TE OGH 1986/3/4 14Ob13/86

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Veröffentlicht am 04.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Prof.Dr. Robert Halpern und Dr. Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois G***, Angestellter, Hohenems, Leermahdstraße 8, vertreten durch Dr. Gernot Ilg, Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, Bregenz, dieser vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N*** Versicherungs-AG., Wien 1, Uraniastraße 2, vertreten durch Dr. Gerhard Renner und Dr. Gerd Höllerl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 382.703,85 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 8. Oktober 1985, GZ. Cg a 26/85-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilzwischenurteil des Arbeitsgerichtes Feldkirch vom 3. Juni 1985, GZ. Cr 441/84-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger war vom 1. April 1976 bis 31. Juli 1983 bei der beklagten Partei als Versicherungsvertreter im Außendienst angestellt. Auf sein Dienstverhältnis fand der Kollektivvertrag für Angestellte der Versicherungsunternehmungen - Außendienst (im folgenden: KV) Anwendung, dessen § 6 folgende Bestimmungen enthält:

"Provisionszahlung nach Auflösung des Dienstverhältnisses

(1) Die vereinbarte Folgeprovision bleibt dem Angestellten unter der Bedingung einer ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses bei dem gleichen Dienstgeber durch mindestens 3 Jahre gemäß den folgenden Bestimmungen gewahrt, längstens jedoch bis zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Dauer der von ihm selbständig und auf Grund eigenen Werbematerials vermittelten Versicherungsverträge nach Maßgabe des Prämieneinganges; dabei werden nach Beendigung des Dienstverhältnisses eingetretene Prämienzuwächse nicht berücksichtigt. Keineswegs gebührt Folgeprovision, und zwar auch nicht zum Teile für Versicherungen, die dem Angestellten zur Betreuung oder Bearbeitung zugewiesen worden sind.

(2) Insoweit dem Angestellten eine Folgeprovision unter Berücksichtigung des Abs. 1 zusteht, beträgt diese nach Endigung des Dienstverhältnisses, längstens bis zu seinem Tode, 50 % jener Folgeprovision, auf die der Angestellte Anspruch hätte, wenn noch ein Dienstverhältnis bestünde...."

Der Kläger begehrt neben anderen Beträgen, die nicht Gegenstand der angefochtenen Teilentscheidung sind, Zahlung von 50 % der Folgeprovisionen, die er aus von ihm abgeschlossenen Versicherungsverträgen zu erwarten habe, im Betrage von S 382.703,85 sA.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß ein Anspruch auf Folgeprovision gemäß § 6 KV nur dann bestehe, wenn die Bezahlung solcher Provisionen vereinbart sei. Die Bezahlung einer solchen Provision sei aber in den Norm-Anstellungsbedingungen für hauptberufliche Vertreter, Fassung 7/75 (im folgenden auch: NAB-HV) ausdrücklich ausgeschlossen worden. Der Kläger habe ein relativ hohes Fixum bezogen. Da Folgeprovisionen nur bei Vereinbarung zu zahlen seien, stehe § 6 KV einer Vereinbarung, daß nach Auflösung des Dienstverhältnisses ein solcher Anspruch nicht mehr bestehe, nicht entgegen. Der Ausschluß dieser Provision sei nicht sittenwidrig, wenn die übrigen Bezüge des Dienstnehmers das kollektivvertragliche Mindestmaß bei weitem überstiegen. Maßgebend sei die Gesamthöhe der zur Auszahlung gelangenden Provisionen und Fixbezüge. Die Provisionsfrage sei bei den Versicherungsunternehmungen Österreichs ganz unterschiedlich geregelt.

Das Erstgericht sprach (im zweiten Rechtsgang) mit Teilzwischenurteil aus, daß der Anspruch des Klägers auf Bezahlung von Folgeprovisionen hinsichtlich der Eigengeschäfte dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es war der Ansicht, daß die zwischen den Streitteilen vereinbarte "Betreuungsprovision" ihrem Wesen nach eine Folgeprovision im Sinne des § 6 KV sei. Diese Bestimmung könne nicht dadurch außer Wirksamkeit gesetzt werden, daß der vereinbarten Provision ein anderer Name gegeben werde.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem, gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es mit Teilurteil das Begehren auf Zahlung von S 382.703,85 sA. abwies.

