TE OGH 1986/3/20 12Os11/86

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Veröffentlicht am 20.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.März 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen 1) Harald W*** und

2) Erich S*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Harald W*** und Erich S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 20.November 1985, GZ 22 Vr 2066/85-108, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Über die Berufungen wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Erich S*** und Harald W*** zu I) des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und 2 StGB, sowie Erich S*** überdies zu II) des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Darnach haben

zu I) Erich S*** und Harald W*** in der Nacht vom 20. auf den 21.Mai 1985 in Stams in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen in einem 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich Gold- und Silberschmuck im Wert von ca 100.000 S, sowie Bargeld im Betrage von 33.000 S und Valuten im Betrage von umgerechnet 23.000 S dem Hubert S*** nach (richtig: durch) Einbruch in dessen Cafe "A*** S***" mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, sowie zu II) Erich S*** als Alleintäter eine falsche Urkunde, nämlich einen "total gefälschten" italienischen Führerschein im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, nämlich der Berechtigung zum Lenken von Fahrzeugen (richtig: von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Verkehrsflächen) und der Tatsache des ordnungsgemäßen Erwerbes und Besitzes des Führerscheines durch Vorweisen gegenüber Straßenaufsichtsorganen "und Sicherheitsbehörden" anläßlich von Verkehrskontrollen gebraucht und zwar a) im Frühjahr 1985 auf der Fahrt von Imst nach Innsbruck und b) am 22.Mai 1985 in Innsbruck. Harald W*** wurde von einem weiteren Anklagepunkt gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.

Beide Angeklagte bekämpfen das Urteil mit gesondert ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***:

Dieser ficht beide Schuldspruchfakten an; das Faktum I) aus den Nichtigkeitsgründen der Z 3 und 4 des § 281 Abs. 1 StPO, das Faktum II) lediglich aus der Z 3 der genannten Gesetzesstelle. Zum Faktum I):

Rechtliche Beurteilung

Unter Geltendmachung der Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO rügt der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 250 StPO, da - nach abgesonderter Vernehmung beider Angeklagten - er von den Angaben des Angeklagten W*** nicht in Kenntnis gesetzt worden sei. Nach dem ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll (S 328/II) wurde aber dem Angeklagten S*** die Verantwortung des Angeklagten W*** (sowie dem Angeklagten W*** die Verantwortung des Angeklagten S***) "vorgehalten",

dh bekanntgegeben, sodaß sich das diesbezügliche

Beschwerdevorbringen als aktenwidrig erweist.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt die Abweisung des Antrages des Angeklagten S*** auf Einvernahme der beiden anonymen Spaziergängerinnen als Verstoß gegen den in § 252 StPO normierten Grundsatz der Unmittelbarkeit des Strafverfahrens. Die Nichtentbindung der erhebenden Gendarmeriebeamten von ihrer Verschwiegenheitspflicht hätte das Gericht nicht hindern dürfen, die materielle Wahrheit auf andere Weise zu erforschen; es hätte nur der Pfarrer von Stams namens Michael F*** zur Identität der beiden Personen befragt werden müssen.

Dem ist zu erwidern, daß der Beweisantrag S*** auf den Nachweis abzielte (S 345/II), daß er (der seine Anwesenheit in Stams mit einer Person namens "A***" - S 363/II - zugegeben hat) "nicht mit W*** am Tatort war". Selbst für den Fall eines insoweit positiven Beweisergebnisses wäre dadurch für den Angeklagten S*** nichts gewonnen: Denn für seinen Schuldspruch ist es ohne Bedeutung, ob er in Gesellschaft des Mitangeklagten W*** oder einer anderen Person "am Tatort war", zumal der vom Beschwerdeführer im Beweisantrag gezogene Schluß, er komme - wenn er "nicht mit W*** am Tatort war" - "auch nicht als Täter in Frage, weil die Tat von zwei Personen verübt wurde", einer logischen Begründung entbehrt. Das Beweisthema betrifft sohin insoweit einen für den Schuldspruch des Antragstellers nicht entscheidungswesentlichen Umstand. Sofern durch den Antrag indes bewiesen werden sollte, daß die beiden Frauen "keine Wahrnehmungen zu einem Einbruch gemacht haben" (S 345/II), ist der Beschwerde zu erwidern, daß das Erstgericht ohnedies hievon ausgegangen ist (S 405/II).

