TE OGH 1985/12/18 8Ob71/85

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Veröffentlicht am 18.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** W***

V***, 8010 Graz, Herrengasse 18-20, vertreten durch Dr. Helmut Klement, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei E*** A*** V*** A***, 1010 Wien,

Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr. Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 402.617 s.A. und Feststellung, infolge Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20.Mai 1985, GZ 5 R 50/85-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 10.Jänner 1985, GZ 6 Cg 121/84-21, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Akten werden dem Oberlandesgericht Graz mit dem Auftrag zurückgestellt, sein Urteil durch die erforderlichen Aussprüche nach § 500 Abs2 Z 2 bzw. 3 ZPO und allenfalls nach § 500 Abs3 ZPO hinsichtlich aller drei dem Klagebegehren zugrundeliegenden Ansprüche zu ergänzen.

Text

Begründung:

Anton M***, ein Dienstnehmer der Firma S*** Baugesellschaft mbH, verschuldete als Lenker eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kombikraftwagens dieser Baugesellschaft am 6.7.1981 auf der Ennstalbundesstraße bei Wörschach allein einen Verkehrsunfall, indem er gegen einen von Norbert S*** gelenkten und bei der Klägerin haftpflichtversicherten LKW-Zug des Josef A*** stieß. Die im Kombi mitfahrenden Arbeitskollegen M*** Ignaz H***, Friedrich R*** und Anton K***, allesamt Dienstnehmer der Firma S***, wurden hiebei verletzt. Sie machten ihre Schadenersatzansprüche gegen die Klägerin als Haftpflichtversicherer des LKW-Zuges klageweise geltend, und diese bezahlte auf Grund von Urteilen des Kreisgerichtes Leoben: An Ignaz H*** (9 Cg 479/82) S 40.000,-- Kapital, S 1.894,16 Zinsen und S 15.381,77 Prozeßkosten; an Friedrich R*** (9 Cg 478/82) S 52.500,-- Kapital, S 2.328,-- Zinsen und S 19.374,84 Prozeßkosten, an Anton K*** (9 Cg 480/82) S 154.000,-- Kapital, S 8.295,47 Zinsen und S 38.046,76 Prozeßkosten. Anton K*** erwirkte gegen die Klägerin auch ein Urteil auf Feststellung der Haftung für seine künftigen Unfallsschäden im Rahmen des Versicherungsvertrages über den LKW-Zug. Die Klägerin begehrte von der Beklagten den Rückersatz dieser Beträge und der ihr selbst in den drei Verfahren erwachsenen Prozeßkosten von S 70.996,-- im Gesamtbetrag von S 402.617,-- s.A. (rechnerisch richtig S 402.817,--) sowie im Hinblick auf das von K*** erwirkte Feststellungsurteil die Feststellung, daß ihr die Beklagte im Rahmen des hinsichtlich des Kombifahrzeuges abgeschlossenen Versicherungsvertrages "für alle Schäden aus dem Unfallsereignis vom 6.7.1981 hafte und ersatzpflichtig sei". Sie habe unabhängig vom Verschulden am Zustandekommen des Unfalles für diese Schäden im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des EKHG gehaftet und stütze ihren Anspruch auf diese Bestimmungen (§ 11 EKHG) sowie auf die des ABGB und des KFG, hilfsweise auf § 1042 ABGB und auf den Titel der Bereicherung.

Die Beklagte wendete ein, daß ihr der Haftungsausschluß nach § 333 Abs1 und 4 ASVG zustatten käme, da der Lenker des Kombifahrzeuges Anton M*** gegenüber den Verletzten "Aufseher im Betrieb" gewesen sei. Er habe seine verletzten Arbeitskollegen auf Grund dienstlicher Weisung im Firmenfahrzeug befördert, sei ihnen gegenüber als Vorarbeiter übergeordnet und weisungsberechtigt gewesen und habe für die ordnungsgemäße Ablieferung der Arbeiter an den Baustellen die Verantwortung getragen. Für die Leistungen sei er auch zusätzlich entlohnt worden. Überdies wäre die Klägerin zu Leistungen an die Verletzte nicht verpflichtet gewesen, da den LKW-Lenker kein Verschulden getroffen und er auch jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt angewendet habe. Die begehrten Zinsen und Prozeßkosten seien überhaupt nicht regreßfähig. Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren hinsichtlich eines Betrages von S 389.387,84 s.A. und dem Feststellungsbegehren statt und wies das Mehrbegehren von S 13.229,16 s.A. sowie ein Zinsenmehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten insoweit teilweise Folge, als es sie nur zur Zahlung von S 352.108,40 s.A. verurteilte und ein Mehrbegehren von S 50.508,86 s.A. (inklusive einen unangefochten gebliebenen Teil) abwies. Den Feststellungsausspruch des Erstgerichtes bestätigte das Gericht zweiter Instanz. Es sprach außerdem aus, daß die Revision gegen den abändernden Teil der Entscheidung (S 37.279,60 s.A.) zulässig sei. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin und der Beklagten je aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs1 Z 4 ZPO. Die Klägerin beantragt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, daß ihr statt S 352.108,14 s.A. S 389.387,84 s.A. zugesprochen werden. Die Beklagte stellte ihren Abänderungsantrag dahin, daß das gesamte Klagebegehren abgewiesen werde.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Auf diese Rechtsmittel ist derzeit meritorisch noch nicht einzugehen, weil das Berufungsgericht vorerst aus nachstehenden Gründen seinen Urteilsspruch zu ergänzen hat:

Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision sind nach Lehre und ständiger Rechtsprechung mehrere, wie hier in einer Klage geltend gemachte Ansprüche unter der Voraussetzung des § 55 Abs 1 Z 1 ZPO zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (Fasching Kommentar IV 282 und Lehrbuch Rdz.1831; Jud.56 neu = SZ 24/335 uva.). Trifft dies nicht zu, dann muß die Revisionszulässigkeit hinsichtlich jedes einzelnen Anspruches gesondert beurteilt werden. Dabei reicht nicht jede Verknüpfung zweier Sachverhaltsbilder schlechthin aus, um die Zusammenrechnung von Ansprüchen nach § 55 JN zu bewirken. Während der rechtliche Zusammenhang von Ansprüchen dann zu bejahen ist, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag oder einer einheitlichen Rechtsvorschrift abgeleitet werden, ist der tatsächliche Zusammenhang zu bejahen, wenn die Ansprüche zwar nach verschiedenen rechtlichen Kriterien, aber aus ein und demselben Sachverhalt ableitbar sind, ohne daß noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (siehe dazu Fasching Kommentar I 344 ff; 6 Ob 221/60; EvBl.1969/163; 1 Ob 103/70; 1 Ob 554/81; 2 Ob 64/84; 8 Ob

Anmerkung

/85 ua). Nach ständiger Rechtsprechung sind Ansprüche mehrerer Geschädigter aus demselben Unfallereignis nicht zusammenzurechnen, weil es sich bei ihnen nur um formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO handelt (ZVR 1972/135; ZVR 1973/194 uva.). Auch wenn die Ansprüche mehrerer Geschädigter aus demselben Unfallereignis durch Zession auf einen Kläger übergehen, sind sie nicht zusammenzurechnen. Tritt ein Sozialversicherungsträger, der an mehrere bei einem Unfall verletzte Personen Leistungen erbracht hat und dafür mit einer einheitlichen Klage Ersatz begehrt, als Legalzessionar auf, so werden die von den einzelnen Versicherten auf ihn übergegangenen Ansprüche bei der Beurteilung der Revisionszulässigkeit nicht zusammengerechnet (zuletzt JBl 1985, 111 mit weiteren Nachweisen, vgl. auch 8 Ob 540/85 ua.). Das gleiche muß aber auch hier gelten, wenn der Haftpflichtversicherer auf Grund von Zahlungen an verschiedene Geschädigte, mit denen er überdies jeweils gesonderte Prozesse führte, nunmehr den schuldigen Kraftfahrzeuglenker bzw. dessen Haftpflichtversicherer auf Rückersatz in Anspruch nimmt. Die prozessuale Lage ist hier nicht anders, als ob diese Forderungen von den ursprünglich Berechtigten geltend gemacht worden wären (Arb.7295; 1 Ob 45/83; 2 Ob 197/83; 1 Ob 637/84 u.a.). Es muß daher im vorliegenden Fall die Revisionszulässigkeit hinsichtlich eines jeden der oben angeführten, bloß rechnerisch zusammengezogenen Ansprüche, beurteilt werden. Nach der sich aus dem Berufungsurteil S 3/4 ergebenden Sachlage liegen sämtliche Leistungsansprüche, die die Klägerin von H***, R*** und K*** ableitet - selbst wenn man die ihr in den Verfahren gegen die drei genannten erwachsenen Prozeßkosten von global geltend gemachten S 70.996,-- dem höchsten Anspruch (K*** S 200.342,23) zuordnete - unter S 300.000,--. Da aber der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschied, nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestand (siehe Feststellungsbegehren), wird das Gericht zweiter Instanz - das bisher lediglich einen Ausspruch nach § 500 Abs3 hinsichtlich des zwei Ansprüche betreffenden abändernden Teiles machte - hinsichtlich aller drei dem Klagebegehren zugrundeliegenden Ansprüche auch Ausspruche im Sinne des § 500 Abs2 Z 2 bzw. 3 ZPO zu fassen habe. Danach wird sich ergeben, ob weitere Aussprüche nach § 500 Abs3 ZPO erforderlich sind. Als Richtlinie hat dabei im Sinne der obigen Ausführungen zu dienen, daß jeder bezogene Anspruchsteil im Sinne der hiefür maßgeblichen Bewertungsvorschriften gesondert zu behandeln ist. Soweit allenfalls eine Revision im dargestellten Belang nicht für zulässig erklärt werden sollte, wird die angebrachte Revision zur erforderlichen Ergänzung iS des § 506 Abs1 Z 5 ZPO zu übermitteln sein. Da das Berufungsgericht die entsprechenden Aussprüche unterlassen hat, ist ihm seine Nachholung durch Berichtigung (Ergänzung) des Spruches seiner Entscheidung und durch Nachtrag der erforderlichen Begründung aufzutragen (1 Ob 731/83; 8 Ob 505/84; 8 Ob 535,536/84 uza). E07383

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00071.85.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19851218_OGH0002_0080OB00071_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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