Dieser Entscheidung legte die zweite Instanz folgende wesentliche, zum Teil von den erstgerichtlichen Feststellungen abweichende Tatsachen zugrunde:

Bei dem zur Anstellung des Klägers bei der beklagten Partei führenden Gespräch vom 30. März 1976 nahm er die NAB-HV, die ergänzende Anstellungsvereinbarung für Gebietsvertreter und die Provisionstabelle A-10 zur Kenntnis und unterfertigte eine Erklärung, in der er den Provisionsbestimmungen und dem Inhalt des Provisionsbriefes zustimmte. Für das Dienstverhältnis des Klägers galten außerdem noch die Ergänzenden Anstellungsvereinbarungen für Bereichsleiter (ab 7. September 1978) und die Vereinbarung zwischen der beklagten Partei und ihrem Zentralbetriebsrat, sowie die Bewertungsgrundsätze.

Dem Kläger war schon bei Beginn des Dienstverhältnisses bekannt, daß die beklagte Partei keine Folgeprovisionen im Sinne des § 6 KV bezahlt.

Die NAB-HV enthalten unter anderem folgende Bestimmungen:

"3.) Aufgaben und Pflichten des HV (= hauptberuflicher Vertreter)

3.1. Akquisition

Der HV hat die Aufgabe, an der ständigen Vergrößerung des Geschäftsbestandes des Arbeitgebers unter Einsatz seiner ganzen Arbeitskraft mitzuwirken,

durch Gewinnung neuer, seriöser Kunden,

durch Vermittlung neuer Versicherungsabschlüsse und durch Anpassung der durch ihn zu betreuenden Versicherungsverträge an den sich wandelnden Bedarf. Das Ausmaß der von dem HV erwarteten Geschäftsausweitung ist im Arbeitsplan festgelegt, der vom Arbeitgeber für ihn alljährlich neu erstellt wird. Dieser Arbeitsplan ist Teil der Unternehmensplanung. Seine Erfüllung ist für die Erhaltung der Rentabilität und Konkurrenzfähigkeit des Arbeitgebers von wesentlicher Bedeutung.

3.2. Kundenbetreuung

Der HV ist für die ständige und gewissenhafte Pflege des gesamten Kundenstockes verantwortlich, der unter Agenturen geführt wird, die seiner Betreuung obliegen. Darunter fallen insbesondere Bemühungen um die ständige Anpassung des Versicherungsschutzes an den sich ändernden Bedarf der Kunden, weiters Bemühungen um die Erhaltung bestehender Versicherungen bei Inkassoschwierigkeiten, Besitzwechsel, Adreßänderungen und dergleichen, sowie Hilfeleistung bei der Abfassung korrekter Schadensmeldungen und sonstiger Anzeigen....

5.2. Leistungszulage

Erwartet der Arbeitgeber vom HV eine überdurchschnittliche Leistung, so zahlt er ihm als Leistungsansporn eine Leistungszulage. Eine derartige Leistung wird anzunehmen sein, wenn im vorausgegangenen Abrechnungszeitraum die Anzahl der erreichten Leistungspunkte höher war als die im Punkt 5.2 der ergänzenden Anstellungsvereinbarung festgelegte Bemessungsgrundlage. Das erzielte Plus an Leistungspunkten in diesem Abrechnungszeitraum ist Bemessungsgrundlage für die zu gewährende Leistungszulage...... (es folgt der Berechnungsmodus).

5.4. Provisionen

5.4.1 Der Provisionsanspruch des HV richtet sich nach den Bestimmungen des Abschnittes 6 dieser Normanstellungsbedingungen. Die Provisionsverrechnung erfolgt nach Provisionstabelle SZ 10 samt Provisionsbestimmungen sowie nach den Bewertungsgrundsätzen in ihrer jeweils letztgültigen Fassung. Die Provisionstabelle SZ 10 samt Provisionsbestimmungen und die Bewertungsgrundsätze sind integrierende Bestandteile dieser Norm-Anstellungsbedingungen.

5.4.2. Eine Folgeprovision im Sinne des § 6 KVA ist nicht vereinbart, deshalb können unter diesem Titel seitens des Arbeitnehmers keine wie immer gearteten Ansprüche gestellt werden....

