeklagte Horst A des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt. Darüber hinaus wurde gemäß dem § 21 Abs 2 StGB die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Horst A liegt zur Last, am 24.März 1985 in Villach dadurch vorsätzlich an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst verursacht zu haben, daß er das Ferienhaus der Ingrid A durch Ausschütten und Anzünden von Benzin in Brand setzte. Nach den (zusammengefaßt wiedergegebenen) maßgebenden Urteilsannahmen wurde die vom Angeklagten im Jahre 1973 mit Ingrid A geschlossene Ehe im Jahre 1975 geschieden. Wegen der der Ehe entstammenden, im Jahre 1974 geborenen Tochter kam es zwischen den geschiedenen Ehegatten zu Meinungsverschiedenheiten, die "eine Wut des Angeklagten auf seine geschiedene Ehegattin" zur Folge hatten. Diese "Wut" staute sich immer mehr auf. Um Ingrid A besonders schwer zu treffen, entschloß sich der Angeklagte am 24. März 1985, das im Eigentum seiner geschiedenen Ehefrau stehende Ferienhaus in Villach, Seepromenade 101, anzuzünden. Er brach in das Haus ein, entnahm einem im Wohnzimmer abgestellten Rasenmäher Benzin, tränkte damit ein Tuch und zündete dieses im Schlafzimmer an. Anschließend kippte er im Wohnzimmer den Rasenmäher um und entzündete das ausfließende Benzin. Dadurch geriet das Haus in Brand, wobei die gesamte Einrichtung und die Holzkonstruktion des Objektes vernichtet wurden und ein Schaden von ca. 600.000 S entstand.

Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Tat in der Lage, das Strafbare seines Tuns einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln, beging die Tat jedoch unter dem Einfluß einer anlagebedingten geistigen Abartigkeit höheren Grades, die befürchten läßt, er werde auch künftig eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte unter ausdrücklicher Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 4, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung nicht zukommt.

Einen seine Verteidigungsrechte beeinträchtigenden Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in dem Umstand, daß das Erstgericht seinen in der Hauptverhandlung vom 11.September 1985 gestellten Antrag auf Beiziehung eines weiteren (psychiatrischen) Sachverständigen abwies (AS 136). Diesen Antrag hatte der Beschwerdeführer damit begründet, daß der Gesetzgeber durch die Formulierung, daß (u.a.) die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach dem § 21 Abs 2 StGB bei sonstiger Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 3 StPO) nur nach Beiziehung "zumindest" eines (psychiatrischen) Sachverständigen angeordnet werden dürfe (§ 439 Abs 2 StPO), die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen "nahelege" und das Gutachten des Sachverständigen Prim. Dr. B "im wesentlichen nur Schlußfolgerungen seien, die sich aus der Strafregisterauskunft des Angeklagten ergeben" (AS 135). Zutreffend argumentierte demgegenüber der Schöffensenat bei der Abweisung dieses Antrages zum einen (sinngemäß) dahin, daß auch im Rahmen der die Unterbringung in Anstalten nach den §§ 21 bis 23 StGB in verfahrensrechtlicher Hinsicht - wegen der Schwere des möglichen Eingriffes in Persönlichkeitsrechte - absichernden besonderen Vorschriften (§§ 435 ff. StPO) ein zweiter Sachverständiger nur in (vorliegend nicht gegebenen und vom Beschwerdeführer auch gar nicht behaupteten) Ausnahmsfällen, nämlich wenn es die Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung (§§ 118 Abs 2, 134 Abs 1 StPO) erfordert, zuzuziehen ist. Zum anderen brachte das Erstgericht durch den Hinweis, daß der Sachverständige "alle Fragen mit Bestimmtheit beantwortete" (AS 136), in Verbindung mit der im Urteil nachgetragenen ergänzenden Begründung für die Abweisung des Antrages (AS 140, 141) mit hinlänglicher Deutlichkeit zum Ausdruck, daß es den vernommenen Sachverständigen Prim. Dr. B für befähigt erachtete, ein einwandfreies Gutachten über den Geisteszustand des Angeklagten und dessen Persönlichkeitsstruktur abzugeben, und daß sich aus dem Gutachten keine Bedenken der in den §§ 125, 126 Abs 1 StPO angeführten Art ergeben, die allenfalls Grundlage für die Zuziehung eines weiteren Sachverständigen hätten sein können. Dazu kommt, daß auch der Angeklagte weder bei seiner Antragstellung noch in der Beschwerdeschrift Mängel des Befundes oder des Gutachtens aufzuzeigen vermochte, sondern nur die vom Erstgericht in einem Akt freier richterlicher Beweiswürdigung übernommenen Schlußfolgerungen des Sachverständigen in Zweifel zieht und die zweimalige Untersuchung des Angeklagten durch den Sachverständigen (vgl. AS 93, 95; 134, 135) mit ausführlicher Befundaufnahme mit Stillschweigen übergeht. Mangels Vorliegens der Voraussestzungen, unter denen nach dem Gesetz das Gutachten eines weiteren Sachverständigen einzuholen ist, liegt somit in der Abweisung des auf Zuziehung eines zweiten Sachverständigen gerichteten Antrages keine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten.

