TE OGH 1985/12/5 6Ob669/84

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Veröffentlicht am 05.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich B*****, vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei Olga M*****, vertreten durch Dr. Robert Plass, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Zustimmung zur Einverleibung der Löschung eines Wohnungsrechtes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 8. März 1983, GZ R 1009/82-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 28. Oktober 1982, GZ 5 C 227/81-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, verworfen.

2.) zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.012,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 149,04 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erwarb im Zuge eines Zwangsversteigerungsverfahrens gegen Friedrich P***** durch Zuschlag Eigentum an der Liegenschaft EZ 71 KG *****, mit dem Hause *****. An dieser Liegenschaft steht der Beklagten die im Lastenblatt der Liegenschaft unter COZ 21 einverleibte Dienstbarkeit der Wohnung nach Maßgabe des Punktes „Siebentens“ des Übergabsvertrages vom 23. 12. 1968 zu.

Der Kläger begehrte in seiner Klage die Aufhebung des bestehenden Dauerschuldverhältnisses aus wichtigen Gründen, da ein gedeihliches Zusammenleben mit der Beklagten nicht mehr möglich sei und dem Kläger die Fortsetzung dieses Rechtsverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Der Kläger habe zur Durchsetzung seiner gerechtfertigten Ansprüche gegenüber der Beklagten Prozesse und Exekutionen führen müssen. Es bestehe kaum Hoffnung, die dem Kläger zuerkannten Beträge im Exekutionswege einbringlich machen zu können. Im Rechtsstreit 5 C 68/80 des Bezirksgerichts Bruck an der Mur sei die Beklagte mit Urteil vom 7. 1. 1981 schuldig erkannt worden, das Übernachten des Friedrich P***** im Hause ***** zu unterlassen. Sie habe diesem Urteil nicht entsprochen und Friedrich P***** bis Juli 1981 „in ihrer Wohnung“ wohnen lassen. Friedrich P***** habe dem Kläger gegenüber und auch gegenüber anderen Personen eindeutig zu erkennen gegeben, nicht gewillt zu sein, den Kläger als neuen Eigentümer der Liegenschaft mit dem Hause ***** anzuerkennen. Er habe erklärt, dass der Kläger niemals in dieses Haus einziehen werde. Friedrich P***** sei vom Bezirksgericht Bruck an der Mur zu 4 U 2072/79 rechtskräftig verurteilt worden, weil er den Kläger am 23. 7. 1979 im Verlaufe einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung öffentlich auch vor dem Verhandlungsrichter mit den Worten „Verbrecher und Schwein“ beschimpft und den Kläger des Amtsmisbrauches bezichtigt habe. Friedrich P***** sei überdies zu 3 C 1050/79 des Bezirksgerichts Bruck an der Mur mit Versäumungsendbeschluss schuldig erkannt worden, durch Entfernen von an den Eingangstüren des Hauses ***** vom Kläger angebrachten Schlössern und Ersetzen durch andere Schlösser eine Besitzstörungshandlung begangen zu haben. Er habe darüber hinaus „eine Reihe weiterer Besitzstörungshandlungen und Sachbeschädigungen“ gegenüber dem Kläger begangen, welche der Kläger nicht mehr an das Gericht herangetragen habe, weil für den Kläger offensichtlich bei Friedrich P***** und der Beklagten „die Grenzen des Rechtsstaates bei Durchsetzung“ seines Eigentumsrechtes zu erkennen seien. Die Beklagte habe „nicht nur durch ihr eigenes fortlaufendes starrsinniges, rechtswidriges Verhalten sondern insbesondere auch dadurch, dass sie das völlig rechtswidrige Verhalten des Fritz P***** offensichtlich“ dulde, Handlungen gesetzt, welche für den Kläger die Fortsetzung des Rechtsverhältnisses aus diesen schwerwiegenden Gründen unzumutbar machten. Der Kläger begehrte daher, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Einverleibung zur Löschung der zu COZ 21 der EZ 71 KG ***** zu ihren Gunsten einverleibten Dienstbarkeit der Wohnung nach Maßgabe des Punktes „Siebentens“ des Übergabsvertrages vom 23. 