TE OGH 1986/2/11 10Os159/85

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Veröffentlicht am 11.02.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann G*** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 8.November 1985, GZ 10 Vr 1837/85-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die durch die Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann G*** (zu 1) des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie (zu 2) des Vergehens der Blutschande nach § 211 "Abs 1 und" Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er von Mitte 1982 bis Mitte Juni 1985 in St. Peter (Gemeinde Radenthein) wiederholt, mindestens jedoch dreimal

1. mit seiner am 14.Oktober 1971 geborenen, sohin unmündigen (leiblichen) Tochter Evelyn G*** den außerehelichen Beischlaf "vollzogen" und

2. durch die unter 1. angeführten Tathandlungen "mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen und diese Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt" hat.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 4, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt. Unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Angeklagte die Abweisung seines Antrages (S 83) auf Beiziehung je eines Sachverständigen aus den Fachgebieten der Gynäkologie und Psychiatrie zum Beweis dafür, daß er den Beischlaf mit seiner Tochter nicht vollzogen hat.

Der Beschwerdeführer ist zwar mit dem Einwand im Recht, daß die im Urteil ergänzte Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses insoweit unzutreffend ist, als eine bloße Berührung der Geschlechtsteile (die nach - an sich richtiger - Auffassung des Erstgerichtes durch Sachverständige weder bewiesen noch ausgeschlossen werden könnte; im übrigen aber vom Angeklagten auch gar nicht bestritten wird - S 69 und 81) zum äußeren Tatbestand des vollendeten Vergehens der Blutschande nach § 211 StGB - anders als beim Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB, dessen äußere Tatseite im (bloßen) Unternehmen des Beischlafs besteht (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 206 RN 3) - jedenfalls nicht ausreicht (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 211 RN 3; Pallin im WK, § 211 Rz. 4). Im vorliegenden Fall ist aber im Urteil nicht nur eine bloße Berührung der Geschlechtsteile festgestellt, vielmehr hat das Schöffengericht darüber hinaus konstatiert, daß dem Angeklagten das Eindringen mit seinem Glied in die Scheide seiner Tochter "nicht zur Gänze" gelang (US 3), er "nicht zur Gänze in die Scheide eingefahren" (US 3) bzw. "nicht voll eingedrungen" ist (US 7) und demnach den Beischlaf nicht nur unternommen, sondern auch vollzogen hat, da er "teilweise mit seinem Geschlechtsteil in die Scheide eingedrungen und es somit zu einer Vereinigung der Geschlechtsteile gekommen ist" (US 6). Das Schöffengericht hat somit ein zwar nur unvollständiges Eindringen des Gliedes des Angeklagten in das Geschlechtsorgan seiner Tochter, damit aber immerhin den Beginn des Eindringens mit dem Penis in die Scheide - und nicht eine bloß äußerliche Berührung der Geschlechtsteile - festgestellt, worin - wie der Beschwerdeführer an anderer Stelle selbst erkennt - bereits eine Vollziehung des Beischlafs im Sinn des § 211 StGB gelegen ist (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 211 RN 3 iVm § 201 RN 10). Ein solches unvollständiges Eindringen des Gliedes des Angeklagten in die Scheide seiner Tochter könnte aber von einem gynäkologischen Sachverständigen insbesondere auch angesichts des Vaginalbefundes (S 27) unter keinen Umständen aus medizinischen Gründen nachträglich ausgeschlossen werden, bedarf es doch keinerlei Fachwissens für die Annahme, daß ein solcher ansatzweiser Geschlechtsverkehr keine Verletzungsspuren hinterlassen muß. Deren Fehlen kann somit niemals zwingend zur Schlußfolgerung führen, daß ein solcher Vorgang überhaupt nicht stattgefunden haben kann. Die Verfahrensrüge ist daher insoweit offenbar unbegründet. Inwiefern ein psychiatrischer Sachverständiger zur Wahrheitsfindung hätte beitragen können, kann hinwieder dem Beweisantrag überhaupt nicht entnommen werden, wurde doch darin (und auch sonst im Verfahren) eine Beeinträchtigung der Aussagefähigkeit und Aussageehrlichkeit der Zeugin Evelyn G*** auf Grund von psychologischen Defekten - was ohne Umgehung des § 152 StPO allein von einem solchen Sachverständigen begutachtet werden könnte (vgl. SSt 31/58) - nicht behauptet. In diesem Belange ist daher die Verfahrensrüge mangels Stellung eines prozeßordnungsgemäßen Beweisantrages nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt. Im übrigen sei zur Hintanhaltung von Mißverständnissen noch beigefügt, daß eine psychiatrische Untersuchung der zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr unmündigen Evelyn G*** nur mit deren Zustimmung zulässig gewesen wäre (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 56 f zu § 150). Die in Ansehung des Schuldspruchs wegen Vergehens der Blutschande auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Rechtsrüge, in der der Beschwerdeführer darauf hinweist, daß er sogar nach den Urteilsannahmen nicht die Absicht gehabt hat, mit seiner Tochter einen Geschlechtsverkehr auszuüben, und einwendet, daß auf Grund der Beiziehung eines Sachverständigen der Gynäkologie das Erstgericht auch in objektiver Hinsicht nicht einmal zur Feststellung eines teilweisen Beischlafsvollzugs gekommen, der Angeklagte sohin freizusprechen gewesen wäre, übergeht einerseits die zum objektiven Tatbestand getroffenen - bereits im Rahmen der Erledigung der Verfahrensrüge wiedergegebenen - Sachverhaltsfeststellungen und gibt andererseits die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite nur unvollständig, somit aktenwidrig, wieder. Denn darnach fehlte es dem Angeklagten lediglich an der Absicht (richtig: Vorsatz), mit seiner Tochter einen regelrechten Geschlechtsverkehr auszuüben (US 3); er wollte also bloß nicht voll eindringen, um seiner Tochter nicht weh zu tun (US 7). Davon, daß er überhaupt keinen Geschlechtsverkehr, auch nicht in der festgestellten eingeschränkten Weise vollziehen wollte, ist in den Entscheidungsgründen keine Rede. Die Rechtsrüge ist daher mangels Festhaltens am Urteilssachverhalt nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

