TE OGH 1986/2/25 11Os201/85

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Veröffentlicht am 25.02.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Februar 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider sowie Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erwin S*** und Johannes J*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 22.Oktober 1985, GZ 18 a Vr 203/85-66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 24.Februar 1948 geborene beschäftigungslose Erwin S*** und der am 9. März 1955 geborene Hilfsarbeiter Johannes J*** gemäß dem § 259 Z 3 StPO vom Anklagevorwurf freigesprochen, das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch (auch) dadurch begangen zu haben, daß sie am 21.Jänner 1985 in Feldkirch-Altenstadt in Gesellschaft als Beteiligte dem Hubert M*** drei auf "Männerchor Altenstadt" lautende (nicht vinkulierte) Sparbücher der R***

F*** bzw der S*** F*** mit einem Einlagestand von

insgesamt 290.446,52 S (zusätzlich zu dem bei der nämlichen Gelegenheit entzogenen Bargeldbetrag von 32.745,40 S, dessen Diebstahl ihnen bereits in dem im ersten Rechtsgang ergangenen, insoweit in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 15.April 1985 angelastet worden war, welcher Schuldspruch im nunmehr angefochtenen Urteil überflüssigerweise wiederholt wird) durch Einbruch, Einsteigen und Aufbrechen eines Behältnisses mit dem Vorsatz weggenommen hätten, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Das Erstgericht erachtete einen Zueignungsvorsatz (§ 127 StGB) hinsichtlich der drei erwähnten Sparbücher, die vom Angeklagten J*** mitgenommen, bei Besichtigung der Beute nach Verlassen des Tatortes von den beiden Angeklagten jedoch als "für sie wertlos" (S 307 d.A) angesehen und daher von J*** über Anraten des S*** in einen Mülleimer geworfen worden waren (wo sie der Aktenlage zufolge nicht mehr sichergestellt werden konnten), nicht für erweislich. Es ging ferner davon aus, daß das objektive Tatbild der dauernden Sachentziehung (§ 135 Abs. 1 und 2 StGB) nicht erfüllt sei, weil allein durch das Wegwerfen der Sparbücher - vom "Wiederbeschaffungswert" abgesehen - noch kein Schaden eingetreten sei, und daß die beiden Angeklagten insoweit auch "nicht beabsichtigt" hätten, "die Forderung des Männerchores Altenstadt gegenüber den Bankinstituten zu reduzieren" (S 310 d.A). Einem Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs. 1 StGB) stand nach Ansicht des Erstgerichtes entgegen, daß die Anklagebehörde in dieser Richtung keinen "Strafantrag" gestellt hatte (S 310 d.A).

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Teil-)Freispruch richtet sich die ausdrücklich auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO, der sachlichen Argumentation nach allerdings nur auf die letztgenannte Gesetzesstelle gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die ausschließlich auf die Unterstellung des die Sparbücher betreffenden Tatverhaltens unter den Verbrechenstatbestand des § 135 Abs. 1 und Abs. 2 (zweiter Fall) StGB abzielt und davon ausgeht, daß das Urteil dazu in subjektiver Richtung Feststellungen vermissen läßt. Durch die Beschränkung des Rechtsmittelbegehrens allein auf den Tatbestand der dauernden Sachentziehung wird vom Vorbringen der Rechtsmittelwerberin nur jener Teil des Tatgeschehens erfaßt, der sich als Akt der Entäußerung der vom Freispruch betroffenen Gegenstände darstellt. Zu dieser Tatphase sind allerdings - entgegen der Auffassung der Anklagebehörde - dem Urteil Feststellungen zur inneren Tatseite zu entnehmen: Wie nämlich die wiederholte Konstatierung, wonach die Angeklagten nach Besichtigung der Beute zur Ansicht gelangten, die (auf den Namen einer Chorgemeinschaft lautenden) Sparbücher hätten für sie (als nicht Berechtigte) keinen Wert, in Verbindung mit jenen Ausführungen der Urteilsbegründung zeigt, denen zufolge die Angeklagten durch Wegwerfen der Sparbücher auch nicht die Forderung des Männerchores an die Bankinstitute zu reduzieren "beabsichtigten" (worunter nach dem Sinnzusammenhang eine Negation jeglichen - nicht etwa bloß des im Sinn des § 5 Abs. 2 StGB qualifizierten - Vorsatzes zu verstehen ist), ging das Erstgericht davon aus, daß die Angeklagten den selbständigen Verkehrswert der Sparbücher überhaupt nicht erkannt und aus diesem Grund auch nicht in ihren Vorsatz aufgenommen hatten.

Da die Anklagebehörde diese die Verwirklichung der inneren Tatseite des § 135 StGB verneinende Urteilsannahme in ihrem Beschwerdevorbringen unberücksichtigt läßt, bringt sie die Rechtsrüge nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung. Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Nur der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt:

Die vom Erstgericht angeführten rechtlichen Erwägungen, denen zufolge ein Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 229 Abs. 1 StGB mangels eines entsprechenden "Strafantrages" der Anklagebehörde den Anklagegrundsatz verletzt hätte, sind keineswegs stichhaltig, weil der Gerichtshof erster Instanz gemäß dem § 262 StPO an die rechtliche Beurteilung des Anklagesachverhaltes durch den Ankläger nicht gebunden ist (Mayerhofer-Rieder 2 , E Nr 1 ff zur letzteren Gesetzesstelle). Die Staatsanwaltschaft unterließ es jedoch, diesbezüglich Feststellungsmängel geltend zu machen. Zufolge der im ersten Satz des § 290 Abs. 1 StPO normierten Beschränkung auf die vom Beschwerdeführer ausdrücklich oder doch durch deutliche Hinweise geltend gemachten Nichtigkeitsgründe ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, eine in der Beschwerde nicht durch sachbezogene Argumentation relevierte Nichtigkeit als gerügt

zu behandeln (siehe insbesondere SSt 51/35 = EvBl 1981/88

= RiZtg 1980/54 und die dort angeführte Rechtsprechung und Literatur; die in mehreren - gleichfalls zitierten - älteren Entscheidungen, zuletzt in JBl 1977, 327, sowie von Liebscher unter anderem in JBl 1977, 328 und in ZVR 1981, 180, ferner von Bertel in Grundriß des Österreichischen Strafprozeßrechts 2 , Rz 861 vertretene gegenteilige Ansicht kann zwar auf die §§ 262, 267 StPO gestützt werden, erscheint jedoch mit der speziell auf das Nichtigkeitsverfahren abstellenden Vorschrift des ersten Satzes des § 290 Abs. 1 StPO nicht vereinbar): Einer Nichtigkeitsbeschwerde des Anklägers kann nämlich nur aus einem darin konkret geltend gemachten Nichtigkeitsgrund Folge gegeben werden, zumal auch die amtswegige Wahrnehmung einer ungerügt gebliebenen materiellen Nichtigkeit zum Nachteil des Angeklagten nicht in Betracht kommt (argumentum e contrario aus dem § 290 Abs. 1 zweiter Satz StPO).

Mangels Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde fehlt es aber an der Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes zur Erledigung der Berufung (EvBl 1981/46 uva).

Über diese wird das Oberlandesgericht Innsbruck zu erkennen haben.

Anmerkung

E07686

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00201.85.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19860225_OGH0002_0110OS00201_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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