TE OGH 1985/12/17 2Ob646/85

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Veröffentlicht am 17.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Marion A, Kanzleileiterin, 1100 Wien, Zur Spinnerin 53/7/13, 2. Randolf B, Klimatechniker, 20093 Cologno Monzese, Via Papa Giovanni XXIII/21/L/4/0, Italien,

3. Ralph B, Offsetdrucker, 1100 Wien, Zur Spinnerin 29/2/11, alle vertreten durch Dr. Kurt Schneider, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hanna B, Private, 1040 Wien, Kolschitzkygasse 14-18/7/3, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 970.258,80 s.A.

(Revisionsrekursinteresse je S 248.318,89 s.A.), infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28. Juni 1985, GZ. 11 R 7/85-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 15. Oktober 1985, GZ. 1 Cg 59/84-6, ersatzlos aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auch hinsichtlich je S 248.318,89 s.A. unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund aufgetragen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Akten werden dem Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seinen Beschluß vom 28. Juni 1985, GZ. 11 R 7/85-11, durch Beisetzung des gemäß den §§ 526 Abs. 3, 500 Abs. 3 ZPO vorgeschriebenen Ausspruches, ob der Revisionsrekurs nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig ist, samt kurzer Begründung zu ergänzen.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist die Witwe des am 11. Februar 1981 verstorbenen österreichischen Staatsbürgers Dkfm. Dr. Werner B; die Kläger sind seine ehelichen Kinder aus einer Vorehe. Der Beklagten wurden auf Grund eines Testaments der gesamte im Inland gelegene Nachlaß des Verstorbenen eingeantwortet.

Mit der vorliegenden Klage fordern die Kläger von der Beklagten die Bezahlung des Pflichtteils in Höhe von je 1/9-tel des Nachlasses, wobei sie sich gewisse Schenkungen anrechnen lassen. In die Bemessung des Pflichtteilsanspruches haben sie auch eine Liegenschaft des Verstorbenen in Spanien einbezogen, die laut Schätzung umgerechnet S 2,217.500,-- wert sein soll. Die Beklagte hat hinsichtlich des ausländischen Vermögens die örtliche Unzuständigkeit und mangelnde inländische Gerichtsbarkeit eingewendet.

Das Erstgericht hat die Klage, soweit sie hinsichtlich der drei Kläger je einen Betrag von S 248.318,89 betrifft, zurückgewiesen und die Kosten gegenseitig aufgehoben. Es meinte, daß die Pflichtteilsansprüche nur hinsichtlich jenes Nachlasses in Österreich geltend gemacht werden könnten, der der österreichischen Jurisdiktion unterliege. Die Klage sei daher hinsichtlich eines Betrages von je S 248.318,89 (rechnerisch richtig wäre S 246.388,88), das sind die Beträge, die den Klägern unter Zugrundelegung der Schätzung der spanischen Liegenschaften noch zustehen würden, zurückzuweisen.

Infolge Rekurses der Kläger hob das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auch hinsichtlich S 248.318,89 s.A. für jeden Kläger unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund auf. Die Beklagte wurde mit ihrem Kostenrekurs auf diese Entscheidung verwiesen. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, ob und inwiefern den Klägern auch ein Pflichtteil hinsichtlich des spanischen Liegenschaftsbesitzes zusteht, werde - unter Anwendung des verwiesenen Rechts und unter Berücksichtigung des von der ausländischen Abhandlungsbehörde verfügten rechtlichen Schicksals - bei der Ausmessung und Berechnung des Pflichtteils mitzuberücksichtigen sein, sodaß die Zurückweisung der Klage hinsichtlich je S 248.318,89 mangels inländischer Gerichtsbarkeit verfehlt gewesen sei.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes. Die Kläger beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß den Beschluß des Erstgerichtes zwar formell aufgehoben, inhaltlich aber über die Frage des Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit in einem der Auffassung des Erstgerichtes entgegengesetzten, nämlich in bejahendem Sinn, entschieden. Es liegt daher in Wahrheit eine Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses vor, sodaß die Rechtsmittelbeschränkung des § 527 Abs. 2 ZPO nicht gilt und der Beschluß des Rekursgerichtes im Rahmen des § 528 ZPO auch ohne Rechtskraftvorbehalt anfechtbar ist (vgl. Fasching, ZPR Rz 2018, SZ 51/132 ua.).

Nach § 528 Abs. 2 ZPO ist in allen nicht schon im ersten Absatz dieser Gesetzesstelle genannten Fällen, die hier nicht in Betracht kommen, der Rekurs gegen eine Entscheidung des Rekursgerichtes nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 ZPO vorliegen, wenn also 1.) die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist, oder 2.) der Streitgegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert S 300.000,-- übersteigt.

Die im § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO genannte Voraussetzung liegt in diesem Rechtsstreit nicht vor, weil der Streitgegenstand an Geld S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und somit im Zulassungsbereich liegt. Die drei Kläger haben ihre Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte in einer Klage gemeinsam geltend gemacht. Im vorliegenden Zwischenverfahren beträgt der Streitwert im Rekursverfahren für jeden der Pflichtteilsberechtigten S 248.318,89 s.A. Gemäß § 55 Abs. 1 Z 2 ZPO sind mehrere in einer Klage geltend gemachten Ansprüche - und zwar auch für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels - zusammenzurechnen, wenn sie von mehreren Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind. Mehrere Pflichtteilsberechtigte sind aber nicht materielle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 1 ZPO, sondern formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO (Fasching, ZPR Rz 372). Die Ansprüche der Kläger waren daher für die Beurteilung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht zusammenzurechnen. Der Wert des Gegenstandes der Rekursentscheidung übersteigt daher jeweils nicht S 300.000,--. Das Gericht zweiter Instanz hat daher den nach den §§ 526 Abs. 3 und 500 Abs. 3 ZPO zwingend vorgeschriebenen Ausspruch, ob der Rekurs nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig ist oder nicht, unterlassen, weshalb ihm die Ergänzung seiner Entscheidung wie im Spruch ersichtlich aufzutragen war (Fasching ZPR, Rz 2026; EvBl. 1984/15).

Anmerkung

E07227

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00646.85.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19851217_OGH0002_0020OB00646_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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