Unter ziffernmäßiger Anrufung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs 1 Z 10 StPO wendet der Angeklagte zunächst Mangel am Tatbestand ein. Er habe wohl fremdes Eigentum in größerem Ausmaß "beschädigt", nicht aber Menschenleben gefährdet. Der im

7. Abschnitt des StGB unter dem Titel "Gemeingefährliche strafbare Handlungen" geregelten Brandstiftung müsse aber eine Gemeingefahr "somit eine Gefahr für Leib oder Leben von Menschen" innewohnen. Die Gefährdung von Menschenleben sei ein (fallbezogen nicht vorliegendes) wesentliches Tatbestandsmerkmal.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Unter Gemeingefahr ist nach dem Wortlaut des § 176 StGB nicht nur eine Gefahr für Leib oder Leben einer größeren Zahl von Menschen, sondern auch eine Gefahrenlage zu verstehen, die fremdes Eigentum in großem Ausmaß bedroht. Daß im vorliegenden Fall mit dem Entfachen des Schadenfeuers zumindest eine Gefahr der letzterwähnten Art verbunden war, wird in der Beschwerdeschrift selbst eingeräumt. Im übrigen genügt aber für die Erfüllung des ersten Deliktsfalles des § 169 StGB (Abs 1 dieser Gesetzesstelle) die (vorsätzliche) Verursachung einer Feuersbrunst als solcher, mag im Einzelfall (ausnahmsweise) hiedurch auch keine Gemeingefahr (i.S. des § 176 StGB) herbeigeführt worden sein, weil das Gesetz den gemeingefährlichen Charakter der Tat hier bereits in der Art der Handlung an sich erblickt (vgl. Leukauf-Steininger 2 , Vorbem. RN 2 und RN 5 zu § 169 StGB). Seinem Einwand kommt sohin Berechtigung nicht zu.