An dieser Stelle sei vermerkt, daß die Unterstellung des Sachverhalts im Urteil auch unter den Abs 1 des § 211 StGB insofern verfehlt ist, als durch die Verwirklichung des speziellen Tatbildes des § 211 Abs 2 StGB (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 211 RN 5) der Deliktsfall des Abs 1 verdrängt wird (scheinbare Idealkonkurrenz zufolge Spezialität). Ein Nachteil (§ 290 Abs 1 StPO) ist dem Angeklagten dadurch aber nicht erwachsen, da das Erstgericht ersichtlich den ersten Deliktsfall (Abs 1) rechtsirrtümlich als Grundtatbestand angesehen hat und demgemäß dem Angeklagten auch nur das (eine) Vergehen der Blutschande zur Last legt, was übrigens auch in den Strafbemessungsgründen deutlich zum Ausdruck kommt (Zusammentreffen mit einem Vergehen). Schließlich entbehrt auch die gegen den Schuldspruch wegen § 206 Abs 1 StGB aus dem Grunde des § 281 Abs 1 Z 10 StPO erhobene Rechtsrüge einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, denn der Beschwerdeführer will abermals die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in aktenwidriger Weise dahin interpretieren, daß das Erstgericht einen Beischlafsvorsatz schlechtweg negiert habe. Wie bereits erwähnt, ist aber das Schöffengericht insoweit von dem bloß eingeschränkten Vorsatz ausgegangen, daß der Angeklagte zwar keinen regelrechten Geschlechtsverkehr ausüben, nichtsdestoweniger aber den Beischlaf durch teilweises Eindringen mit seinem Geschlechtsteil in die Scheide ausüben wollte (US 6 unten iVm US 7 oben). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO, zum Teil offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung des Angeklagten wird in einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Anmerkung

E07681

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00159.85.0211.000

Dokumentnummer

JJT_19860211_OGH0002_0100OS00159_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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