6.1. Abrechnung bei aufrechtem Arbeitsverhältnis

6.1.1. Ist die Summe der in einem Abrechnungszeitraum erreichten Leistungspunkte größer als die für die Gewährung der Leistungszulage maßgebliche Bemessungsgrundlage laut Pkt 5.2. der letztgültigen "Ergänzenden Anstellungsvereinbarung", erhält der HV im darauffolgenden Geschäftsjahr eine Leistungszulage (siehe auch Pkt. 5.2. dieser Norm-Anstellungsbedingungen).

6.1.2. Ist die Summe der in einem Abrechnungszeitraum erreichten Leistungspunkte geringer als die für diesen Zeitraum maßgebliche Bemessungsgrundlage, verringert sich der Provisionssaldo für jeden fehlenden Leistungspunkt um den für diesen Abrechnungszeitraum festgelegten Verrechnungssatz. Die Höhe der Bemessungsgrundlage und Verrechnungssätze für Leistungspunkte sind unter Pkt. 6.1.2. der jeweils letztgültigen "Ergänzenden Anstellungsvereinbarung" angeführt....."

Die Provisionstabelle A 10 sieht unter dem Titel "Betreuungsprovision" vor:

"3.1. Die Betreuungsprovision wird von jeder fälligen Prämie (bei kurzfristigen Versicherungsverträgen von der Einmalprämie) ohne Gebühren und Steuern (Nettoprämie) berechnet und nach deren Eingang gutgeschrieben.

3.2. Die Betreuungsprovision wird ab Versicherungsbeginn und nur so lange verrechnet, als der Eigen- und/oder zugewiesene Bestand tatsächlich persönlich betreut wird. Für Versicherungsverträge der Sparten gemäß Abschnitt A und B entfällt die Betreuungsprovision, wenn nach Ablauf der Vertragszeit bedingungsgemäß stillschweigend verlängert wird.

3.3. Wird die Betreuung des Bestandes vernachlässigt (Bestandsabgang, Konkurrenzeinbrüche, Kundenbeschwerden etc.), kann die Betreuungsprovision jederzeit reduziert oder gestrichen werden..."

Der Kläger führte im ersten Dienstjahr bei der beklagten Partei nur Neuabschlüsse durch. Im zweiten Jahr bekam er einen vorhandenen Kundenstock zugewiesen.

Die beklagte Partei hat folgendes Entlohnungssystem, das auch für den Kläger galt: Jeder Außendienstmitarbeiter bezieht ein Gehalt und eine Spesenvergütung, deren Höhe individuell bestimmt sind. Nach der Höhe der jeweiligen Fixkosten jedes Mitarbeiters wird für ihn eine Bemessungsgrundlage festgesetzt. Mit dem Kläger war eine Bemessungsgrundlage für die Leistungszulage und eine Bemessungsgrundlage für den Provisionsanspruch vereinbart. Für jeden Neuabschluß und jede Änderung eines Versicherungsvertrages erhielt der Kläger Leistungspunkte und am Provisionskonto (vorläufig) Provisionen gutgeschrieben, von denen er Acontozahlungen in Anspruch nehmen konnte. Erreichte der Kläger zum Jahresende das (in Leistungspunkten vorgegebene) Leistungssoll, stand ihm das gesamte Provisionsguthaben (endgültig) zu. Überschritt er das Leistungssoll, erhielt er außerdem eine nach den zusätzlichen Leistungspunkten bemessene Leistungszulage, die im folgenden Jahr in gleich hohen monatlichen Teilbeträgen zur Auszahlung gelangte. Erreichte der Kläger das Leistungssoll nicht, verminderte sich sein Provisionsaufkommen sofort um die nach bestimmten Richtlinien in Geld bewertete Minderleistung.

1978 und 1979 erhielt der Kläger die Leistungszulage; 1980 bis 1982 blieb er deutlich unter dem ihm vorgeschriebenen Leistungssoll, das durch Gehaltsabzüge getilgt wurde.

