TE OGH 1985/12/19 11Os182/85

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Veröffentlicht am 19.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mika J*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2 und 130 (zweiter Deliktsfall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 29.März 1985, GZ 29 Vr 1.349/84-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt bzw. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 1. des Urteilssatzes (Diebstahl zum Nachteil der Ilse S***), ferner im Ausspruch, der Angeklagte habe die Diebstähle in der Absicht verübt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sowie in der rechtlichen Beurteilung aller dem Angeklagten angelasteten Taten und demgemäß im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen wird.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8.Februar 1961 geborene, zuletzt beschäftigungslose jugoslawische Staatsangehörige Mika J*** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2 und 130 (zweiter Deliktsfall) StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, jeweils in Gesellschaft als Beteiligter gewerbsmäßig drei Einbruchsdiebstähle in Wohnhäuser verübt zu haben, wobei er vor allem Bargeld (verschiedener Währungen) und Schmuck im Gesamtwert von mehr als 200.000 S erbeutete, und zwar 1. zwischen 13. und 15.März 1984 in Gerasdorf mit nicht näher bekannten Mittätern zum Nachteil der Ilse S*** (Gesamtwert der Beute 116.807 S) und 2. gemeinsam mit den strafunmündigen Dusan J*** (geb. 7.Jänner 1971) und Dragan M*** (geb. 28.Februar 1971) a) am 12.Oktober 1984 in Wien zum Nachteil der Eva F*** (Gesamtwert der Beute 44.970 S) sowie b) am 15.Oktober 1984 in Steinriegel zum Nachteil des Friedrich D*** (Gesamtwert der Beute 105.900 S).

Dieses Urteil wird vom Angeklagten im Schuldspruch mit einer ausdrücklich auf die Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung bekämpft. (Ein Freispruch vom weiteren Anklagevorwurf in Richtung des § 298 Abs 1 StGB blieb unangefochten.)

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu. Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer, wenn er sich durch die (teilweise) Nichterledigung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung (durch Wiederholung des Vorbringens in einem Schriftsatz) gestellten Antrages auf Beischaffung von fünf Strafakten des Jugendgerichtshofes Wien, betreffend Dragan M***, geboren 11.Dezember 1972, und Dusan J***, geboren 4. März 1971, zwecks Überprüfung der Glaubwürdigkeit der belastenden Angaben seiner Komplizen in den Urteilsfakten 2 in seinen Verteidigungsrechten verletzt erachtet. Denn abgesehen davon, daß drei dieser Akten zu diesem Zeitpunkt ohnedies dem erkennenden Gericht vorlagen, betreffen (auch) die beiden übrigen Akten schon nach den im Beweisantrag angeführten Geburtsdaten andere Personen gleichen Namens. Daß aber Personenidentität ungeachtet der divergierenden Geburtsdaten gegeben wäre, wurde in der Hauptverhandlung nicht behauptet.

Der gerügte Verfahrensmangel liegt demnach nicht vor. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Ausführungen zum zweitangeführten Nichtigkeitsgrund zunächst geltend macht, die vom Schöffengericht als Feststellungsgrundlage herangezogenen Akten des Jugendgerichtshofes Wien seien nicht verlesen worden, steht diesem Vorbringen der allein maßgebliche Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles entgegen (S 341 d.A, vorletzter Satz). Auch der Versuch, im Rahmen einer kritischen Befassung mit einzelnen vom Schöffensenat für die Glaubwürdigkeit der Darstellung des Sachverhaltes durch Dragan M*** ins Treffen geführten Argumenten einen Begründungsmangel darzutun, muß scheitern. Dieses Beschwerdevorbringen erweist sich nämlich im Kern als unzulässiger - und damit unbeachtlicher - Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung.

Insoweit war daher die Nichtigkeitsbeschwerde teils gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet, teils nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Dagegen muß dem Beschwerdeführer beigepflichtet werden, wenn er die Feststellung seiner Beteiligung im Sinn des § 127 Abs 2 Z 1 StGB an dem zum Nachteil der Ilse S*** verübten Einbruchsdiebstahl für unzureichend begründet hält. Diesbezüglich berief sich das Schöffengericht auf die "Art, wie der Einbruchsdiebstahl zum Nachteil der Ilse S*** begangen wurde", und die "Tatsache, daß ein Gegenstand aus dem Besitz Ilse S***S, und zwar die Arbeiterkammermedaille, in der Wohnung des Angeklagten gefunden wurde" (S 363 d.A).