Durch die Unterlassung der Einvernahme des Pfarrers von Stams als Zeugen kann sich der Angeklagte S*** nicht beschwert erachten, denn dessen Vernehmung hat er nicht beantragt. Letztlich verfiel auch der Antrag auf Einvernahme des Alberto A*** zu Recht der Ablehnung. Der Genannte sollte zum Beweise dafür vernommen werden, daß S*** über das telefonische Ersuchen des Zeugen nach Stams gefahren sei. Das Erstgericht wies diesen Beweisantrag mit der Begründung ab, daß nach der Verantwortung des Angeklagten dieser Anruf zwischen 21,45 Uhr und 22 Uhr erfolgt, das Auto des Beschwerdeführers aber bereits um 21,30 Uhr in Stams gesehen worden sei. In den Entscheidungsgründen des Urteils (S 393 f/II) vertritt das Schöffengericht die Ansicht, "die Geschichte mit diesem Alberto" sei frei erfunden.

Auch durch dieses Zwischenerkenntnis wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt. Selbst wenn nämlich Alberto A*** telefonisch ersucht hat, daß der Angeklagte S*** nach Stams fahren möge, schließt dies keinesfalls aus, daß S*** die Fahrt nach Stams auch mit dem Vorsatz durchgeführt hat, dort einen Einbruchsdiebstahl zu begehen, wie dies das Erstgericht angenommen hat. Läßt das Thema eines Beweisantrages unter Annahme seiner Erwiesenheit kein für den Antragsteller günstigeres Ergebnis zu, als vom Gericht tatsächlich angenommen, wird dieser durch die Ablehnung dieses Beweisantrages in seinen Verteidigungsrechten nicht verkürzt. Wenn die Verfahrensrüge nunmehr allerdings ins Treffen führt, der Angeklagte S*** wäre nur auf Ersuchen A*** nach Stams gefahren, ist ihr zu entgegnen, daß dieser Umstand nach dem Wortlaut und Sinngehalt des abgewiesenen Beweisantrages nicht dessen Beweisthema war. Diese Verfahrensrüge enbehrt mithin einer gesetzmäßigen Ausführung, weil das im Beweisantrag genannte Beweisthema nicht mit jenem übereinstimmt, auf das die Beschwerde abstellt.

Zum Faktum II:

Hier bemängelt der Beschwerdeführer, daß das Erstgericht die Aussage seiner Gattin vor dem Landesgendarmeriekommando für Tirol, bei der sie über die Möglichkeit, sich der Aussage zu entschlagen, nicht belehrt worden sei, dem Schuldspruch zugrundegelegt hat, obwohl Bozena S*** in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht hat.

Es trifft zwar zu, daß im Schrifttum (vgl insb Bertel, Grundriß des Strafprozeßrechts, 2. Auflage, 152 f; Lohsing-Serini Österreichisches Strafverfahrensrecht, 288 f; Platzgummer, Grundzüge des österreichischen Strafverfahrens, 76) die Ansicht vertreten wird, eine solche Vorgangsweise wäre unzulässig. Demgegenüber ist jedoch nach einhelliger Rechtsprechung - von der abzugehen der Oberste Gerichtshof keinen Anlaß findet - die Verlesung der Aussagen von Auskunftspersonen vor den Sicherheitsbehörden, selbst wenn sie dort über ein ihnen zustehendes Entschlagungsrecht nicht belehrt wurden, in der Hauptverhandlung zulässig, wenn diese Personen in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machen (vgl die bei Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 44 zu § 152 angeführten Judikaturzitate sowie Foregger-Serini, StPO3, 291). Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*** kommt daher in keinem Punkt Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W***:

Diese stützt sich auf die Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO. Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund erblickt dieser Beschwerdeführer in der Tatsache, daß das Erstgericht ihn während der Vernehmung des Angeklagten S*** und der Einvernahme mehrerer Zeugen gemäß § 250 Abs. 1 StPO abtreten ließ. Diese Ermessensentscheidung des Schöffengerichtes ist als prozeßleitende Verfügung unanfechtbar und nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfbar. Lediglich die Unterlassung der Mitteilung über all das, was während der Abwesenheit des Angeklagten vorgenommen wurde, ist mit Nichtigkeit bedroht (§ 250 Abs. 2 StPO).

Der in diesem Zusammenhang vorgebrachte Einwand, das Erstgericht habe es unterlassen, den Angeklagten zu befragen, ob er auf Beeidigung der Zeugen verzichte, ist verfehlt. Denn gemäß § 247 Abs. 2 StPO findet eine Beeidigung von Zeugen unter anderem nur auf Verlangen des Angeklagten statt. Nur am Rande sei erwähnt, daß ein Verstoß gegen § 247 Abs. 2 StPO mangels Zitierung dieser Gesetzesstelle in § 281 Abs. 1 Z 3 StPO nicht mit Nichtigkeit bedroht ist.