Der Kläger erhielt sowohl für die von ihm neu zugeführten als auch für die ihm zur Betreuung zugewiesenen Kunden eine Betreuungsprovision, die bei Eigengeschäften und zugewiesenen Kunden gleich hoch war. Die beklagte Partei verlangte vom Kläger als Gegenleistung für die Betreuungsprovision, daß er die von ihm geworbenen und die ihm zugewiesenen Kunden betreue. Er hatte in einem Bestandsbuch jährlich die zu betreuenden Kunden anzuführen und seine Tätigkeit festzuhalten. Dem Kläger war bekannt, daß ihm im Falle der Betreuungsvernachlässigung die Provision jederzeit gekürzt oder gestrichen werden konnte. Dazu kam es jedoch nicht. Die Kontrolle der Außendienstmitarbeiter der beklagten Partei war nicht streng und (nur) dadurch gegeben, daß mit der Zeit Raklamationen bei der Direktion eintrafen. Ab Mitte 1981 ließen die Leistungen des Klägers beim Abschluß von Versicherungsverträgen und bei der Betreuung von Kunden nach; es gab eine Reihe von Reklamationen, worauf dem Kläger eine Kürzung der Betreuungsprovision um 2 % angedroht wurden.

Die beklagte Partei bezahlt ihren Außendienstmitarbeitern ein ungefähr doppelt so hohes Fixum als andere Versicherungen. Auch die bezahlte Abschlußprovision war höher als bei anderen Versicherungen. Das Berufungsgericht war der Ansicht, § 6 KV sehe die Bezahlung einer Folgeprovision nach aufgelöstem Dienstverhältnis nur vor, wenn eine solche schon während des aufrechten Dienstverhältnisses vereinbart gewesen sei. Der beklagten Partei sei es freigestanden, eine solche Provision nicht zu vereinbaren. Sie habe das Entlohnungssystem beliebig gestalten können, soweit dadurch den Außendienstmitarbeitern das im § 3 KV vorgesehene Mindesteinkommen gewahrt wurde. Unter einer Folgeprovision iS des § 6 KV sei ein bestimmter Provisionssatz zu verstehen, der von den Prämien des folgenden Versicherungsjahres berechnet werde, gleich hoch oder niedriger als die Erstprovision sei, wobei der Anspruch grundsätzlich mit dem Abschluß des Versicherungsvertrages gewonnen werde. Betreuungsprovision sei das Entgelt für die Pflege und Betreuung des Bestandes an Versicherungen, die unter der Voraussetzung der Erbringung dieser Leistung gegeben werde. Die beiden Provisionsbegriffe seien daher nicht identisch. Die Folgeprovision sei noch als Teil der Entlohnung des Versicherungsvertreters für einen Versicherungsabschluß anzusehen, die Betreuungsprovision hingegen davon abhängig, daß der Versicherungsvertreter den ihm zugewiesenen Kundenstock tatsächlich betreue. Daß die Einhaltung der Verpflichtung der Außendienstmitarbeiter zur Kundenbetreuung nicht streng kontrolliert worden sei, ändere nichts daran, daß den Kläger eine Pflicht zur Kundenbetreuung getroffen habe. Der Unterschied zwischen "Folgeprovision" und "Betreuungsprovision" zeige sich noch deutlicher beim Vergleich der Berechnungsart. Die Folgeprovision richte sich nach der Höhe der Folgeprämie. Die dem Kläger gebührende Betreuungsprovision schwanke aber je nach der Gesamtleistung des Außendienstmitarbeiters. Bemessungsgrundlage seien nicht nur die Zahl der Neuabschlüsse, sondern auch Geschäftsvorgänge, die dem Bereich der Kundenbetreuung zuzuordnen seien. Die Betreuungsprovision unterscheide sich aber von der Folgeprovision auch dadurch, daß sie auch für die Betreuung zugewiesener Kunden bezahlt werde. Die beklagte Partei honoriere mit der Betreuungsprovision die Kundenbetreuung, während eine Folgeprovision nicht von einer Kundenbetreuung abhängig gemacht werden könne. Sei aber die dem Kläger gebührende Betreuungsprovision keine Folgeprovision iS des § 6 KV, so sei eine solche nicht vereinbart, sodaß der für die Zeit nach Auflösung des Dienstverhältnisses erhobene Anspruch des Klägers nicht zu Recht bestehe. Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erhobene Revision des Klägers ist berechtigt.