Zweifellos kann die Art der Tatausführung auf eine bestimmte Person als Täter hinweisen. So dann, wenn der jeweilige modus operandi zumindest die eine oder andere Besonderheit aufweist oder aber durch ein auffälliges Zusammentreffen mehrerer, für sich allein möglicherweise belangloser Nebenumstände gekennzeichnet ist, das ihn unter der Masse gleichartiger (strafbarer) Handlungen zu charakterisieren vermag. Im vorliegenden Fall unterließ es aber das Erstgericht, im Urteil darzulegen, welche Eigentümlichkeit der Tatausführung es für das deliktische Vorgehen des Angeklagten typisch ansah. Die in diesem Zusammenhang vom erkennenden Senat möglicherweise angestellten Überlegungen sind daher nicht nachvollziehbar. Ein Mangel, der umso schwerer wiegt, als auch eine Typizität der oben erwähnten Art nicht ins Auge springt. Damit erweist sich - wie vom Beschwerdeführer zutreffend

gerügt - jedenfalls das Argument der "Art der Tatausführung" als offenbar unzureichende Feststellungsgrundlage.

Schon dieser formelle Verstoß gegen die Begründungspflicht zieht aber die Urteilsnichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nach sich, weil sich das Schöffengericht ausdrücklich (auch) auf diesen Umstand berief und nicht erkennbar ist, welche Bedeutung es diesem Teilaspekt seiner Überlegungen bei der Lösung der Schuldfrage beimaß (11 Os 130/85 u.a.).

Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß im Grund derselbe Mangel dem Urteil auch noch zum zweiten für die Annahme der Täterschaft des Angeklagten in diesem Faktum genannten Argument anhaftet.

Hiezu führte das Erstgericht aus, daß es auf Grund einzelner (im Urteil näher benannter) Verfahrensergebnisse zur Überzeugung gelangt sei, daß der Angeklagte "die Medaille nicht auf reelle Art und Weise erworben hat" (S 364 d.A). Wenn man ferner davon ausgehe, "daß in den sicher umfangreichen Fahndungsunterlagen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich nur ein Tatort, nämlich das Haus der Ilse S*** in Gerasdorf, aufscheint, bei dem eine Arbeiterkammermedaille, wie sie beim Angeklagten gefunden wurde, gestohlen wurde, so kann kein vernünftiger Zweifel mehr daran bestehen, daß der Angeklagte für diese strafbare Handlung zumindest mitverantwortlich" sei (S 365 d.A).

Zunächst einmal vermag der im Urteil undefiniert verwendete Begriff der "Mitverantwortlichkeit" nicht eindeutig eine unmittelbare (Mit-) Täterschaft des Angeklagten zu decken, wie sie im Ersturteil (an anderer Stelle - s. insbes. S 359 d.A) festgestellt wurde. Überdies ist die Ableitung der Identität der - selbst von der Geschädigten nicht als ihr Eigentum erkannten (S 337 d.A) - sichergestellten, vom Angeklagten "nicht auf reelle Weise erworbenen" (S 364 d.A) Medaille der Arbeiterkammer Wien mit der gestohlenen aus dem Umstand, daß in den Fahndungsunterlagen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich bloß eine solche Medaille als gestohlen aufscheint, nicht zuletzt angesichts der aktenkundigen Tatsache, daß derartige Medaillen bereits 700 mal verliehen wurden (S 95, 337 d.A) und ihr Wert anscheinend sehr gering zu veranschlagen ist (vgl. Wertangabe in der Anzeige S 2 d. A), so weit hergeholt, daß ein logischer Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (vgl. Mayerhofer-Rieder ENr. 149 zu § 281 Z 5 StPO). Selbst wenn aber - ungeachtet dessen - die fragliche Identität tatsächlich gegeben sein sollte, wäre ein (weiterer) Schluß von ihrem unredlichen Besitz auf einen (unmittelbaren) diebischen Erwerb daraus allein nicht vertretbar.

Im Schuldspruchfaktum 1 ist daher das angefochtene Urteil mit der behaupteten formellen Nichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO behaftet, was zu einer kassatorischen Entscheidung zwingt. Davon sind die Urteilsfakten 2 zwar grundsätzlich trennbar (§ 289 StPO.), nicht aber im Ausspruch der gewerbsmäßigen Tatbegehung. Zur Bejahung dieser subjektiven Tatbestandskomponente gelangte das Schöffengericht nämlich unter anderem deshalb, weil "der Angeklagte seit 1.März 1984 ohne Arbeit war, seine erste strafbare Handlung Mitte März 1984 setzte und gleichartige Straftaten dann innerhalb weniger Tage im Herbst 1984 wiederholte" (S 365 d.A).

Daraus ergibt sich, daß dem Schuldspruch zu Punkt 1 des Urteilssatzes jedenfalls in der Frage, ob (auch) die beiden anderen dem Angeklagten angelasteten Diebstähle gewerbsmäßig begangen wurden, nicht bloß unwesentliche Bedeutung beigemessen wurde. Da sich sohin zeigt, daß in diesem Umfang die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO - gleichfalls in nichtöffentlicher Sitzung - die teilweise Urteilsaufhebung, wie aus dem Spruch ersichtlich, zu beschließen. Auf das übrige Beschwerdevorbringen, das sich nur noch auf das Urteilsfaktum 1 bezieht, brauchte demnach nicht mehr eingegangen zu werden. Mit seiner durch die Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E07427

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00182.85.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19851219_OGH0002_0110OS00182_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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