12. 1968 einzuwilligen.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete im Wesentlichen ein, Friedrich P***** habe nach seiner am 16. 12. 1980 erfolgten Entlassung aus dem Krankenhaus bis Juli 1981 bei ihr gewohnt, weil er nicht wohnversorgt gewesen sei. Friedrich P***** sei Anfang Juli 1981 ausgezogen. Damit seien die Voraussetzungen für die Aufhebung des seinerzeit vereinbarten Wohnungsrechtes nicht mehr gegeben. Die Beklagte sei zufolge ihrer finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage gewesen, die von ihr zu tragenden Prozesskosten zu ersetzen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Auffassung, dass durch die Einräumung des Wohnungsrechtes zugunsten der Beklagten ein Dauerschuldverhältnis begründet worden sei, welches aus wichtigen Gründen vorzeitig aufgelöst werden könne. Ein solcher Grund könne auch darin liegen, dass ein gedeihliches Zusammenleben der Vertragspartner nicht mehr möglich sei. Zur Auflösung des Vertrages sei jedoch nur derjenige berechtigt, der für das Auftreten der Misshelligkeiten nicht allein oder überwiegend verantwortlich sei und dem die Fortsetzung des Rechtsverhältnisses aus schwerwiegenden Gründen nicht mehr zugemutet werden könne. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben. Der Kläger habe bereits, „um überhaupt das der Beklagten zugesicherte Wohnrecht klar zu umreißen“ den Prozessweg beschreiten müssen, da die Beklagte unbegründet das Wohnungsrecht an sämtlichen Räumen des Hauses behauptet habe. Auch alle weiteren Bemühungen des Klägers, eine einvernehmliche Regelung mit der Beklagten herbeizuführen, seien gescheitert. Es sei dem Kläger nur möglich gewesen, die ihm zustehenden Rechte im Klagswege durchzusetzen. Dass die Beklagte nicht gewillt sei, sich den Entscheidungen der angerufenen Gerichte zu beugen, ergebe sich schließlich daraus, dass sie Fritz P***** weiterhin bei sich aufgenommen habe, obwohl ihr dies mit rechtskräftigem Urteil bereits längst untersagt gewesen sei. Schließlich habe aber Friedrich P*****, als der früherer Eigentümer des Hauses ***** den Verlust dieses Objektes im Exekutionswege nicht verwinden könne, und der das Eigentumsrecht des Klägers offenkundig nicht anerkennen wolle, Handlungen gesetzt, die es für den Kläger nicht mehr zumutbar erscheinen ließen, das Dauerschuldverhältnis mit der Beklagten aufrecht zu erhalten. Das sich aus den Zivilakten des Bezirksgerichts Bruck an der Mur ergebende Naheverhältnis zwischen der Beklagten und Friedrich P***** lasse befürchten, dass Friedrich P*****, der schließlich der Besitzstörung und zweier schwerwiegender Vergehen gegenüber der Person des Klägers rechtskräftig schuldig erkannt worden sei, solche Handlungen auch weiterhin begehen werde.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahingehend ab, dass es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, dass der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 2.000 S übersteigt, nahm eine Beweisergänzung vor und stellte unter Einbeziehung unbekämpft gebliebener Feststellungen des Erstgerichts folgenden Sachverhalt fest:

Roman und Maria P*****, die Eltern des Friedrich P*****, hatten zunächst in der B***** gewohnt, schon seit 1950 „enge Beziehungen“ zur Beklagten Olga M***** unterhalten und ihr schon damals ein Zimmer zum Wohnen eingeräumt. Im Jahr 1960 erwarben sie die Liegenschaft EZ 71 KG ***** mit dem darauf errichteten Wohnhaus *****. Die Beklagte war den Ehegatten P***** aus der B***** nachgefolgt und hat weiterhin bei ihnen gewohnt. Sie hat den Haushalt geführt und Roman und Maria P***** bis zu deren Ableben im Jahre 1972 gepflegt. Auch zwischen Friedrich P***** und der Beklagten bestanden stets „enge familiäre Beziehungen“. Roman und Maria P***** hatten schon mit Übergabsvertrag vom 23. 12. 1968 ihre Liegenschaft ihrem Sohn Friedrich P***** übergeben und in diesem Vertrag der Beklagten ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Der Kläger erwarb in dem eingangs erwähnten Zwangsversteigerungsverfahren durch Zuschlag vom 26. 1. 1978 das Eigentum an der Liegenschaft EZ 71 KG ***** samt dem darauf befindlichen Haus. Er übernahm aufgrund der vom Exekutionsgericht genehmigten Versteigerungsbedingungen die zu COZ 21 der in Exekution gezogenen Liegenschaft einverleibte Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten der Beklagten. Wegen der räumlichen Begrenzung des Wohnungsrechtes herrschte zwischen dem Kläger als Ersteher und der Beklagten als Dienstbarkeitsberechtigter zunächst Uneinigkeit. Zur Abklärung dieser Frage wurde beim Bezirksgericht Bruck an der Mur zu 3 C 250/79 ein aufwendiger Prozess geführt. In diesem Prozess wurde die Beklagte mit erstgerichtlichem Urteil vom 28. 3. 1980, 3 C 250/79-14, schuldig erkannt, dem Beklagten binnen 14 Tagen sämtliche im Hause ***** gelegenen Räumlichkeiten mit Ausnahme des rechts vom Stiegenaufgang gelegenen Mansardenzimmers, einer Mitbenützung des WC im Halbstock, der Küche im Erdgeschoss und des nördlich gelegenen zweiten Kellerraumes zu räumen und von ihren Fahrnissen geräumt dem Kläger zu übergeben. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten mit Urteil vom 17. 9. 1980, 1 Ob 699/80, keine Folge. Nachdem das Urteil des Obersten Gerichtshofs dem Vertreter der Beklagten am 9. 10. 1980 zugestellt worden war, musste der Kläger gegen die Beklagte die zwangsweise Räumung jener Teile des Wohnhauses beantragen, auf welche sich das Wohnrecht nicht erstreckte. Diese Räumung wurde am 1. und 2. 12. 1980 vollzogen. Der Kläger klagte zu 3 C 859/80 des Bezirksgerichts Bruck an der Mur das Benützungsentgelt für die teilweise titellose Benützung seines versteigerten Hauses durch die Beklagte und Friedrich P***** ein und wurden ihm 21.000 S samt Kosten zugesprochen. Er führte wegen dieser Beträge wieder Exekution. Die Forderungen erwiesen sich im Wesentlichen als uneinbringlich. Die Beklagte wurde vom Bezirksgericht Bruck an der Mur mit Urteil vom 7. 1. 1981 zu 5 C 68/80 schuldig erkannt, das Übernachten des Friedrich P***** in ihrer Wohnung im Hause ***** nicht mehr länger zu dulden. Dieses Urteil wurde der Beklagten am 13. 1. 1981 zugestellt und am 2. 2. 1981 für rechtskräftig und vollstreckbar erklärt. Nach Zustellung des Urteiles bemühte sich die Beklagte sofort um eine Wohnung für Friedrich P***** und frage unter anderem auch beim Gemeindeamt ***** an. Dieses Amt bestätigte am 25. 5. 1981, dass die Gemeinde keine Möglichkeit habe, Friedrich P***** in einer leerstehenden Wohnung unterzubringen. Auch im Altersheim war kein Platz frei. Die Beklagte behielt daher zunächst Friedrich P*****, zumal er damals gerade von einem Krankenhausaufenthalt zurückgekommen war, weiter bei sich. Sie fühlte sich dazu moralisch bis zur Beschaffung einer Wohnung verpflichtet. Es war schließlich der Initiative der Beklagten zu verdanken, dass Friedrich P***** ab 1. 6. 1981 in ***** eine ca 40 m2 große Wohnung mieten konnte. Nachdem der Vormieter ausgezogen war, konnte Friedrich P***** diese Wohnung ab 1. 7. 1981 beziehen. Seither hat er nicht mehr in ***** übernachtet. Friedrich P*****, der auf die betreuung durch die Beklagte angewiesen ist, wird auch weiterhin von ihr versorgt. Die Beklagte hält sich daher sehr viel in ***** auf und benützt nur unregelmäßig ihre Wohnung in *****. Sie legt auf das Weiterbestehen ihres Wohnungsrechtes größten Wert und möchte insbesondere ihr Alter im Hauses in ***** verbringen. Sie hat dort auch ihre Bekannten, die notfalls einmal auf sie schauen werden. Der Kläger wohnt derzeit nicht in seinem Hause in *****, sondern in Bruck an der Mur. Er hat die Absicht, sobald wie möglich in sein Haus einzuziehen. Wegen verschiedener Instandsetzungsarbeiten kommt der Kläger fast jeden Tag nach *****.