Soweit der Angeklagte mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs 1 Z 10 StPO ferner unterstellt, er habe nicht vorsätzlich eine Feuersbrunst herbeigeführt, sondern nur mit dem Vorsatz gehandelt, seine (geschiedene) Gattin "in ihrem Eigentum zu treffen", weshalb ihm seine Tathandlung nur als Verbrechen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs 2 StGB "anzulasten" sei, setzt er sich über jene Urteilskonstatierungen hinweg, wonach er "mit Vorsatz die Feuersbrunst" verursacht hat (AS 141). Insoweit bringt er daher die Rechtsrüge, die ein Festhalten an dem gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den daraus abgeleiteten Nachweis verlangt, daß dem Erstgericht dabei ein Rechtsirrtum unterlaufen ist, ebenso nicht zur gesetzmäßigen Darstellung wie mit der unter Vernachlässigung ausdrücklicher diesbezüglicher Feststellungen (S 139) im Gerichtstag aufgestellten Behauptung, daß es überhaupt an einem das Tatbestandsmerkmal einer Feuersbrunst verwirklichenden Sachverhalt gemangelt habe (vgl. auch die diesbezüglichen Beweisergebnisse, S 43 ff. des Aktes). Dies gilt gleichermaßen für die Beschwerdebehauptung (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO), der Angeklagte habe die (Anlaß-)Tat nicht unter dem Einfluß seiner geistigen Abartigkeit von hohem Grade, sondern "aus Eifersucht" begangen. Denn auch mit diesem Vorbringen übergeht der Beschwerdeführer die gegenteiligen Urteilsannahmen (AS 139, 140). Mit dem weiteren Vorwurf, die Tatrichter hätten sich "bei der Anordnung seiner Unterbringung (in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher) gemäß § 21 Abs 2 StGB" mit dem von ihm bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der Polizei (AS 31; aber auch vor dem Untersuchungsrichter (AS 16) angegebenen und vom Sachverständigen Prim. Dr. B "untermauerten" (vgl. AS 101, 135) Tatmotiv, nämlich "Liebesenttäuschung und Eifersucht", nicht auseinandergesetzt, bringt der Angeklagte den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) neuerdings nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, sondern führt inhaltlich eine Mängelrüge aus, die sich aber gleichfalls als unbegründet erweist. Denn abgesehen davon, daß das Erstgericht dem Gutachten des vernommenen Psychiaters, der davon ausging, daß "die Ursachen für das nunmehrige Delikt mit großer Wahrscheinlichkeit im Bereiche der emotionellen Beziehung zu seiner geschiedenen Ehefrau zu suchen sind" (AS 101), in jeder Beziehung folgte (AS 141), woraus sich ergibt, daß die Verantwortung des Angeklagten bei der Beurteilung seiner Persönlichkeit ohnedies beschwerdekonform Berücksichtigung fand, bedurfte es im Urteil schon deshalb keiner besonderen diesbezüglichen Erörterungen, weil die beim Täter gegebene geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades die Tatbegehung lediglich beeinflußt haben, aber keineswegs deren einzige Ursache sein muß, sodaß der Frage, ob die unter dem (hier festgestellten) Einfluß der geistigen Abartigkeit (höheren Grades) des Angeklagten begangene Tat auch in Motiven der "Liebesenttäuschung und Eifersucht" wurzelt, in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zukommt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war mithin zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht die zahlreichen "schweren" Vorstrafen des Angeklagten als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber dessen Geständnis als mildernd. Mit seiner Berufung begehrt Horst A die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Ausschaltung der Maßnahme nach dem § 21 Abs 2 StGB

Was zunächst die Strafhöhe anlangt, so wird die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe der Schuld des Angeklagten, seiner belasteten Persönlichkeit sowie dem Unrechtsgehalt seiner Tathandlung durchaus gerecht. Insbesonders in Anbetracht der sich aus der Wirkungslosigkeit der bisherigen zahlreichen Abstrafungen ergebenden Ausgeprägtheit seiner deliktischen Neigungen bestand bei Horst A schon aus spezialpräventiven Gründen für eine Korrektur der nicht einmal die Hälfte der Obergrenze des gesetzlichen Strafrahmens erreichenden Freiheitsstrafe kein Anlaß. Aber auch die Berufungsausführungen, mit denen sich der Angeklagte gegen die Anstaltsunterbringung wendet, verfangen nicht. Eine Überprüfung der Aktenlage und des Vorlebens des Angeklagten ergibt, daß das Schöffengericht sämtliche für die Maßnahme nach dem § 21 Abs 2 StGB erforderlichen Kriterien richtig beurteilte, somit auch seiner vom Berufungswerber insbes. bekämpften Gefährlichkeitsprognose zuzustimmen ist:

Der aus einer Trinkerfamilie stammende und selbst zum Alkoholmißbrauch neigende Horst A, eine nach den erstgerichtlichen Annahmen grob abartige, haltschwache und dissoziale psychopathische Persönlichkeit, beging die Anlaßtat unter dem Einfluß seiner anlagebedingten höhergradigen geistigen Abartigkeit und läßt auch in Hinkunft die Verübung gravierender Straftaten befürchten; hat er doch bereits einmal, und zwar am 1. März 1977 versucht, den Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt unter der Drohung, daß sonst in einem Amtsgebäude oder in einem Kaufhaus zwei Bomben "hochgehen" würden, zur Übergabe eines Geldbetrages von 500.000 S zu nötigen und sich auch bei dieser (u.a.) fremdes Eigentum in großem Ausmaß betreffenden bzw. bedrohenden Straftat (§§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB) auf den Konflikt mit seiner geschiedenen Ehefrau als Handlungsmotiv berufen (vgl. u.a. S 147 in 10 Vr 486/77 des Landesgerichtes Klagenfurt).

Der Berufung des Angeklagten war somit in beiden Richtungen der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E07121

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00172.85.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19851203_OGH0002_0110OS00172_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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