§ 10 Abs. 1 AngG räumt den Vertragspartnern eines Angestelltendienstvertrages die Möglichkeit ein, das dem Angestellten gebührende Entgelt (§ 6 AngG) ganz oder zum Teil in Form von Provisionen für Geschäfte, die von ihm abgeschlossen oder vermittelt werden, zu bezahlen. Die Provision ist eine - meist in Prozenten ausgedrückte - Beteiligung am Wert solcher Geschäfte des Arbeitgebers, die durch die Tätigkeit (Vermittlung oder Abschluß) des Angestellten zustande gekommen sind. Die Provision richtet sich nach dem Ergebnis der Arbeit, ist also Leistungsentgelt, das vom persönlichen Geschick und der Ausdauer des Angestellten, aber auch - erfolgsorientiert - unter anderem von der Geschäftslage und den Bedürfnissen des Marktes abhängt (Arb. 9.931, 6.470; Martinek-Schwarz, AngG 6 269; vgl. auch Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 5 379). Dem Angestellten gebührt im Zweifel die Provision für (alle) Geschäfte, die (durch seine Tätigkeit) während der Dauer des Dienstverhältnisses zwischen der Kundschaft und dem Dienstgeber zustande gekommen sind (§ 11 Abs. 1 AngG). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses läßt demnach den Konnex zwischen der vollbrachten Arbeitsleistung und dem Erwerb des Anspruches auf Provision unberührt.

Die in der Versicherungsbranche übliche "Folgeprovision" besteht darin, daß der Angestellte neben der meist in einem Prozentsatz der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Erstprämie bemessenen Abschlußprovision zusätzliche periodische Vergütungen für die Dauer des Bestandes des Versicherungsvertrages erhält, die regelmäßig mit einem Prozentsatz der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Folgeprämien (§ 39 VVG) bemessen werden. Auch bei der Folgeprovision handelt es sich dem Wesen nach um eine Vermittlungsprovision, die durch mehr als einmalige Erfolgsvergütung vorgenommen wird (Auer,

Zur rechtlichen Situation des Versicherungsvermittlers in Österreich, RdA 1975, 21, 26 f). Die Folgeprovision gebührt meist für die vom Angestellten durch selbständige Werbung vermittelten Versicherungsverträge nach Maßgabe des Prämieneinganges (Martinek-Schwarz aaO 286), während eine Provision aus Verträgen, die nicht vom Angestellten vermittelt, sondern ihm zur Verwaltung und Betreuung übergeben wurden, ein Entgelt für die allgemeine Tätigkeit des Vertreters darstellt (Schlegelberger, HGB 5 II 770 zu § 89 b). Durch die bloße Bezeichnung einer vereinbarten "Folgeprovision" als "Betreuungsprovision" könnte die beklagte Partei die in § 6 KV für den Fall einer vereinbarten Folgeprovision vorgesehenen Rechte eines Angestellten nicht schmälern. Ob eine solche bloße Umbenennung vorliegt, läßt sich aber noch nicht abschließend beurteilen. Dadurch, daß der Versicherungsvertreter meist mit der aus der Langfristigkeit des vermittelten Vertrages sich ergebenden Verwaltungstätigkeit betraut wird, die in der Beratung des Versicherungskunden, dem (heute wohl durch Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen weitgehend überholten) Inkasso und der Mitarbeit bei der Abwicklung von Versicherungsfällen besteht, ergeben sich nämlich problematische Provisionsmischstrukturen. Die von Brüggemannn (in Staub's Großkomm HGB 4 zu § 89 b HGB, Rz 131 ff) geschilderte Praxis des deutschen Versicherungswesens bei der Provisionsgestaltung trifft im wesentlichen auch für Österreich zu. So verweist Martinek-Schwarz (aaO 285) darauf, daß die Folgeprovisionen (meist) an die Bedingung der Betreuung des Versicherungsvertrages und der Überwachung der Einhaltung der Fälligkeiten der Folgeprämien durch den Angestellten gebunden sind (sogenannte Betreuungs- und Inkassoprovision). Eine solche Verknüpfung zwischen den laufend geleisteten Vergütungen aus den fortbestehenden Versicherungsverträgen und der Verpflichtung zur Betreuung der Versicherungsnehmer wurde als so eng angesehen, daß in der Verbindlichkeit zur Betreuung der Kunden - neben der Abhängigkeit vom weiteren Bestehen des Vertrages - überhaupt das Unterscheidungskriterium zwischen "Abschlußprovision" und "Folgeprovision" gesehen wurde (so Arb. 6.969, 7.563 und diesen folgend Martinek aaO 286, der in der Betreuungs- und Interventionsprovision eine Nachwirkung der Vermittlung von Versicherungsverträgen und das Entgelt für die Mühewaltung und Entschädigung für andere Kosten erblickt).