Friedrich P***** hat sich gegenüber dem Kläger verschiedener feindseliger Akte schuldig gemacht. So wurde er mit Urteil vom 25. 6. 1980 zu 4 U 2072/790des Bezirskgerichts Bruck an der Mur des Vergehens der üblen Nachtrede nach § 111 Abs 1 StGB und der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB verurteilt, weil er am 23. 7. 1979 in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise den Kläger einen „gekauften Schanti“ sowie „Verbrecher und Schwein“ genannt hatte. Mit dem Versäumungsendbeschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 5. 12. 1979 wurde Friedrich P***** zu 3 C 1050/72 schuldig erkannt, nach dem 10. 10. 1979 durch Entfernung von Schlössern (und Ersetzen durch andere Schlösser) den Kläger in seinem ruhigen Besitz am Wohnhaus ***** gestört zu haben. Nach der Übersiedlung nach Z***** kam es am 7. 7. 1981 zwischen Friedrich P***** und zwei vom Kläger in das Haus gerufenen Handwerkern zu einem tätlichen Zwischenfall. Schließlich wurde Friedrich P***** vom Kreisgericht Leoben zu 11 EVr 1124/81 wegen Vergehens der Nötigung und Sachbeschädigung verurteilt, weil er am 1. 8. 1981 durch Bewerfen mit Steinen die Hauseingangstür, einen Türautomaten, ein Türglocke, Blumen und Gemüsepflanzen des Klägers beschädigt hatte. Durch diese widerrechtlichen Handlungen sind dem Kläger beträchtliche 10.000 S weit übersteigende Schäden entstanden.