Auch die Verfahrensrüge (Z 4) des Angeklagten W*** versagt. Dieser hat sich dem - für seinen Schuldspruch allenfalls bedeutsamen - Beweisantrag des Angeklagten S*** (S 345/II) angeschlossen (S 346/II). Um Wiederholungen zu vermeiden, ist zunächst der Beschwerdeführer W*** auf die Erwiderungen zur Verfahrensrüge des Angeklagten S*** zu verweisen.

Darüber hinaus aber ist der Antrag ebenso wie jener "auf Ladung der unbekannten Zeugen" (S 362/II) - von vornherein nicht zielführend. Denn der Antrag "auf Ausforschung und Vernehmung der beiden bisher anonym gebliebenen Zeugen" zielte - mangels präziser Angabe, auf welche Weise die Ausforschung der Zeugen durchgeführt werden sollte - auf die Einschaltung der Sicherheitsbehörden ("Ausforschung") ab. Nach Lage des Falles war aber die begehrte Ausforschung im Wege der Sicherheitsbehörde nicht möglich, eine Entsprechung des Beweisantrages daher aussichtslos (vgl E Nr 14 zu § 151 in Mayerhofer-Rieder, StPO2).

Ein (möglicherweise zielführender) Antrag auf Vernehmung des Pfarrers von Stams, der unter Umständen (sofern ihm die Zeugen überhaupt namentlich bekannt waren und er sich an die zufällige Begegnung mit ihnen am 20.Mai 1985 noch erinnert) die Namen der in Rede stehenden Zeugen kennt, wurde aber vom Angeklagten W*** nicht gestellt.

Der von W*** in diesem Zusammenhang weiters erhobene Vorwurf, es gehe nicht an, "daß die Ergebnisse der durch das Gericht nicht nachvollziehbaren Recherchen als einzige Basis für eine Verurteilung ausreichen", stellt sich als unzulässiger Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung dar und geht daher - auch unter dem Gesichtspunkt einer Mängelrüge - ins Leere. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus in seiner Verfahrensrüge auch auf die vom Gericht abgelehnte "Vernehmung des Begleiters" der beiden anonymen Frauen abstellt, ist ihm entgegenzuhalten, daß er einen darauf abzielenden Beweisantrag nicht gestellt hat, weshalb es schon an den formellen Voraussetzungen für eine gesetzmäßige Verfahrensrüge mangelt.

Wenn W*** überdies eine unvollständige Befragung der Zeugen Josef G*** und Manfred F*** behauptet und unter diesem Gesichtspunkt die Abweisung seines Antrages auf "ergänzende Vernehmung" (S 436/II) rügt, ist ihm entgegenzuhalten, daß er einen Antrag auf ergänzende Vernehmung des Zeugen F*** überhaupt nicht gestellt und den Zeugen G*** zu einem anderen als dem in der Nichtigkeitsbeschwerde relevierten Beweisthema (Farbe der Hose des Angeklagten W*** und deren Verätzung und Zerstörung durch Batteriesäure - S 362/II, Punkt 3) aufgeboten hat. Darüber hinaus wäre es Sache des Verteidigers gewesen, an die in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen die ihm zweckmäßig erscheinenden Fragen in Ausübung seines Fragerechtes (§ 249 StPO) zu stellen. Letztlich versagen aber auch die Einwände in der Mängelrüge (Z 5), da sie nicht vom tatsächlichen Urteilsinhalt ausgehen. Urteilsfremd ist nämlich die Behauptung der Beschwerde, das Erstgericht habe angenommen, die Tat wäre nicht unbedingt zu der Zeit, als die Spaziergängerinnen durch den Ort unterwegs waren, sondern später verübt worden; das Erstgericht hat vielmehr ausgeführt (S 405/II), daß der genaue Zeitpunkt des Einbruchs nicht eruierbar ist.

Gleiches gilt für die Behauptung des Beschwerdeführers, der oder die Täter müssen eine "genaue Kenntnis der Räumlichkeiten" gehabt haben und die Unterstellung, das Erstgericht "vermute", der Angeklagte W*** könne diese Kenntnis vom Zeugen H*** gehabt haben. Derartige Annahmen enthält das Urteil - auch seinem Sinngehalt nach - nicht.

Somit erweist sich auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Harald W*** zur Gänze als nicht begründet. Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zum Teil als nicht gesetzmäßig ausgeführt, zum Teil als offenbar unbegründet sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Über die Berufungen wird in einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Anmerkung

E21569

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00011.86.0320.000

Dokumentnummer

JJT_19860320_OGH0002_0120OS00011_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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