TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/30 2002/20/0596

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Veröffentlicht am 30.06.2005
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §62 Abs2;
AVG §62 Abs3;
AVG §67;
AVG §67g Abs1;
AVG §67g Abs3;
B-VG Art129c Abs1;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2002/20/0287 E 30. Juni 2005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl, und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des S in W, geboren 1972, vertreten durch Dr. Günther Hanslik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den am 24. Juni 2002 verkündeten und am 20. September 2002 ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 223.354/5-II/04/02, betreffend §§ 7, 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde - nach Durchführung einer Berufungsverhandlung am 24. Juni 2002 - die Berufung des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Juli 2001 gemäß §§ 7, 8 AsylG ab. Der Bescheid wurde nach Schluss der Verhandlung in Gegenwart des Beschwerdeführers verkündet und sein Spruch sowie Grundzüge der Begründung wurden im Verhandlungsprotokoll festgehalten.

Die schriftliche Ausfertigung dieses Bescheides enthält nach Wiedergabe des Spruches nur folgende Begründung:

"Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Asylantrag des nunmehrigen Berufungswerbers vom 15.1.2001 gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchteil I) und weiters ausgesprochen, dass die 'Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung' des nunmehrigen Berufungswerbers nach Indien gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchteil II).

Der unabhängige Bundesasylsenat führte am 24.6.2001 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung unter anderem in diesem Verfahren durch, an deren Ende (auch) dieser Bescheid öffentlich verkündet wurde.

Auf die Verhandlungsschrift, samt dort gegebener Begründung auch dieses Bescheides, wird verwiesen.

Bemerkt wird, dass eine § 60 AVG besser entsprechende, ausführlichere schriftliche Ausfertigung wegen gegenwärtiger bestehender Überlastung des Sekretariates nicht möglich ist."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift erwogen hat:

Die Beschwerde macht insbesondere geltend, die schriftliche Ausfertigung des Bescheides enthalte keine dem Gesetz entsprechende Begründung. Dieser Mangel könne nicht mit einer allfälligen Überlastung des Sekretariats entschuldigt werden, zumal dem Beschwerdeführer nicht einmal eine Kopie der Verhandlungsschrift übermittelt worden sei. Mangels Begründung sei für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde die Ausführungen des von ihr in der Berufungsverhandlung beigezogenen Sachverständigen als richtig erkannt habe, insbesondere sei nicht nachprüfbar, ob die belangte Behörde "von ihrem Ermessen im Rahmen der freien Beweiswürdigung in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht" habe. Da der angefochtene Bescheid somit "einer eindeutigen Rechtsverfolgung durch den Beschwerdeführer ermöglichenden und nachprüfbaren Kontrolle durch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts entzogen" worden sei, sei er jedenfalls aufzuheben.

Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, der angefochtene Bescheid sei "in der Verhandlungsschrift, entsprechend dem Gebot des § 67g Abs. 1 AVG, begründet" worden. Sofern die in der Verhandlungsschrift gegebene Begründung dem Erfordernis der "wesentlichen Begründung" der genannten Gesetzesstelle genügen sollte (wovon die belangte Behörde ausgehe), sei damit zugleich auch gesagt, dass (bezogen auf das Erfordernis des § 60 AVG) weitere, in der schriftlichen Ausfertigung nachgetragene Begründungselemente nur mehr unwesentliche Bedeutung haben könnten.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.

Für das Verfahren vor der belangten Behörde gelten vorrangig - wie sich aus Artikel 129c Abs. 1 B-VG, wonach der unabhängige Bundesasylsenat ein (weiterer) unabhängiger Verwaltungssenat ist, und aus Artikel II Abs. 2 Z 43a EGVG ergibt - die besonderen Bestimmungen der §§ 67a ff AVG über das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten; im Übrigen hat die belangte Behörde gemäß § 67 AVG (iVm § 23 AsylG in der hier maßgeblichen Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) - soweit für das Asylverfahren nicht anderes bestimmt ist - auch die Bestimmungen der §§ 56 bis 66 AVG anzuwenden.

Gemäß § 67g Abs. 1 AVG ist ein Bescheid der belangten Behörde samt seiner wesentlichen Begründung - wenn möglich - sogleich nach Schluss der Verhandlung zu beschließen und öffentlich zu verkünden. Nach Abs. 3 leg. cit. ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides zuzustellen. Die zuletzt genannte Regelung stellt im Verhältnis zu § 62 Abs. 3 AVG für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten (und somit auch für jenes vor der belangten Behörde) eine Sonderregel mit der Bedeutung dar, dass der mündlich verkündete Bescheid allen Parteien - auch den bei der Verkündung anwesenden - zuzustellen ist, ohne dass dafür ein besonderes Verlangen der Parteien erforderlich wäre (vgl. Walter/Thienel, Die Verwaltungsverfahrensnovellen 1998, 117f). Von dieser besonderen Bestimmung unberührt bleibt § 62 Abs. 2 AVG, wonach der Inhalt und die - im Rahmen der Verhandlung erfolgte - Verkündung des Bescheides am Schluss der Verhandlungsschrift zu beurkunden sind.

Gemäß §§ 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahren, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grund gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und weshalb sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. November 2004, Zl. 2003/20/0349, mwN). Dieser Grundsatz gilt auch für den mündlich verkündeten Bescheid und dessen schriftliche Ausfertigung (vgl. dazu bereits das hg. Erkenntnis vom 22. November 1976, Slg. Nr. 9186/A, nur Rechtssatz).

Die belangte Behörde vermeint ihrer Begründungspflicht dadurch entsprochen zu haben, dass sie den angefochtenen Bescheid "in der Verhandlungsschrift, entsprechend dem Gebot des § 67g Abs. 1 AVG, begründet" habe. Sie übersieht dabei jedoch, dass § 67g Abs. 3 AVG dem Beschwerdeführer einen Anspruch auf Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Bescheides einräumt, die - für sich genommen - den Kriterien einer ausreichenden Begründung im Sinne der §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG entsprechen muss (vgl. zum Anspruch der Partei auf Zustellung des Bescheides etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1960, VfSlg. 3845). Eine bloße Verweisung auf die im Verhandlungsprotokoll beurkundete Begründung genügt diesen Anforderungen nicht. Auch geht es - entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde - nicht darum, in der Ausfertigung des bereits verkündeten Bescheides "unwesentliche" Begründungselemente nachzutragen, sondern es sind der Partei sämtliche Erwägungen der belangten Behörde, die für die Entscheidung maßgeblich waren, in schriftlicher Form zur Kenntnis zu bringen, um sie - im Sinne des von der Rechtsordnung anerkannten Rechtsschutzinteresses der Partei - in die Lage zu versetzen, auf der Grundlage der Bescheidausfertigung die Erfolgschancen einer weiteren Rechtsverfolgung abzuschätzen und ihr Vorgehen darauf abzustellen. Diesen Anforderungen wird die vorliegende Bescheidausfertigung nicht gerecht. Es versteht sich von selbst, dass dieser Begründungsmangel auch durch eine allfällige Überlastung des Sekretariats der belangten Behörde nicht zu rechtfertigen ist.

Das Fehlen der den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Bescheidbegründung hindert die Partei an einer wirksamen Verfolgung ihrer Rechte, weshalb der gerügte Begründungsmangel auch wesentlich ist (vgl. dazu etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 159 zu § 60 AVG wiedergegebene ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. Juni 2005

Schlagworte

Begründung BegründungsmangelBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002200596.X00

Im RIS seit

01.08.2005

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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