In rechtlicher Hinsicht folgte das Berufungsgericht der Rechtsansicht des Erstgerichts über das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses zwischen den Streitteilen und führte aus, dieses Dauerschuldverhältnis könne nach Lehre und Rechtsprechung in analoger Anwendung des § 1118 ABGB grundsätzlich auch vorzeitig aufgelöst werden, wenn ein Ereignis eintrete, welches die Fortführung des Dauerschuldverhältnisses unzumutbar mache. Bei Dienstbarkeiten oder ähnlichen Verhältnissen, welche nicht auf dem Fortbestand des gegenseitigen Vertrauens beruhten, könne das Abgehen vom Vertrag aber nur „als äußerstes Notventil gelten, dessen Verweigerung den Sinn des Rechtsverhältnisses geradezu ins Gegenteil verkehren würde“. Zu untersuchen sei daher, ob die Beklagte tatsächlich ein solches Verhalten an den Tag gelegt habe. Der Kläger habe eine derartige Handlung darin erblickt, dass das gegen die Beklagte im Verfahren 3 C 250/79 des Bezirksgerichts Bruck an der Mur ergangene Urteil erst aufgrund eines langwierigen Räumungsverfahrens habe durchgesetzt werden können. Dieser Auffassung könne jedoch nicht gefolgt werden. Es sei zwar richtig, dass die Beklagte sogleich nach Zustellung des Urteils des Obersten Gerichtshofs zur Räumung der ihr nicht zur Benützung zur Verfügung stehenden Teile des Hauses verpflichtet gewesen wäre. Bedenke man aber, dass dieses Urteil dem Vertreter der Beklagten am 9. 10. 1981 zugestellt und die Räumung schon am 1. und 2. 12. 1980 durchgeführt worden sei, könne im Vergleich zu vielen anderen Räumungsverfahren nicht von einem besonders umständlichen Vollstreckungsverfahren gesprochen werden. Durch die kurzfristige Verzögerung der Vollstreckung des Urteils könnten keine besonderen Interessen des Klägers verletzt worden sein, weil er bis heute noch nicht in sein Haus eingezogen sei. Dass der Kläger das Benützungsentgelt für die vorausgegangene titellose Benützung bestimmter Teile des Hauses im Klagswege habe durchsetzen müssen, rechtfertige ebenfalls nicht die sofortige Auflösung des auf Lebensdauer eingeräumten Wohnungsrechts. Anders wie etwa bei einem Dienstvertrag bedürfe es nämlich zwischen dem Dienstbarkeitsberechtigten und dem Grundeigentümer keines besonderen Vertrauensverhältnisses. Gleiches müsse auch für den Fall gelten, dass sich Forderungen des Grundeigentümers gegen den Dienstbarkeitsberechtigten als uneinbringlich erwiesen. An der Verwerflichkeit des Verhaltens des Friedrich P***** gegenüber dem Kläger bestehe kein Zweifel. Für dieses Verhalten sei aber die Beklagte grundsätzlich nicht verantwortlich. Es sei nicht behauptet worden, dass die Beklagte Friedrich P***** zur Ausführung seiner rechtswidrigen Handlungen bestimmt oder sonst zu ihrer Ausführung beigetragen hätte. Bei der Beurteilung des an sich rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten durch Gewährung weiterer Unterkunft für Friedrich P***** nach Rechtskraft des Urteiles vom 7. 1. 1981, 5 C 68/80-13, könne an der subjektiven Einstellung der Beklagten jedoch nicht vorübergegangen werden. „Diese innere Tatseite“ komme am besten in den folgenden Worten der Beklagten in ihrer Parteienaussage zum Ausdruck: „Ich wußte schon, das Friedrich P***** bei mir nicht mehr übernachten darf; von diesem Tag an habe ich mich sofort um eine Wohnung bemüht; was hätte ich mit dem kranken Friedrich P***** sonst tun sollen, als ihn bei mir schlafen lassen, bis wir eine Wohnung finden; ich habe mich dazu einfach moralisch verpflichtet gefühlt“. Berücksichtige man, dass Friedrich P***** sogleich nach Freiwerden der Wohnung in Z***** am 1. 7. 1981 aus dem Hause ***** ausgezogen sei, seither nicht mehr in diesem Hause genächtigt habe und keiner der feindseligen Akten des Friedrich P***** gegen den Kläger in der Zeit zwischen Jänner 1981 und Ende Juni 1981 gesetzt worden seien, der Kläger also durch die an sich nicht mehr erlaubte Beherberung gar keinen Schaden erlitten habe, könne das vorübergehende Zuwiderhandeln der Beklagten gegen das Urteil vom 7. 1. 1981 nicht als so schwerwiegend angesehen werden, dass deshalb das Dauerschuldverhältnis aufgehoben werden müsse. Wenn der Kläger sich geäußert habe, er könne sich eine gemeinsame Benützung der Küche insbesondere dann, wenn Gäste im Hause seien, nicht vorstellen, sei klarzustellen, dass die durch das Wohnungsrecht für den Hauseigentümer notwendigerweise zu erwartenden Einschränkungen und Unannehmlichkeiten im vorliegenden Rechtsstreit außer Betracht bleiben müssen. Hier gehe es nur um ein rechts- und vertragswidriges Verhalten, welches so schwerwiegend sein müsse, „daß der Sinn des Rechtsverhältnisses geradezu in sein Gegenteil verkehrt“ werde. Da ein derartiges Verhalten nicht hervorgekommen sei, sei das Klagebegehren abzuweisen gewesen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Der Kläger hält den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO dadurch verwirklicht, dass das berufungsgerichtliche Urteil (so) mangelhaft geblieben sei, dass eine Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne. Nach dem oben wiedergegebenen Inhalt des berufungsgerichtlichen Urteiles kann aber keine Rede davon sein, dass dieses gar nicht oder so unzureichend begründet wäre, dass es sich nicht überprüfen ließe. Solches behauptet auch der Kläger nicht, sondern meint, das Berufungsgericht habe Aussagen der Parteien in ihrer Parteienvernehmung vor dem Berufungsgericht übergangen. Damit wird aber kein Nichtigkeitsgrund, also auch nicht jener des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO aufgezeigt.