Mischprovisionsformen kommen in der Praxis der Versicherungswirtschaft unter den verschiedensten Bezeichnungen vor, wie "Pflegegeld", "Bestandpflegegeld", "Bestanderhaltungsgebühr", "Bestandpflegeprovision", "Verwaltungsprovision" (Auer aaO 28; Brüggemann in Staub aaO Rz 131; Schlegelberger aaO 769). Auer (aaO 28) vertritt unter Berufung auf Trinkhaus (Handbuch der Versicherungsvermittlung 217) die Ansicht, daß die Bestandpflegeprovision nicht als eine neben der Abschlußprovision in Frage kommende Provisionsart anerkannt werden kann, sondern nur eine andere Bezeichnung für die Abschlußprovision darstellt. Auch Begriffe wie "Kundendienst", "Aufrechterhaltung der Beziehungen", "Betreuung der Versicherungsnehmer" fielen nicht unter den Begriff der Verwaltung (für die die Praxis Verwaltungsprovision gewähre). Vergütet werde hier keineswegs die Kundenpflege, sondern der rein tatsächliche Erfolg des Weiterbestehens des Vertrages (Auer aaO; Trinkhaus aaO 395 f).

Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 4. Mai 1959, BGHZ 30, 98 die Ansicht vertreten, daß (für die Festsetzung des Ausgleichsanspruches des Handelsvertreters nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gemäß 89 b HGB) nur die Vermittlungs- und Abschlußprovisionen des Versicherungsvertreters zu berücksichtigen seien, nicht auch Inkassoprovisionen, Bestandspflegegelder und Verwaltungsprovisionen, und diese Ansicht in einer Reihe von weiteren Entscheidungen aufrechterhalten (siehe Schlegelberger aaO 769), was im deutschen Schrifttum zum Teil auf Kritik gestoßen ist (Schlegelberger aaO 770; Brüggemann in Staub aaO Rz 131).

Rechtliche Beurteilung

Weder die Ansicht, daß die Betreuungsprovision (für die vom Versicherungsvertreter selbst abgeschlossenen Geschäfte) in vollem Umfang eine Erfolgsvergütung für den seinerzeitigen Vertragsabschluß sei, noch die entgegengesetzte Ansicht, daß sie ausschließlich Entgelt für die laufend geleistete Betreuungs-(Verwaltungs-)Tätigkeit sei, vermag zu überzeugen, weil zwischen der Kundenbetreuung und dem Abschluß weiterer Versicherungsverträge mit diesen Kunden enge Wechselbeziehungen bestehen. Nur ein Teil der Tätigkeit eines Versicherungsvertreters betrifft den Abschluß von Versicherungsverträgen mit neuen Kunden. Ein sehr wesentlicher anderer Teil ist auf die Anpassung, Verlängerung (Erneuerung) von Verträgen mit bestehender Kundschaft, sowie darauf gerichtet, das Geschäft mit diesen Kunden durch Abschluß weiterer Versicherungsverträge (allenfalls anderer Sparten) zu erweitern. Wirtschaftlicher Zweck des Betreuens ist somit die Erhaltung, Erneuerung und Erweiterung des bestehenden Versicherungsbestandes. Ohne Betreuung der bereits geworbenen Kunden ist auf Dauer eine erfolgreiche Tätigkeit eines Versicherungsvertreters undenkbar. Der (gute) Versicherungsvertreter versucht durch gezielte Betreuung zu erreichen, daß die abgeschlossenen Versicherungsverträge während der gesamten Vertragsdauer aufrecht bleiben und zeitgerecht verlängert (erneuert) werden; er wird zu verhindern versuchen, daß der Versicherungsnehmer wegen Unzufriedenheit bestehende Möglichkeiten vorzeitiger Vertragsauflösung nützt und zur Konkurrenz abwandert; er wird ferner durch entsprechende Betreuung (Beratung) auch auf eine rechtzeitige Anpassung bestehender Verträge an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse (meist Erhöhung der Versicherungssumme oder Einbeziehung zusätzlicher Risken, verbunden mit höherer Prämienzahlung) hinzuwirken suchen. Schließlich wird die Betreuung auch dazu dienen, daß der Kunde seinen künftigen Bedarf an Versicherungsverträgen (auch anderer Sparten) bei demselben Versicherer deckt. Die Betreuung erstreckt sich wohl auch auf Tätigkeiten, die nicht unmittelbar zu einem neuen Geschäft mit dem Kunden führen (wie etwa die Beratung über gedeckte Risken; Hilfe bei der Abfertigung von Schadensmeldungen; Intervention bei der eigenen Versicherungsanstalt zur Erbringung von Kulanzleistungen etc), hat aber letztlich nun den Zweck, die bereits geworbenen Kunden zu erhalten und auch mit diesen den Geschäftsumfang tunlichst zu erweitern.