Rechtliche Beurteilung

Die auf Nichtigkeit gestützte Revision war daher zu verwerfen.

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt der Kläger aus, es verblieben genügend Gründe, um eine Auflösung des Wohnungsrechtes zu rechtfertigen. Soweit er in diesem Zusammenhang von der „Tatsache“ ausgeht, dass seitens der Beklagten trotz des Urteiles - gemeint wohl im Verfahren 3 C 859/80 des Bezirksgerichts Bruck an der Mur - kein Benützungsentgelt entrichtet werde und die Beklagte auch weiterhin ihr Wohnungsrecht auf Kosten des Klägers ausübe, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und macht damit, weil er solche Behauptungen in erster Instanz nicht aufgestellt hat, auch keine Feststellungsmängel geltend. Auf diese Ausführungen ist daher nicht weiter einzugehen. Dasselbe gilt von der Revisionausführung, wonach die Beklagte in der Vergangenheit jede Möglichkeit genützt habe, mit dem Kläger kontroversielle Auseinandersetzungen einzuleiten und durchzuführen, was im Verfahren über den Umfang des Wohnungsrechtes und dem Verhalten bei der Einbringlichmachung des Benützungsentgeltes „und dergleichen“ erkennbar gewesen sei.

Wenn man die weiteren Ausführungen des Klägers, dass ein gedeihliches Zusammenleben weder bestehe noch in Hinkunft erwartet werden könne - dies stelle einen Auflösungsgrund dar -, wenn man die Beiakten zum gegenständlichen Verfahren und die vorliegenden Beweisergebnisse prüfe, überhaupt als gesetzmäßige Rechtsrüge verstehen kann, die nur dann vorliegt, wenn vom von den Tatsachenfeststellungen festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, so ist für den Kläger doch nicht zu gewinnen. Es ist zwar richtig, dass nach der Rechtsprechung ein wichtiger zur Auflösung berechtigender Grund darin liegen kann, dass ein gedeihliches Zusammenleben mit dem Dienstbarkeitsberechtigten nicht mehr möglich ist (MietSlg 25.040/24; 35.222 ua) und zur Auflösung der Dienstbarkeitsbelastete berechtigt ist, wenn er an dem Auftreten der Mißhelligkeiten nicht allein oder überwiegend schuldig ist (MietSlg 25.040/24; 35.222 ua). Von einer Unmöglichkeit eines gedeihlichen Zusammenlebens der Parteien könnte aber nur gesprochen werden, wenn gleichzeitig gesagt werden müsste, das Verhalten der Beklagten sei so gewesen, dass die Aufrechterhaltung der Dienstbarkeit für den Kläger unzumutbar wäre (vgl MietSlg 25.040/24; 35.222). Geht man aber von dem tatsächlich festgestellten Sachverhalt aus, dann muss der ausführlich begründeten verneinenden Beurteilung des Berufungsgerichts zugestimmt werden, auf die, zumal der Kläger keine konkreten Bedenken dagegen anmeldet, verwiesen werden kann.

Soweit der Kläger im Rahmen des Rechtsmittelgrundes der Nichtigkeit Feststellungen aus den Aussagen der Parteien vermisst, geschieht dies zu Unrecht, weil solche Aussagen ein - überdies nur in erster Instanz zulässiges - Vorbringen nicht ersetzen und mangels eines solchen Vorbringens auch keine Feststellungsmängel gegeben sein können.

Der Revision war daher, soweit sie nicht zu verwerfen war, der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E114679

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00669.840.1205.000

Im RIS seit

02.06.2016

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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