Die Schwierigkeiten der Zurechnung der vereinbarten Provision zu den vom Versicherungsvertreter erbrachten einzelnen Leistungen werden dadurch hervorgerufen, daß die neben einer Einmalprovision (Abschlußprovision) für die Vermittlung gewährten laufenden Provisionen nicht reine Verwaltungsprovision, sondern zugleich Vermittlungsprovision und laufende Verwaltungsprovision sind und beide Anteile ununterschieden in einem einheitlichen Provisionssatz zusammengefaßt werden (Brüggemann in Staub aaO Rz 132). Es wird also auch das Entgelt für die mit der Betreuung der geworbenen Kundschaft verbundene Mühewaltung in Form einer "Provision" bezahlt, obwohl für diese Leistungen bei einer isolierten Betrachtung gar kein Erfolgsentgelt gewährt werden könnte, weil Betreuen als solches nur Kosten verursacht und für sich allein keinen Geschäftserfolg bringt. Die Einbeziehung der Betreuung in das Erfolgsentgelt ist aber wirtschaftlich gerechtfertigt, weil der Versicherungsvertreter, der sich um seine Kunden bemüht, in aller Regel auch entsprechende Abschlußerfolge und damit ein leistungsgerechtes Provisionseinkommen erzielen wird.

Auch der Kläger bezog neben einer Erstprovision (Abschlußprovision) laufende Provisionen, die die beklagte Partei ausschließlich den vom Kläger erbrachten Betreuungsleistungen mit der Begründung zurechnen will, sie habe ein höheres Fixum und eine höhere Abschlußprovision als andere Versicherungsunternehmen bezahlt und die strittige Provision auch für die nicht vom Kläger geworbene Kundschaft gewährt. Ob in einer derartigen "Betreuungsprovision" auch Anteile an Vermittlungsprovision enthalten sind, kann nicht generell bejaht oder verneint werden, sondern ist durch Schätzung auf betriebskalkulatorischer Grundlage zu ermitteln (vgl. Brüggemann in Staub aaO Rz 132). Der Umstand, daß die dem Kläger bezahlte Erstprovision (Abschlußprovision) höher war als die Folgeprovision und auch etwas höher war als die von anderen Versicherungsunternehmen bezahlten Abschlußprovisionen, läßt noch keinen verläßlichen Schluß darauf zu, daß die Erstprovision eine Einmalprovision war und mit der periodisch gewährten Betreuungsprovision tatsächlich nur jene Verwaltungstätigkeiten abgegolten wurden, die der Kläger nach seinem Ausscheiden naturgemäß nicht mehr erbringen konnte. Auch eine höhere Erstprovision kann eine bloße Teilabgeltung und in den Folgeprovisionen daher ein Vermittlungsanteil enthalten sein (Brüggemann in Staub aaO, Rz 132, 133).

Es wird daher, allenfalls durch einen Vergleich mit den von anderen Versicherungsunternehmen gewährten Abschluß- und Folgeprovisionssätzen, zu ermitteln sein, ob das dem Kläger unter der Bezeichnung "Betreuungsprovision" gewährte Entgelt noch mit einem ins Gewicht fallenden Anteil eine Teilvergütung für die frühere Vermittlung von Versicherungsverträgen darstellt. Sollte dies der Fall sein, dann wäre die dem Kläger gewährte "Betreuungsprovision" in Wahrheit eine Folgeprovision im Sinne des Kollektivvertrages, weil die in der Versicherungswirtschaft bestehende Übung, die Bezahlung der Folgeprovisionen von der Verpflichtung des Versicherungsvertreters zur Betreuung des geworbenen Kunden abhängig zu machen, diesen Folgeprovisionen - für sich allein - noch nicht den Charakter eines Erfolgsentgelts für bereits abgeschlossene Verträge nimmt. Diese Frage hängt vielmehr davon ab, ob die Vermittlungsprovision schon durch eine (entsprechend hohe!) Erstprovision für die gesamte voraussichtliche Vertragsdauer abgegolten wurde.

Sollte die dem Kläger gewährte "Betreuungsprovision" in diesem Sinn auch noch ein Erfolgsentgelt für die Vermittlung bereits abgeschlossener Verträge darstellen, so kann seinem Anspruch nicht entgegengehalten werden, daß er infolge Auflösung des Dienstverhältnisses die Kunden nicht weiter betreuen und daher die Folgeprovision nicht mehr beanspruchen könne. Diese mit der Auflösung des Dienstverhältnisses zwangsläufig verbundene Folge muß den Kollektivvertragsparteien bei der Schaffung des § 6 Abs. 1 und 2 KV vor Augen gestanden sein. Die dortige Regelung hätte von den Kollektivvertragsparteien nicht getroffen werden können, wenn sie in der Bezahlung der Folgeprovision nur eine Abgeltung der Betreuungsleistungen erblickt hätten. Der Wegfall der weiteren Betreuungsmöglichkeit durch den ausgeschiedenen Versicherungsvertreter sollte vielmehr wohl durch die Kürzung der Folgeprovision auf die Hälfte ausgeglichen werden. § 6 Abs. 2 KV spricht somit dafür, daß die Kollektivvertragsparteien in der Weitergewährung der Folgeprovision nach Auflösung des Dienstverhältnisses eine Honorierung des aufrecht gebliebenen Vermittlungserfolges des Versicherungsvertreters gesehen haben, der bei den in der Versicherungswirtschaft üblichen Abschluß- und Folgeprovisionen durch den Wegfall der Betreuungsleistungen nicht zur Gänze aufgehoben wird.

Die besonderen Ausgestaltungen des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrages (durch Schaffung eines Leistungszulagensystems und Vereinbarung von Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung der vereinbarten Betreuungsverpflichtung) stehen einer Beurteilung der vereinbarten "Betreuungsprovision" als "Folgeprovision" nicht entgegen. Daß die dem Kläger gewährte Provision keine "Folgeprovision" sein könne, geht auch nicht daraus hervor, daß die beklagte Partei dieses Entgelt auch für die dem Kläger zur Betreuung zugewiesenen Kunden, deren Versicherungsverträge nicht durch seine Tätigkeit zustandegekommen waren, während des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses gewährte. Daß für diese Verträge kein Anspruch auf Weitergewährung von Provisionen nach Auflösung des Dienstverhältnisses besteht, ergibt sich schon aus § 6 Abs. 1 KV und wurde vom Erstgericht bei seinem auf "Eigengeschäfte" beschränkten Ausspruch unangefochten berücksichtigt.

War die zwischen den Streitteilen vereinbarte "Betreuungsprovision" in Wahrheit eine "Folgeprovision" im Sinne des § 6 KV, so konnte die beklagte Partei die nach dieser Kollektivvertragsbestimmung bestehende Verpflichtung zur Provisionszahlung nach Auflösung des Dienstverhältnisses nur durch eine für den Kläger günstigere Sondervereinbarung (§ 3 Abs 1 ArbVG) gültig abbedingen. Zur Prüfung dieser Frage wird gegebenenfalls ein Gesamtgünstigkeitsvergleich (im Sinne des § 3 Abs 2 ArbVG) zwischen den im Kollektivvertrag vorgesehenen Entgeltbestimmungen und dem dem Kläger nach den getroffenen Vereinbarungen zugekommenen Entgelt anzustellen sein.

Mangels Spruchreife war demnach das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E08022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00013.86.0304.000

Dokumentnummer

JJT_19860304_OGH0002_0140OB00013_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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